Abbruch oder Rettung in letzter Minute? Das ist die Frage: Das Tauziehen um das Wiener Ronacher ist jedenfalls zu einem akuten Fall geworden. Gerüchte verdichten sich, daß alle Verhandlungen und Gespräche auf eine Demolierung hinauszulaufen drohen. Denn wer will sich schon das millionenträchtige Geschäft mit der Errichtung eines gewaltigen Betonbürokastens mit Garagen an diesem Standort entgehen lassen?Zwar wedelt man im Wiener Rathaus immer noch verführerisch mit einer Zehn-MiUionen-Schilling-Sub-vention, die man dem kühnen Ronacher-Retter zu zahlen bereit ist. Aber was ist das schon
Topmanager gesucht! Einer, der fünfzig Jahre aufholt, die in Wien versäumt, verschlafen, ignoriert wurden, fünfzig Jahre in der Entwicklung der Kunst in aller Welt, die an Wien zum Teil spurlos vorübergegangen sind. Gesucht wird ein Wunder der Organisationskunst, des Managements, der Phantasie, Geld aufzutreiben, der Überredungskunst und Uberzeugungskraft, große Sammler anzuzapfen, damit sie Kunstwerke borgen oder schenken, der Diplomatie und der Geschicklichkeit, um aus - leeren! -Ministeriumkassen Geld herauszuquetschen, wenn es darum geht, wichtige Kunstwerke zu erwerben. Ein solcher
Die Würfel sind gefallen. Nach langem Tauziehen um die Gründung eines Museums für moderne Kunst, das vor allem die deutsche Sammlung Ludwig, wahrscheinlich auch den Nachlaß Fritz Wotrubas, neue Bestände des Kunsthistorischen Museums und eine Menge aus den überquellenden Depots des Museums des 20. Jahrhunderts aufnehmen soll, liegt die Entscheidung vor. Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg hat sich für den prunkvollen Barockpalast der Liechtensteins am Aisergrund entschieden. Und vor allem der Wien zugedachte Teil der berühmten Sammlung Ludwig soll so rasch wie möglich - also noch
Sie machten es sich alles andere als leicht: Sie tüftelten und deutelten an der Kunst nicht wenig herum. An kunstvoll gefügten Worten fehlte es denn auch nicht, um manchen Gemeinplätzen den intellektuellen Wortaufputz maßzuschnei-dern, und alles, was bis vor kurzem noch fraglich schien, als das Endgültigste der Welt ins Licht eines Systems zu rücken. Denn als die Ausstellung „Logische Kunst“ anläßlich des 2. Internationalen Wittgenstein-Symposions in Kirchberg am Wechsel noch dazu diente, das Spannungsfeld zwischen „analytischen Philosophen und den logischen Künstlern“ anzudeuten und ins Gespräch zu bringen, trug der Titel hoch ein Fragezeichen: „Logische Kunst?“
Nach der Reihe internationaler Ausstellungen, von Boro- budur bis zur italienischen Avantgarde, treten wieder die Österreicher ein bißchen mehr in den Vordergrund. Allerdings zu Recht. Denn im Angebot der Wiener Galerien sind auch sehenswerte Ausstellungen, die zeigen, daß sich in der Wiener Kunstszene wieder etwas ereignet: Zwar fernab von den Renommierten, den Stars, die nur noch darauf schauen, ihre Preise gegen den Abwärtstrend hochzuhalten, aber gerade deswegen nicht minder interessant. Denn da kündigt sich - gemessen an der Situation - doch auch Neues an, eine mehr „malerische Malerei”, in der es nicht um Realismus, nicht um intellektuelle Konzepte, nicht um Fabulierlust oder ähnliche Probleme geht.
Man hat sich in Salzburg endlich aufgerafft: das alte Projekt, nach Cavalieris sensationell erfolgreicher „Rappresen- tatione de Anima et de Corpo” wieder in der Felsenreitschule eine geistliche Oper herauszubringen, ist Wirklichkeit geworden. Stefano Landis Dramma musicale in drei Akten „II Sant’Alessio” nach Giulio Rospigliosis mystischem Text hatte als Eröffnungspremiere der Salzburger Festspiele ihren Einstand. August Everding inszenierte, Jean Pierre Ponnelle baute das Bühnenbild, Peter Maag dirigierte das Werk in einer Neufassung des Musikwissenschaftlers Hans Ludwig Hirsch. Den überwältigenden Eindruck, den Herbert Grafs legendäre „Rappresentatione” hinterlassen hat, kann ich diesem „Heiligen Alexius” allerdings nicht nachsagen.
Eine schier endlose Kette von Einfällen, von denen ein jeder Bewegung wird... Einfälle und Ideen, Assoziationen, die John Neumeier kommen, wenn er Gustav Mahlers III. Symphonie hört; Bilder, die sich ihm dabei aufdrängen, die ihn vielleicht sogar bedrängen. Ketten aus Menschen, Pyramiden, die aus Tänzern gebaut werden, Wasserstrudel, in deren Sog alles hineingezogen wird, Engelsgestalten, die durch ein Schlachtfeld schreiten, wenn zu Mahlers Trauermarsch Körper im Gleichklang zucken und gegeneinanderschlagen, erstarren und sich wieder lösen, sich zu einem Knäuel verschlingen und gleichsam explodieren... Und gleichgültig, was Neumeier damit auch alles sagen will: Er tut dies immer mit den Elementen des Tanzes und der Geste, die zu Mahlers Musik Gegenpol ist. Tanz ist sich selbst genug.
Wiens Musikalischer Sommer 19 77“ liegt bereits jetzt, knapp nach Jahresbeginn, fix und fertig geplant und ausgedruckt vor. Beethoven (150. Todestag) und Josef Strauß (150. Geburtstag) hat man sich als Programmregenten erkoren, da ja ohne solche Termine Konzertprogramme offenbar kaum noch zusammenzustoppeln sind. Oder nur noch mit einer Phantasie- strapaz über Gebühr. Zwischen 1. Juli und 29. August werden sie uns also wieder in kalten und heißen Sommernächten aufspielen, im Arkadenhof des Wiener Rathauses die Symphoniker und Tonkünstler, das RTV-Orchester Lai- baęh und das
Streik der Akademie der bildenden Künste: Mehr als 200 Studenten diskutieren sachlich ein Forderungsprogramm. Schmieraktionen gegen Professor Roland Rainer haben an Türen und Wänden und in der Gesamtstimmung Spuren hinterlassen. Die Hochschülerschaft versucht, soweit möglich, Presse und Rundfunk und Fernsehen zu informieren, die erst jetzt auf Mißstände aller Art an Österreichs Kunsthochschulen aufmerksam werden. Dennoch: der Streik verläuft ruhig. Weil er mehr „Warnung” sein soll als endgültiger Bruch mit der Hochschule. Daß freilich das System der österreichischen Hochschulen in eine Krise geraten ist, daran zweifelt niemand. Wie war es dazu gekommen?