Du mit dem Bück eines Kindes und der Kraft eines Riesen, wie liebten wir dich! Welch ein Stolz, durften wir Knirpse dein Leitseil halten, gar: durften wir dich an der Halfter nehmen! Mütterliche Sanftmut, sähest du auf uns herab, ein Gulliver der Güte. Was für ein lebend-bebender Mut, dir auf flacher Kindeshand Brot zu reichen und deine Lippen zu fühlen, kosender, warmer Samt! Welcher Aufblick dann zu den Großen, welch Aufatmen und welches Selbstgefühl, war das kunsthafte Wagnis gelungen!Einmal schenktest du mir ein heroisches Bild. Im Ort waren — noch kaiserliche! — Soldaten, und
Meine Kindheit spielte im Pülkäutal, abseits der großen Stadt, darin die bewegenden Ereignisse ausgeheckt oder gesammelt werden, abseits der Länder Salzburg, Tirol, Steiermark, Kärnten, diesen klingenden, bilddichten Namen, abseits auch landeigener örtlichkeiten, denen der Raum oder der Mensch Nimbus und Geltung schafft. Das Pulkautal hat fruchtbare Böden und fleißige Leute, aber der gestaltenreiche Weltgang, der mich lockte, erreichte es nicht. Wehmütig eifernd nahm ich in der Schule wahr, daß all die gebietenden Stimmen und Kräfte nicht unserem Wein-Korn-Land galten. Zudem konnte
Was schreiben nicht alles die Zeitungen!„In der Nähe des Grenzortes Blaustauden, wo die Pulkau in die March mündet, nahmen tschechische Grenzorgane zwei badende Österreicher fest.“ — Seit die österreichische Welt steht, mündet bei Blaustauden die Pulkau in die Thaya und die Thaya hei Hohenau in die March. Und dies alles bloß eineinhalb Autostunden im Norden von Wien.„Der mit vielen Sandreliefs geschmückte Weberkeller in Röschitz ist der interessanteste Weinkeller des Waldviertels.“ — Im Waldviertel scheint es im allgemeinen keine bäuerlichen Weinkeller zu geben, da es
1920; Jedes Kind kennt den Halterkneckt, jenen Erbarmungswürdigen, der, seinen armseligen Lohn aufzubessern, auch zu feiertagsloser Zeit von Haus zu Haus geht, Glückwünsche zu sagen:Bin in der Christen herrenweiter Welt — genützt, verlacht, begönnert und verspottet — von Kind auf an den Rand des Seins gestellt.In Dunst und Düngerruch gestoßen, trottet mein Herz durch Leut und Heimat heimatlos.Der Kirtag bläst und jauchzt. Hochzeiten prunken.Die Taufen sind ein Fest. — Mein Fuß steht bloß im Tau der Wiesen. — Glüh'nde Traumesfunken, den Nächten reich entstürzt als Angebind
Wir hatten in der Schule das Lied gelernt „Nun scheiden wir mit Sang und Klang, du schöner Wald, ade…“ und die Verse „Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben …“. Wenn solche Herrlichkeit draußen versammelt wär, daß man darüber dichtete und sang, mußte ich .mir, was so billig zur Hand lag, ansehen. Ich zog durch Felder und Weingärten, und dann hatte mich plötzlich das grüne Wunder aufgenommen. Als ich noch keine zehn Schritte zwischen Haselbüschen und Eichen gegangen-war, im- Gelüft ungeahnten Laubduftes und frischäugiger Blumen, sprang ein Mann auf
Nahe dem Wald gehen wir eine Zeile machtvoller Kirschkronen entlang. Plötzlich gerät Unruhe zwischen die breiten, glattgerundeten Stämme. Farbig fällt es gegen das Gras, schwingt empor zum nächsten Baum, unterteilt aber die Bogen von Krone zu Krone in kleine wiegende Schwünge. Zwei Wiedehopfe fliegen Doppelgirlanden, immerzu vor uns her und immerzu auf gleiche Entfernung vom nächsten Kirschbaum ab. Weil wir nur auf sie sehen, brauchen wir einige Zeit, bis wir ihnen dahinterkommen. Hoher Sommer ist, aber oben in den Bäumen hängen noch viele Kirschen, die süßesten. In den erdigen
Die dreißig Ravagsendungen „Plauderei am Gartenzaun“, in drei Jahren geführt, waren der stärkste und schönste Zuspruch, den die bäuerliche Welt seit langem erfuhr. Stimmungsvoll eingeleitet durch das zeichenhaft wirkende Arbesbacher Bauernquaftett, bedeuteten sie eine „ausgesparte Stille", ein Stätte der Arglosigkeit und Geborgenheit. Das herzhafte Gespräch im farbigen Heimatlaut war immer wieder ein beschenkendes Begegnen zwischen Bauer und Bauer, zwischen bewahrtem Dorf und landverbundener Stadt und jedesmal auch ein prüfendes Beraten zwischen Erziehern, Volksbildnern und allen
Ich trug meinen Namen vorerst ohne Verhängnis und ohne Mißbehagen. Allein schon zu den ersten Gelegenhelten, die mich aus sorgsamer Umhütung auf die Straße führten, und mehr noch an den ersten Schultagen zeigte es sich, daß ich allein stand mit meinem Schild: „Lois hoaßt? Ha! Wos war denn dös für a Noma? I hoaß Fronz wia da Kaisa. Auf mein' To(g) geh man min Fohn in dö Kirchal“Dies war eine stolze Rede. Sie forderte Ehrerbietung und ich kam mir armselig vor. Die Mutter verwies meine Klage und holte die höchste ihr bekannte Autorität zu Hilfe. Dies sei der Patron der Jugend,
In betrachtender Eile summt unser Auto über die schlichten Kehren der erdigen Landstraße. Vor uns liegen zwei mächtige Wälle, ein naher grüner und dahinter ein blauer, das Leithagebirge. Sanfte, fruchtbare Bodenwellen ziehen uns entgegen oder kreisen um unsere einsame, schräg nach Osten weisende Bahn.Dann heben sich aus fettdunklen Ackern tausendblättrige Weingärten, flimmergrün, goldbraun, herzdunkelrot. Eine neue Erdschwelle nimmt uns auf, trägt uns leicht nach oben und aus der nachfolgenden Senke wächst ein gedehntes Dorf. Über ein rasenüberwuchertes Wehr sickert dünnes,
Es war ein stummer Sonntag geblieben. Da schlugen die Mädchen vor, wir sollten einspannen.Der Wald nahm uns auf wie ein feierlicher hoher Saal. Ragende Pappeln sahen schweigend auf uns, versunkene Hochzier einst landweiter Straßen. Dazwischen säumten uns starke Robinien, leicht im Windhauch spielende pannonische Tracht. Feld und Weinberg waren versunken, Wald und Himmel boten sich kronengrün, weitenblau, wolkenweiß.Dann standen wir auf dem Mailberger Buchberg. Im Norden der Pulkauboden sah uns an wie ein fröhliches Wesen voll Offenheit, Weite und Helle. Znaim, übertürmt, leuchtete uns
Die Vielfalt unseres Bodens ist unser Reichtum und unser Verhängnis. Man müßte viel Zeit aufwenden — wer hätte sie? —, um die eigentümliche Atmosphäre jeder unserer Landschaften tief und nachhaltig an sich zu erfahren. Es wird deshalb schwerlich jemals den niederösterreichischen Dichter geben. Immer wird man von einem Sänger der Waldmark, von einem Gestalter der Donaulandscbaft, von einem Dichter des Alpenvorlandes sprechen. Immer wird deshalb auch die Wirkung niederösterreichischer Heimatdichtung auf einzelne Teile Niederösterreichs begrenzt sein. Stelzhamer ist der
Über meiner Bubenzeit stand oft eine feindselige Wolke. Niemand hieß so wie ich und mancher machte über meinen Taufnamen boshafte Späße. Daß ich ihn vom Großvater hatte, daß dieser Tiroler und 1848 mit fünfzehn Jahren aufgebotener Schwazer Standschütze gewesen war und daß wir seine silberne Medaille mit dem griimweißen Band daheim aufbewahren, was nützte mir dies?Ein Freund und ich waren in Kärnten und wollten nach Osttirol auf den Hochschober. Lienz bot uns eine schöne, echt tirolische Rast — mit Rotwein in kleinen, ziervollen Fläschchen — und dann ging’s höhenauf durch
Da war die stille, Her Seele gestiftete Zeit gekommen und mit ihr ein Neues, das Bibliotheksbuch. Zuerst machten wir verdutzte Gesichter, als wir diesen Namen hörten, denn wir wußten nicht, was wir uns darunter vor- stellen sollten. Aber die, die schon das zweitemal in der Klasse waren, deuteten uns vielversprechend zu.Das Bibliotheksbuch war ein Geschwisterkind des Lesebuches. Und was für eines?Das Lesebuch war kalt und grau, ein verdrossenes Muß, und wenn es ans Auswendiglernen ging, konnte es einem sauer und zum Verhängnis werden. Hatte der Lehrer einen bösen Einfall, wurde er
Zwei kleine Mädchen, blond und braun, in farbmüden, flüchtig zusammengenähten Alltagskleidern, sitzen in einer Sandgrube. Wir zwei Buben tragen ihnen Schürze um Schürze voll Mülibatzen zu, und jede flicht daraus zwei glühende Bänder, ein kurzes und ein langes. Voll hellem Eifer und mit warmen Wangen sind sie über das kunstvolle Geflecht geneigt und setzen sorgsam, fest, gewandt und flink Blume neben Blume. Heute noch siehst du aus ihren kleinen, begeisterten Händen die vollen, goldenen Strähne fließen, siehst du auf der Rückseite das schöne Flechtmuster zahlreich gebüscheiter
Wie pures Gold steht die Sonne am Himmel und der Schnee auf der Erde lacht, blitzt, glüht. Da leidet es dich nicht daheim. Durch die vertraute Kellertrift geht es, wo links und rechts die gedrungenen, geweißten, bloß luckendurchbrochenen Preßhäuser stehen, neben-, übereinander. Denn eine Trift im Weinland ist ein enges, schmales Tal. Vor und hinter dir gehen Männer in dunklen Pelzen, braunen odei grauen Teufelshauthosen, hohen, schweren, weit- schäftigen Stiefeln, unter sonngebleichten Hüten. Am gebeugten Arm tragen sie ein altes Herkommen, das Zeichen ihres Standes und
Dein Ziel ist ein Feldweg, darin sonst nur die Bauern gehen oder mit ihren Rossen und Kühen fahren. Blaue, mildleuditende Berge jtehen tief im Hintergrund, zwischen dir und ihnen grüne, dienende Erde. Die Welt ist hier sorgfältig abgemessen und hat überall, Feld um Feld, ihren Anfang und ihr Ende. Zudem ist der Weg nicht zwei Männer tief, nicht eingeschlossen in leuchtende lößgelbe Wände. Bloß knietief, unansehnlich schneidet er die welligen Äcker. Zwei spannbreite, staubhohle Gleise durchziehen ihn, dazwischen und an den Hängen stehen Gräser, die hohen schütter, die niedrigen
Die selbstgerechte, bedeutungsvolle Welt hält sich dies Bauernland nicht im Bewußtsein. Voll Fruchtbarkeit kümmert es in guten Zeiten keinen. Dies hat sein Sdalechtes: niemand schenkt dem Land ein Aug'. Dies hat sein Gutes: man läßt uns in Frieden.Ihr steht auf dem Hausleitenhügel, eine halbe Gehstunde nördlich der Pulkau und etwa dreißig Meter darüber. Hinter euch Wellen Korn, Wellen Wein. Zuletzt eine mächtige steile Stirn, der Lamplberg, ehemals Schauplatz berühmter Weinmärkte. Tief rückwärts ein erdblauer Streif: mäh-risdier Boden.Der Lamplberg mißt 295 Meter, doch siehst
Es ist ein Bild, das sich nicht beschreiben läßt, das man zeichnen müßte mit der feinsten Feder. Es ist die Straße zwischen Obritz und Hadres. Es liegt Schnee im Pulkauboden, weißblanker Schnee, hellicht, kühl, unendlich. Schuh- und Radspuren haben ihn auf der Straße eingedrückt, auf den Äckern liegt er mollig und weich. Genau in der Wegmitte zwischen dem Markt und dem Dorf stehen über einer Mariensäule drei Linden, verwachsen zu einer einzigen rötlichbraunen, zartverstrahlenden Krone. Draußen, im Süden, schläft groß die vierfache Welle des Buchbergs, versteinertes,