Wir dürfen hier einen sehr alten Text begrüßen. Und ich meine nicht den "Goldnen Esel" selbst, den lateinischen Roman eines griechischsprachigen Nordafrikaners -der ist ja uralt, im 2. Jh. n. Chr. geschrieben. Ich meine die Übersetzung von August Rode (1751-1837), die 1783 erstmals erschienen ist und zwanzig Neuauflagen erlebte. Unsere, die einundzwanzigste, ist das 400. Buch der Anderen Bibliothek, und es ist kaum nötig zu sagen, dass die Ausstattung des Buchs entsprechend ist.Rode verbrachte sein ganzes Leben in Dessau, wenn er nicht gerade einen der Anhalt-Dessauischen Herzöge Leopold
Sein ossetischer Name ist Gaito, den machte er zu seinem Autorennamen: Georgij Iwanowitsch Gasdanow wurde 1903 in Sankt Petersburg geboren, verbrachte seine Kindheit in Sibirien, ging in Südrussland (Poltawa, Charkow) zur Schule, kämpfte als 16-Jähriger im russischen Bürgerkrieg auf der Seite der "Weißen" als Gemeiner eines Panzerzuges. Mit den geschlagenen Soldaten der Weißen Armee ging er über die Krim in die Emigration -der übliche Leidensweg: Konstantinopel, Bulgarien, Frankreich.Im heißgeliebten Paris verbrachte Gaito Gasdanow den Großteil seines Lebens -als Student und
Wir heben Gräber in die Luft und siedeln Mit Weib und Kind an dem gebotnen Ort. Wir schaufeln fleißig, und die andern fiedeln, Man schafft ein Grab und fährt im Tanzen fort.ER will, daß über diese Därme dreister Der Bogen strenge wie sein Antlitz streicht: Spielt sanft vom Tod, er ist ein deutscher Meister, Der durch die Lande als ein Nebel schleicht.Und wenn die Dämmrung blutig quillt am Abend, Öffn' ich nachzehrend den verbißnen Mund, Ein Haus für alle in die Lüfte grabend: Breit wie der Sarg, schmal wie die Todesstund.ER spielt im Haus mit Schlangen, dräut und dichtet, In
"Liebliche &gelbe Pfade, & schließlich nähert sich das Gebirge ... aufgeschichtet von den Geschieben des Bergbaches. Von weitem, dies Pseudo-Loire-Schloss: fünf weise hohe Pagodentürme." Der Rhythmus, die feine Melodie dieser Sätze rufen so eine Beglückung hervor, dass der Leser vom Sinn, sogar vom Bild von Zeit zu Zeit abgelenkt wird und einfach vergisst: Worüber? Wozu? - Das ist kein Nachteil, das ist sogar ein Vorteil. Selten ist heutzutage Prosa so schön. Ich zumindest habe seit langem nicht mehr so feine essayistische Prosa auf Deutsch gelesen, nur vielleicht den mexikanischen
In Bachtschyssaraj, der alten Hauptstadt der Krimtataren, in der und um die herum die meisten Tataren wohnen, die Anfang der 90er-Jahre aus der zentralasiatischen Verbannung zurückgekehrt sind, kann man ein Auto für die Reise nach Çufut Qale mieten. Ein Mann mit gigantischem Sonnenhut vermittelt Autos, sammelt Geld, organisiert Abendessen (alles selbstverständlich schwarz) und ist überhaupt sehr geschäftstüchtig. Ein junger Fahrer kommt, fast noch ein Kind, und nimmt uns mit auf die Reise. Eine sehr mühsame Angelegenheit, mit einem alten sowjetischen Militärauto ohne Seitengläser zu
Geboren wurde Debora Vogel 1900 im österreichischen Lemberg, das nach dem Ersten Weltkrieg polnisch wurde -auf Geheiß der Entente und durch den eigenen Sieg über die ukrainischen Nationalisten. 1939 ging Galizien mit seiner Hauptstadt an die UdSSR: Die sprachbegabte Debora Vogel begann bereits, das Ukrainische zu lernen, aber dann überfiel Nazideutschland die Sowjetunion. In Lemberg hatten sich ca. 260.000 Juden angesammelt, viele waren aus Polen vor den deutschen Truppen geflohen. Die sowjetischen Behörden versuchten, die Bewohner Lembergs, des alten ruthenischen Lwows, ins Hinterland zu
"In dieser Welt ist alles Bedingte unbedingt, alles Hypothetische kategorisch, alles Mögliche unzweifelhaft - und umgekehrt: Unbedingtes kann bedingt werden. In ihr gibt es sogar eine bedingte Unbedingtheit: die Prädestination der Moiren."(Jakow Golossowker) Es gibt Bücher, bei denen man nur staunen kann: Warum sind sie noch nicht ins Deutsche übersetzt worden? Ich meine selbstverständlich nicht Belletristik: Wir haben jedes Recht, Sprüche wie "Der bedeutendste Autor ...lands" mit Nichtbeachtung zu strafen.Nein, ich spreche über die Geisteswissenschaften, in diesem Fall über die
Es gibt in China bekanntlich "vier klassische Romane", eigentlich "vier berühmte Prosawerke": "Die Drei Reiche" (um 1390) von Luo Guanzhong, "Die Räuber vom Liang-Schan-Moor" (um 1573, stammt vermutlich auch von Luo Guanzhong, erschien aber später), "Die Reise nach Westen" (1590) von Wu Cheng'en (Leser dieser Kolumne kennen schon den verspielten König der Affen und seine skurrilen Freunde) und "Der Traum in der Roten Kammer"(um 1750 bis 1792) von Cao Xueqin. Das Wort "Romane" ergibt wenig Sinn, es demonstriert nur die westliche Gewohnheit, alles Fremde an eigene Begriffe anzupassen und
Es freut den Autor dieser Zeilen -auch aus familiären Gründen -, wenn Übersetzungen aus dem Jiddischen erscheinen. Die jüngste Übersetzung ist wahrscheinlich der "kleine Roman" "Montag" von Moyshe Kulbak (1896-1937). Kulbak wurde in Smorgon geboren, damals Gouvernement Wilna des Russischen Reiches (heute Grodno-Gebiet in Weißrußland), ging auf eine staatliche jüdisch-russische Schule, studierte dann an drei verschiedenen Jeschiwot, arbeitete als Lehrer in einem Waisenhaus. Nach der Revolution begann für ihn das Wanderleben: von Minsk nach Wilna, dann nach Berlin. 1923 kehrte er nach
Ein buddhistischer Mönch wird vom Kaiser nach Westen, das heißt von China aus gesehen: nach Indien geschickt, um dort wichtige sakrale Schriften zu besorgen. Die Geschichte hat Parallelen in der Wirklichkeit. Ein Mönch ging tatsächlich zur Zeit der Tang-Dynastie nach Indien "Bücher holen", aber ohne dass die Reise (von 630 bis 645) vom Kaiser befohlen oder gar erlaubt worden wäre. Der Tang-Kaiser Taizong war aber klug genug, den Pilgermönch bei seiner Rückkehr willkommen zu heißen ...Neulich bekam Eva Lüdi Kong für die erste vollständige deutsche Übersetzung des zur Zeit der
Vor einigen Tagen ist etwas Unerwartetes, Wunderbares passiert: Im Netz erschien ein Kinochronik-Fragment, in dem wir den großen russischen Lyriker Alexander Block sehen können (www.facebook.com/marina.vishnevetskaya/videos/1399670100077722). Der Film wurde bereits 1988 gefunden, erst jetzt ist er im Internet verfügbar gemacht worden. Wir haben Block niemals so gesehen, als ein lebendiges, menschliches Wesen, und nicht als Gott, als dämonischen Schönling, der er auf allen Fotos ist. Er schaut in die Kamera, dann weg, und dann wieder in die Kamera, und lächelt, lächelt, weil er seine
Das Fragen, ein Fragender, das Fragende in ihm. Das unermüdliche Fragen - anscheinend ohne Gefragten? Oder ist das der Leser? Wohl kaum. Nur wenn der fragende Text in die Nähe zu Friederike Mayröckers nichts antwortendem Gedicht kommt, beginnen wir leise Erklärungen zu hören. Dann aber fragt der Autor wieder: "Was sind Worte? Kann auch fragen: Sind die Worte und Wörter wie Vögel in der Welt unterwegs? Sind sie in der Luft unterwegs oder sitzen kurz auf Ästen oder überall, aber überall kurz? ... Was sagt pinx.? Sagt es pinx oder sagt es etwas Lateinisches?" Ist das nicht eine
Die Schrecken des Krieges haben ganz normale Gesichter, das zeigte
Jacques Callot in seinen berühmten Radierungen über den
Dreißigjährigen Krieg. Seine Unheilsbilder bleiben leider aktuell.