AnsichtenGünter Grass und Heinrich Böll lernten sich 1957 bei einer Tagung der Gruppe 47 kennen. Das war der Beginn einer jahrzehntelangen Korrespondenz, die erst mit Bölls Tod ihr Ende fand. Eine Sonderausstellung im Günter Grass-Haus in Lübeck widmete sich heuer in Fotografien und Dokumenten den auch politisch verschiedenen Ansichten dieser beiden Autoren."Die deutsche Gesellschaft nach dem Krieg war Böll zu selbstvergessen: Die kollektive Erinnerungsverweigerung widerte ihn an.""Insbesondere das jahraus, jahrein allabendlich wiederholte Weihnachtsfest einer wirklichkeitsflüchtigen
Vor 125 Jahren, am 15. Juli 1892 wurde er in Berlin-Charlottenburg
geboren, am 26. September 1940 nahm sich der Philosoph Walter
Benjamin, als Flüchtling von den spanischen Behörden zurückgewiesen,
das Leben. Sein Deutschland war zu einem Monstrum geworden.
Wie man einen General stiehlt: Patrick Leigh Fermor entführte 1944
den Befehlshaber der deutschen Besatzungsmacht von Kreta nach
Ägypten. Den Bericht fand man erst im Nachlass des britischen
Schriftstellers, der als Doyen der europäischen Reiseliteratur gilt.
Sein Hauptwerk verfasste er als 65-Jähriger, an der Schwelle zur Emeritierung. Mit einer solch späten Ernte eines reichen Lebens in Lehre und Forschung fiele er heute glatt durch alle Vorgaben einer effizienten Universitätskarriere. Aber Carl E. Schorske veröffentlichte seine epochale Gesamtschau "Wien - Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle" bereits 1980, in einer hohen Zeit der Wertschätzung für humanistische Studien. So ist denn auch sein 1981 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnetes Epochenbild schon bald in zehn Sprachen übersetzt worden. Es hat maßgeblich zu dem vitalen
Im Zentrum des umfangreichen Werks von Danilo Kis steht der nie
verwundene Verlust des Vaters, der nach Auschwitz deportiert wurde.
Zum 80. Geburtstag des aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden,
teils vergessenen Autors erschien jetzt eine Biographie.
Ludwig Winders Biographie von Erzherzog Franz Ferdinand, dem
Mordopfer von Sarajewo, erschien bereits 1937 in einem kleinen
Schweizer Verlag. Anlässlich des Gedenken an den Ausbruch des Ersten
Weltkriegs wurde "Der Thronfolger" neu aufgelegt.
Varujan Vosganians erzählt in seinem Romanepos "Buch des Flüsterns"
das Schicksal des armenischen Volkes. In dem großflächigen
Erinnerungspanorama berichtet er auch vom Völkermord durch das
Osmanische Reich 1915.
Vor 700 Jahren wurde Boccaccio, der Dichter des "Il Decamerone“, geboren. Auch heute noch wird sein Werk mit viel erkenntnisbereicherndem Vergnügen gelesen.Seine Bekehrung zur Liebe fand in einer Kirche statt. Sogar Tag und Stunde sind überliefert. Es war der Ostersamstag 1338, als der junge Giovanni Boccaccio am Abend in der Messe der Chiesa San Lorenzo zu Neapel die schöne Maria aus dem Geschlecht der Grafen Acquino sah. Sogleich entbrannte er in leidenschaftlicher Liebe zu ihr. Die Flamme loderte hoch, doch der 25jährige Amante nannte die Unbekannte seine "Fiammetta“, die kleine
Die Erinnerungen der ehemaligen US-Außenministerin Albright sind vor allem ein Gedenken für ihre von den Nazis ermordeten Verwandten.Sie war die erste Außenministerin der USA. Bevor sie jedoch dieses Amt 1997 antrat, wurde sie mit einer Entdeckung konfrontiert, wie sie in dieser Zufälligkeit wohl nur im geschichtsvergessenen Amerika vorstellbar ist: Die Washington Post hatte ihre jüdische Herkunft ausfindig gemacht - und damit auch das Verschwinden von über zwei Dutzend ihrer Verwandten in den Todeslagern der Nazis.Die 59-jährige UN-Botschafterin Madeleine Albright hatte davon bislang
Er war Österreichs bedeutendster Kunsthistoriker und Ausstellungsgestalter der Nachkriegszeit. Und die reichte bei Werner Hofmann von den fünfziger Jahren bis zum überraschenden Tod des 84-Jährigen am 13. März in Hamburg. In der Hansestadt hatte der Wiener von 1969 bis 1990 die renommierte Kunsthalle geleitet und dieses Flaggschiff großbürgerlicher Kunstverehrung zu geisteshellen Themenausstellungen im Zyklus "Kunst um 1800 und die Folgen“ geführt.Arche Noah oder Vergnügungsdampfer - das waren die Gegensätze, die sich nach 1968 als Vorstellungen von Museumsführung herausbildeten.
Die Österreicherin Elisabeth Edl hat Gustave Flauberts Roman "Madame Bovary“ neu übersetzt: Trotz - oder gerade wegen - der philologisch musterhaften Qualität eine zwiespältige Sache.Ein bitteres Buch über Ungerechtigkeit, Liebessehnsucht, vereiteltes Lebensglück. Eine tragische Geschichte von verfehlter weiblicher Selbstverwirklichung und vergeudeter männlicher Herzenswärme. Ein formvollendeter Roman über den leichten Sinn der Verführung und den tieferen Sinn der Verführbarkeit. Flauberts "Madame Bovary“ ist das Meisterwerk am Eingang der Moderne, wegweisend in seinem
Vor 450 Jahren, am 25. November 1562, wurde Lope de Vega in Madrid geboren: der große katholische und neben Shakespeare wohl bedeutendste Bühnenautor der Weltliteratur.Als im Spanien des späten 16. Jahrhunderts ein Weltreich zerbrach, stieg die Bühnenkunst der Nation zum Welttheater auf. Ihr erfolgreichster Beförderer war nacheinander desertierter Jesuitenschüler, entlaufener Theologiestudent, ständig in Liebes- und Ehehändel verstrickter Frauenverführer, gerichtsnotorischer Verfasser von Schmähschriften, schiffbrüchiger Marinesoldat, schließlich reumütiger Geistlicher und von
Gespalten ist Polen, wenn es gilt, den 100. Geburtstag des Dichters Czeslaw Milosz zu feiern: Manchen gilt der 2004 gestorbene Emigrant als zu wenig patriotisch - und zu philosemitisch.Sind wir noch Mitwisser? Haben wir noch einen Begriff davon, was es im letzten, kaum vergangenen Jahrhundert bedeutet hat, ein Leben unter dem Gebot der Verstellung, der Willkür fremden Willens, der Erschütterung durch gebrochenes Vertrauen führen zu müssen? Stets von neuem dem Zwang zur Täuschung, dem Drang zur Lüge, dem Hang zum Verrat ausgesetzt gewesen zu sein? Müssen wir tatsächlich bereits in die
Umstritten war die Schriftstellerin Luise Rinser schon bisher. Doch eine neue Biografie zu ihrem 100. Geburtstag lässt die Autorin noch einmal in ganz anderem Licht erscheinen.Der Sohn war entsetzt. Zwar hatte er gewusst, dass seine Mutter nicht makellos durch die Hitlerzeit gekommen war. Aber mit so viel auch ihm unbekannter Verstrickung von Luise Rinser in das NS-System hatte er nicht gerechnet. Schließlich war die vor hundert Jahren, am 30. April 1911, geborene Autorin nach dem Krieg immer wieder, in zahllosen Aufsätzen, Stellungnahmen, auch in ihrer Autobiografie "Den Wolf umarmen“,
Ein geglücktes Leben: vor 100 Jahren geboren, vor 15 Monaten gestorben: die deutsche Widerstandskämpferin Freya von Moltke, Witwe nach Helmuth James Graf von Moltke.Die Männer des deutschen Widerstands gegen Hitler stehen im Licht der Geschichte. Ihre Frauen indes kennt man kaum; sie blieben nach der Hinrichtung ihrer Männer bis an ihr Lebensende die "Witwen des Widerstands“. Dabei hatten sie mehrheitlich eine bedeutsame Rolle im konspirativen Kampf gegen das NS-Unrechtssystem übernommen. Auch Freya von Moltke, die Herrin des Gutes Kreisau in Schlesien, gehörte dazu, obwohl sie das
Warum es in religiös aufgewiegelten Zeiten lohnend sein kann, sich der Gedankenkraft des deutsch-jüdischen Aufklärers Moses Mendelssohn (1729-1786) wieder zu vergewissern.Der Glaube, sagt man, kann Berge versetzen. Er kann auch, wie wir alle sehen, blindwütig vor Hass und gewalttätig vor Machtgier machen. Gegenwärtig versetzt er vor unser aller Augen nach und nach die scheinbar festgefügten Steine, die spätestens seit der Aufklärung das mühsam errichtete Gebäude der religiösen Toleranz tragen sollen. Denn nach den verheerenden Terroranschlägen seit dem 11. September 2001, nach dem
Duncan Shiels erzählt eine außergewöhnliche ungarische Familiengeschichte.Verrat war die schillerndste politische Kategorie des letzten Jahrhunderts, so häufig gebraucht wie missbraucht. Einer dafür kennzeichnenden, gleichwohl beispiellosen Beziehung unter Brüdern mit unterschiedlicher politischer Blickrichtung, die sich nicht dem Verrat hingaben, spürte der britische Publizist Duncan Shiels in einem „europäischen Familiendrama“ nach.Auf dem Höhepunkt des spektakulären Geschehens um die aus Siebenbürgen stammende Großfamilie Rájk rettete kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs
Vor 200 Jahren wurde Louis-Napoleon Bonaparte geboren, der sich als Kaiser Napoleon III. nannte. Seine Zeit gleicht der heutigen frappierend.Er war ein Lebemann, Frauenheld, Karrierist. Wie man's Nicolas Sarkozy nachsagt. Er gab ein schillerndes Bild ab als kleinwüchsiger Emporkömmling, politischer Abenteurer, Buhle der Macht. Wie Sarkozy. Seine Herrschsucht drängte ihn dazu, mit allen Mitteln moderner Propaganda, mit einer Flut von Flugblättern, Porträtplakaten, Werbeaufträgen für Zeitungen, Lobrednern und -sängern quer durchs Land zu fegen und den Wählern seine Unverzichtbarkeit als
Peter Demetz' Geschichte Prags von den 20er- bis in die 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts.Brückenangst in Prag: Schwankt der Boden unter den Füßen? Fließt der Fluss aufwärts? Oder steht das Wasser still und die Brücke fährt? Bleibt der Passant über den steinernen Bögen wie verwunschen in Vergangenheit verbannt?Im letzten Jahrhundert gab es mehr als genug Anlass für solche Brückenangst in Prag. Die Erschütterungen mit ihren Nachbeben kamen in 8er-Jahr-Intervallen, vom Zerfall der Donaumonarchie (1918) über das Münchner Abkommen (1938, mit der Nazi-Okkupation erst des
Vor 100 Jahren wurde der deutsche Dichter und Pastor Albrecht Goes geboren.Wie kann man in Zeiten der alles verdrängenden Fernseh-Kochshows noch vom Hunger erzählen? Vielleicht so: Indem man die Regentschaft des Magens über das Hirn einmal aus der Warte der Darbenden, nicht wie heute der Übersättigten, wahrnimmt. Es war auch schon ganz anders, lässt man sich dann berichten, und der beschämende Kniefall unserer Zeitgenossen vor löffel- und redenschwingenden Köchen verfällt vollends der Dümmlichkeit.Freilich, schon 1937 musste der deutsche Dichter (und Pastor) Albrecht Goes seine
Der Künstlertod als großes "Vorbei", das auch über die Kunst hinwegschreitet.Hat der so hart erkämpfte Widerstand der DDR-Literatur etwas bewirkt? Selten hat die Geschichte eine Frage wie diese so klar mit Ja beantwortet. Ob sie allerdings auch ihre Ziele erreicht hat, ist durch die politische Geschichte der letzten 15 Jahre fragwürdig geworden.Einer, der vor drei Jahrzehnten mit einem einzigen Erzählband die Mauer des lähmenden Schweigens zwischen hüben und drüben im geteilten Deutschland eindrucksvoll durchbrach, war der ostdeutsche Germanist Hans Joachim Schädlich. In "Versuchte
Ein Porträt zum 50. Todestag.Hochberühmt und kaum gelesen, "ungekröntester Dichterfürst in preisfreudigster Zeit", wie ihn Ludwig Marcuse genannt hat - so führt Alfred Döblin, in allen Satteln gerechter Epiker von proteischer Verwandlungskunst, visionärer Gestalter kollektiver Umwälzungen und Zwänge der modernen Massengesellschaft, sozialer Revolutionär und vor allem einer der bedeutendsten Erneuerer des deutschen Romans im 20. Jahrhundert, noch heute, 50 Jahre nach seinem Tod, ein Dasein mehr im Bewusstsein der Literaturwissenschaftler als einer breiten Leserschaft. Das zeigte sich