Erzählen lässt die Dinge erst existieren -Gudrun Seidenauer erkundet
in ihrem neuen Roman "Was wir einander nicht erzählten" das Scheitern
einer Freundschaft.
Ingeborg Bachmann setzte sich mit den Nachwirkungen des Faschismus in unserer Gesellschaft auseinander, der sich in die privaten Beziehungen und die Körper eingeschrieben hat.Schon der Titel "Wer war Ingeborg Bachmann?" von Ina Hartwigs "Biographie in Bruchstücken" verweist auf die Motivation der Autorin, die gar nicht vorgibt, eine Biographie zu schreiben, sondern sich auf Spurensuche begibt. Sie befragt Zeitzeuginnen und Zeitzeugen nach ihren Erinnerungen an Ingeborg Bachmann, sie stellt kritische Fragen zu den Bildern von ihr und den Texten über sie. Nein, die Frage "Wer war Ingeborg
"Brigitta Falkners Lust an der Erforschung von Ordnungsmustern gilt gleichermaßen der Natur wie der Kultur und insbesondere der Sprache, beide kennen Camouflage und Mimikry."Ein erfülltes Milbenleben. / Rückblende: Kissen. / Vier Wände. Ein Bett. / Kein Plot. Stattdessen: / Fressen ohne Ende /auf sicherem Gelände."Nummeriert von #1-12 erkundet Brigitta Falkner auf 204 von ihr wunderschön gestalteten Doppelseiten in "Strategien der Wirtsfindung" die wuchernde Welt der Parasiten und Schmarotzer. In Zeichnungen und Texten entfalten sich auf beeindruckend enzyklopädische wie spielerische
Gleich zu Beginn entwirft Julian Schutting eine Szene, die mitten in die Welt des Nationalsozialismus führt und zugleich auf die Poetologie dieses ebenso schmalen wie gewichtigen Buches "Zersplittertes Erinnern" verweist. Das Kind zeichnet mit einem Zimmermannsbleistift einander umschlingende, durchdringende Linien, "die nicht abreißen, sondern, sich rundend, zum Ausgangspunkt zurückfinden [...], bald wie ein Wollknäuel anzusehen, das auseinanderfällt?" Erst als das Kind von "mir nicht erinnerlicher Tante" nach einer Ohrfeige Nasenbluten bekommt, weiß es, dass es gerade Verbotenes getan
Gesprochen wird wenig in Katharina Winklers Debütroman "Blauschmuck",
dafür viel geschlagen. Mit ihrem eindrucksvollen poetischen Plädoyer
gegen Gewalt gelangte die Autorin auf die Debüt-Shortlist des ersten
Österreichischen Buchpreises.
In ihrem neuen Roman, der seit Wochen die ORF-Bestenliste anführt,
beschreibt Sabine Gruber in großartigen Momentaufnahmen, welche
Herausforderung es ist, nicht nur "mit dem Krieg, sondern mit dem
Frieden fertigzuwerden".
"Da wie dort lautete der Auftrag, nur ja nicht nach den anderen zu geraten, obwohl man da wie dort stets anders blieb." Anna Baar erzählt in ihrem Roman "Die Farbe des Granatapfels" vom Aufwachsen eines gleichermaßen behüteten wie heimatlosen Mädchens zwischen zwei Welten. Für das Kind stellt es eine schier unmögliche Situation dar, beiden Welten anzugehören, der Welt der Mutter und vor allem der der Großmutter in den Sommermonaten auf der Insel Brac und dem Vaterland der Nebelwinter in Wien und Kärnten.Nada, die Großmutter, dominiert das archaische Leben im dalmatinischen
Peter Stephan Jungk erkundet in seinem jüngsten Buch die
Lebensgeschichte seiner Tante Edith Tudor-Hart, einer der wichtigsten
österreichisch-britischen Fotografinnen des 20. Jahrhunderts, die
Anfang der 1990er-Jahre als Agentin des KGB entlarvt wurde.
Mit viel trockenem Humor und großem sprachlichen Furor gelingt
Gertraud Klemm mit ihrem neuen Roman "Aberland" ein treffendes
Porträt zweier Frauengenerationen.
"Über der Entscheidung, eine Strickjacke blau oder bläulich zu nennen, kann ich eine ganze Nacht zubringen", bekennt Marie-Luise Scherer in ihrer Dankesrede zum Italo-Svevo-Preis. Und das ist keine Koketterie, denn in der gleichen Rede heißt es auch: "Auf mein erwachsenes Leben zurückblickend, so war es geprägt durch die Furcht vor dem Schreiben, durch sein Hinauszögern und das daraus erwachsende Unglück der Arbeitsschulden." Auch in den anderen Preisreden (u. a. Heinrich-Mann-Preis, Kunstpreis des Saarlandes), die im Band "Unter jeder Lampe gab es Tanz" erschienen sind, kommen diese
Dr. Josefine Bartok, genannt Josi, arbeitet als Psychiaterin im Otto-Wagner-Krankenhaus auf der Baumgartner Höhe. Sie ist Spezialistin für Anorexiepatientinnen, ihr Mann Tomas betreibt ein Fitnessstudio, ihre beiden Kinder Karla und Bruno sind erwachsen und aus dem gemeinsamen Haus bereits ausgezogen. Ihren Erfolg in der Arbeit verdankt sie ihrer Distanz, sie ist spröde und bisweilen brutal direkt. Sie wird von ihren Patientinnen geliebt, "weil ich sie nicht geliebt habe". Nicht ganz so günstig erweist sich ihre Angst vor Nähe und ihr ironisch nüchterner Blick im Privatleben, das in
Erika Wimmer im gespräch über ihren jüngsten Roman „Die dunklen Ränder der Jahre“. eine Frau sucht nach ihrem Vater, der von seiner Vergangenheit eingeholt wird.Das Gespräch führte Christa Gürtler.In ihrem ebenso spannenden wie berührenden neuen Roman „Die dunklen Ränder der Jahre“ erzählt die in Innsbruck lebende Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Erika Wimmer zwei Lebensgeschichten, die unabhängig voneinander gelebt werden und sich nicht berühren, aber dennoch miteinander in der österreichischen Nachkriegsgeschichte verknüpft sind. Schauplatz der Handlung
Ilma Rakusas Erinnerungspassagen führen in den OstenGeboren als Tochter eines slowenischen Vaters und einer ungarischen Mutter im heute slowakischen Rimavská Sobota, erlebt Ilma Rakusa in den ersten Nachkriegsjahren eine vom Kofferpacken geprägte Kindheit mit den Zwischenstationen Budapest, Ljubljana, Barcola/Triest und der vorläufigen Endstation Zürich. Dort kommt die Familie auf Wunsch des Vaters nach einem Aufenthalt in einem demokratischen Land 1951 an. Ihren Wohnsitz hat die Schriftstellerin, Übersetzerin und Publizistin heute noch dort, aber pedantische Ordnung und emotionale
Eine unmögliche Liebe erzählen die Briefe von Ingeborg Bachmann und Paul Celan."Du sollst die Fremde neben dir am schönsten schmücken. / Du sollst sie schmücken mit dem Schmerz um Ruth, um Mirjam und Noemi." Neun Gebote enthält das Widmungsgedicht "In Ägypten", datiert vom 23. Mai 1948, das der 28-jährige Paul Celan in einen Matisse-Bildband schreibt und der sechs Jahre jüngeren Ingeborg Bachmann zum Geburtstag schenkt.Celan, der in einem rumänischen Arbeitslager überlebte und dessen Eltern in einem ukrainischen Vernichtungslager ermordet wurden, verliebte sich als "displaced
Ljudmila Ulitzkaja schreibt lakonisch über die Wechselfälle des Lebens.Ljudmila Ulitzkaja ist eine sehr präzise Beobachterin, die in ihrem jüngsten Erzählband "Maschas Glück" gleichermaßen ironisch wie liebevoll die Schwächen und Bruchstellen der sowjetischen und postsowjetischen Gesellschaft enthüllt.Die bildschöne Tanja beklagt, dass alle nur ihren Körper und nicht ihre Seele wollen und muss die "Last der Schönheit" erleiden, bis sich der blinde Boris in sie verliebt - einer glücklichen Ehe steht nun nichts mehr im Wege. Doch ein Happy End gönnt die Erzählerin ihren
Aliza Olmerts Roman über ihre Ankunft in Israel.Aliza Olmert ist die Frau des amtierenden israelischen Ministerpräsidenten und gehört zu den bekanntesten bildenden Künstlerinnen und Künstlern in Israel. Sie hat Dramen und Drehbücher verfasst, jetzt hat Aliza Olmert, 1946 in Eschwege in Deutschland geboren, in ihrem ersten Roman "Ein Stück vom Meer", ihre Erinnerungen an die Ankunft im Gelobten Land verarbeitet, an Jahre, geprägt von den Verlusten und der Orientierungslosigkeit der Eltern.Alusia ist fünf Jahre alt, als sie mit ihren Eltern Anuschka und Olek, die den Holocaust überlebt
Verstreute Texte der Südtiroler Autorin Anita Pichler.Im Gedicht "Flaches Land" heißt es: "Hier muß ich fliegen lernen / ein Maß finden / zwischen Himmel und Erde." Anita Pichler war eine Suchende, eine Reisende, eine Dichterin und Übersetzerin, die sich dem Festschreiben von Augenblicken verschrieben hat. In ihren Texten bewegt sie sich ganz selbstverständlich in einem Zwischenreich zwischen Vergangenheit und Gegenwart, realistischen und phantastischen Welten.Prosa und LyrikZehn Jahre sind seit dem Tod von Anita Pichler vergangen, die zu den wichtigsten literarischen Stimmen Südtirols
Mit Oneiros Hilfe verfasste Botschaften aus dem belagerten Belgrad.Träume über Städte und Städte in Träumen. Das eine oder das andere? Manchmal eine kaum merkliche Möglichkeit der Abgrenzung. Manchmal auch ganz vermischt, über- und ineinander … In letzter Zeit erwachen ein paar seltsame Belgrads in meinen morgendlichen Träumen. Die Plätze und Straßen, die öffentlichen Gebäude verändern ohne Scham ihren Standort, obwohl sie ihre realen Namen gewissenhaft beibehalten."Die morgendlichen Aufzeichnungen, die der Architekt Bogdan Bogdanovic während seines Aufenthalts in seiner
Poetisch und radikal erzählt Roswitha Haring von den Schwierigkeiten der Identitätsfindung.Beinahe trotzig bekennt die Ich-Erzählerin der Titelerzählung Das halbe Leben am Ende: "Das Ferienlager war nicht meine Idee." Kein Wunder, stand das Mädchen doch zwei Wochen lang am Rande des ausgelassenen Treibens der siebzig Kinder. Immer ordentlich und folgsam beobachtet es mit großer Präzision die anderen, die auch mit Appellen und Drill nicht zur Ordnung gezwungen werden konnten. Aufgewachsen in kleinbürgerlicher Enge mit Sätzen wie "Alles ist teuer, sagt meine Mutter, jedes unserer Kinder
Dagmar von Gersdorff auf den Lebensspuren der Romantikerin Karoline von Günderrode.Warum ward ich kein Mann! Ich habe keinen Sinn für weibliche Tugenden, für Weiberglükseligkeit. Nur das Wilde, Grose, Glänzende gefällt mir. Es ist ein unseliges aber unverbesserliches Misverhältniß in meiner Seele; und es wird und muß so bleiben, denn ich bin ein Weib, und habe Begierden wie ein Mann, ohne Männerkraft. Darum bin ich so wechselnd und so uneins mit mir."Dies bekennt Karoline von Günderrode, geboren 1780, ausgerechnet in einem Brief an ihre Rivalin Gunda Brentano, die drei Jahre später
Mit Hannelore Valencak ist eine österreichische Autorin wieder zu entdecken.Ursulas Leben verläuft ereignislos zwischen ihrer Übersetzungsarbeit im Büro und ihrer Freizeit im Zimmer bei Tante Priska, bei der sie nach der Scheidung und Auswanderung ihrer Mutter nach Kanada seit ihrem siebten Lebensjahr wohnt. Erst durch ihren Mann Joachim, den die junge Frau im April kennen lernt, wird ihr bewusst, "wie gehaltlos ein solches Leben ist" und sie bekommt "einen Blick für die Farben und Dimensionen der Welt".Doch das Glück im gemeinsamen Reihenhaus währt nur kurz, denn am Tag ihres
Ingo Schulzes Roman "Neue Leben": ein zeitgeschichtliches Dokument.Sieben Jahre sind seit dem Erscheinen des Bandes "Simple Storys" vergangen, der Ingo Schulze zu einem der wichtigsten und meistübersetzten Schriftsteller Deutschlands machte. Die jahrelange Schreibarbeit hat sich gelohnt, auf beinahe 800 Seiten hat Ingo Schulze ein penibel recherchiertes Panorama der Wende entworfen, ein Vexierspiel, in dem alles in Bewegung und niemandem zu trauen ist.Der Westen im KopfDer Roman "Neue Leben" erzählt davon, dass das Leben und die Wahrheit mehrere Seiten haben, gedreht und gewendet werden
Anne Weber bekennt sich in "Gold im Mund" zu einer literarischen Gegenwelt.Freiwillig begibt sich die Schriftstellerin Anne Weber während eines Arbeitsstipendiums in der Schweizer Stadt Biel in das Großraumbüro der Firma "Cendres & Metaux", in deutscher Übersetzung "Asche & Metalle". Im Französischen, so mutmaßt die Autorin, könnte der Name auch für den Titel eines Lyrikbandes durchgehen. In der Schweizer Wirklichkeit handelt es sich um ein Dentallabor. Und damit erklärt sich auch die reale Grundlage des Buchtitels "Gold im Mund", die aber dennoch nicht seinen poetischen Mehrwert
Ingeborg Bachmanns "Kritische Schriften" in einer sorgfältig editierten Ausgabe.Ingeborg Bachmann war dreiunddreißig Jahre alt, als sie 1959 den Hörspielpreis der Kriegsblinden erhielt und im Herbst an der Frankfurter Universität ihre Poetik-Vorlesungen begann, in denen sie die poetologischen Voraussetzungen ihres eigenen Schreibens und ihren literarischen Standort im Kontext der Literatur der Moderne zu bestimmen suchte. Poesie sollte wie Brot sein, formulierte sie in ihrer ersten Vorlesung: "Und diese Poesie wird scharf von Erkenntnis und bitter von Sehnsucht sein müssen, um an den
Von der Gouvernante für hohe Töchter über die Feuilletonistin, die um jedes Zeilenhonorar froh ist, bis zur Bestsellerautorin und Frauenrechtlerin.Ihre Karriere als Bestseller autorin, Friedenskämpferin und Frauenrechtlerin war der 1843 in Prag geborenen Bertha Sophia Felicita Gräfin Kinsky nicht in die Wiege gelegt. Kurz vor ihrer Geburt war der 75-jährige Vater gestorben und hinterließ die beinahe fünfzig Jahre jüngere Witwe Sophie, die mit achtzehn Jahren eine so genannte "gute Partie" gemacht hatte.Wie die meisten jungen Frauen erhielt Bertha keine ausreichende Bildung und war auf
Christa Wolfs Erzählungen aus vergangenen Jahren.Der Erzählband "Mit anderem Blick" ist das erste Buch von Christa Wolf im Suhrkamp Verlag und versammelt verstreut publizierte Texte aus den vergangenen Jahren, einige davon zählten schon zu den besten des Bandes "Hierzulande Andernorts", der bereits 1999 bei Luchterhand erschienen ist, darunter "Im Stein". Wirklich neu ist nur "Fototermin L.A." (2004), ein Text, in dem Christa Wolf über ihre Erfahrungen mit einem Starfotografen beim Shooting schreibt und sich als selbstironische Beobachterin voller Witz und Charme zeigt. Weil ein Interview
In ihrem Debütroman "Vienna" entzaubert und erfindet Eva Menasse Familienmythen.Mein Vater war eine Sturzgeburt." Kopfüber stürzt eine der Hauptfiguren ins Leben und mitten hinein in die Geschichten einer Familie, die Tochter Eva Menasse in ihrem Roman "Vienna" aufblättert. Der Vater ruiniert dabei noch den Pelzmantel der Großmutter - ein Geschenk des Großvaters, eines Spielers und Luftnummernkünstlers, mit dem er einen seiner zahllosen Seitensprünge zu sühnen versuchte. Und das alles nur wegen der Bridgeleidenschaft der Großmutter, die unbedingt noch ihre Partie zu Ende spielen
Der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze dokumentiert eine lebenslange, geschwisterliche Liebe.Ihre gedichte sind schön, und traurig, aber die idioten, selbst leute, die so tun, als ob sie verstünden', verstehen nicht." Das schreibt Hans Werner Henze, kurz nachdem er Ingeborg Bachmann im Herbst 1952 auf Burg Berlepsch in der Nähe von Göttingen bei einer Tagung der Gruppe 47 kennen gelernt hat. Sie liest ihre Gedichte vor und er ist von Beginn an von ihrer großen literarischen Begabung überzeugt und bleibt dabei. Beide sind - beinahe auf den Tag gleich - 26 Jahre
"Das Verbrechen" versammelt erstmals alle Erzählungen Mela Hartwigs: literarische Fallstudien über Frauen.Mela Hartwig (1893- 1967) seziert in ihrer Novelle "Das Verbrechen" das Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Psychiater Dr. Emil Zuba und seiner Tochter Agnes, die er als Fall bearbeitet. Der Kampf der Tochter um die Befreiung aus der Liebesbeziehung mit dem Vater gelingt nicht, masochistische Selbsterniedrigung und Hysterie bieten keinen Ausweg. Schließlich führt sie mit dem väterlichen Revolver als Befreiungsakt den Vatermord aus. Am Ende bleibt ambivalent, worin das Verbrechen
Terézia Mora erzählt in ihrem ersten Roman "Alle Tage" von einem Mann, der den Geruch der Fremde in seinen Taschen trägt.Im Bahnhofsbezirk einer Stadt im westeuropäischen Niemandsland, wahrscheinlich Berlin, baumelt ein schwarz gekleideter Mann kopfunter von einem Klettergerüst eines verwahrlosten Spielplatzes, die Füße mit Klebeband umwickelt, der Trenchcoat bedeckt seinen Kopf - er sieht aus wie ein Vogel oder eine riesige Fledermaus.Mit diesem Bild eines möglichen Endes von Abel Nema beginnt Terézias Moras erster Roman "Alle Tage", dessen Titel Bezug nimmt auf ein Gedicht von
Elfriede Jelinek, Literaturnobelpreisträgerin 2004: Eine WürdigungElfriede Jelinek beschreibt weder die Realität noch entwirft sie eine poetische Welt. Ihr Terrain ist die Sprache selbst, die Wirklichkeit produziert, unser Denken und unsere Gefühle bestimmt. Sie schreibt in immer neuen Variationen an gegen den schönen Schein des sprachlichen Schleims, der die gesellschaftlichen Verhältnisse überzieht und verschleiert, von ihrem Debütroman "wir sind lockvögel, baby" (1970) bis zu ihrem jüngsten Theaterstück "Bambiland" (2003). Ihre Literatur ist der Aufklärung verpflichtet und als
Erinnerungen der österreichischen "Jahrhundertarchitektin" Margarete Schütte-Lihotzky.Niemand würde jemals eine Frau ein Haus bauen lassen." Das war die Reaktion ihrer Familie und ihres ersten und wichtigsten Lehrers Oskar Strnad an der Kunstgewerbeschule, der heutigen Universität für angewandte Kunst, auf Margarete Lihotzkys Wunsch, Architektin zu werden. Doch die 1897 geborene Studentin setzte sich durch und wurde Österreichs erste Architektin, ein Entschluss, den sie auch in ihren Erinnerungen, die sie Anfang der achtziger Jahren begonnen hatte und die sie bis zu ihrem Tod im Jahr
Eugenie Kain erzählt vom Leben in Wellentälern, vom Leben an den Rändern - mitten unter uns.Von einem böhmischen Fischteich bis zur Donau in Linz-Urfahr, von den venezianischen Kanälen bis zum Atlantik in Irland und der Bretagne reichen die Schauplätze der sieben Erzählungen in Eugenie Kains jüngstem Buch "Hohe Wasser". Was die Geschichten aber noch mehr verbindet als die Höhen und Tiefen des Wassers, die manchmal bedrohlich, ein andermal befreiend erscheinen, sind die porträtierten Menschen, die sich an den Rändern der Gesellschaft bewegen, aber dennoch nicht aufgeben.ChancenlosSie
Katja Lange-Müllers Miniaturen über städtische Biotope.Mit einem Freund spaziert die Erzählerin der Titelgeschichte bei einem Hamburgaufenthalt an der Alster entlang und gerät wieder einmal in eine Situation, die der passionierten Liebhaberin städtischer Fauna und Flora ans Herz geht. Sie wird Zeugin einer ergreifenden Szene: Ein Erpel taucht immer wieder ins Wasser, um den Kopf einer kleinen Ente aus dem Wasser zu ziehen, bis sie schließlich doch ertrinkt. Die Kommentare des zusehenden Publikums könnten unterschiedlicher nicht sein. Am Ende schämt sich die Erzählerin über ihre
Mit einem Roman über das Schreiben und Entwürfe weiblicher Identitäten meldet sich die Kärntner Schriftstellerin Lydia Mischkulnig wieder zu Wort.Mein Ich ist ein Zufall", heißt es an einer Stelle am Beginn des jüngsten Romans von Lydia Mischkulnig, und später einmal: "Ich bin heute wer und werde folglich einmal wer gewesen sein. Wer genau, ist fraglich."Diese Unsicherheit ist nicht neu und zählt bis heute zum Repertoire des intellektuellen Diskurses. Sie durchzieht die abendländische Literatur in ihrer Suche nach Identität ebenso wie die Problematisierung der Aufspaltung in Geist