Vor 200 Jahren wurde John Ruskin geboren, der "Meister in jeder
Wissenschaft edler Lebensführung". Der gefeierte Kunsttheoretiker
warnte aber auch eindringlich vor den destruktiven Folgen der
Industrialisierung.
In einer seiner legendären Vorlesungen in Berlin - vor einem größtenteils nicht akademischen, enthusiastisch lauschenden Publikum -sprach der Soziologe und Philosoph Georg Simmel über eine chinesische Porzellanschale mit zarten Tuschzeichnungen. Er verwies auf deren Doppeldeutigkeit: Einerseits die spontane Zeichnung; andererseits der Brennvorgang, der erst die Materialisierung des Kunstwerks gewährleistet. In dieser offenen Dialektik von fließender Dynamik und objektiver Formgebung sah Simmel die wesentliche Komponente seines Denkens. Zeit seines Lebens beschäftigte sich Simmel mit
Wir wissen nicht, wie die großen Finanzierungslücken für die britischen Universitäten ausgeglichen werden sollen, wenn die europäischen Mittel fehlen.Was fehlte, war eine intellektuelle kritische Infragestellung von medienbedingten Diskursen, die eine Stimmung erzeugten, die den Brexit überhaupt ermöglicht hatte.Der Brexit ist für den in London lehrenden Literaturwissenschaftler Rüdiger Görner eine katastrophale Entscheidung. In seinem vor Kurzem publizierten Buch "Brexismus oder Verortungsversuche im Dazwischen" hat er die Genese und die Auswirkungen auf politischem, ökonomischem,
Kaum ein anderer Schriftsteller hat sich so intensiv mit dem Wesen und der Aufgabe der lyrischen Dichtung befasst wie Friedrich Hölderlin.Als 'Dichter in dürftiger Zeit' sah Friedrich Hölderlin seine Aufgabe darin, die Utopie einer künftigen Epoche zu entwerfen.Auch in 'Der Tod des Empedokles' steht eine tragische Gestalt im Mittelpunkt, die sich in schroffem Gegensatz zur zeitgenössischen Gesellschaft befindet.Für den Philosophen Martin Heidegger war Friedrich Hölderlin derjenige Schriftsteller, dessen Werk "von einer dichterischen Bestimmung getragen ist, das Wesen der Dichtung eigens
Der Schriftsteller und Übersetzer Simon Werle - Träger des renommierten Eugen-Helmlé-Übersetzerpreises 2017 -hat vor kurzem eine viel beachtete Neuübersetzung des Gedichtzyklus "Les Fleurs du Mal" vorgelegt. Die Arbeit daran erforderte eine rund sieben Jahre lange intensive Auseinandersetzung mit den Gedichten Baudelaires, deren Schwerpunkte Werle im Gespräch so beschreibt:"Ich habe mir die Aufgabe gestellt, die Form, so weit es geht, zu bewahren und nicht in Paraphrasen zu verfallen, sondern möglichst am Originaltext zu bleiben. Dieser Balanceakt war das Mühseligste an diesem Prozess;
Die Veröffentlichung seines Werks "Les Fleurs du Mal" hatte einen Strafprozess wegen "Beleidigung der öffentlichen Moral" zur Folge. Heute gilt Charles Baudelaire als wesentlicher Wegbereiter der literarischen Moderne in Europa.
Der 1943 geborene US-Amerikaner Stephen Greenblatt zählt zu den führenden Literaturwissenschaftlern der Gegenwart. Studien zu Shakespeare und zur Kultur der Renaissance sind seine Spezialgebiete. Greenblatt ist Lehrstuhlinhaber am Departement of English der Harvard University und Mitbegründer des New Historicism - einer Theorie, die literarische Werke in das zeitgenössische historische Umfeld einbettet. In seinem Buch "Die Wende. Wie die Renaissance begann" beschreibt Greenblatt die spannende Geschichte der Wiederentdeckung des Manuskripts von Lukrez' "De rerum natura", das der Humanist
Der deutsche Kunsthistoriker Werner Spies hat die Max-Ernst-Ausstellung in der Wiener Albertina kuratiert. Seine Autobiographie spiegelt die Begegnungen mit den Großen aus Bildender Kunst und Literatur wider.Ich hatte Glück und mein ganzes Leben hat mich auch zum Glück geführt, zu Menschen geführt, die mich glücklich machten, weil ich mit ihnen zusammen etwas tun konnte. Und das passte auch zum Begriff des Glücks. Mir ist im Grunde alles in den Schoß gefallen.“ So lautet das Fazit der Autobiografie "Mein Glück“ von Werner Spies. Tatsächlich kann der Kunsthistoriker, Journalist
Er war ein radikaler früher Zivilisationskritiker, der dem Individuum und der bürgerlichen Gesellschaft misstraute. Zum 300. Geburtstag des Philosophen Jean-Jacques Rousseau."Ich beginne ein Unternehmen, das ohne Beispiel ist und das niemand nachahmen wird.“ Mit diesen selbstbewussten Worten beginnt die stilisierte Autobiografie von Jean-Jacques Rousseau. Der streitbare Philosoph beschreibt darin sein singuläres Projekt, sich ein authentisches Leben zu erarbeiten - ein Projekt, das höchsten Ansprüchen gerecht werden will. "Rousseau greift beständig nach hohen und höchsten Zielen“,
Der Kunsthistoriker Aby Warburg (1866-1929), einer der bedeutendsten Kulturwissenschafter seiner Zeit, ist ein Vordenker der Postmoderne, ein geistiger Vorfahre Umberto Ecos."Manchmal kommt es mir vor, als ob ich als Psychohistoriker die Schizophrenie des Abendlandes aus dem Bildhaften in selbstbiografischem Reflex abzuleiten versuche.“ In dieser Selbsteinschätzung des Kunsthistorikers Aby Warburg wird bereits das Leitmotiv seiner wissenschaftlichen Arbeit deutlich. Er interessierte sich für Kunstwerke, die die Emotionen und irrationalen Mächte wie Angst, Schmerz, Ekstase oder
Er gilt als Vater der Geisteswissenschaften und entwarf eine ganzheitliche Lebensphilosophie. Zum 100. Todestag des deutschen Philosophen und Historikers Wilhelm Dilthey.Wilhelm Dilthey zählt zu den bedeutendsten Philosophen des 19. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu den heute viel zitierten Denkern wie Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche und Karl Marx ist Dilthey hauptsächlich in der akademischen Philosophie bekannt. In seinem umfangreichen Werk, das in zwanzig Bänden vorliegt, hat er eine Umwertung der metaphysischen Welt vorgenommen, die nicht so radikal wie Friedrich Nietzsches
Philosophen und Soziologen befassen sich in den letzten Jahren verstärkt mit dem Thema des Gebens und Schenkens – quer zur kühlen Logik von Profit und Verwertung.„Das Geben überhaupt ist eine der stärksten soziologischen Funktionen“, bemerkte bereits der Philosoph und Soziologe Georg Simmel zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Diese Aussage hatte schon damals einen anachronistischen Charakter. Für Großzügigkeit, Geschenke und Verschwendung gab es wenig Platz in einer Gesellschaft, die im steigenden Maß von der Verwertungslogik und der Profitmaximierung des Kapitalismus bestimmt wurde.
Cheftrainer Peter Sloterdijk fordert den Durchschnittsmenschen auf, sich durch spirituelle und körperliche Höchstleistungen emporzuschwingen. Das Motto lautet: Üben, üben, üben!Du musst dein Leben ändern!“ Dieser Imperativ ist speziell zum Jahreswechsel oft zu hören, wenn es darum geht, schlechte individuelle Gewohnheiten zu korrigieren. Aber auch im globalen Kontext hat diese Aufforderung höchste Priorität. Die gegenwärtige ökonomische und ökologische Krise hat eine Dimension erreicht, die Peter Sloterdijk als apokalyptische Endspielsituation beschreibt, die nur eine
Der kanadische Philosoph Charles Taylor über Säkularisierung und ihre Auswirkungen, Religion als Modethema und die beste Gesellschaft die erfunden werden kann.Religion und Säkularisierung lautet das Thema, das Charles Taylor im letzten Monat nach Wien brachte. Der Philosoph mit einem besonderen Naheverhältnis zu deutschen Denkern, beschäftigt sich mit der Wiederkehr der Religionen in einer Gesellschaft, die diese schon für obsolet erklärt hatte.Furche: Nach einer langen Periode der Nicht-Beachtung spielt die Religion in der akademischen Philosophie wieder eine wichtige Rolle. Wie sehen
Wenn ich mein Leben zu überblicken versuche", schreibt der international renommierte Kunsthistoriker und Ausstellungsgestalter Wieland Schmied in seiner Autobiografie "Lust am Widerspruch", "zerfällt mir mein Leben in lauter Bruchstücke." Tatsächlich ähnelt sein Leben einem Patchwork, in dem ein ständiger, persönlicher Gedankenaustausch mit Künstlern wie Giorgio de Chirico, Francis Bacon, Alberto Giacometti und Schriftstellern wie Emile Cioran, Octavio Paz und Samuel Beckett stattfand.Der Ausgangspunkt für diese außergewöhnliche Laufbahn war Wien, wo er Rechtswissenschaften und
Kaum ein anderer hat so viel zum Verständnis für „primitive“ Kulturen beigetragen. Zum 100. Geburtstag des Ethnologen und Anthropologen Claude Lévi-Strauss.„Ich verabscheue Reisen und Forschungsreisende.“ So beginnt das Buch „Traurige Tropen“, mit dem Lévi-Strauss weit über die ethnologische Fachwissenschaft bekannt wurde. In diesem Buch, das einen melancholischen Grundton aufweist, beschreibt er seine Erfahrungen, die er mit sogenannten schriftlosen Völkern in Brasilien gemacht hat. Darin drückt er seine Trauer aus, dass die westliche Zivilisation dafür verantwortlich ist,
Zum 250. Geburtstag von William Blake.Wer richtig sieht, sieht visionär! Diese Überzeugung prägte das Gesamtwerk des Malers und Schriftstellers William Blake, der sich in einer Welt von Halluzinationen und Ekstasen bewegte. Er entwarf eine höchst komplexe Privatmythologie, in der die rebellischen Gestalten einer poetischen Weltsicht gegen die Kräfte der Rationalität kämpften. Blake verachtete sämtliche kirchliche oder staatliche Normenkataloge. Sein anarchischer Impuls wurde im England des 18. Jahrhunderts als Verrücktheit bezeichnet; erst Dichter wie William Butler Yeats, Ezra Pound
Vor wenigen Tagen hat der deutsche Starsoziologe Ulrich Beck gemeinsam mit Edgar Grande sein neues Buch herausgebracht: "Kosmopolitisches Europa". Am Rande des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München erläuterte Beck im furche-Interview seine Thesen vom Europäisierungs-Prozess und der Auflösung nationaler Identitäten.Die Furche: In Ihrem kürzlich publizierten Buch "Kosmopolitisches Europa" schreiben Sie: "Die Euphorie über das neue, größere Europa könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass Europa noch immer unverstanden, unbegriffen ist." Was könnte zum
Peter Kampits' Einführung zu Jean-Paul Sartre.Wie kaum ein anderer Philosoph des 20. Jahrhunderts verkörperte Jean-Paul Sartre den Typus des schillernden Denkers, der stets für Überraschungen gut war. Sartre zeichnete sich durch zahlreiche Widersprüche und Brüche aus, die ihm wohl bewusst waren. Er sei nicht derjenige, so bemerkte der Meisterdenker ironisch, dem er sein Vertrauen schenken würde.Dieser provokativen, facettenreichen Philosophie hat der in Wien lehrende Philosoph Peter Kampits nunmehr eine verständlich geschriebene Einführung gewidmet. Kampits geht es dabei weniger um
Die Aktualität von Kants Denkabenteuer angesichts heutiger Krisen.Die Furche: Heinrich Heine schreibt: Die Lebensgeschichte Immanuel Kants ist schwer zu beschreiben. Denn er hatte weder Leben noch Geschichte. Sie haben nun eine Biografie über Kant geschrieben. Ist dieses Urteil berechtigt?Manfred Geier: Was ist ein interessantes Leben? Das ist ja ein Vorurteil. Was kann überhaupt am Leben interessant sein? Es gibt natürlich Biografien, die sagen, ein Leben ist nur dann interessant, wenn es durch extreme Krisen hindurchgeht, wenn dramatische Ereignisse stattfinden. Das ist normalerweise
Zu seinem 200. Todestag hat Immanuel Kant (1724-1804) mehr Zukunft als Vergangenheit. Sein Denken steht für Verantwortung und Rationalität, für Aufklärung und kritische Religiosität. Das Furche-Dossier räumt auf mit den Klischees vom pedantischen, mieselsüchtigen Philosophen, zeigt die Aktualität seines politischen Denkens und sichtet die Bücherflut zum Jubiläumsjahr. Der Bochumer Kant-Experte Manfred Geier steht Rede und Antwort. Heinrich Schmidinger beleuchtet das schwierige Verhältnis des Katholizismus zu Kant. Redaktion: Cornelius Hell Die Aktualität Kants nach dem postmodernen
Mit den Grundlagen und der Kultur des Friedens und den Antworten der monotheistischen Weltreligionen beschäftigte sich die Akademie für Philosophie in Liechtensein.Der Krieg ist der Vater aller Dinge schrieb schon der griechischePhilosoph Heraklit. Angesichts der blutigen Geschichte der drei monotheistischen Weltreligionen, die zahlreiche Kapitel über Verwüstungen, Vertreibungen, Folterungen und Hinrichtungen enthält, scheint diese Behauptung gerechtfertigt.Es stellt sich die Frage, warum ausgerechnet Repräsentanten dieser Weltreligionen für Ausgrenzung, Hass und Gewalt eintraten. So