"Kirche -als Bewegung wie als Organisation - hat gegenwärtig keinen Brückenkopf, der so schutzlos in die religiösen Umbrüche der Gegenwart hineingehalten wird, wie den Weltpriester."(M. Sellmann)Das ist gut gesagt und noch eher milde umschrieben. Die Weihezahlen genügen schon lange nicht mehr, um die bisherige kirchliche Ordnung der Dinge aufrecht zu erhalten, und alles, worauf die katholische Kirche in ihrem Klerus stolz war, seine enthaltsame Erhabenheit über den Sex, seine individuelle Heiligkeit und seine überlegene Bildung, ist in den Augen einer aufmerksamen Öffentlichkeit so
Slavoj Žižek, postmoderner Kommunist und gefragter Denker der Gegenwart, traut dem Christentum viel zu. Drei Elemente faszinieren ihn: die im Christentum postulierte Möglichkeit des radikalen Neuanfangs, Jesu Fähigkeit, die Logik der Rache zu durchbrechen, und die Einsicht in die unübersteigbare Rätselhaftigkeit des Menschen, die durch das Sich-Einreihen Gottes in die Menschheit symbolisch festgehalten sei.Die "frohe Botschaft" des Christentums, so Žižek, bestehe darin, dass es "möglich ist, die große Kette des Seins zu zerreißen, die Last der Vergangenheit zu suspendieren, die
Weihnachten, wie wir es in unseren Breiten kennen, ist nicht so arg alt. Es entstand im späten 18. Jahrhundert mit der bürgerlichen Familie und deren bescheidenem Wohlstand und zunehmender Bildung. Weihnachten wurde nach und nach zum zentralen jährlichen Selbstvergewisserungsereignis der Familie.Feste haben viele und wichtige Funktionen: Sie sind gemeinschaftsbildend und setzen einen Unterschied zum Alltag. Feste manifestieren Selbstzustimmung nach innen und die eigene Bedeutung nach außen. Sie tun all das letztlich, um das Leben trotz und in all seiner Fragilität zu feiern. Deswegen sind
Wie weit reicht die christliche Verpflichtung, allen Hilfsbedürftigen auch tatsächlich zu helfen? Gibt es nicht doch Vorzugsregeln, die einige etwas mehr zum "Nächsten" machen als andere, etwa Flüchtlinge?Solche Fragen werden immer wieder gestellt, nicht zuletzt auch als Kritik an der sehr positiven offiziellen kirchlichen Haltung gegenüber der Merkel'schen Flüchtlingspolitik, wie sie etwa der Kölner Kardinal Woelki immer wieder öffentlich formulierte. Man betont dann, dass der christlich grundsätzlich gebotene ethische Universalismus, der die uneingeschränkte Hilfsbereitschaft
Vor Kurzem waren wir wieder einmal in der Südsteiermark wandern. Man muss kein Romantiker sein, um das Farbenpanorama des Herbstes, das dort Wiesen, Wälder und Weingärten entwickeln, in einer Intensität zu erleben, die einfach überwältigt. Der Herbst ist eine Zeit der Intensität: die Düfte, der Wind und paradoxerweise selbst die immer schräger stehende Sonne: Alles ist stärker und dichter. "Im Herbst werden die Farben voller" - heißt es - und das gilt vielleicht auch vom Herbst des Lebens.Es ist bekanntlich eine Intensität des Späten, des beginnenden Verfalls. An die Stelle des
Wenn ein besonnener Mann wie Kardinal Schönborn von einem "Krieg in der Kirche" spricht, muss einiges los sein. Auf den ersten Blick geht es nur um den Brief eines frustrierten Ex-Nuntius, der dem Papst Vertuschung vorwirft, einige Kardinäle outet und Franziskus zum Rücktritt auffordert.Das ist an sich schon ein bemerkenswerter Vorgang innerhalb des vatikanisches Hofwesens, aber auch noch ein Teil davon. - In einem Krieg geht es um mehr: um Sturz oder Errichtung symbolischer Ordnungen, um Herrschen und Beherrschtwerden -und das auf Leben und Tod. Der Krieg, der in der Kirche gerade
Im Johannesevangelium (8,1-11) findet sich ein sehr poetischer Text, der zeigt, welche Wirkungen der Bezug auf Gott haben sollte und welche nicht. Es ist die Stelle, wo Jesus von den religiösen Eliten mit einer Ehebrecherin konfrontiert wird, "damit sie ihn verklagen konnten". Sie selbst war sowieso schon zur Steinigung verurteilt. Im Munde der Theologen funktioniert Gott hier als Garant der Identifikation ihrer eigenen Person mit der religiösen Institution und ihrer Macht gegenüber der Frau, aber auch gegenüber Jesus. Gott wird zur Chiffre des drohenden Todes in der Macht einer
Das II. Vatikanum brachte für die katholische Kirche fundamentale Optionswechsel. Sie wechselte in der Einstellung zur Moderne von der Ablehnung der Menschenrechte zum Einsatz für sie, im Umgang mit der Unvollkommenheit vom moralischen Appell zur pastoralen Hilfe, im Umgang mit Staat und Gesellschaft von der Suche nach Macht zum Streben nach gesellschaftlicher Autorität, in der Einstellung zu Nichtkatholiken von der Exklusion zur (gestuften) Inklusion, im Verhältnis zum Judentum von der Verurteilung als Mördervolk Jesu zur Einschätzung als "unsere älteren Brüder im Glauben", so dann
Kirchenmusik müsste die traditionellen Räume des Kirchlichen überschreiten und umgekehrt Welt von Heute in die klassischen kirchlichen Räume transportieren.Bayreuth, meine Heimatstadt, ist protestantisch geprägt. In meiner Jugend habe ich am Protestantismus immer zwei Dinge geschätzt: seine Offenheit gegenüber moderner Wissenschaft und Kultur, da fremdelte damals der Katholizismus noch immer ein wenig, und die Kirchenmusik, vor allem jene Bachs. Kirchenmusik ist etwas ungemein Starkes, das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sie auch außerhalb des liturgischen Raums funktioniert. Das
Das Zentrum des Wirkens Jesu, das, was ihn ausmacht, ist seine Botschaft vom Reich Gottes. An Jesus glauben, heißt an seine Botschaft glauben. Das Spezifische dieser Reich-Gottes-Botschaft ist eine doppelte Polarität, eine zeitliche und eine soziale.Das Reich Gottes ist da, aber auch nicht, es steht an, aber es steht auch aus, es ist ein gegenwärtiges Geschehen, dessen Vollendung aber in der Zukunft Gottes liegt. Niemand darf daher diese Botschaft allein in ein (zukünftiges) Jenseits schieben, noch auf ein rein diesseitiges Projekt verkürzen.Diese Botschaft besitzt aber, und das ist die
ln den letzten Wochen stellte sich wieder einmal die Frage: Wie stehen eigentlich Caritas und katholische Kirche zueinander? Unbestritten ist: Die Tat der Nächstenliebe, sei sie individueller, sei sie struktureller Art, gehört zur Mitte des Evangeliums. Denn nicht jene, die "Herr, Herr" sagen, heißt es dort, sondern jene, die den Willen des Vaters tun, sind Töchter und Söhne des Vaters. Und was Gott will, da lese man einfach die Bergpredigt, die Rede vom Weltgericht in Mt 25 oder das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, das ist ziemlich eindeutig.Die Nächstenliebe in Barmherzigkeit und
Betrachtet man die politische Weltlage, so ist man versucht, mit Bert Brecht zu klagen: "Denn die Güte war im Lande wieder einmal schwächlich /Und die Bosheit nahm an Kräften wieder einmal zu." Oder mit den ersten Sätzen eines sehr empfehlenswerten Buches (Sonja A. Strube (Hg.):"Das Fremde akzeptieren. Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenwirken. Theologische Ansätze", Herder 2017):"Populistische Autokraten und rechtspopulistische Parteien erleben derzeit in Europa und im freiheitlichen Westen eine politische Wiedergeburt, die noch vor wenigen Jahren kaum jemand für möglich
Der Glaube wird nach alter Lehre auf drei Wegen weitergegeben: durch die Frömmigkeit des Volkes, die großen Männer und Frauen der geistlichen Tradition und die wissenschaftliche Theologie. Zu der hat Papst Franziskus jüngst ein Schreiben mit dem schönen Titel "Veritatis gaudium" - die "Freude der Wahrheit" - veröffentlicht. Dessen programmatische Einleitung ist tatsächlich eine wahre Freude.Dort steht zum Beispiel: "Der Theologe, der sich an seinem vollständigen und abgeschlossenen Denken ergötzt, ist mittelmäßig. Der gute Theologe und Philosoph hat ein offenes Denken, das heißt,
Mission, das ist heute die Suche nach jenen Orten, wo wir uns mit dem, woran wir glauben, der Gegenwart aussetzen.Mission ist der Versuch, der harten, anstrengenden, risikoreichen Begegnung von Tradition und Gegenwart, von Evangelium und Existenz nicht auszuweichen.Niemand muss mehr Katholik oder Katholikin sein, niemand muss mehr Christ oder Christin sein, niemand muss mehr religiös sein. Und das ist auch gut so. Jeder Zwang in Sachen Religion ist ungefähr so kontraproduktiv wie Zwang in Sachen Liebe. Es ist kein Zufall, dass sich westliche Gesellschaften ungefähr zeitgleich von beiden
Wie man jemanden adressiert, definiert den Horizont, in dem man ihn wahrnimmt, bestimmt das Verhältnis, das man zu ihm einnimmt, und richtet die Handlung aus, die man ihm gegenüber vornimmt. Mitglieder des Volkes Gottes als "Ehrenamtliche" zu bezeichnen, bedeutet, sie im Horizont der Differenz von entlohnter Professionalität und unbezahlter Nicht-Professionalität wahrzunehmen. Nun gibt es diese Differenz und sie ist wichtig. Aber warum wurde sie einer der vorherrschenden Adressierungs- und Wahrnehmungshorizonte von Menschen innerhalb der Kirche?Natürlich besitzt das eine gewisse Logik:
Im Herbst war ich Gast bei der Abschlussveranstaltung des von der Deutschen Bischofskonferenz geförderten Projekts "Frauen steigen auf". Bereits in kirchlichen Leitungspositionen etablierte Frauen gaben über zwei Jahre ihre Erfahrungen an jüngere Frauen im kirchlichen Dienst weiter.Wenn eine manifest patriarchale Institution Frauen für Leitungspositionen fördert, dann ist sie entweder reichlich selbstwidersprüchlich, ziemlich verzweifelt oder einigermaßen raffiniert. Die katholische Kirche ist wohl alles drei.Sie ist doppelt selbstwidersprüchlich: faktisch, denn sie fördert an der
"Angela Merkel muss gar keine große Koalition eingehen, um eine solche zu führen. Sie selbst ist die personifizierte große Koalition.""Merkel übernimmt das, was ihr am Programm von Koalitionspartnern vernünftig erscheint und erhebt es in den Rang mehr oder weniger alternativloser Politik."Es hat etwas Beruhigendes, wenn die Schwächen einer Politikerin derart offenkundig sind: Angela Merkel ist wahrlich keine Meisterin des Wortes, sie kann ihre politischen Optionen nicht zu packenden Bildern bündeln und ihre demonstrative protestantische Nüchternheit fordert Respekt, entwickelt aber
In seinem Buch "Die Gesellschaft der Angst" hat der Soziologe Heinz Bude eine Beobachtung notiert, die erklären könnte, warum Rechtspopulisten seit einiger Zeit so viel Erfolg haben. Wenn standardisierte Erwartungen auf nichtstandardisierte Wirklichkeiten treffen, so Bude, dann werde die Wahrnehmung der eigenen Existenz prekär. Wer dann die Anforderungen an Rollendistanz und Unsicherheitstoleranz nicht mehr aufbringen könne, brauche den Schnitt zwischen Innen und Außen, zwischen "denen" und "uns". Er braucht den Ausschluss der Anderen, um mit seiner Angst vor der Angst fertig zu werden.
In meinem Sommerurlaub habe ich zwei kleinere Bücher gelesen: Bischof Kothgassers und des Philosophen Clemens Sedmaks Jedem Abschied wohnt ein Zauber inne. Von der Kunst des Loslassens und Alain Badious Philosophie des wahren Glücks. Beide haben sich gelohnt.Kothgasser und Sedmak rufen die einschlägigen Abschiede auf, die im Laufe des Lebens unvermeidlich sind: von Dingen, Orten, Überzeugungen, Verantwortungen, Fähigkeiten, geliebten Menschen und, natürlich, das Schwerste, vom eigenen Leben. Das ist lebensnah und realistisch. Und sie bieten die Schätze der philosophischen Tradition und
Ich komme gerade vom Geburtstagsfest meines ältesten Bruders. Geschwister sind ja oft jene Menschen, die einen am längsten im Leben begleiten. Man muss sich das ab und zu bewusst machen. Sie sind eine unausweichliche und permanente Herausforderung und -wenn es gut geht - Inspiration. Wenn sie dann auch noch im ähnlichen beruflichen Feld unterwegs sind, verdichtet sich das nicht unerheblich.Das Geburtstagskind ist professionell Philosoph und aus Leidenschaft Priester. Für die abendliche Tischrunde sollte jeder und jede einen Aphorismus beisteuern. Die Nichte spielte mit des Onkels
Ich komme gerade vom Geburtstagsfest meines ältesten Bruders. Geschwister sind ja oft jene Menschen, die einen am längsten im Leben begleiten. Man muss sich das ab und zu bewusst machen. Sie sind eine unausweichliche und permanente Herausforderung und -wenn es gut geht - Inspiration. Wenn sie dann auch noch im ähnlichen beruflichen Feld unterwegs sind, verdichtet sich das nicht unerheblich.Das Geburtstagskind ist professionell Philosoph und aus Leidenschaft Priester. Für die abendliche Tischrunde sollte jeder und jede einen Aphorismus beisteuern. Die Nichte spielte mit des Onkels
Die documenta XIV steht im Ruf, allzu politisch zu sein: "Mit ihrer scheinbaren politischen Aufklärung bevormundet sie das Publikum", titelte die Süddeutsche. Wenn man sich bevormunden lässt.Natürlich ist es einigermaßen irritierend, wenn Fotos von Ursula von der Leyen neben jenen von Beate Zschäpe unter dem Überbegriff "A War Machine" gehängt werden. Und natürlich ist es ambivalent, Flüchtlingsbootstrümmer im riesigen White cube der documenta-Halle zu positionieren und als überdimensionale Musikinstrumente zur Erschütterung des mitteleuropäischen Bildungsbürgertums zu
Es gibt Geschichten in der Bibel, deren Aussagegehalt zur Trivialität heruntergekommen ist. Die Jesusgeschichte von Marta und Maria gehört dazu. Nicht, dass es kein wichtiges Thema unseres Lebens wäre, wie sich vita activa und vita contemplativa zueinander verhalten. Es kann nie schaden, etwa während des Urlaubs, da einmal ehrlich auf sich selber zu schauen.Aber es geht noch um mehr. Etwa darum, wie sich Wort Gottes und Nächstenliebe zueinander verhalten. Da scheint die Antwort klar: Das Wort, das von Jesus kommt, geht vor. Man darf es nicht überhören, selbst nicht in der
Heute möchte ich Ihnen ein kleines Buch ans Herz legen. Es ist sogar sehr klein: Man kann es auf einen Sitz auslesen. Ich habe es im Friseursalon aufgeschlagen und dort auch gleich während des Wartens ausgelesen, so kurz ist es. Ich kann es nur jedem und jeder empfehlen, nicht nur, weil es kurz, vielmehr, weil es ein weises Buch ist. Es gibt nämlich nur wenige weise Bücher.Ich bin auf dieses Büchlein durch einen Artikel meines Kollegen Erich Garhammer auf feinschwarz. net gestoßen. Am 11. Februar 2017 ist Kurt Marti gestorben, der Berner Pastor und Dichter. Garhammer hat ihm einen
Vor kurzem wurde ich eingeladen, in Berlin auf einem "Dialogforum Regionale Zukunftsforschung" als Theologe etwas über die Zukunft zu sagen. Vorsichtshalber wurde mein Beitrag an den Schluss gelegt, da konnte nicht viel passieren.Ich habe viel gelernt. Zum Beispiel, dass der herkömmliche Individualverkehr wohl nicht mehr lange aufrecht zu erhalten ist und die Gleichheit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land wohl auch nicht mehr. So zumindest habe ich es verstanden.Und was hat ein Theologe Zukunftsplanern zu sagen? Dass die von uns in Gang gesetzten technologischen und kulturellen
Der Jesuit Jorge Bergoglio repräsentiert als Papst Franziskus die höchst ungewöhnliche Verbindung unterschiedlicher geistlicher Traditionen. Das Franziskanische steht für prophetische Spontaneität, für die Basisperspektive und auch für eine gewisse "heilige Naivität"."Jesuitisch" aber steht für taktische und intellektuelle Raffinesse, für die Perspektive von oben, für die Nähe zu den Herrschenden, deren Berater und Beichtväter Jesuiten lange waren, bis sie - auch wegen dieser Nähe - sogar verboten wurden."Amoris Laetitia" nimmt als Text mit provozierender Selbstverständlichkeit
Der Silvesterabend in München zeigte es: Auch das neue Jahr wird Terrorismus bringen. Wie reagieren auf die sich einschleichende Angst?Dass der Rechtsstaat gegen Mörder vorgehen muss, ist selbstverständlich, dass er es wirksam, besonnen und konsequent tut, kann man hoffen. Aber wir, wie sollen wir reagieren?Es hilft zum Beispiel die Erfahrung, dass man auch ernsthafte Herausforderungen des Lebens nicht dämonisieren und größer machen soll, als sie sind. Denn das lähmt die Kraft und schwächt die Freiheit, konzentriert und präzise zu reagieren.Und es hilft die Erkenntnis: "Der Preis für
Die ethische Beurteilung des Kapitalismus schwankte immer zwischen zwei Polen: Zerstört seine Eigennutzorientierung auf die Dauer die moralischen Grundlagen einer Gesellschaft, oder schafft seine Effizienz jene Ressourcen, die zur praktischen Hilfe für die Bedürftigen notwendig sind und langfristig das Wohlstandsniveau aller erhöhen?Gerade die katholische Kirche war da zuerst skeptisch, nicht zuletzt, weil sie der alten ständischen Ordnung verpflichtet war. Die Katholische Soziallehre nahm schließlich eine Art Mittelposition ein und forderte die Sozialpflichtigkeit des Eigentums: Real
Es besteht leider Anlass, an die Lehren der katholischen Kirche zu Krieg und Frieden zu erinnern, wie sie die Pastoralkonstitution des II. Vatikanums formuliert hat.Am wichtigsten: Das Konzil bleibt nicht bei einer moralischen Analyse der unmittelbaren Konfliktanlässe stehen, sondern nennt Ungerechtigkeit und wirtschaftliche Ungleichheit als die zentralen Kriegsgründe. Das Recht aller Menschen auf ein friedliches und menschenwürdiges Leben wird zum Kriterium für friedensbringende Gerechtigkeit. Die katholische Kirche stellt sich damit entschieden auf die Seite derer, die sich für diese
Man braucht keine Angst zu haben vor dem Dogma. Angst haben muss man vor dem Dogmatismus. Der entsteht, wenn man christliche Glaubenslehren als sanktionsbewährte "Gesetze" formatiert. "Dogma" wird dann schlicht etwas, woran zu glauben man gezwungen wird. Das war in der Geschichte des Christentums ziemlich lange so.Christliche Dogmen sind etwas ganz anderes. Sie sind begriffliche Schlüssel zur Entdeckung der Inhalte des Glaubens als Tatsachen menschlicher Existenz. Sie sind beglaubigt durch die Glaubenserfahrungen unserer Väter und Mütter im Glauben. Der Dogmatismus behauptet die Bedeutung
Eben komme ich von etwas sehr Katholischem: meiner "Jubelkommunion". Da feiert man seine erste Kommunion vor 50 oder mehr Jahren. Meine Frau und ich, wir waren da erstmals dabei.Der Pfarrer hat das sehr schön gestaltet: nicht als Re-Inszenierung der Erstkommunion, sondern als Rückblick auf 50 und mehr Jahre Leben. Er hat auch Zeugnisse erbeten, wie das denn damals war, die Erstkommunion. Besonders berührend waren jene aus dem Frühjahr 1945, im Niemandsland des Kriegsendes. "Wir beteten damals viel", sagte eine ältere Dame: "Vor uns die Amerikaner, hinter uns die letzten Deutschen, die
Im Alltag geht es um alles: um die Entdeckung der Welt in liebender
Aufmerksamkeit wie ums Respektieren verbrauchter Hoffnungen.
Theologische Betrachtungen.
Kritik des reaktionären Katholizismus VI: der Paternalismus. Das ist ein eher sanfter, aber weit verbreiteter kirchlicher Habitus. Er beherrscht den kirchlichen Alltag, dessen Sprache und Mentalitäten immer noch bis in die Finger-Spitzen. Er ist so schwer zu bekämpfen, weil er es gut meint.Seine Haltung ist leicht zu beschrieben: "Ich will dein Bestes -und ich kenne es besser als du". Das degradiert den anderen zum Objekt subtiler pastoraler Machtausübung, stellt ungeprüft die eigene Person über jene der anderen und zerstört die notwendige Gleichrangigkeit der Kommunikation. Der andere
Welche Glaubens- ,also Existenz fragen stellen die Anschläge von Paris? Ich sehe vor allem zwei. Was bin ich bereit, für die Verteidigung einer freiheitlichen Gesellschaft zu tun? Die demokratischen, menschenrechtsbasierten Verfassungen sind in langen, leidvollen Kämpfen erstritten worden. Meine Generation hat sie geschenkt bekommen. Was bin ich bereit, für sie zu tun: gegen religiösen Terror, gegen angstgetriebene Identitätskonzepte, gegen eine "Sicherung der Freiheit", die sie verspielt, gegen eine rassistische Halbierung der Menschenrechte, gegen eine rein ökonomistische
Von Gott ist eines sicher: Es gibt den Begriff von ihm. Man kann daraus nicht zwingend schließen, dass es Gott selbst gibt, auch wenn das immer wieder versucht wurde. Aber schon der Gottesbegriff entwickelt reale Wirkung.Karl Rahner hat das in einer Meditation bedacht, freilich von der anderen Seite her. Was wäre, wenn es dieses Wort Gott nicht gäbe?"Das Wort Gott soll verschwunden sein, spurlos und ohne Rest, ohne dass noch eine übriggelassene Lücke sichtbar ist, ohne dass es durch ein anderes Wort, das uns in derselben Weise anruft, ersetzt wird, ohne dass durch dieses Wort auch nur
Auf den ersten Blick ging es auf der römischen Bischofssynode um die katholische Lehre zu jenem prekärem Feld menschlicher Existenz, das innerkirchlich mit den Stichworten "Ehe und Familie“ umschrieben wird und lehramtlich eine sehr spezielle Mischung von Körper-, (Natur-)Rechts-, Moral- und Gesellschaftsdiskurs meint. Die katholische Kirche hat sich hier bekanntlich tief ins Abseits der Irrelevanz manövriert.Dem nichtkatholischen Volk war es schon immer ziemlich egal, was die katholische Kirche zu Familie, Sex und verwandten Themen dachte. Seit einiger Zeit ist es auch dem katholischen
Die Bischofssynode in Rom hat sich offenbar am Kontrast von "Lehre" und "Pastoral" abgearbeitet. "Dieser willkürliche Gegensatz kann nur auftauchen", so der Konzilstheologe M.-D. Chenu 1968, "wenn man in der 'Lehre' ein Begriffssystem sieht, das in einer Reihe abstrakter Aussagen außerhalb von Raum und Zeit besteht." Mit dem Konzil, speziell der Pastoralkonstitution, sei die "ärgerniserregende und sinnlose Unterscheidung von Lehre und Seelsorge beseitigt". Denn: "Die Theologie ist von ihrem Wesen her pastoral, sie ist das angemessene Nachdenken über die Kirche als Heilsgeschehen, das in
Mit meinem Bruders Alexius, Priester und Philosoph, habe ich ein Symposium zum Thema "Was fehlt? Leerstellen der Theologie in der Spätmoderne" organisiert. Natürlich kann man eine solche heikle Frage in den Rücken des eigenen Tuns nur sehr versuchsweise beantworten.Die eingeladenen Philosophen halfen kräftig. Der Technikphilosoph skizzierte die absehbaren Entwicklungen der Bio- und Informationstechnologien, welche die traditionellen Vorstellungen von Natur, Freiheit und Mensch radikal dekonstruieren und fragte, was die Theologie eigentlich dazu zu sagen habe. Der Pädagoge suchte in der
"Auf einer Vortragsreise finde ich mich im Zimmer eines verehrten, geliebten, manchmal auch belächelten großen Poeten!" Das schreibt am 16.10.1997 Dorothee Sölle ins Gästebuch der "Rollwenzelei", der Schreib-,Rückzugs-und Trinkstube J. P. F. Richters am Stadtrand von Bayreuth.Sölle lotete die Abgründe menschlicher Existenz aus, Jean Paul spann über sie allerliebste Erzähl-, Assoziations-und Reflexionsfäden: "Blumen-und Phantasiestücke" eben. Ihn interessierte das Situative, das konkrete Ich, das so ist, aber immer auch anders sein könnte, das groß ist und doch so bedürftig.
Im Sommersemester habe ich ein Seminar zu Madeleine Delbrêl angeboten. Sie hat etwas geschafft, das so schwer ist: das eigene Milieu und seine Mechanismen und Mentalitäten zu übersteigen. Sie ging 1933 als Christin ins kommunistische Ivry, aus Solidarität mit dem Kampf des Kommunismus für soziale Gerechtigkeit und gegen die Herrschaft des Kapitalismus, und auch, um im kommunistischen Milieu dessen eigenen Verengungen aufzubrechen."Wir verteidigen Gott als unser Eigentum" hat sie geschrieben, "wir verkünden ihn nicht als das Leben allen Lebens, als den unmittelbaren Nächsten all dessen,
Kardinal Kaspers Vortrag vor dem Kardinalskollegium zur Frage der wiederverheirateten Geschiedenen ist ein schönes Beispiel dafür, wie viel Intelligenz man aufwenden muss, wenn man eine Institution überzeugen will, die dazu neigt, Treue mit Unveränderlichkeit zu verwechseln.Dabei hat es doktrinelle Diskontinuitäten in der katholischen Kirche immer wieder gegeben: Man war schon einmal gegen Meinungs- und Religionsfreiheit und überhaupt gegen das ganze Konzept der Menschenrechte, Päpste haben schon die Oberhoheit über alle weltlichen Mächte gefordert; und, um ein besonders apartes
Ich war gerade mal elf Jahre alt, als es hieß "Die Russen sind einmarschiert“, was konkret meinte: Sie haben die Tschechoslowakei besetzt. In Bayern war man da gar nicht weit weg, und wir saßen damals rund um die Uhr an Radio und Fernseher, und ich spürte die Angst der Älteren.Die Krise in der Ukraine provoziert solche flashbacks. Wie damals überschreitet mitten im gewohnten europäischen Frieden die Gewalt die Sichtbarkeitsgrenze. Die Gemeinsamkeiten sind unübersehbar: der angebliche "Brief um brüderliche Hilfe“, der offene Zynismus der Lüge ("einheimische
"S tatt nur eine Kirche zu sein, die mit offenen Türen aufnimmt und empfängt, versuchen wir, eine Kirche zu sein, die neue Wege findet, die fähig ist, aus sich heraus und zu denen zu gehen, die nicht zu ihr kommen, die ganz weggegangen oder die gleichgültig sind.“ So Papst Franziskus in einem seiner Interviews.Liebe Verantwortliche der katholischen Kirche Österreichs!Wie wäre es, diesen Satz in die operative pastorale Realität zu überführen?Wie wäre es, wenn Sie alle Ihre pastoralen Mitarbeiter/innen herzlich bitten, ungefähr ein Drittel ihrer zeitlichen Ressourcen für eine
V or einigen Monaten überredete mich eine Studienkollegin, in ihrem spirituell orientierten Bildungshaus eine Tagung zum Thema "Angesichter des Bösen“ zu gestalten. Ich befinde mich gerade auf der Rückreise von dieser Tagung, es ist dunkel draußen, ich blicke auf zwei Tage mit intensiven Gesprächen zurück und frage mich: Was bleibt als mein persönliches Fazit?Zum einen, wie erschreckend leicht es ist, ganze Gesellschaften ins Böse zu drehen. Harald Welzers Buch über die Einsatzgruppen der Nazis ("Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden“) aber auch die
"Die spirituelle Erfahrung der Begegnung mit Gott ist nicht kontrollierbar. Man spürt, dass Er da ist, man ist sich sicher, aber man kann es nicht kontrollieren.“ Das sagte Papst Franziskus, damals noch Kardinal Bergoglio, in seinem Gespräch mit dem Rabbiner Abraham Skorka. Der stimmt zu: "Religiöse Menschen wie wir sind Gläubige und Gläubige halten Gottes Existenz nicht für selbstverständlich“."Der Mensch“, so wieder Bergoglio, "wurde geschaffen, um die Natur zu beherrschen, das ist sein göttlicher Auftrag. Doch mit seinem Schöpfer kann er das nicht machen. Deshalb gibt es in
Zur Kritik des reaktionären Katholizismus III: heute die ritualistische Perversion der Liturgie. Im Vorfeld des letzten Konklaves stieß ich auf eine Internetseite, auf der mögliche Papstkandidaten während ihrer Zelebrationen beobachtet und klassifiziert wurden. Da hatte einer eine Kniebeuge zu wenig gemacht, ein anderer gar die Hostie zu Boden fallen lassen, ein dritter wurde ob seiner exaktesten Befolgung der Vorschriften und seiner barocken Gewänder gelobt. Auch die Lektüre einschlägiger jüngerer römischer Instruktionen macht nicht wirklich froh: da wimmelt es von Verboten und
Das Interview von Papst Franziskus für Jesuitenzeitschriften macht auch in den Medien Furore. Selten hat ein Pontifex seine Stoßrichtung so auf den Punkt gebracht.Päpstliche Interviews sind zwar längst keine Sensation mehr. Dennoch macht das, was Franziskus, der gegenwärtige Bischof von Rom, dem Jesuiten Antonio Spadaro für die "Civiltà Cattolica“ und andere Jesuitenzeitschriften erzählt hat, weltweit Furore. Für die FURCHE analysiert ihr Kolumnist Rainer Bucher die wesentlichen Passagen und Stoßrichtungen des Gesprächs. Auf Deutsch ist der Wortlaut des Interviews auf der Webseite
E nde Juli sind wir durch unsere fränkische Heimat gewandert. Wir machen das seit einigen Jahren in jedem Sommer: eine einzige erholsame und auch ein wenig regressive Rückkehr in die Schönheit einer liebenswerten, altbekannten Jura-Landschaft zwischen Bamberg, Nürnberg und Bayreuth. Ich lebe schon seit längerem nicht mehr hier. Ist es noch meine Heimat?Heimat identifiziert Orte personal und Personen über Orte. Der Effekt ist schlagend: Diese Operationen heben die zeitliche Spaltung der Existenz in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf. Man ist im glücklichen "nunc stans“, dem
In meiner kleinen, unregelmäßigen Reihe "Kritik des reaktionären Katholizismus“ heute: der Klerikalismus. Er ist etwas sehr Altes - aber leider hier und da wieder aktuell. Der Klerikalismus startete als Herrschaft von Priestern über die Gesellschaft, was im christlichen Bereich seit dem frühen Mittelalter immer mal wieder versucht wurde, aber auf Dauer nie so ganz gelang.Als priesterliche Herrschaft über die Kirche hatte er schon mehr Erfolg, wenn auch die Einflussrechte der Laien über lange Jahrhunderte sehr viel größer waren als heute. Doch mit dem Absolutismus der frühen Neuzeit
Vor kurzem gestalteten Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Seminars zu Dorothee Sölle ein Abendgebet mit Texten von ihr an unserer Fakultät. Sölle hat die Spannung von Mystik und Politik, Kampf und Kontemplation, Tradition und Gegenwart mit radikaler Ehrlichkeit und kämpferischer Sensibilität gelebt. Vor zehn Jahren ist sie gestorben.Das Thema des Gottesdienstes lautete: "Das Fenster der Verwundbarkeit“. Auf die Texte von Sölle antwortete der Grazer Domorganist Christian Iwan frei an der Orgel. "Was für alle Religionen gilt, dass Transzendenz verwundbar macht, das ist im Christentum
Am Ende des Maienmonats und nach Ina Prätorius schöner Kolumne zur "weiblichen Autorität“ eine katholische Resonanz mit Blick auf Maria."In meiner Oberschulzeit war Maria ein Knüppel, den man intelligenten Mädchen über den Kopf haute. Ihr Beispiel wurde uns ständig vor Augen gehalten: ein Bespiel von Schweigen, Unterordnung und der Lust, den letzten Platz einzunehmen“ - so die amerikanische Schriftstellerin Mary Gordon. Dabei sagen Schrift und Dogma etwas ganz anderes: Maria steht für die Umwertung der Werte von stark und schwach, reich und arm im Magnifikat, für die
Mit seinem Rücktritt hat Benedikt XVI. die Trennung von Amt und Person vorgenommen, die bislang vergessen war, aber zum Standardprogramm der säkularen Welt gehört.Wie soll es mit dem Papsttum nach dem Konklave weitergehen? Das ist eine offene Frage, nicht nur personell, sondern auch konzeptionell. Klar ist, dass der Rücktritt des gegenwärtigen Papstes das Papsttum verändert hat. Dieser Rücktritt hat die Trennung von Amt und Person vorgenommen, die über der neuzeitlichen Sakralisierung des Papsttums vergessen wurde, aber zum Standardprogramm der säkularen Welt gehört. Diese Trennung
Thema interreligiöser DialogDie grundlegende Herausforderungen fürs Gespräch der Religionen ist die Basis, auf der es allein sinnvoll stattfinden kann: die nicht relativierbare Anerkennung von Menschenrechten und Menschenwürde, inkl. der aktiven wie passiven Religionsfreiheit. Denn auch die westlichen Gesellschaften besitzen ein nicht verhandelbares normatives Fundament, versinken keineswegs im Relativismus.Die zweite Herausforderung ist das Ziel des religiösen Dialogs, und das sind nicht zuerst die Religionen selbst, sondern ihr Beitrag zur konkreten Humanisierung des Lebens in prekären
Gott und die FrauenAn den Frauen liegt es sicher nicht, dass sie in der christlichen Theologie öffentlich so lange keine Rolle spielten. Es liegt schlicht am Patriarchat. Das hat eine sehr einfache, aber wirksame Struktur: Der Mann spielt eine doppelte Rolle, er ist zugleich Spieler und Schiedsrichter. Und so gewann er lange das Spiel.Das Patriarchat hat in der christlichen Theologie von den späten Schriften des Neuen Testaments über Augustinus und Thomas von Aquin bis zur Gegenwart eine lange und traurige Tradition. Man folgte Aristoteles und sah in Frauen defizitäre Männer; in der
Freiheit für/von Religion?Säkularisierung ist ein Prozess auf mehreren Ebenen. Dass Wirtschaft, Recht und Politik nicht religiöser Dominanz unterliegen dürfen, ist in freiheitlichen Gesellschaften unbestritten. Unbestritten ist auch die aktive und passive Religionsfreiheit, also die Lizenz an den Einzelnen, im Rahmen der geltenden Gesetze religiösen Praktiken und Anschauungen anzuhängen - oder eben auch nicht.Höchst umstritten aber ist die Ebene zwischen Individuum und Sozialstruktur. Sobald religiöse Praktiken in den öffentlichen Raum ausstrahlen und damit zu Macht- und Statusfragen
Thema: JerusalemIch war noch nie in Israel, war bislang nie im "Heiligen Land“. Das Amalgam aus Religion und latenter und manchmal nicht nur latenter Gewalt, das dort herrscht, und das bisweilen sogar den Weltfrieden gefährdet, war mir immer suspekt. Der Streit um "heilige Orte“ war für mich so "spannungsgeladen und verwirrend“, dass ich ihm bislang ausgewichen bin. Denn mit dem, wofür Jesus von Nazareth steht, hat dies alles nichts zu tun.Aber das stimmt halt nur halb. Jesus, von dem selbst Nietzsche anerkannte, dass er ohne jedes Ressentiment und völlig frei von jeder Rache war,
Gott ist kein Ding unter der Dingen der Welt und auch keine Person nach dem Modell menschlicher Personalität. Man sollte von ihm nicht zu anthropomorph denken. Man sollte auch nicht selbstverständlich annehmen, dass Gott unsere Bitten erhört. Und selbst wenn: Wie können wir diese Erhörung sicher auf ihn und nicht auf andere Ursachen zurückführen? Interveniert Gott überhaupt in die Geschichte - und wenn ja, wie?Die zentrale Intervention Gottes in die Geschichte hat nach christlicher Auffassung die Gestalt Jesu. Sie erfolgte als Erniedrigung und in Ohnmacht und ist das Modell des
Im Jahr 2007 veröffentlichte der Distriktobere der deutschen Piusbruderschaft "Grundsätze einer christlichen Gesellschaftsordnung.“Darin heißt es unter anderem: "Die Gewalt in Staat und Gesellschaft geht nicht vom Volke, von der Basis aus, sondern von Gott: ‚non est enim potestas nisi a Deo -es gibt keine Gewalt, die nicht von Gott käme‘ (Röm 13,1). Folglich bezeichnet das Volk in Wahlen allein diejenigen, die es regieren sollen, verleiht ihnen aber nicht die Autorität; ebenso wenig kann es Regierungen beliebig absetzen. Darüber hinaus gibt es legitime Regierungen, die nicht aus
Im Aufstand der Pfarrer wird auch etwas von den Widerstandspotentialen in Politik und Gesellschaft manifest. Die Kirche wird das - auch theologisch - ernst nehmen müssen.Ungehorsam bewegt die katholische Kirche. Seit dem Aufruf der Pfarrer-Initiative im Juni letzten Jahres wird um diesen Begriff gestritten. Ist er nicht ein unangemessenes Verhalten für Priester, die bei ihrer Weihe Gehorsam versprochen haben, und damit nicht zuletzt in zugespitzten, krisenhaften Zeiten ihren Bischöfen Verlässlichkeit garantieren? Andererseits: Bleibt Priestern eine Alternative, wenn ihren schon seit Langem
Spätestens seit Gerhard Schulzes "Erlebnisgesellschaft“ und den diversen Sinus-Milieustudien ist unübersehbar, dass Stil und Ästhetik zunehmend an jene Stelle treten, die früher Weltanschauungen und Religionen eingenommen haben und als zentrale Identitäts-, Orientierungs- und Vergemeinschaftungsstrategien funktionieren. Uns trennen nicht mehr so sehr religiöse oder politische Gräben, vielmehr ästhetische "Ekelschranken“. Wer volkstümelnde Musiksendungen liebt, lebt in einer anderen Welt, als jener, der zu Stockhausen-Konzerten pilgert oder sich Heavy Metal gibt.Für die alten
Der "Aufruf zum Ungehorsam“ der Pfarrer-Initiative ist wahrscheinlich das bemerkenswerteste Phänomen der neueren Kirchengeschichte Österreichs. Sein Konfliktpotenzial ist enorm.Der "Aufruf zum Ungehorsam“ der "Pfarrer-Initiative“ rund um Helmut Schüller ist ein ausgesprochen bemerkenswertes Phänomen, wahrscheinlich das bemerkenswerteste der neueren österreichischen Kirchengeschichte. Sein Eskalationspotenzial ist enorm.Denn es treffen drei nachgerade klassische Elemente harter Kirchenkonflikte aufeinander:• eine lange andauernde, ebenso unbestreitbare wie lange bestrittene
Für das Judentum stellt sich die Frage, ob und wie seine Theologie universitär wird, für das Christentum, was es bedeutet, dass sie universitär ist.Seit dem Konzil von Trient hat die katholische Kirche die Ausbildung ihrer Priester professionalisiert und dazu gehört bis heute das universitäre Studium der Theologie. Das hat gute Gründe. Sie liegen in den Anforderungen einer Bildungsgesellschaft, aber auch in der Struktur der Theologie selbst -und in jener der Pastoral.Christliche Theologie entwickelt sich dort, wo der biblische Ursprungsimpuls kreativ auf das Denken einer Zeit trifft.
Mobilität und SesshaftigkeitDie Logik der Sesshaftigkeit ist die Logik der Heimat. Heimat ist, wo man sich nicht erklären muss. Heimat ist aber immer prekär: geschenkt und gefährdet. In die Heimat kehrt man eigentlich immer zurück. Erst wenn man aus der ursprünglichen Geborgenheit geworfen wird wie das Kind aus dem Mutterschoß, spürt man Heimat: als ihr Fehlen. Heimat ist eben auch das, von wo aus man aufbricht.Jesu Predigt des Reiches Gottes zielte auf die Umkehr des Einzelnen hin zu Gott in der Anerkennung der eigenen radikalen Erlösungsbedürfigkeit. Sie zielte auch auf die
1966:Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen, Verbindung eines sinnlichen und leidenssensiblen fränkischen Volkskatholizismus mit Barock at it’s best: bis heute meine Heimat.1972: Festspielhaus Bayreuth, Wagners bürgerliche Kunstreligion, (über)mächtig und abgründig. Aber: "Da ist ein Musiker, der mehr als irgendein Musiker seine Meisterschaft darin hat, die Töne aus dem Reich leidender, gedrückter, gemarterter Seelen zu finden und auch noch dem stummen Elend Sprache zu geben“ (Nietzsche). Und der weiß, wie spätmoderne Mediengesellschaften funktionieren (werden).1982: Dokumenta 7 und
Das Thema die "Religionen und Atomkraft“ hat viel mit der Frage zu tun: Wie steht es mit der Christdemokratie? Verstanden als Projekt, christliche Optionen in der Demokratie zur Geltung zu bringen. Die Christdemokratie war einmal etwas Revolutionäres. Der katholische Integralismus vorher konnte mit der Demokratie nichts anfangen, die privatisierte Religionsnutzung heute wenig bis nichts mit Politik. Wo aber steckt sie heute, die Christdemokratie?Fukushima und seine Folgen helfen zu sehen. Der designierte grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, ist nicht nur
Nach dem Zusammenbruch der ehemals eindrucksvollen kirchlichen Machtkathedralen rutscht die Berufsrolle des katholischen Priesters in ein Anerkennungsdefizit. Priester heute sollten Priester des Volkes Gottes sein.In einer offenen Gesellschaft kommt es nicht so sehr darauf an, wie man sich selber versteht, als vielmehr darauf, wie man von anderen wahrgenommen wird. Entscheidend ist, wie das eigene Selbstverständnis, das eigene Handeln und die Fremdwahrnehmung zusammenspielen und welche Wirkungen dieses Zusammenspiel entfaltet.Priester sind in der katholischen Kirche theologisch wie rechtlich
ZeitgesprächDie Macht zu lieben gilt zu Recht als nicht sehr moralisch und wenig erstrebenswert. Warum also soll es moralisch und erstrebenswert sein, Gott, die höchste Macht, zu lieben? Kann man das, was letzte Macht über einen hat, überhaupt wirklich lieben, von gleich zu gleich, nicht aus Furcht und Opportunismus und in mediokrer Untertanenmentalität?Für mich gibt es nur einen Grund, Gott zu lieben, oder besser: ein Leben lang zu versuchen, herauszufinden, was es heißen könnte, Gott zu lieben: dass Gott selbst die Liebe ist. Dass also an der Spitze der Macht Demut und Aufmerksamkeit
Der Gott des Juden Jesus und die Krise der Kirche. - Zwei prominente katholische Theologen analysieren den Zustand ihrer Glaubensgemeinschaft nach den Kontroversen in Rom und Linz.Die Finanzkrise entstand, weil viele ein wenig und wenige sehr viel über ihre Verhältnisse gelebt haben. Sie entstand, weil Vertrauen schlagartig schwand, als man es plötzlich an einigen Symptomen bemerkte. Wir fürchten: Die Kirchenkrise könnte ähnlich tief werden wie die aktuelle Finanzkrise der globalisierten Welt. Die Vorgänge in Rom um die Priesterbruderschaft Pius X. und die Turbulenzen, die von der
Um die brennenden Probleme von Österreichs katholischer Kirche produktiv angehen zu können, müssen Foren des Dialogs geschaffen werden. Ein Beitrag zur aktuellen Kirchendiskussion: Es geht darum, nach einer „Kirche des Volkes“ nach dem Auslaufen der „Volkskirche“ zu fragen.Der Hirtenbrief der Österreichischen Bischöfe vom 16. Februar trifft drei bemerkenswerte Aussagen. Er fordert von der Piusbruderschaft, und damit von allen Katholikinnen und Katholiken, die „vorbehaltlose Annahme des II. Vatikanums“, er erwartet vom Vatikan die Einhaltung des „im Kirchenrecht
Modern ist, wer die Gegenwart unter die Regie der Zukunft stellt. Überlegungen eines Theologen zum Antritt von Barack Obama.Modern ist, wer die Gegenwart unter die Regie der Zukunft stellt. "Wenn unsere Kinder bis ins nächste Jahrhundert leben, wenn meine Töchter so alt werden könnten wie Ann Nixon Cooper - welchen Wandel werden sie dann sehen? Welchen Fortschritt werden wir dann gemacht haben?"Barack Obama ist ein Moderner, denn er erzählte in seiner Chicagoer Siegesrede eine Fortschrittsgeschichte, und er ist ein Christ, denn er erzählt sie als Sieg der Ohnmächtigen über die
Niemand wird durch den Tod ein guter Mensch. Nicht der Tod richtet über unser Leben, sondern Gott. Im Tod begegnen wir Gott, und in dieser Begegnung begegnen wir unserem Leben, so wie es war, groß und armselig, tapfer und erbärmlich, voller Lebenslust und manchmal auch verzweifelt. Nur durch die Begegnung mit Gott wird unser Leben gut und das geht nicht, so glauben Christen, ohne erneuten und letzten Blick auf das, was nicht gut an ihm war.Daraus folgt: Es ist gut und recht, über Tote vor allem und zuerst gut zu reden. Zuletzt, weil jeder von uns zugeben muss, wie arm sein Leben dasteht
Die Neuordnung der Geschlechterverhältnisse hat dramatische Folgen - auch wenn die katholische Kirche das erst zu ahnen beginnt.Gegenwärtig arbeitet sich die katholische Kirche, zumindest in unseren Breiten, am Schock ihrer "zweiten Entmachtung" ab, ihrer Entmachtung diesmal in den Köpfen, Seelen und Biografien ihrer eigenen Mitglieder. Auf ihre erste Entmachtung nach dem Sieg des bürgerlichen Gesellschaftsprojekts im 19. Jahrhundert hatte sie zuerst mit dem Aufbau eines defensiv-geschlossenen Milieus reagiert. Später dann, mit dem II. Vaticanum, konnte sie ihre Relativierung und
Zur Lage der österreichischen Universitäten zwischen "Habsburg" und "New Public Management". vonIn den gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen spielen die Universitäten keine Rolle. Wohl die Studiengebühren, das sagt eigentlich schon alles: Das Interessanteste an den Universitäten scheint ihre Finanzierung zu sein.Es ist noch nicht allzu lange her, da erhoffte man sich die Rettung der Gesellschaft von der Universität. Das durchwehte in letzten Ausläufern noch den Beginn meines Studiums Mitte der 1970er Jahre, produzierte manch interessante Aufbrüche und viel Bewegung, war im Ganzen aber
Die gefährlichen Orte der Religion.Irgendwie hatten alle mit dem sanften Verschwinden der Religion aus der Öffentlichkeit gerechnet. Der Marxismus früher sowieso, aber auch, etwas vornehmer, der liberale Kapitalismus, effektiver in allem, auch darin, die Religion zu marginalisieren. Man hatte sich angewöhnt, diesen Prozess mit dem etwas schillernden Begriff "Säkularisierung" zu belegen, und tatsächlich trifft er ja Realität.Das halbe Verschwinden der ReligionWenn man unter Säkularisierung versteht, dass religiöse Gehalte und Geltungsansprüche in den Privatbereich ausgelagert und im
Ist die katholische Kirche in der Lage, mit der neuen Rolle der Frau in der Gesellschaft kreativ umzugehen? Es scheint nicht so. Sicher ist jedenfalls: Sie wird sich mehr einfallen lassen müssen als bisher.Dass die Alltagswirklichkeit und das Selbstverständnis der halben Menschheit sich seit Jahrzehnten dramatisch verändern, ist kein Modephänomen in den reichen Ländern. Es ist ein epochaler Umbruch, zu dem sich die Kirche etwas einfallen lassen muss wie seinerzeit zur Industrialisierung. Damals gelang, nach einiger geistiger Funkstille, das Kunststück einer Zeitanpassung ohne