Zum 23. Male ist man nun in Görz zu einem „Convegno mit-teleuropeo" zusammengetreten, und wenn unsereins vielleicht meint, dies müsse eher „europeo centrale" heißen, so irrt er: gerade dieses aus Deutsch und Italienisch gemischte Vokabel ist bezeichnend für den Geist von Görz. In Friaul ist die Verbindung zu Österreich nicht abgerissen. Mit Jugoslawien gab es zwar kämpferische Auseinandersetzungen, an deren Ende die neue Grenze so nahe heranrückte, daß ein Teil der Stadt nun jugoslawisch ist. Zudem ziehen die „Convegni culturali" immer wieder Referenten aus Ungarn, Polen und
Baden bei Wien ist eine anmutige Biedermeierstadt, die ihren Ruhm jenen Schwefelther-men verdankt, die eine große Zahl von Rheumatikern hierher an den Rand des Wienerwaldes zieht. Auch dieser trägt zum Ruhm der Kurstadt bei mit seinen Promenaden und waldigen Hügeln. Ein sehr wesentliches Element aber ist die Weinlandschaft, denn rund um Baden liegen renommierte Heurigengebiete. Und das alles wirkt zusammen: das Schwefelbad, die Heurigen-Atmosphäre, das Biedermeier, damit hier schaurig-schöne Geschichten entstehen. Kenner wissen es ja: Biedermeiermorde sind die schönsten, die
Das Verhältnis des Wieners zu seiner Arbeit ist problembeladen, seltsam gebrochen und Mißverständnissen ausgesetzt. Wien ist nun einmal der Süden vom Norden, und da ist vielerlei anders, schon gar, wenn es um die unleugbare Tatsache geht, daß der Mensch, um als solcher existieren zu können, einiger Anstrengungen bedarf. Für den hohen Ernst, mit dem man ein paar Breitengrade weiter nördlich das Arbeitsethos umgibt, erntet man hierzulande nur verständnisloses Kopfschütteln. Aber man lasse sich davon nicht irreführen! Die Behauptung, man könne Wien nicht ernst nehmen, haben die Wiener
Ich traf ihn, als es mir gerade gelungen war, meinen Wagen in eine Parklücke zu manövrieren, die schätzungsweise halb so lang war wie das Fahrzeug. Stolz ob dieser Leistung und wohl noch ein wenig davon irritiert, betrat ich das Trottoir. Dort stand er und begrüßte mich überaus herzlich. Ich erkannte ihn nicht, vermutete wohl auch einen verwirrten Augenblick lang, er sei einfach ein zufälliger Passant, der mich aufmerksam machte, daß ich etwa zur Hälfte auf dem Trottoir stand oder mit der Stoßstange allerlei Verblüffendes angerichtet habe. Aber nein: er schüttelte mir die Hand,
Im Olivier Theatre, dem großen Haus des englischen Nationaltheaters, steht ödön von Horvath persönlich auf der Bühne — nicht als Autor, sondern als Hauptperson des jüngsten Stückes von Christopher Hampton. Der geistreiche Dramatiker hat seinerzeit die „Geschichten aus dem Wienerwald“ für London übersetzt und den „Tales from the Vienna wood“ nun „Tales from Hollywood“ folgen lassen.Der Grundeinfall ist bestechend: Horvath kommt nicht — wie es ihm widerfuhr —1938 in Paris ums Leben, sondern der herabstürzende Kastanienast trifft einen neben ihm Stehenden. Für ihn
Eva Demski, in Regensburg geboren, in den letzten Jahren als Rundfunkjournalistin tätig, legt nach ihrem ersten, 1979 erschienenen Roman „Goldkind" hier ihr zweites Buch vor. Mit großer seelischer Delikateß wird hier die schicksalhafte Verknotung vorgeführt, die eine junge Frau in eine krisenhafte Situation treibt. Mehr noch: es wird ein beklemmendes Kleinstadtpanorama vorgeführt.Die Autorin entwickelt nicht nur Charaktere, sie erzählt auch mit Raffinement. Was geschehen ist und warum es geschehen mußte, wird Schicht um Schicht bloßgelegt, bis wir auf den letzten Seiten das
Von der Komponistentrias Schönberg, Berg und Webern galt und gilt Anton von Webern als der sprödeste und eigenwilligste,, als derjenige, der sich am schwersten durchgesetzt hat. Wie schwer dieser Kampf gegen künstlerische Widerstände und Verständnislosigkeit war und wie tragisch Webern immer wieder scheiterte, bis er schließlich knapp nach Kriegsende einen brutalen Tod fand, davon gibt die beispielhafte Biographie Auskunft, die Hans Moldenhauer mit seiner Frau Rosaleen erarbeitet hat.Der 1883 geborene Anton von Webern entstammt einer seit dem 16. Jahrhundert adeligen Kärntner Familie.
Sie blühten nur einen Sommer. Geblieben sind einige kahle Strünke, dazu Fläschchen und Schächtelchen voller Tinkturen und Pillen sowie eine reiche Fachbibliothek über Balkongärtnerei. Einen Sommer lang haben uns die bescheidenen paar Rosen ganz hübsch in Trab gehalten. Ehre ihrem Gedenken!Balkongärtnerei ist ein Laster, dem man mit Vernunftargumenten nicht begegnen kann. Als meine Frau die ersten Pläne für die Ausgestaltung unseres bescheidenen Balkons entwickelte, dürfte ihr eine Anlage etwa in der Art des Parks von Schönbrvmn vorgeschwebt sein.Wir bestellten eine maßgerechte
Mit jeder neuen Woge, die im Herbst oder Frühjahr über unseren Buchhandel hereinbricht, sind auch sie reichlich vertreten: die Bände, in denen berühmte -Leute ihren Briefwechsel vor aller Öffentlichkeit ausbreiten.Der Mann von der Straße darf - gegen eine geringe Gebühr - teilhaben an Gedanken, die gar nicht für ihn bestimmt waren, denn sonst stünden sie ja nicht in einem Privatschreiben, sondern in einem literarischen Opus. Diesen Publikationen haftet ein wenig vom Blick durchs Schlüsselloch an, ähnlich der Veröffentlichung von Tagebüchern. Hier schreiben
Wir wollten nach Südfrankreich fahren und uns zuvor, wie es sich gehört, auf die Reise vorbereiten. Also durchstöberten wir den Bücherschrank nach einem einschlägigen Reiseführer. Aber leider: Südfrankreich schien seine schwache Seite zu sein. Alles, was sich fand, war ein Baedeker „Sud-Est de la France“, erschienen 1906. Mit ihm war vermutlich unser Großvater an die Riviera gefahren, und seither verstaubte der Band in seinem entlegenen Regal.Beim Durchblättern fielen zwei Eintrittskarten für den Päpstepalast von Avignon zu Boden. 1906 war Großvater bereits verwitwet. Mit wem
Als man der Fürstin Pauline Metternich einst zu ihrem Geburtstag sagte, siebzig Jahre seien kein Alter, erwiderte sie: „Für eine Kathedrale nicht, wohl aber für eine Frau!“ Seither haben sich die Zeiten geändert, denn es wäre falsch anzunehmen, daß die Zeit selbst etwa nicht der Zeit unterliege. Vielleicht sind heute siebzig Jahre auch für eine Frau kein Alter mehr. Hingegen fangen Kathedralen schon wesentlich früher an, historische Würde zu zeigen und sich die Patina des Antiken einzuverleiben.Wenn auf dem Kunstmarkt Richtungen, die früher zwei oder drei Jahrzehnte hätten
Nicht länger als fünf Jahre - von 1933 bis 1938 - währte in Österreich das von Dollfuß und Schuschnigg geführte Regime, das entweder als Austrofaschismus oder als christlicher Ständestaat umschrieben wird. Von seiner Literatur wissen wir heute wenig. „Versunken und vergessen - das ist des Sängers Fluch"? Wer jene Zeit noch miterlebt hat, weiß, daß sie - trotz aller Schönheitsfehler, die mit einer Diktatur verbunden zu sein pflegen - fünf Jahre Aufschub vor der nationalsozialistischen Besetzung gebracht hat. Das bedeutete unter anderem viele gerettete Menschenleben, auch wenn
Die auffallendsten Bauwerke des Mittelalters seien die Kathedralen gewesen, diejenigen der Renaissance die Universitäten, die des Liberalismus die Börsen. Unsere Epoche aber dokumentiere sich am deutlichsten in ihren Warenhäusern, denn sie symbolisieren die Erfüllbarkeit unserer Wünsche, die Zugänglichkeit unserer Paradiese. Diese Behauptung ist einer der zahlreichen Ansatzpunkte des überaus gescheiten und ideenreichen Buches, in dem Wolfgang Kraus die Wertkrise unserer Epoche analysiert: „Zum Freizeitparadies führen Warenhäuser, Urlaube, Fernsehen und Reklame.“ Die Absicht ist
Ich entdeckte das Gebäude am Rande der Stadt und dort war es auch gewiß nicht au übersehen. Ein Koloß aus Glas und Beton lag vor mir, eigentlich nicht ein einziges Haus, sondern deren vier oder fünf, die durch gedeckte Brücken mit einander .verbunden waren. Dahinter ging die Hauptstadt in eine Art Steppengelände über, an dessen Rand sich mächtige Wohnblöcke erhoben, aiber keiner von ihnen konnte mit dem kubischen Komplex wetteifern, der da vor mir in der Sonne funkelte. Ich hatte die Hauptstadt einige Jahre lang nicht besucht. Inzwischen hatte sie sich wohl hier in südlicher
Jakov Lind ist ein erstaunlicher Autobiograph. In der Mitte der Vierzig stehend, ist er andauernd damit beschäftigt, auf sein eigenes Leben zurückzublicken, eine Beschäftigung, die in der Literatur für gewöhnlich höheren Jahrgängen zukommt. Aber es war eben ein frühreifes Leben, Hitler und der Krieg haben dazu beigetragen, es noch stürmischer ablaufen zu lassen, und darum kommt wohl auch das Memoirenschreiben vorzeitig.Als vor drei Jahren Linds „Selbstporträt“ erschien, erfuhr man von einem Knaben, der in Wien das jüdische Chajes-Gymnasium besucht hatte und als Halbwüchsiger
In jener Generation österreichischer Dichter, die nach dem Kriegsende hervortrat und etwa zwischen 1950 und 1960 ihren Platz bezog, war Herbert Zand eine der stillsten Erscheinungen. Seine Romane „Letzte. Ausfahrt“ und „Erben des Feuers“ hatten ihn als einen Erzähler ausgewiesen, der einmal das Desaster der großen Kesselschlachten, dann das Desaster der Naühkriegsgesell-schaft aufs Korn nahm. Kein rasanter Erzähler, eine behutsame Natur eher, darauf aus, hinter dem realen Gesehehen die irreale Dimension ins Spiel zu bringen, ein Erbe Hofmannsthals so gut wie Kafkas, einmal in der