personenstück des Deutschamerikaners Shimon Wincelberg, macht von sich reden. Zuerst war es ein Fernsehspiel, das erfolgreichste der Saison 1957 58, dann übersiedelte es, zu einem abendfüllenden Stück umgeschrieben, auf den Broadway, woselbst wohl die Kritik, nicht aber das Publikum für Zweipersonen-Kriegsstücke zu gewinnen ist. Von da ging es um die Welt. . Von Finnland bis Brasilien reicht der Erfolgsweg, die deutschsprachige Erstaufführung fiel in Hamburg. Jetzt spielt es die „C o u r a g e“ im Seitenstettenhof zum erstenmal in Österreich: ein starkes, eindrucksvolles Stück,
Sehr geehrter Herr! Fünf Jahre souveräner österreichischer Innenpolitik diktierten diesen Brief, fünf Jahre jüngster Vergangenheit, von 1955, dem Staatsvertragsjahr, bis Ende 1960, von einem Anfang, der verheißungsvoll begann, bis fünf Minuten vor zwölf. Fünf Jahre österreichischer Beschönigung und des behördlich gelenkten Optimismus liegen hinter uns. Fünf Jahre Scheuklappen, Kulturgeschrei und NS-An-fäUi eit_Jmößentlis tenDienst und im Tioch-shufwesenTfünf Jahrerckitätüfige Mietskasernen und Amtspaläste; und Festspielhäuser statt wissenschaftlicher Labors, und
Seit mehr als vier Jahrzehnten wird Schön-h e r r s Bauerndrama „Der W e i b s t e u f e 1“ immer wieder aus der Schublade hervorgeholt und unverdrossen dem schon längst an derlei nicht mehr interessierten Publikum vorgesetzt, und stets ist die Reaktion alles eher denn begeistert. Nur weil da und dort das heimattreue Volksempfinden der dramatischen Folklore ohne Rücksicht auf Verluste zugetan ist, quittieren die Urbane Öffentlichkeit und die offiziellen Kulturinstanzen, von den militanten Streitern der bodenständigen Tradition eingeschüchtert, dies „schlichte“ Werk der schlichten
Eine Lehre mag man aus der losefstädter Aufführung der „Katze auf dem heißen Blechdach“ gezogen haben: die Zeit des naturalistischen Skandalstücks von der Art, wie Tennessee Williams sie laufend erzeugt, ist vorüber. Vor einigen lahren vermeinte man mancherorts, diese von Williams bevorzugten Seelenexzesse pathologischer und schockierender Bloßstellungen über sich ergehen lassen zu müssen, denn bei allem Einwand dagegen war man doch bereit, dem Autor den Hintergrund des guten Willens einzuräumen, nämlich den der schonungslosen, wenn nicht gar mutigen Zeit- und
Drei Einakter von Arthur Schnitzler, von Heinrich Schnitzler inszeniert und mit Leopold Rudolf in den Hauptrollen: es war ein Abend der Schauspieler, ein Abend der Töne, der Melodie und Atmosphäre. Ein Josefstädter Abend wie schon lange nicht. Die „Stunde des Erkennens“ schildert die Endstation einer am melodramatischen Müßiggang frivoler Bürgerseelen geicheiterten Ehe, die „Große Szene“ nimmt in •atirisch pointierter Form die erbärmliche Verantwortungslosigkeit eines „genialen“ Bühnen- und Frauenhelden aufs Korn, im „B a c c h u S f e s t“ schließlich stehen
Zum zehntenmal jährten sich die Berliner Festwochen, zum zehntenmal erbrachte die bedrohte Stadt der Welt den Beweis ihres ungebrochenen Lebenswillens und ihrer künstlerischen Vitalität. Mehr als fünf Dutzend kultureller Veranstaltungen zeugten davon, daß in Berlin der Geist und die Schaffenskraft des Abendlandes immer noch und ungeachtet aller Bedrängnis und Isolation höchst präsent sind. Und das wiegt mehr als die Enttäuschung darüber, daß, zumindest auf dramatischem Sektor, das große künstlerische Ereignis ausgeblieben war.Das Schiller-Theater eröffnete mit einer eher lau
Zum drittenmal jährten sich die Klosterne u-burger Kulturtage, zum drittenmal auch Goethes „U r f a u s t“ vor dem Portal der Stiftskirche. Peter Weihs hatte die Freiluftaufführung inszeniert und Helmut Janatsch den Faust, Sieghardt Rupp den Mephisto und Inge Brücklmeier das Gret-chen dargestellt — und wider Erwarten gefiel das alles den ambitionierten Stadtvätern von Klosterneuburg ganz besonders und dem zahlreich sich einstellenden Publikum auch nicht eben schlecht, denn vom künstlerischen Standpunkt, sachlich und fachlich gesehen, war das Unternehmen alles andere denn ruhmreich.
Literarisch und anspruchsvoll begann die Saison. Als erste meldeten sich mit vielen falschen Tönen die Kammerspiele mit der für die Verhältnisse eines Amüsiertheaters immerhin ernsthaften Satire „Moral“ von Ludwig Thoma, tags darauf folgte in der Josef Stadt das „Nachtasyl“, Maxim G o r k i s Szenen aus der Tiefe, den eindruckvollsten Beitrag aber lieferte das Volkstheater mit Jean Paul S a r t r e s komplexen Problemstück über die Kollektivschuld eines Jahrhunderts, über die unbe-wältigte Vergangenheit und kaum zu bewältigenden Gegenwart, über Politik und Mystik: „Die
Bisher stand das Sprechstückprogramm der Festspiele in Salzburg, das heuer infolge des Vorrangs, den das neue Festspielhaus und all die großen, dahin konzentrierten musikalischen Ereignisse einnahmen, ohnehin mehr denn je in den Hintergrund rückte, unter keinem guten Stern. In der nicht ganz verständlichen Meinung, eine interessante Novität zu bieten, begann man mit dem kleinen und eher unscheinbaren Einakter „H u g h i e“ aus dem Nachlaß O ' N e i 11 s, und koppelte ihn, nicht minder unverständlich, mit Molieres „T a r t u f f e“, O'Neills Stück, ein ziemlich düsteres, in
Zu Richard B i 11 i n'g e r s siebzigstem Geburtstag inszenierte Heinz Hilpert in der Josefstadt das Schauspiel „Der Gigant“ dessen Thematik weit bekannt wurde durch seine Verfilmung in „Die goldene Stadt“. Es ist schon etwas Merkwürdiges um dieses Stück, wie um seine Zeit, die dreißiger Jahre:, wieviel Falsches, Unechtes lag damals in der Luft und im Mund, so hier in der Sprache, dieser „Bauern“, die Billinger sich erfand. Manche Samen, im Guten und Bösen, sind da sichtbar; Kitsch eines Blut-und-Boden-Mythos, falsche Magie, bösartiges Ressentiment gegen die „große
Als sich die Juroren des vom Theater in der Josefstadt veranstalteten Dramatikerwettbewerbes an die Arbeit machten, taten sie dies in der Überzeugung, daß Preisausschreiben erfahrungsgemäß ermutigend und anregend wirken und daß sie infolgedessen, selbst unter Zubilligung nur geringer Erfolgchancen, einem sinnvollen Unternehmen dienen. Sie wußten aber auch sehr genau, daß sie ein zum wiederholten Male umgepflügtes Feld vorfinden würden* — und die Wahrscheinlichkeit, daß jenem vielgestaltigen Kulturförderungsbetrieb, der auf der Jagd nach lohnenden Objekten seiner
Zur hundertsten Wiederkehr des Geburtsjahres Anton Tschechows bringt die Josef städter Dependance im Konzerthaus vier Einakter, vier dramatische Novellen dieses großen russischen Theaterdichters. Mit den beiden heiteren Stücken, mit dem vielgespielten, grotesk-ironischen „Heiratsantrag“ und mit • dem burlesken „B ä r“ hat Wien Tschechow vor annähernd sechzig Jahren entdeckt; die zwei anderen, so gut wie unbekannt und voll melancholischer Hoffnungslosigkeit, wurden zum erstenmal in Österreich gezeigt; das „S c h w a n e n l i c d“ und „Der Schaden des Tabaks“. Hermann
In der stets heiteren Josefstädter Dependance, in den „Kammerspiele n“, steht Terence R a 11 i-gans „O Ii via“ auf dem Spielplan. Die Komödie, nicht klüger und nicht banaler als die üblichen Gesellschaftsstücke, die aus dem englischen Salontheater zu uns kommen, steht mit Susi N i c o 1 e 11 i und fällt mit Fritz Riedel. Frau Nicoletti spielt mit allem Raffinement, mit dem Geist und mit dem Reiz der souveränen Konversation eine reichlich lebenslustige Mama (die in angenehmer Liebe einem britischen Kabinettsminister verbunden ist), Fritz Riedel versucht sich in der Rolle ihres
Wenn es unter den aus Übersee stammenden Gesellschaftsstücken so etwas wie ein „Josefstädter“ Stück gibt, dann ist es „Das Mädchen vom Lande“ von dem amerikanischen Schriftsteller und Schauspieler Cliffort O d e t s. Erstaunlicherweise wird dies Stück, das während der Berliner Festwochen 1959 (mit Ernst Deutsch, Hannelore Schroth und Heinz Drache in den Hauptrollen) zu sehen war und daraufhin in einer erfolgreichen Tournee durch Deutschland und die Schweiz reiste, nunmehr als österreichische Erstaufführung in einem Wiener Kellertheater— im Theater der Courage gegeben.Der
Am Aschermittwoch fand im Volkstheater die Premiere eines älteren Stückes von Tennessee Williams, „Orpheus steigt hera b“, statt. Eine überaus quälende Angelegenheit, vom Regisseur unbarmherzig in die Länge gezogen. Nur Musik, die innere Musik der Poesie, und ein feinst abgestimmtes Zusammenspiel erlesener Schauspieler vermag grausame Geschichten dieser Art auf der Bühne erträglich zu machen, sie zur Vision zu erheben. Williams schlachtet in diesem Drama unbarmherzig die Menschen des „tiefen Südens“ aus: eine unerlöste Welt, in der Nigger geteert, gefedert, gelyncht,
„Sansibar Street“ von Raoul M a r t i n i e — uraufgeführt in der Tribüne — benützt einen drei Akte langen unaufgeklärten Raubmord an einem Juwelier, um ein Ehepaar, das in derselben Straße wohnt, abwechselnd — zuerst den Mann, dann die Frau — in den Verdacht der Täterschaft zu bringen. Beide waren (ohne allerdings voneinander zu wissen) zur kritischen Zeit am Tatort, bei beiden scheint ein Motiv denkbar (denn er ist arbeitslos und in Geldnöten, sie hingegen war, was kein Mensch wußte, mit dem Ermordeten längere Zeit liiert) — und am Publikum liegt es nun, von allem
„Die Tabakstraß e“, nach einem Roman von Erskine Caldwell, für die Bühne bearbeitet von Jack Kirkland, übersetzt von Fritz Hochwälder: ein obskures Sittenbild, eine Elendsreportage. Das Publikum wird gezwungen, an der Not und an der Faulheit, an der Hoffnungslosigkeit, den Lästerungen und dem Laster einer völlig herabgekommenen diebischen Farmersfamilie in einer nicht minder herabgekommenen Gegend Nordamerikas Anteil zu nehmen. Eine Weile lang läßt man es sich gefallen, bald darauf ist man erbost, und schließlich schlägt es um, ins Komische, ins ungewollt Groteske, im
Zweifellos wirken Preisausschreiben, die den Einsendern neben der erhofften Aufführung ihres Werkes den finanziellen Vorteil einer — meistenteils großzügigen — Prämie in Aussicht stellen, ermunternd und anregend; sie strahlen Impulse aus und bereichern die tausendfältigen Fangarme, die selbst in den abgelegensten literarischen Winkeln auf ihrer Jagd nach annähernd Brauchbarem das Unterste nach oben kehren. Zweifellos ist so ein Dramatikerwettbewerb unabhängig von seinem Endergebnis grundsätzlich zu begrüßen, schon deshalb, weil nach menschlichem Ermessen jede Mühe irgendwann
Die Theaterstadt Wien verdankt dem Studententheater zur Zeit eine ihrer interessantesten Novitäten. Daran wurde man bei der Uraufführung zweier Einakter von H. C. Artmann durch „die arche“ — in der Mensa der Katholischen Hochschülerschaft in der Ebendorferstraße — gemahnt. — Der erste Teil des erfolgreichen Abends stand im Zeichen der „un-guaten Handerln“ vom Greißler, der eines Tages größenwahnsinnig wird und nichts mehr verkauft, nur damit niemand glaubt, er hätt's am End' nötig. Artmann mißachtet in diesem 1953 entstandenen, seinerzeit für das „Theater am
Nach einer glänzenden halben Spielzeit des literarischen Mittel- und Schwergewichts, nach den „Sechs Personen“, dem „Weiten Land“ und den „Besessenen“, war die Konzession an die sentimentale und banale Konversation im Akademietheater wohl nicht mehr aufzuhalten: es folgte die österreichische Erstaufführung der amerikanischen Komödie „Pleasure of his Company“ von Samuel Taylor und Cornelia Otis S k i n n e r. zu deutsch „Die goldene B r ü c k e“, übersetzt von Erni Friedmann, bearbeitet von Alexander Lernet-Holenia. — Das zunächst animierte, nach der Pause aber
Vor annähernd zwei Jahren spielte zunächst das Parkringtheater, später das „Kaleidoskop“, Manfred Hausinanns „Fischbecker Wandteppich“. Nunmehr geht am gleichen Ort ein zweites Hausmann-Stück an uns vorüber, es gleicht dein ersten wie ein (faules) Ei dem anderen: Es ist ebenso requisitenarm, ebenso altmodern, ebenso konstruiert, ebenso der mißbiauchten Werkstätte Pirandellos entliehen. Es heißt „Die Zauberin von Buxtehude“ und gibt, wiewohl es (von Georg Lhotzky) sehr präzise einstudiert ist, vor, ein Stegreifspiel zu sein. Die Schauspieler (Georg Lhotzky, Maria Walenta,
Wer Oesterreich liebt, muß es wagen, alle seine Gesichter zu sehen. Oesterreichischer Patriotismus ist nicht Protzentum und Selbstbelügung. Der hier folgende Aufsatz ist ein Testfall: Wer unserem Land, seiner Vergangenheit und Zukunft wirklich gewogen ist, wird gerade in ihm die Stimme eines Liebenden vernehmen.Die FurcheAls Oesterreicher zur Welt zu kommen, genügt nicht. Oesterreich muß man erlernen. Mit diesem zur einen Hälfte angeheitert-launigen, zur anderen bitter-resignierten Merksatz über Land und Leute zwischen Grinzing und Mauthausen mag man einigermaßen erfolgreich ein
Ein frühes Weihnachtsgeschenk, edel, groß geartet: „Die B e s e s s e n e n“, ein Schauspiel von Albert Camus, nach dem Roman „Die Dämonen" von F. M. Dostojewsky: ins Deutsche übertragen von Guido G. Meister. Regie im Akademietheater führt vorzüglich Leopold Lindtberg. Bühnenbilder und Kostüme: Ita Maximowna. Die vierstündige Aufführung entfaltet das Drama: Blüte eines Baumes des Bösen, bis er im Sturm alle seine Früchte abwirft, ins Verderben. Mörder, Selbstmörder, Nihilisten, Anarchisten: dazu die kleine närrische, eitle, selbstverliebte Welt altrussischer Provinz,
In den Grazer Kammerspielen, im provisorisch anmutenden Rittersaal des Landhauses und vor vielen leeren Plätzen, traf die Uraufführung eines blutarmen Lehrstücks (von Helmut Schwarz) auf eine eher bescheidene Inszenierung (von Heinz Ger- stinger). Das Ergebnis war dementsprechend: fünf Bilder platter, flacher Dialoge, eine Hauptfigur aus weltanschaulichem Papier und über ein Dutzend: weiterer Textzubringer in einer Reportage aus dem Bereich der Kunst und Politik.Der Titel des Stückes heißt „Das Aushänge- s c h i 1 d“, der Inhalt erzählt von den Konflikten eines renommierten
Der graue (oder rauchbraune oder blaßgrüne oder schwarzblaue) Ausstellungsalltag unserer Gegenwart kennt nur noch zwei Alternativen: Kringel, Flecken und Arabesken als Ausdruck verklausulierter schöpferischer Ausflüchte, und Kringel, Flecken und Arabesken, hinter denen sich nichts als das schlichte Nichtskönnen Verbirgt. Beides steht nur für sich da, Selbstzweck, Eigenform, beziehungslose Demonstration privater Eigenheiten, niemandem zu Nutz, nur gelegentlich ein Auge im Vorübergehen erfreuend. Das Abbild des Menschen ist, nur noch pls Rudiment ten seiner selbst. Wir wollen nicht
Die Herbstausstellungen der zwei großen Künstlervereinigungen, der „Wiener Secession" und der „Gesellschaft bildender Künstler Wiens“, umfassen zusammengenommen weit mehr als 300 Oelbilder, Aquarelle, Graphiken und Plastiken. Insgesamt 130 Maler und Bildhauer stellen aus: es ist der Querschnitt einer Jahresernte, der, über den künstlerischen Ausweis des einzelnen hinaus, als repräsentative und summarische Zusammenfassung der „offiziellen“ Malerproduktion einer ganzen Stadt betrachtet werden will.Im Blickpunkt dieses, den großen Rahmen der Pauschalbewertung herausfordernden
Zur Diskussion steht das Ensemble: das durch Jahresverträge und infolge langfristiger menschlicher und schöpferischer Kontakte zusammengefügte „künstlerische Personal“, das dem Haus, dem es verpflichtet ist, Substanz, Profil und Eigenständigkeit verleiht. Der in Stil und Tönen aufeinander eingespielte Klangkörper. Jene verkörperte Idee von der Kontinuität eines künstlerisch-individuellen Konzepts, die ihre Wurzel in der Reisegefährtenschaft des fahrenden Volkes schlug und bindend blieb für die Zeit des großstädtischen Qualitätsanspruchs, als der Truppengeist der
So es sich nicht gerade um Kollektivausstellungen von Schlemmer bei Würthle, von Chagall bei Willy Verkauf oder von Kubin in der Galerie St. Stephan handelt, darf man dem Antiquar Christian M. N e b e h a y in der Annagasse bescheinigen, daß er stets das Beste, das Geschmackvollste, das Interessanteste zu bieten hat. Ob es sich nun um wertvolle Viennensia handelt, die in dieser rührigen Galerie endgültige Heimstatt gefunden haben, oder um die große europäische Graphik der Modernen (von Picasso bis Leger) oder,: wie unlängst,’ um die Sammlung prachtvoller Autographien aus der
Zum Gedächtnis Alfred K u b i n s, des jüngst Verstorbenen, zeigt die Galerie St. Stephan 64 Zeichnungen. Die . älteste „Verrufener Ort“, Feder, Kreide, Tusche entstand um 1910, die jüngste „Der achtzigste Geburtstag“, Feder wurde 1957 signiert. Die zwischen diesen beiden Daten angesiedelten kleinen Gestalten, und Visionen sind beredte Zeugen dieses großen, dieses unvergeßlichen Lebenswerkes der Phantastik und Skurrilität, des Traumhaften, Alptraumhaften, Gefiederten und Fau- nischen: der Angst unseres Jahrhunderts; der Angst schlechthin; des in unnahbare Zwischenreiche
Glanzpunkt und Festakt des dramatischen Programms der Berliner Festwochen war sofern man die sensationelle Seite des Ereignisses und das unerschütterliche Prestige in Erwägung zieht, dessen sich Gustaf Gründgens in Deutschland erfreut das Hamburger Gastspiel mit der vielgerühmten „F a u s t - 11“ - Inszenierung. Die Berliner hatten sich vier Tage vor Eröffnung der Vorverkaufskassa mit Campingausrüstung vor dem Schiller-Theater eingefunden — und spendeten dann, am Abend der Galavorstellung, ihrem Idol Gründgens stürmischen Beifall…In diesem Beifall, der die Gründgenssche
Gerhart Hauptmann schrieb 1908, nach dem Mißerfolg eines seiner Stücke: „... daß der qualvolle und gequälte Unsinn, wie er über ein unschuldiges Werk auch diesmal wieder hereingebrochen ist, natürlich nicht ohne schmerzliche Einwirkung auf mein Leben geblieben ist..." — Ebs-ndatierter Nöt- ,/uf Peter Altenbergs lautet: ich schreibe Dir diese Zeilen aus tiefster bitterster Herzensnoth, nur als Medizin für mein todkrankes Herz ..." — Hermann Bahr verkündet in einem Brief, 1889: „ . . . ,Nur aus Trutz’ ist ein gutes Stück; freilich müßte man es in die Hände eines guten
Der dramatische Auftakt und der erste große Erfolg der Berliner Festwochen 195 9 fiel inj S c hi 11 er-,Th e a t er. Werner Düggelin inszenierte. Edmond Ro Stands „Cyrano de Bergerac“: Die Aufführung war prunkvoll, farbenprächtig, bewegt — ein barockes Spiel der Ausstattung und Komödiantik. Im Vordergrund und als-- Mittelpunkt eines 52 Personen zählenden Ensembles und so mancher beachtenswert-konventioneller Leistung brillierte Rolf Henniger als Cyrano. Er bot eine hinreißende Gestalt der Poesie und Romantik, des Abenteuers und des tragisch-menschlichen Geschicks: Ein herrlich
Die Secession zeigt Graphik und Malerei von Hans Staudacher Wien. Die Biographie im Katalog liest sich wie eine einzige Siegesmeldung: Eine 13 Zeilen lange Aufzählung berichtet von Ausstellungen in Sao Paulo, Pittsburgh, Venedig,Cincinnati, Amsterdam, Neu-Delhi, Mailand, München, Paris, Boston — um nur die attraktivsten Orte anzuführen. — Wenn man dann die Ausstellung in der Friedrichstraße verläßt, nachdem man diese erdrückende Ansammlung gegenstandsloser Kunst, die wie von einem eifrigen Fließband über uns kommt, auf sich einwirken hat lassen und nachdem man in neun von zehn
„BITTE, NICHT PUPPEN", verbessert der Hausherr sanft die Frage eines Journalisten: „Figurinen...!“ Einige Presseleute notieren: Figurinen ... Miniaturabbilder der Wirklichkeit... Verkleinerte Nachbildungen der Vergangenheit ... Aus Holz und Draht und Stoff geschaffene Kostümkunde für Kenner ,..Die Presseleute waren zu Helmut Krauhs gekommen, um eine soeben fertiggestellte Kollektion von fünfzig, etwa dreißig Zentimeter kleinen Kriegern zu besichtigen, die demnächst im Heeresmuseum die Entwicklung der österreichischen Uniform veranschaulichen werden: vom Dreißigjährigen Krieg an
Das Antlitz des Menschen in Ost und West — im Krieg und Nachkrieg, in seiner Einsamkeit und in der Masse, im Elend und im Wohlstand: das ist das Thema einer sehenswerten Photoausstellung im Museum für angewandte Kunst. Hilmar P a b e 1, der vielgerühmte und vielgereiste Photoreporter, zeigt Dokumente der Zerstörung und der menschlichen Verwirrung in einer zweigeteilten Welt: Bildberichte, die weniger dem photographischen Schwarzweißkontrast als der intensiven psychologischen Erfassung der Lebenskontraste gewidmet sind. Erlebnisberichte aus dem zweiten Weltkrieg, aus der Trümmerwelt von
Im ersten Stock des Salzburger Mirabell-Kasinos hängen, geschmackvoll eingerahmt, höchst anmutige Bilder: eine reizvoll-dekorative Kollektion gewählter Traumspielmalerei aus dem jüngeren Schaffen der bekannten Wiener Kostümbildnerin und MalerinReny Löhner. Komposition, Vortrag und Themenkreis sind surreal, dominierend aber ist die Leuchtkraft der aufeinander abgestimmten Farben. Das Visionsgestrüpp unterliegt ästhetischen Motiven, die Requisiten der surrealen Miniaturabgründe sind entschärft. Nicht die Herausforderung der „sur- rėalitė“ herrscht vor, das triebhaft
„WENN SIE NACH MADRID KOMMEN", sagte einer meiner spanischen Bekannten in Barcelona, „müssen Sie zur Puerta del Sol gehen; da schlägt das Herz der Stadt." „Sie müssen in den Prado zu den Velasquez’, Goyas, Grecos und Murillos gehen, und dann ins Alba- Museum zu den Tizians und Rubens’ “, sagte ein zweiter. Ein dritter empfahl das Goya-Mausoleum und die präkolumbische Amerika- Sammlung im Marinemuseum, und ein vierter meinte: „Gehen Sie zum Palacio Real und blicken Sie von da über den Manzanares hinweg zu den grünen Hainen im Westen.“ — Ich ging zunächst in das
Die vom Oesterreichischen Arbeiterkammertag und Gewerkschaftsbund herausgegebene Zeitschrift „Arbeit und Wirtschaft” veröffentlichte kürzlich (1. Juni 1959) unter dem Titel „Gesundheitsdienst für alle — unser nächstes Ziel” die ersten konkreten Vorschläge zur gesetzlichen Verankerung eines staatlichen Gesundheitsdienstes. Der offensichtlich von zahlreichen Experten des an dem Projekt interessierten Sozialministeriums und der öffentlichen Krankenversicherungsinstitute inspirierte Entwurf argumentiert zunächst mit dem anscheinend als „unheilbar” betrachteten Defizit der
Von den elf Wiener Sprechbühnen sind nicht weniger als sechs in Souterrainräumen etabliert. Der Fassungsraum dieser Kellerbühnen ist zwar äußerst beschränkt, doch werden hier immerhin für etwa 70.000 Zuschauer jährlich 30 bis 40 Stücke inszeniert und an-die 150 Schauspieler beschäftigt. Mit anderen Worten: nahezu ein Drittel aller in Wien lebenden Schauspieler spielt im Keller. Die Umstände sind nicht gerade rosig.In den ersten Nachkriegsjahren, als das Schauspiel unter dem Bürgersteigniveau im flammenden Zeichen des Experiments und der Avantgarde mittlerweile längst eroberte
Zum Saisonausklang präsentierten die Kellertheater zwei österreichische Erstaufführungen und eine Uraufführung. Erfolgsaufführungen waren es keine. In der „C o u r a g e“ ging die „Schreibmaschine" über die Bühne: ein Stück von Jean Cocteau, das in den Händen einer kundigen Regie und von Schauspielern dargestellt, auf die diese Berufsbezeichnung zutrifft, einigermaßen reizvoll sein mag. Amüsant, turbulent und spannend; eine Parodie wider die degagierte Jugend unserer Tage, eine Persiflage auf die Banalitäten des Kriminalstücks und auf die Schablone des Problemstuckpathos. In
Das Kulturamt des Magistrats (Friedrich-Schmidt- Platz 5) zeigt eine Sonderschau „Wiener Kleinplastiken und Gobelins von heute“. Die besonders schöne — und für Wiens Avantgarde repräsentative Kollektion war während der Oesterreichwoche in Düsseldorf und Duisburg zu sehen. Im Mittelpunkt thront das von Fritz Wotruba beigesteuerte Prunkstück, der souverän reduzierte Bronzekopf, dessen erste Fassung im Besitz des New-Yorker Museum of Modern Art ist. Hans Leinfellners größtenteils klassisch anmutende Plastiken fallen auf, daneben Wander B e r t o n i s in Bronze erstarrte
Festwochenausklang am Burgtheater: Jean Vilar gastierte mit seinem „Theatre National P o p u 1 a i r e“ mit M o 1 i ė r e s „Ecole des femmes", mit „Le Triomphe de l’Amour“ von Marivaux, mit Andrė Gidės „Oedipe" und „Le Carrosse du Saint Sacrament“ von M ė r i m ė e. Vilars unnachahmlich-französischer ' Theaterstil der Reduktion und Stilisierung, der reinen Komödiantik vor nahezu kärglicher Dekoration (was dann freilich durch eine fast nachtwandlerische Perfektion mehr als wettgemacht wird) errang Bewunderung und enthusiastischen Beifall.Der erste Abend brachte
Weitere fünf Ausstellungen aus der Ueberfülle des Festwochenprogramms: Das Volkskunde museum zeigt zum erstenmal seine seit 1948 intensiv erweiterte Sammlung österreichischer Votivtafeln. Dem Betrachter erschließt sich ein ganz eigenartiger, in seiner bäuerlich-barocken Schlichtheit eigenständlicher Zweig des religiösen Volkskunstgutes von zuweilen herber Schönheit. Die ältesten Funde stammen von den Mariengedenkstätten Maria am Eis in Bruck, Pinzgau, und Maria-Kirchenthal (acht Tafeln aus der Zeit von 1697 bis 1773), ikono- graphisch zweifellos wertvoll scheinen die berührenden
Wenn man von Oesterreichs Vergangenheit spricht, von Oesterreichs historischem Lebensstil, von Oesterreichs kultureller Tradition, denkt man zunächst an das — Barock. An jene Willensäußerung einer Epoche, die uns heute noch so gegenwärtig ist: in den Kunstdenkmälern, die uns umgeben, in der Musik, die so sehr den nationalen Charakter widerspiegelt, in der Architektur, die sich in unsere Landschaft einfügt wie keine andere. Das „Oestęr- reichische Barock“ ist ebenso zum kunstkritischen Begriff geworden, wie das „barocke Oesterreich“ zu einem Schlagwort in den Bereichen der
Wien bietet seinen Festwochengästen an die zwei Dutzend Ausstellungen. Neben den großen Ereignissen. etwa von der Art der Edvard-Munch- und der Maximilian-Ausstellung, zeigt nahezu die Hälfte aller Galerien Werke junger österreichischer Künstler. Das ist sehr erfreulich: Der ausländische Besucher (oder der, der nur selten eine Galerie betritt) kann sich mit dem Schaffen von mindestens achtzig Malern auseinandersetzen. Der ständige Ausstellungsbesucher kommt freilich nicht mehr so gut weg: Er kennt das meiste schon. Seit Jahr und Tag. Es gibt kaum etwas Neues zu erforschen, trotz der
Es gibt eine Reproduktion in allen Kunstalmanachen: Sie zeigt eine Brücke, dahinter eine düstere Bucht, und einen drohend tiefverhangenen Himmel. Im Vordergrund krümmt sich eine lemurenhafte Gestalt mit klaffendem Mund und in wilder Panik aufgerissenen Augen. Die erhobenen Hände sind an die Ohren gepreßt. Der „Schrei”, der da ausgestoßen wird, der nahezu körperlich zu uns dringt, ein Ur- laut, der die gewalttätige, explosive Bildatmosphäre beherrscht, kennzeichnet den erregenden Ideengehalt Eduard Munchs, der (gleich van Gogh) einem halben Jahrhundert Thema und Losung gab: die
Die National’bibliothek, die Albertina und die Waffensammlung des Kunsthistorischen Museums rekonstruieren im Rahmen einer großzügig konzipierten Ausstellung das Leben und Werk einer der universellsten Persönlichkeiten, die jemals den kaiserlichen Thron innegehabt haben. Ein historio- graphische’s und kunsthistorisches Ereignis ersten Ranges beleuchtet das Zwielicht einer Uebergangs- epoche — und die Mehrdeutigkeit einer Persönlichkeit, die dieser Zeit das Signum ihres Geistes, ihrer Tatkraft, ihrer Erneuerungsimpulse aufdrückte; die den Ausklang und den Anbruch in sich vereint: das
Jugend am Theater: Nicht zu verwechseln mit Anfängern und Debütanten und dem allerorts zitierten sozial-kulturpolitischen Begriff „Nachwuchs“. Nicht zu verwechseln mit der am Theaterzettel aufscheinenden Besetzung jugendlicher Fächer, für die man zwangsläufig Schauspieler unter dreißig braucht. Nicht zu verwechseln mit dem jeweils modernen Spielstil, den der juvenile Feuergeist inthronisiert Jugend am Theater: das sind die jungen Leute auf der Bühne, die mit ihrer im Parkett ansässigen Generation gemeinsam altern werden. Das ist das Wesentliche. Das ist das kontinuierliche Theater
In der Secession stellen zwei Maler und zwei Bildhauer aus. Den Raum aber beherrscht Gerhard Swoboda. Er zeigt einen nachdenklich stimmenden Querschnitt aus seiner sehr vielfältigen Werkstatt. Da ist — vom Riesengemälde bis zur kleinsten Graphik, von der groß angelegten Aktstudie bis zur aquarellierten Federzeichnung — so ziemlich alles aufgeboten, was einen der Stilistik überaus kundigen und für fremde Anregungen empfänglichen Maler zur Auseinandersetzung mit Oel, Tusche, Leinwand und Papier reizen mag. In nahezu jedem der 67 Oel- bilde’r, 'Minfätüren und Skizzen sind ebensoviel
Zwei Galeriebesuche sind zu empfehlen: ln einem mit viel Geschmack und rührender Sorgfalt adaptierten Keller (Stubenring 16) hat sich eine exil-ungarische Malerkolonie angesiedelt. Kurucz Tibor, Kiss Agnės, Csigmandia Lajos, Vizy Antal, Nagy Eva, Demęter Ferenc, Kovacs Kalman und Demeter Andras sind die Namen einef Gruppe junger Leute, die beeindruckende Proben aus ihrer ersten künstlerischen Auseinandersetzung mit der Freiheit zu bieten haben. Das Bemühen um eine neuerkämpfte, ihrem malerischen Schaffen in der Vergangenheit verschlossene Formgestaltung weist in eine vielversprechende
Ein Rundgang durch die Ausstellungen dieser Woche zeigt sehr Unterschiedliches aus der jüngeren Vergangenheit, der Gegenwart und einer etwas ungewissen Zukunft. Die echte Schöpfung ist nur vereinzelt anzutreffen. In der Galerie Verkauf begegnen wir dem Wesentlichen: 42 Kleingraphiken und Farbholzschnitte aus der stilbildenden Epochenwerkstatt Kandinskys bieten Einblicke in die erste Explosion der neueren Kunstgeschichte. Aufbruch und (vorderhand noch anheimelnd im Jugendstilistisch-Ornamentalen befangener) Sieg der abstrakten Malerei. In der Secession herrscht ein Viererkleeblatt der
Uebrigens: man kauft wieder Graphik. In der Galerie C. M. Nebehay findet man, was des (jungen) Sammlers Herz begehrt: Holzschnitte, Radierungen und Lithos in einem erlesenen, höchst reichhaltigen Nebeneinander. Vor allem aber: Namen. Man kann unter vier Lithographien von Toulouse-Lautrec, unter fünf kleinen Radierungen von Picasso und zwölf Blättern von Chagall wählen, man kann einen signierten Holzschnitt von Max Beckmann oder Joan Miro erstehen, man kann etwa Pierre Bonnard, Robert Delaunay, Le Corbusier, Van Dongen, Nolde, Signac, Leger und Liebermann einkaufen. Die Preise bewegen sich
H. C. Artmann vorstellen zu wollen, wäre müßig. Seine „schwoazze tintn“ ist ein hinreichend bekannter Bestseller, geht seit mehr als einem Jahr von Hand zu Hand, von Mund zu Mund, von — ja, man darf, wiewohl sich bei soviel Schwärze, Gift und Galle die Feder sträubt, vermerken: von Herz zu Herz. Artmann, der ungestüm dichterische Sänger, der so aggressiv und zart zugleich und laut und beißend, wie aber auch subtil und von stiller Poesie sein kann, ist entdeckt, populär, berühmt. Seine jüngste Lesung im Kleinen Konzerthaus- Theater der Josefstadt (in der unter der Leitung
Guido Weinberger bekennt sich im Nachwort zu seinem , J o s e p h“ . (Der Revolutionär), einem Schauspiel, das soeben vom Volkstheater uraufgeführt wurde, zu einer „makarischen“ Weltanschauung und einem „makarischen“ Theater. Unter seinem Makarismus versteht der Autor eine Verbindung der klassischen Antike mit dem mystischen Christentum, unter makarischem Theater den „Einklang der inneren Melodie" des Schauspiels mit „der seelischen Aktion, mit Bewegung und Geste“. Nach dem Wunsche des Autors sollten alle Szenen und Figuren dieses Schauspiels symbolische Farben, tragen. Im
Immer wenn irgendwo hinter der Bühne, in den Direktionen oder in den Dramaturgien der Wiener Theater etwas schiefgegangen ist, stellt man mit jener halb resignierten, halb beruhigenden Geste des Alles-Entschuldbaren fest, daß Wien doch eigentlich vor allem eine Schauspielerstadt ist. Eine Theaterstadt, in der das Publikum („ohnehin”) nicht so sehr an den Dramatikern und Spielplänen interessiert ist, sondern vielmehr an der Besetzung. Man fragt erst in zweiter Linie darnach, ob in einer Saison die Stücke im literarischen Sinn gut oder interessant waren oder nur mittelmäßig — oder
Die „gute” Gesellschaft und die „gute Gesellschaft”I.Diese Ausführungen gelten jener Gruppe von Menschen, die man einmal, „die Gesellschaft” nannte und die heute, da es eine Gesellschaft, von der von Haus aus angenommen wird, daß sie „gut” ist, nicht mehr gibt, die „gute Gesellschaft” heißt. Dieser .Aufsatz beschäftigt sich nicht mit sozialen Unterschieden einzelner Gesellschaftsschichten: erstens, weil wir, wiewohl überzeugt davon, daß die Menschen weder aufhören werden, verschieden zu sein, noch sozialbewußt, der Meinung sind, daß soziale Unterschiede eine
Prof. Sänger in Stuttgart ist Spezialist für Düsenmotoren an Flugzeugen. Darüber hinaus hat er sich weitreichenden Projekten mit Atomantrieben verschiedener Art gewidmet, Protonenraketen und so weiter. Allerdings hat er mit seinen Ideen weder bei den theoretischen Physikern noch bei den Raketenkonstrukteuren in Amerika und Rußland Anklang gefunden. Seinem bis in ferne Zeiten weisenden Gedankengefüge fügt er nun militärische, politische und wirtschaftliche Aspekte zu. Seine Grundidee ist es, daß die künftige Weltraumtechnik auf Erden und im Raume alle Kriege überflüssig machen wird.
Bedarf es des blitzgescheiten Vorwortes, das Hermann Bahr zu seiner „Joseph i-n e“ schrieb, in dem er dartut, daß er hier den Korsen nicht verunglimpfen, sondern „gerade an einem unzweifelhaft großen Menschen zeigen“ wollte, „was das Leben ist"? Bedarf es des vor der Bühne vorgetragenen Prologs der Muse des Dichters, von Susi Peter hinreißend, in Alt-Wiener Kostümierung, als eine schöne Waldmüllerin, vorgetragen? Vielleicht doch. Denn das Leichte, Ganz-L ichte dieser Komödie, in der Regie MankerS im Volkstheater kräftig unterstrichen (vielleicht zu kräftig), kann sonst
Das Theater der Courage bringt die deutschsprachige Erstaufführung eines Stückes, das von der amerikanischen Presse als „ein hervorragendes Beispiel mutigen Theaters” gerühmt worden ist. Was sich bezweifeln läßt, denn Mut ist, wenn man trotzdem Angst hat. Zu letzterem wäre Grund vorhanden, wenn ein Autor (im konkreten Fall des nach einem Roman von Andrė G i de verfaßten Theaterstückes „Der Immoralist” sind es ihrer zwei: Ruth und Augustus G o e t z) für die absolute Loyalität gegenüber der von Natur aus andersartigen Veranlagung und gegen die bürgerlichen Vorurteile
In memoriam Ferdinand Schmutzer (zur Repräsentativausstellung eines graphischen Lebenswerkes in der Akademie der bildenden Künste): Kunst und Kunst ist zweierlei. Da ist die Kunst, die vorwärtsdrängt, die Kunst der Stürmer, die auch ein Menschenalter später immer noch das Zeichen der stilbildenden Jugend trägt, und da ist die stille, statische Kunst der Lebensreife — die gestrige”, die nicht die Dynamik einer Epoche aufzuweisen hat, die aber die Atmosphäre einer Zeit schöpferisch durchdringt und ohne Prätention widerspiegelt: nicht minder schön, nicht weniger unsterblich — und
Alfred Balcarek, etwa Anfang vierzig, der, wie seinen in der Galerie Wolfrum ausgestellten Bildern leicht zu entnehmen ist, mit einer nahezu kindlichen, ehrlichen Unbefangenheit arbeitet, hat sich — und das ist nicht das Schlechteste — dem Ansprechenden, leicht Zugänglichen verschrieben: Er malt nicht naturalistisch, aber er malt die Natur, und das offensichtlich aus Ueberzeugung, aus der Freude am Bild, am Schauen, am Beschaulichen. Er teilt mit: was er sieht und wie er es sieht und was er sich dabei denkt. Er kennt die Farben der Natur und die Formen, und er verwendet sie gemäßigt
Diese Woche brachte an den kleinen Bühnen zwei österreichische Erstaufführungen: Eine volkstümliche Komödie des Franzosen Marcel P a g n o 1 im Theater am Parkring und eine volkstümliche Bühnenphantasie des Flamen Paul Willems im Kleinen Theater der Josefstadt im Konzerthaus. In beiden Fällen, bei der „Frau des Photographen” wie bei „O f und der Mond” besticht zunächst das Fremde, der Reiz des Fernen und Fernliegenden, der Zauber eines andersgearteten Theaters: hier Pagnols bunte Leichtflüssigkeit und naive Sentimentalität (mit der die sehr freizügige Liebe in der
Man braucht Zeit für Josef M i k 1. Aber es lohnt sich, sie aufzuwenden. Seine Figuren, die, zunächst in einem nahezu undurchdringlichen Geflecht dünner Striche und krauser Linien, Kringeln und Haken und verschachtelten Feldern verborgen, soviel Eigenleben führen, treten nicht sofort hervor, enthüllen ihren Sinn erst allmählich und nahezu gegen ihren Willent doch dann mit aller nachhaltigen, seltsam plastischen Klarheit. Was zunächst nur Formel zu sein scheint, mit nervöser Geste hingeschriebene abstrakte Formulierung der Natur, verdichtet sich bei näherem Betrachten, nimmt Form an,
Als ob sich unversehens ein Gesinnungswandel vollzogen hätte: Die Ambition der Wiener Keller gilt neuerdings dem ernsthaften Theater. (Nur die „Courage" verharrt, uneinig mit ihrem Namen, unverdrossen beim Boulevard, und das Josefstädter Studio im Konzerthaus hält sich — nicht minder im Widerspruch zu seiner Bestimmung — abseits, beim leichten Amüsement.) Am „Parkring“ laufen — zwar etwas verspätet, doch immerhin — J. P. Sartres „Fliegen“, die „Tribüne“ inszenierte unlängst Oedön Horvaths mißglücktes und dennoch überaus ernst zu nehmendes „Pompeji“ —
Gibt es in Wien noch eine Boheme? Oder sollte man besser nach jenem Hauch von Poesie fragen, der unsere Erinnerungen an eine stillere, romantischere Vergangenheit umgibt? Existiert noch diese von erhitzten Debatten und literarischen Aphorismen schwellende Treibhausluft, in der der Weltschmerz attraktiv und exklusiv und wie ein leises Raunen über die Kaffeehaustische strich und der misanthropische Zorn unter den Atelierdecken hing wie kalter Zigar- rettenrauch? Haben sie noch Platz in unserer Welt des Neonrausches und der ausverkauften Kinokassen, die mit dem stechenden Blick und hohlen
Die Galerie St. Stephan gewährt der Oeffeiit- lichkeit Einblick in eine der wertvollsten Wiener Privatsammlungen moderner Graphik: Sechsund' fünfzig Stiche, Skizzen, Federzeichnungen und Lithoj — vorwiegend Figurales, hauptsächlich Impressionistisches, einiges aus der Zeit des Aufbruches der deutschen Expression und der Wiener Schule der Jahrhundertwende — vermitteln einen erlesenen Querschnitt aus det Schöpfung der wichtigsten Zeichner und Maler unseres Jahrhunderts. Prominente, bahnbrechende Künstler sind darunter: Rouault, Chagall, Braque, Liebermann, Leger, Corinth, Marc, Signac,
Das Programmheft gibt eine Vorwarnung aus der Feder der Uebersetzer, Curt und Maria Prerauer: der Australier ist hart, grausam, zynisch, brutal. Und begründet dies: „Wer unter den Pionieren der Härte Australiens keine eigene Härte entgegenzusetzen hatte, ging unter." — England, das für Grausamkeit auf der Bühne und in der Literatur immer anfällig war, schon vor Shakespeare, erlebt gegenwärtig eine australische Renaissance. Romane, bildende Kunst und nun eben dieses Bühnenstück aus Australien werden dort zum Riesenerfolg. Uns aber behagt „Der Sommer der 17. Puppe“ von Ray
„Es soll ein Gotteshaus geschaffen werden, das, sich nicht nur gut in das Gelände einfügt, sondern auch der geistigen Struktur der Bevölkerung sowie den modernsten Erfordernissen entspricht“: Unter dieser Devise stand der nunmehr abgeschlossene Wettbewerb für die zu errichtende P ö t z I e i n s- dorfer Christkönigskirche, die vor dem Schloßpark stehen soll: die Modelle sind zur öffentlichen Besichtigung in den Schauräumen der Oesterreichischen Staatsdruckerei ausgestellt. Der sehr zu Recht mit dem ersten Preis ausgezeichnete Entwurf Architekt Dr. Karl Schwänzers sieht einen, auf
Das europäische Theaterpublikum kennt die Dramen des Oesterreichers Fritz Hochwälder, seitdem sein „Heiliges Experiment” zahlreiche Aufführungen und Diskussionen zwischen Paris und Berlin ausgelöst hat. Nun hat sich Hochwälder an ein besonders heikles Experiment gewagt, das im deutschsprachigen Bühnenraum in unserer Zeit selten genug gelingt: an eine Komödie. Das Akademietheater hat unter der Regie Günther Haenels die Uraufführung übernommen; „Der Unschuldige” ist ein hochangesehener Kleinstadtbürger, der durch ein an seinem Garten gefundenes Skelett in den Verdacht gerät,
Man schrieb den 15. November 1958. Er wollte einen neuen Anzug haben. Deshalb entschloß er sich, in der Neustiftgasse in Wien einen fünfundsiebzigjährigen Gemischtwaren-händler zu töten. Er selbst war siebzehn. Als sein Opfer verblutet war, legte er schluchzend ein Geständnis ab: „Es ist mir plötzlich ein-g'fall'n.“Er schien mit einem Male nicht zu begreifen, was er da getan hatte. Es war ihm in dem Augenblick, als es ihm „eing'fall'n“ war, gar nicht zum Bewußtsein gekommen, daß er etwas Furchtbares, Niewiedergutzumachendes, schrecklich Endgültiges zu tun bereit gewesen war:
Der Dezember ist in den Jahreszeiten des Theaterkalenders seit je her so etwas wie ein zweiter Hochsommer. Zunächst einmal der Feiertage wegen, um niemanden mit düsteren Stücken- aus seiner Festtagsfreude aufzuscheuchen, und nicht zuletzt aus kommerziellen Gründen: man hat mit einem Schlag ins seichte Wasser die fahrplanmäßige Premiere und das Silvesterstück unter Dach und Fach.Im Kleinen Josefstadttheater im Konzerthaus unterhält man sich modern, literarisch, zwielichtig brettlhaft und hintergründig kabaretthaft im Stil lonescos und der komödiantisch impulsiven Avantgarde. Die acht
Glückliche Zeiten“ von Samuel Taylor, nach einer Prosaerzählung von Robert Fontaine, in der J o s e f s t a d t, gehört in das Genre jener Stücke, die meist für die Hochsommertage von den privaten Bühnen gewählt werden, um eben zu übersommern. Die staatlichen Bühnen haben es da besser: sie schließen einfach. Nun macht uns ein gewiegter Theaterfachmann darauf aufmerksam, daß solche Sommerspiele auch für die Weihnachtszeit passen, kommerziell, da zu den „Feiertagen“ eben vielerlei Publikum mit Anverwandten von nah und fern, der Unterhaltung halber, das Theater besuche. Das uns
Das Kleine Josefstädter Theater im Konzerthaus bringt die deutschsprachige Erstaufführung der „K a r r i e r e“ von James Lee. Das amerikanische Stück mutet wie ein Drehbuch an, wie ein reizvolles Konzept, aus dem ein packendes Schauspiel werden könnte, wie das Skelett eines realistischen Theaterstückes über das amerikanische Theater, das, um die Dynamik des Broadways, dem es gewidmet ist, und den Puls des harten Lebens, das in dieser faszinierenden New-Yorker Theaterstraße herrscht, einzufangen, sehr rasant und in einer interessanten Inszenierung abrollen müßte. Dem stehen die
In den Kellertheatern gibt es zur Saisoneröffnung ganz Altes und Neuestes aus Wien: Am Parkringtheater sehen wir den „Furchtsame n“, eine 200 Jahre alte Posse von Philipp Hafner, die Tribüne zeigt die „M u s i k b o x“, ein Erstlingswerk der jungen Wiener Autorin Gertrude Ä r n o 13. Ein Stück von Hafner ist ein sonderbares, ein reizvolles Erlebnis. Nicht nur das „Historische“ daran berührt einen so sehr, auch nicht die literarische Parität, zu der man sich angesichts der ehrwürdigen Ausgrabung des Schöpfers . der Wiener Volkskomödie verpflichtet fühlen mag — Hafners .
Man mag die West-Berliner Bühnen allgemein die Vorposten des freien Theaters nennen, man mag die Berliner Festwochen im besonderen als Ausdruck ungebrochenen Lebensgeistes werten — all das sind schöne Worte, melodramatische Umschreibungen, wohlklingende Paraphrasierung für ein nüchternes, höchst realistisches Notstandsprogramm einer in Schutt und Asche versunkenen Metropole, deren Tradition und Glanz in nicht wiederaufzubauenden Ruinen liegt.Man spielt in Berlin mit Leidenschaft Theater, weil die Dramatik den Berlinern stets ein Anliegen war — aber auch deshalb, weil die. Musen
Ein Lustspiel von äußerster Harmlosigkeit, auf sanften Pfoten kommt es daher, in der Josefstadt, ein verspäteter Hochsommergast: „Ihr Bräuti-g a m“, von Fritz Eckhardt. Eine Großmama, die immer noch anziehender ist als ihre drei Söhne, hat sich eben verlobt. Ihr Bräutigam paßt ihren Kindern nicht, die eine Schmälerung der opulenten Erbschaft befürchten. Wodurch um Herrn Silvester Wol-rat, den Bräutigam, allerlei bösartige Scherze, Mißgriffe und Unstimmigkeiten entstehen, bis die Polizei und Großmamas Herz die vom ersten Augenblick an unbezweifelbare Lösung bringen. Christi
Nach der Enttäuschung, die das mit einigem propagandistischen Aufwand angekündigte amerikanische „Spiel um Job“ von Archibald MacLeish bereitete, schien das zweite Festwochensprechstück in Salzburg 1958, Franz Werfeis „Juarez und Maximilian“, alle Chancen zu haben. Nicht etwa, weil die Aufführung dieses mehrfach gezeigten, 24 Jahre alten historischen Bilderbogens so besonders interessant zu werden versprach, noch weil diejenigen, die sich an die etwa zehn Jahre zurückliegende Wiener Aufführung erinnerten, von der Wirksamkeitdes Stückes so .überzeugt .gewesen, wären, sondern
Das Sprechtheater bei den Festspielen in Salzburg begann heuer mit Hindernissen: Die Tradition am Domplatz, das alljährliche Spiel vom Sterben des reichen Mannes „Jedermann“, war verregnet, ein „modern play“ aus Amerika, mit Namen „Spiel.um Job“ (Original „J. B.“) ist von Aichibald MacLeish und nur sehr schwer zugänglich.Die Schwierigkeiten begannen am Vortag der Eröffnung mit dem Teufel: Ernst Ginsberg erkrankte, Albin Skoda nahm es auf sich, innerhalb vierundzwanzig Stunden einzuspringen. Ein Wagnis, das gelang, aber vom Wetter nicht sehr begünstigt war: Als die
„Impromptu“ und „Das Gemälde“, zwei Farcen von Eugene I o n e s c o, die unter Anrechnung der Pause notdürftig einen Abend füllen. „Theaterabend“ wäre entschieden zuviel gesagt, denn mit dem Theater im üblichen Sinne will Ionesco nichts zu tun haben. Ihm schwebt eine Bühne der reinen Aktion vor/ die das Leben, die Welt, die Tragik und Dramatik verzerrt und ins Paradoxe abdrängt, abstrahiert und reduziert, so daß die bloße, karikierte, essentielle Situation des in Widersprüchen verstrickten Menschen demonstriert werde, der nicht weiß (oder besser: der es vergessen hat),
Der Festwochenbeitrag der J o s e f s t a d t : Franz Werfeis „Jacobowsky und der Obers t“. Dieses erstaunliche Werk nennt der Dichter selbst die „Komödie einer Tragödie“. Es bedarf meist vieler Jahre, eines Jahrzehnts zumindest, bis es gelingt, die Begegnung mit dem Grauen, dem Krieg, der Vernichtung, umzusetzen in Dichtung oder, wie die Kriegsliteratur nach dem ersten und zweiten Wehkrieg zeigt, auszumünzen in literarische und andere Spiele. Dem vielverkannten Dichter und Menschen Franz Werfel (im gegenüber irrt Karl Kraus lehr) gelang mit vorliegendem Werk etwas, was nur einem
Als ersten, kleinen Auftakt zu den Festwochen 1958 gab es drei österreichische Autoren und kein Glück mit ihnen.M u s i 1 s Stück „Die Schwärmer“ ist ein Jugendwerk des Dichters, ein eigenwilliger Seitensprung auf die Berliner Bühne der wilden Nachkriegsjahre um 1920, im Stil und Geist der literarisch adaptierten Dialektik und Rebellion und Inflation. Ein Labyrinth aus expressiver Treibhausatmosphäre, paradox und verworren, überhitzt und exaltiert. Heute ist es ein Kuriosum, das den Gesetzen und Usancen des Theaters die kalte Schulter zeigt, indes doch höchst bemerkenswerte,
Das neue A v a n t g a r d e - T h e a t e r am Fleisch markt hat seine „schwarze Periode“ unterbrochen und widmet sich zur Zeit der Heiterkeit. Die Wahl war gut; sie fiel auf eine gar nicht mehr junge, doch dessen ungeachtet, vitale, überschäumende, drastische Komödie von Georges F e y d e a u, dem man zu Recht nachsagt, daß er einer der brillantesten, unwiderstehlichsten, einfallsreichsten Unterhalter seiner Zeit gewesen ist. Im Original heißt das Stück „Le Dindon“, in der geschickten, indes leider kaum gekürzten, für die Bühne unserer, knapper formulierende'iTage zu
Die kleinen Wiener Kellerbühnen haben mit den Franzosen kein Glück. Für die traditionelle Komödie, für die das Publikum zu gewinnen wäre, besitzen sie weder die Akteure noch die Ausstattung (und sind da wohl auch nicht ganz zuständig), die Pariser Radikalen unserer Tage, die zugereisten extremen Ironiker, von denen sich so manches — zumindest Aktuelles — finden ließe, sind für die schmalen Kellerbudgets ein allzu großes Wagnis, die Modernen “der Kriegs- und Nachkriegsjahre, mit denen sie sich behelfen, üben keine Zugkraft mehr. Wen interessiert heute noch die Avantgarde von
„T o w a r i t c h“ von Jacques D e v a I im Volkstheater in der Regie Trimbur neu herausgebracht, ist eine alte Komödie mit dem Hintergrund eines großen Dramas als Kulisse. Der Bolschewismus und die russische Revolution, Emigrantenelend in Paris, Volkskommissare im Außendienst: das alles dient hier dazu, eine amouröse und amüsante Komödie mit dunklen und hellen Lichtern zu garnieren, lieber diesen (politischen) Geschmack ist nicht zu streiten; er ist eindeutig abzulehnen. Nun versteht es aber Deval, einer der geschicktesten Routiniers und Theaterhasen von der Seine, das
„M arx und Moritz“ im Intimen Theater in der Liliengasse: Wenn Gerhard Bronner, Helmut Qualtinger, Carl Merz und, als Neuhinzugekommener, Hans Weigel literarisch-musikalisches Brettl machen, ist es gut, sehr gut; mehr als das, es ist vorzüglich, es ist erfahrungsgemäß „sensationell“. Wenn nun diese außerordentlichen, in ihrem pointenreichen, kritischen, polemischen Metier bewährten Kabarettisten „zur Abwechslung“ so etwas wie ein musikalisches Lustspiel fabrizieren, dann ist es — immer noch sehr gut; die Namen der Erzeuger garantieren mit Witz und Spott für einen Abend
Es gibt verschiedene Formen, klassische Dramen auf der Bühne der Gegenwart zu beheimaten. Eine wirksame Form besteht darin, und hochbegabte und gewalttätige Regisseure erweisen hier ihre Meisterschaft, den mächtigen Stoff anzufallen, ihn zu pressen, zu bedrängen, mit ihm zu ringen, bis er Funken sprüht, neu transparent wird. Eine andere, vielleicht dem Oesterreichischen gemäßere Form besteht darin, sich überaus behutsam dem Werk der Vergangenheit zu nähern, in sorgfältiger Arbeit ihm nahe zu sein, so lange um Wort, Gestalt, Sinn-Bild bemüht, bis dieses von innen her aufglüht. Sanft
Unsere oft verlästerte Zeit ist, wie wenige, eine Zeit der Dichter: Versuchung und Verführung, die Not auszudrücken und alles das zusammenzureimen, was ungereimt ist im Lauf der Welt, im Wechsel der Jahre und des Herzens. Der Walliser Dylan Thomas, der da im November 1953 dahinstarb, ist einer der großen Dichter unserer Zeit. Pulsschlag eines stürmisch pochenden Herzens, das sich selbst vernimmt in allen „Geräuschen“ der Zeit und der Dinge: im Tropfen am Gras, im Weinen kleiner Kinder und alter Männer. „Deaths and Entrances“, englisch und deutsch in einer zweisprachigen Ausgabe
..Siegfried“ von Jean Giraudoux im Theater „Die Tribüne“: Ein während des ersten Weltkrieges verwundeter französischer Soldat verliert sein Gedächtnis und leb't sieben Jahre versehentlich als Deutscher weiter. Und das nicht etwa wie irgendein Deutscher schlechthin — er bringt es schnurstracks zum Geheimrat und beinahe zum „Führer“ eines in Vernunft wiedererweckten Deutschen Reiches. Dann, als er merkt, daß er nicht nur kein großer, sondern überhaupt kein Deutscher ist, kehrt er, ziemlich abgeklärt, zur „Patrie“ zurück: gespalten, seelisch aufgeteilt auf zwei Nationen,
Klejnes Theater der Josefstadt im Konzerthaus. Nach dem „Ei“ von Felicien Marceau, nach diesem brillanten Werkchen im“ wirkungsvollen Gewände eines postfestalen Expressionalismüs, das fünfunddreißig Jahre alt sein könnte, sehen wir eine amüsante Burleskkomödie, die fünfunddreißig Jahre alt i s t: „Vinzenz und die Freundin bedeutender Männer.“ Ein Stückchen Theatergeschichte ist es, jugendstilistisch aufgemöbelt und unterhaltsam herausgeputzt, wie ein kecker, exaltierter Traum aus Tüll und Seide, ein Schelmenstück mit literarischen Rosinen im „Geiste“ der Amoral von
Wien hat ein neues Avantgarde-Theater. Eine anstrengende Woche hindurch feierte es Festpremieren mit Jean G e n e t, dem Pariser Nihilisten, mit Eugene Ionesco, dem rumänischen Pariser Radi-kalisten, mit Samuel B e c k e 11, dem pariserischen Irländer und exaltierten Bußemystiker, mit Michel de Ghelderode, dem gewalttätigen, prachtvollen Theatraliker aus der Flamenschule. Es war ein skeptischer Beginn, in dem mehr Wagnis liegt als in den Stücken, der experimenteller ist als diese ganze revoltierende Gemeinde all der düsteren Schwarzseher und Endspieler zusammen —, denn die Avantgarde
Das Kleine Theater der Josefstadt im Konzerthaus nimmt seine Aufgabe, Theater in der Retorte zu zeigen, ernst. „Das Ei“ von Felicien M a r e e a u, wach, sensibel betreut durch die Regie Heinrich Schnitzlers, gehört zu einer „Gattung“, wenn man so sagen darf, die heute in Paris auf der Bühne, in Deutschland im Funk sich Geltung verschafft hat. Mit einem Schuß dichterischer Substanz experimentiert der Autor und sieht, kalt und interessiert, zu, was aus seinem Kalkül herauskommt: aus der Mischung von Kabarett, Zeitstudie, lyrischem Monolog, Skizze eines Gesellschafts-dramas,
Theater der Tribüne: Pestbazillen und guter Wille sind zuwenig, und drei Akte mit seelischen Konflikten eines Bakteriologen zwischen den Ideologien von Ost und West ergeben noch kein Problemstück. Auch dann nicht, wenn in wohlgeformten Sätzen von Leitartikellänge gegen die kriegswirtschaftliche Bakterienforschung protestiert wird, die zu verabscheuen uns der wohlmeinende Autor Herbert W e i n e r nahelegt (als ob einer von uns dafür wäre). Schon gar nicht, wenn sein Stück „Zwischen den. Fronten“ seine szenarische Spannung u einem Gutteil aus den Problemen einer vernachlässigten
I.Wir müssen uns mit dem Anblick einer Gesellschaft abfinden, die ihre Kultur dem Staat überantwortet hat. Und dem Amtsgang der Kulturpolitik. Und der kommunalen Fürsorge. Wir haben es mit einer Gesellschaft zu tun, die zwischen der kulturellen Repräsentation und dem Vergnügen unterscheiden gelernt hat. Zwischen der offiziellen Kunst und dem Amüsement mit den Musen, zwischen den künstlerischen Vergnügungsstätten der Entspannung bietenden, sorgenverscheuchenden, gelegentlich „gehobenen“ schöngeistigen Anregung, wo man sich freiwillig seine Eintrittskarte löst und den
Nicht nur das absolut ebenerdige Josefstädjgr Theater, auch das Kellertheater am Pärkring hat neuerdings eine literarische Dependance: im ,k a 1 e i d o s k o p“, das seit einiger Zeit herrenlos war. Die Eröffnungsaufführung stand denn auch im Zeichen eines zutiefst literarischen Stoffes (Halbstarkenprobleme) mit dem eminent literarischen Titel „Es geht um dein Leben“. Inhalt, Ausführung und Inszenierung indes sind mehr im Stil der Avantgarde der Ungeübten — so wie wir's vor zehn, zwölf lahren widerspruchslos hinunterschluckten: ambitioniert, extravagant, zweifellos gut gemeint,
Als ob es ein Kinderspiel wäre, das Leichteste von der Welt, eigens dazu erdacht, von ziemlich talentierten und ein bißchen verzogenen Schauspielschülern als Weihnachts- oder besser noch als Faschingsspielchen aufgefühlt zu werden, so mutete im R e i n-hardt-Seminar Goldonis „Kluge W i t w e“ an. Gespielt von jungen Leuten, die zum Teil schon ihr erstes Engagement in der Tasche haben. Und was da nach außenhin recht liebenswü.dig heiter, mit Jux und mit jugendlichem Charme ausgestattet (freilich reichlich ziellos, planlos, unpräzise) sich dem Beschauer darbot, ist doch recht
Es ist Erfreuliches zu berichten. Vor uns liegt eine Auswahl von Briefen. Ihre Absender sind junge Menschen, die zu einem in der Nummer 44 der „Furche“ (2. November 1957) erschienenen Bericht über die junge Generation Stellung nehmen. Der Aufsatz, der den Titel „Jugend ohne Gesicht?“ trug, war seiner Art wie seiner Bestimmung nach eine recht massive Herausforderung der heutigen Jugend, von der die Welt der Erwachsenen so wenig weiß — und noch soviel wissen sollte — müßte. Dem Schreiber dieser Zeilen; selbst noch „relativ jung“ und jener Generation zugehörig, die man in den
Das Parkringtheater zeigt, einen amerikanischen psychologischen Reißer über die selbstsüchtige Mutterliebe: „Die S i 1 b e r s c h n u r“ von Sidney Howard. Wir wollen ja niemanden kränken, aber was in der Neuen Welt interessant und neu und — vielleicht — aktuell ist, ist bei uns eben alt. Wir sind halt eine alte Welt. Was zwar nicht unbedingt für uns spricht, aber es ist so. Egoistisch liebende, ihren Kindern das Leben zerstörende, um ihre Machtstellung kämpfende und zu diesem Zwecke alIžM l B el'aushedįliįė?i lrt)iėhdefė‘JMūi ė'i‘‘ kennen wir nun einmal aus so
Im Burgtheater erlebte Thornton Wilders „Alkestiade" ihre österreichische, im Theater in der Josefstadt „Ein Tag am Meer“ von N. C. Hunter die deutschsprachige Erstaufführung. Bei allem Unterschied in Hinblick auf Stoff, Gestaltung und Bedeutung der Stücke war beiden Aufführungen eines gemeinsam: es dominierte die Inszenierung. Im Burgtheater begrub sie eine äußerst reizvolle und besonders unkonventionelle Dichtung unserer Tage unter zentnerschwerer Last standardisierter, zerebraler, schwerfälliger Würde, in der Josefstadt gewann ein liebenswürdiges, aber auch langatmiges und
Dieser Aufsatz ist — so meint der Autor selbst — weniger ein nach allen Seiten hin belegter kulturhistorischer Test, als vielmehr eine Herausforderung; eine Herausforderung an die heutige Jugend, vielleicht doch einmal ihr geradezu unheimliches Schweigen zu brechen, das sie nicht selten in den Verdacht der geistigen Stumpfheit und öffentlichen Teilnahmslosigkeit bringt. Wie in jeder Herausforderung, so liegt auch in dieser eine bewußte Einseitigkeit. Es hieße beispielsweise unserer christlichen Jugend und ihren Organisationen unrecht tun, wollten wir sie einfach kurzerhand und ohne Einschränkung ins graue Heer der „Problematischen“ einreihen. Aber auch sie leben nicht außerhalb von Raum und Zeit und teilen damit notgedrungen irgendwo und irgendwie das Schicksal aller ihres Alters. So kann dieser Beitrag für weiteste Kreise nützlich sein — nicht zuletzt auch für die Erwachsenen, nach deren Vorbild und Haltung sich zu jeder Zeit das Bild der Jugend — erfreulich oder bestürzend — mitformt. „Die Furche“