Der römische Katholizismus fußt auf der Übernahme von Strukturen des Römischen Reiches. Diese bestehen bis heute fort. Und haben mit dem Evangelium nichts zu tun.
Montini -luciani -Wojtyła: Paul VI. starb, dann folgte eines der
kürzesten Pontifikate, danach eines der längsten. - Wechselfälle der
Kirchengeschichte in einem einzigen Jahr.
"'Humanae vitae' erweist sich weit über das eigentliche Thema hinaus als Ausgangspunkt einer dauerhaften Beschädigung der Autorität des Lehramts."Wir waren 18 Personen, die sich am 11. August 1968 in der Wohnung des Dr. Helmut Erharter in der Südstadt bei Wien versammelten -zweieinhalb Wochen nach dem Erscheinen der Enzyklika "Humanae vitae". Erharter, Theologe, damals Generalsekretär des Österreichischen Pastoralinstituts und davor einer der Schriftleiter des "Lexikon für Theologie und Kirche", hatte zur Diskussion über die neue Enzyklika eingeladen. Das Ergebnis war ein von allen
Für Rabbiner war es üblich, zusätzlich ein Handwerk zu lernen. Peter Paul Kaspar, gebürtig aus der transdanubischen Vorstadt Wiens, wählte ein Handwerk im wörtlichen Sinn und schlägt die Tasten: Er spielt die Orgel und das Cembalo, und seine musikalische Ausbildung bei Anton Heiller schloss er sogar ein Jahr vor seinem Theologiestudium ab. Er hörte noch lateinische Vorlesungen bei Karl Rahner, wenn dieser in den Pausen des Konzils in Innsbruck die versäumten Lehrveranstaltungen nachholte. Die ersten Stationen seines Lebens als Priester waren Hainburg und Bruck a. d. Leitha, aber bald
Die byzantinische Prinzessin Theodora ist neben ihrem Gatten Heinrich
II. Jasomirgott in der Wiener Schottenkrypta begraben. Eine Tafel
dokumentiert das nun - endlich.
Axel Cortis Österreich war vielstimmig, geschichtsbewusst und grenzüberschreitend. Das zeigte er als Filmemacher, als Regisseur, als Radiostimme. Zum 20. Todestag.Am Stephanitag lief sein letzter "Schalldämpfer“ - über den Tod des Rabbi Hillel, dem es vergönnt war, noch einmal für ein paar Augenblicke zurückzukehren aus der anderen Welt. Drei Tage später, am 29. Dezember 1993, starb Axel Corti, ein halbes Jahr nach seinem sechzigsten Geburtstag.Axel Corti, geboren in Paris, hatte deutsche, italienische und österreichische Wurzeln, musste 1943 aus Frankreich in die Schweiz fliehen,
Kurz vor Weihnachten verstarb der niederländische Theologe und Dominikaner Edward Schillebeeckx. Der ehemalige Konzilsberater, Professor und Autor zahlreicher Bücher zählt zu den bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts und wartet auf seine Wiederentdeckung.„Schillebeeckx?“, fragte die junge Buchhändlerin am Computer. „Wie schreibt man den?“ Nachdem ich den Namen buchstabiert hatte, kam das Ergebnis: „Es ist nur ein Buch lieferbar, und das haben wir nicht.“ Einen Tag vor dem Heiligen Abend war der Dominikanertheologe Edward Schillebeeckx im Alter von 95 Jahren gestorben.
Wir trafen uns in der Wohnung eines Freundes, wenige Tage, nachdem die Enzyklika "Humane vitae" mit Datum vom 25.Juli 1968 veröffentlicht worden war: eine Gruppe junger Eltern, die das Konzil miterlebt hatten. Die Expertenkommission des Papstes hatte mit satter Mehrheit (64:4) vorgeschlagen, die Empfängnisregelung den Eheleuten zu überlassen. Die unterlegene Minderheit, darunter Karol Wojtyla, übergab dem Papst eine Gegendarstellung. Ihr folgte Paul VI., weil er den Mut nicht aufbrachte, aus der Sackgasse der traditionellen klerikalen Eheauffassung auszubrechen.Wir schrieben einen Brief an
Das Arbeitsjahr neigt sich dem Ende zu. Nicht für alle. Asylwerber, die auf ihren Bescheid warten müssen, haben wieder ein Jahr der Untätigkeit hinter sich gebracht. Caritas, Diakonie, Grüne fordern seit langem, dass Asylbewerber eine Arbeitsbewilligung bekommen. Die Regierung stellt sich taub. Arbeitende Asylanten würden Österreichs Wirtschaft nicht in die Krise treiben. Kann es sein, dass auf diese Weise die Abwehr der Bevölkerung gegen Zuwanderer geschürt wird? Faule Ausländer sitzen im Park, während unsereins zur Arbeit hastet. Nur - was sollen sie sonst tun?Hinter jeder
Rückblicke bleiben uns in diesen Monaten nicht erspart. Im März vor 70 Jahren sind Hitlers Truppen in Österreich einmarschiert, im April vor 70 Jahren hat eine Abstimmung den Anschluss besiegelt. Die Haltung der Kirchen war zwiespältig. Die katholischen Bischöfe gaben ihre Anschlussempfehlung heraus, die evangelische Kirchenführung erhoffte ein "Ende der Gegenreformation". Kardinal Innitzer unterschrieb mit "Heil Hitler", um ein halbes Jahr später auszurufen: "Unser Führer ist Christus". Kaum jemand protestierte gegen das deutschlandweite Niederbrennen der Synagogen. Und doch waren die
Karl Strobls Hinterlassenschaft.Am 20. Jänner wäre Karl Strobl hundert Jahre alt geworden. Der Studenten- und Akademikerseelsorger, Gründer der Katholischen Hochschuljugend und Verwalter des Erbes seines Freundes Otto Mauer war einer der Pioniere der Kirche nach dem Krieg. Wie kann seine Bedeutung vergegenwärtigt werden? Dafür gibt es gängige Methoden: Man studiert das Werk, interviewt die Nachfolger, misst den Fortschritt, den ein Leben bewirkt hat. Wenig davon passt für Karl Strobl. Seine Realpräsenz ereignete sich im Gespräch; er lebt in den Sätzen fort, die seine
Nächste Woche kommt der Papst nach Österreich. Wie, fragt sich der besorgte Beobachter, wird er unter respektvollem Jubel erfahren, wo die Probleme der Kirche des Landes liegen? Wird ihm nicht einfach eine genau geplante Aufführung zugemutet? Ist er nicht das Opfer einer gut gemeinten Täuschung, wenn tausende Pilger den Eindruck eines blühenden und problemlosen österreichischen Katholizismus erwecken?Aus gewöhnlich schlecht informierten vatikanischen Kreisen verlautet, dass bereits an einem Entwurf für zukünftige Papstreisen gearbeitet wird, die unter ganz neuen organisatorischen
In Salzburg wird wieder fest gespielt. Durch Salzburg gehen, heißt durch eine gewachsene Festspielkulisse wandern, die den ehemals kunstsinnigen Fürsterzbischöfen zu verdanken ist.Vielleicht sollte ich ein Geständnis ablegen. Als ich vor einiger Zeit bei strahlendem Wetter am Dom vorbei zur Franziskanerkirche und zur Kollegienkirche ging, kam mir der barbarische Gedanke, dass alles das niedergerissen werden müsste. Die verführerische Schönheit dieser Stadt legte sich wie eine Zwangsjacke um mich, jede Kirche, die ich betrat, versetze mich um Jahrhunderte zurück. Prälaten, Bischöfe,
Ingrid Pfeiffer über Literatur in österreichischen Zeitschriften von 1945-1948.Als Österreich 1945 zugleich befreit und besetzt wurde, war man hierzulande sowohl von Anschlussphantasien als auch von jener Spielart des Patriotismus geheilt, den der kurzlebige Austrofaschismus propagiert hatte. Zum ersten Mal in der Geschichte ohne Zweifel am Existenzrecht des kleinen Österreich - das war ein Anfang, der unter schwierigsten materiellen Bedingungen eine Eruption kultureller Kreativität auslöste. Drei Jahre dauerte die hohe Zeit, da man - unterernährt und ohne Geld - auf schlechtem Papier
Ein Satz macht mich stutzig. Dass "die Literatur im Westen immer mehr zu einer Randerscheinung der Gesellschaft verkommt", meint der indische Autor Amitav Ghosh in einem Interview mit dem Standard. Man darf sich von der Fülle jährlicher Neuerscheinungen nicht täuschen lassen, auch nicht von der Vielfalt der Theaterszene, von der die Kulturseiten der Blätter berichten. Die Frage ist vielmehr, ob Politiker und Manager noch lesen oder sich nur in der Seitenblickegesellschaft mit Künstlern sehen lassen? Ob Professoren der Wirtschafts-oder Naturwissenschaften, ob Prälaten oder Bischöfe noch
Die Freunde kamen pünktlich, aber, wie es schien, mit leeren Händen. Keine Blumen, keine Flasche Wein. Nein, sie kramten aus einem kleinen Papiersack drei Taschenbücher. Krimis von Hammett, Macdonald und Chandler. Die müsse man gelesen haben. Dabei haben wir schon genug davon, heimische und ausländische, Haas und Komarek, Donna Leon und die Finnin Lehtolainen; sie vor allem habe ich in bester Erinnerung, denn da klatschte immer der kalte Schneeregen gegen die Windschutzscheibe der Kommissarin, während ich in Kroatien in der Sonne lag und mir mittels finnischer Lektüre virtuelle Kühlung
Die TU Wien verlieh ein Ehrendoktorat - auch eine Ehrenrettung …Ein schmales Buch dokumentiert eine Lehrveranstaltung, die an der Technischen Universität Wien gehalten wurde. Studenten versuchten, moderne Kirchenbauten zu "sakralisieren".Denn - so die Herausgeberin - was da in Wien seit 1960 gebaut wurde, sei alles andere als sakral. Den Architekten "ist weder ihr Auftrag bewusst, noch haben sie Interesse an einem höheren Auftrag, der außerhalb ihrer Selbstverwirklichung und Verdienstmöglichkeit liegt." Sind damit alle Architekten diffamiert, so gibt es doch auch einen Hauptschuldigen:
Es ist nicht leicht dazuzulernen, wenn man erwachsen ist und ein hohes Amt bekleidet. Wer in der Öffentlichkeit steht, tut sich schwer, seine Ansichten zu ändern und heute gescheiter zu sein als gestern. Politiker und Kirchenmänner sind davon besonders betroffen. Sie fürchten, man würde sie der Unverlässlichkeit zeihen. Daher unterdrücken sie jeden Zweifel an ihren eigenen Auffassungen und hoffen, dass später auf ihren Grabsteinen das Wort "prinzipientreu" in goldenen Lettern eingraviert wird.Sie vermeiden Meinungsschwankungen, indem sie immer nur an einer Perspektive festhalten.
Zu Ostern haben die Hasen ihren Dienst getan, die Eier, sofern auffindbar, sind aufgeschlagen und verzehrt. Von nun an ist Fasten out, wäre nicht schon davor die Fastenzeit unkenntlich geworden, wie der Unterschied zwischen Alltag und Feiertag überhaupt; denn was ehedem ein Fest ausmachte - das üppige Essen, Schauspiel und Musik - ist jetzt immer und überall verfügbar, im iPod, im Fernsehen, im Internet. Und im Supermarkt.Immerhin völlert man als gelernter Christ ab Ostern mit weniger schlechtem Gewissen. Um etwas vom verlorenen Unterschied wiederherzustellen, schlage ich eines meiner
Ein Cartoon sagt mehr als tausend Worte. Ganz verschiedene Forderungen sind heute im öffentlichen Diskurs unterwegs, und ich habe mich immer gefragt, ob ihnen nicht eine geheime Maxime zugrunde liegt, die sie verbindet. Endlich wurde ich aufgeklärt, durch einen Cartoon. Aber davon später.Mehr Kinder sollen geboren werden, und man weiß auch, was Frauen dazu veranlassen könnte, Frankreich und die nordischen Länder zeigen es vor; aber das Geld für mehr Betreuungsplätze fehlt. Gebildeter sollen die Kinder sein, später werden sie es brauchen; aber das würde jetzt mehr Geld für Schulen
In Nürnberg ist gerade die Spielzeugmesse zu Ende, die größte Europas. Miserables Wetter, man kann sich nur in Kaffeehäusern und Museen aufhalten. Im Alten Rathaus sind die Reichskleinodien zu sehen, in Kopie, die echten haben die Habsburger vor Napoleon nach Wien in Sicherheit gebracht. Nürnberg, Stadt der Reichstage, Kaiserstadt. Dann Stadt der Reichsparteitage, Führerstadt. Hitler verstand es, an die Geschichte anzuknüpfen.Wir fahren hinaus zum Dokumentationszentrum, das in den Resten des Reichsparteitagsgeländes eingerichtet ist. Fotos vom Hauptmarkt, die schönen Fassaden der
Zwei Bücher zum "Thema" Gott: Bei Walter Wippersberg ist Gott ein Abgelehnter, aber merkwürdig lebendig, bei Anton Grabner-Haider hingegen leidet er an steriler Zustimmung.Während Religion seit einiger Zeit anerkannter Diskussionsstoff geworden ist, zählt es immer noch zu den Peinlichkeiten, über Gott zu reden. Zwei Bücher tun es trotzdem. Walter Wippersberg, Autor, Filmemacher und Professor an der Wiener Filmakademie, weiß Einiges über den lieben Gott zu erzählen, und Anton Grabner-Haider, Theo-loge und Philosoph in Graz, entwirft gar für Gott eine
Otto Mauer - oder: Aggiornamento auf Österreichisch. Am 14. Februar wäre Otto Mauer (1907-73) 100 Jahre alt geworden. Intellektueller, Prediger, Publizist, Seelsorger, Vorreiter und Durchführer des II. Vatikanums in Österreich, Ökumeniker der ersten Stunde, Dialogpartner des Judentums - und bis heute unerreichter (und unverstandener) Brückenbauer zwischen Kirche und Kunst: Kein furche-Dossier könnte dieser prägenden Priesterpersönlichkeit auch nur ansatzweise gerecht werden. Dennoch der Versuch, Otto Mauer ein wenig dem Vergessen zu entreißen. redaktion: otto friedrich, cornelius
Umberto Eco wurde gerade 75. Sein Geburtstag ist der 5. Jänner, er ist somit einen Tag vor den Weisen aus dem Morgenland eingetroffen. Das ist gut so, denn wenn es um Weisheit geht, sollte man nicht unter den Nachzüglern sein. Unsere Koalitionsregierung hat diesen Termin verpasst, und man könnte abergläubisch argumentieren, dass ihr Programm deshalb nicht der Weisheit letzter Schluss ist.Hören wir nicht seit langem von Bildungsnotstand, von zu großen Schulklassen, von überfüllten Hörsälen und desolaten Labors an den Universitäten? Vom großen Projekt eines entschlossenen Sprungs in
Gudula Walterskirchens Streifzug durch die österreichischen Mentalitäten erfüllt nur zum Teil den humoristischen Anspruch, den sich die Autorin selbst setzt.Man hält sich besser an den Untertitel: "Satirische Einblicke und Ausblicke". Wenn nämlich Gudula Walterskirchen meint, sie wolle die "humoristische Lücke" auffüllen, die in den Stellagen der Buchhandlungen klafft, dann führt sie den Leser an der Nase herum. "Wir sind nämlich in Gefahr, das Lachen zu verlernen", schreibt sie und weckt die Erwartung, dass dieser Gefahr endlich abgeholfen wird. Ihr gründlicher Streifzug durch die
1. Gaudete heißt der nächste Sonntag, und der gebildete Christ weiß, worauf er sich freut: nämlich auf Christi Geburt, der nicht erst, wie manche glauben, am 8. Dezember empfangen wurde, so schnell geht es nicht, auch nicht bei wunderbaren Schwangerschaften. "Freut euch", zitiert die Liturgie den heiligen Paulus, und das sollte beherzigt werden, obwohl Freude nicht angeschafft werden kann. Wenn Politik wie Kirchenpolitik geeignet sind, den Bürger und Christen freudlos zu stimmen, erinnert eine solche Aufforderung daran, dass mit jeder Geburt ein neuer Anfang möglich ist, eine Chance, was
60 Jahre "Herder Korrespondenz" - 60 Jahre unverstellte Wahrnehmung.Den Leitartikeln ist regelmäßig ein Motto vorangestellt. Im September dieses Jahres stammte der Satz von Chesterton: "Man kann wohl den Ort ändern, auf den man zugeht, aber nicht den, von dem man herkommt." Das liest sich nicht nur als Motto eines Heftes, sondern der 60-jährigen Herder-Korrespondenz überhaupt.Woher kommt, wohin geht diese Zeitschrift, die heute in keiner katholischen Institution im deutschen Sprachraum fehlen darf? Sie sollte ursprünglich Orbis catholicus heißen, anknüpfend an einen Versuch gleichen
Gerhard Hartmann hat 150 Jahre CV akribisch dokumentiert. Das Ergebnis: eine Heerschau des Politischen Katholizismus.Manche Bücher schlägt man zuerst hinten auf, um zu erfahren, wie es ausgeht. 25 Seiten umfasst das Namensverzeichnis des Buches "Für Gott und Vaterland", nicht nur Namen der CV-Funktionäre seit eineinhalb Jahrhunderten, sondern vor allem der Politiker, die aus dem CV hervorgegangen sind: Mitglieder der Bundes-und Landesregierungen, Landeshauptleute, Abgeordnete zum Reichsrat und zum Herrenhaus, zum National-und Bundesrat. Alle Bundeskanzler der Ersten und Zweiten Republik
Ich bin ein Sammler von unnützen Gegenständen. Wenn der Sommer vorbei ist, packe ich sie aus, der Herbst ist ihre Zeit. Vor den Büchern und zwischen den Büchern, auf dem Schreibtisch und im Kasten stehen und liegen sie nun: der graue Stein aus den Cave di Maiano bei Florenz, die leeren französischen Weinflaschen mit sonderbaren Etiketten, der Messingleuchter aus einem englischen Altwarengeschäft, der Pinienzapfen aus Kroatien, die kopierte Ikone aus Kreta.Jeder Gegenstand erzählt seine Geschichte. Da steht eine Reise vor Augen, eine Begegnung, ein Mensch, der nahe war. Landschaften
In langen Schlangengängen stellen sich die Passagiere an, wenn auf dem Flughafen vor den Check-in-Schaltern Gedränge herrscht. Diesmal hatte ich Glück, ich war der Einzige und ging schnurstracks nach vorne. Aber da hatte ich mich getäuscht. Eine bunt Uniformierte stoppte mich und ließ mich wissen, wofür sie zu sorgen hätte: Dass nämlich ausnahmslos jedermann den Schlangenweg benützt. Dankbar fügte ich mich der Vorschrift.Unten, am Gate, kam ich an der Raucherecke vorbei: Eine wirklich sinnvolle Einrichtung, drängen sich doch dort zehn Personen auf vier Quadratmetern im dichten
Ich versuchte meinem Freund zu erklären, was ich so alles tue, wobei ich mich engagiere, und dass es schwierig sei, die verschiedenartigen Arbeiten zu bündeln; dass ich angefragt werde, da und dort aufzutreten, dass ich im "Ruhestand" unruhiger unterwegs sei als davor. Mein Freund hörte aufmerksam zu und sagte dann: "Hast du schon einmal versucht, nichts zu tun?"Diese Frage war ein verkappter Ratschlag, wie ich ihn nicht erwartet hatte. Wir saßen im Kaffeehaus, jeder Gast vom Nachbartisch hätte uns zuhören können. Ich schaute mich vorsichtig um. Nichtstun ist unanständig. Um solchem
Den "Anderen Bürger" lässt Goethe beim Osterspaziergang sein Sonntagsvergnügen verraten: Wenn hinten in der Türkei die Völker aufeinander schlagen, am Fenster stehen und ein Gläschen trinken. Krieg als Unterhaltung, sofern er nicht nahe kommt. Fernsehen gab es noch nicht. Jetzt ist der Krieg nahe. Tote, Verwundete, Flüchtlinge, Zerstörungen werden vorgeführt. Der Krieg hat jeden Unterhaltungswert verloren.Dreißig Jahre bevor Goethe seinen Faust publizierte, hatte Matthias Claudius sein "Kriegslied" geschrieben. Er brauchte kein Fernsehen, er wusste auch so, was Krieg bedeutet: "'s
Ich lese in der Zeitung, was der Papst in Auschwitz gesagt hat. Ich lese in der Zeitung, wie viele Tote das Erdbeben auf Java gefordert hat. "Wo war Gott in jenen Tagen?", fragte der Papst. "Warum hat er geschwiegen? Wie konnte er dieses Übermaß von Zerstörung, diesen Triumph des Bösen dulden?" Er meinte die Morde in Auschwitz. Hätte er auch die Toten auf Java meinen können?Wenn man die Schuldfrage stellt, haben der geplante Massenmord und die Naturkatastrophe kaum etwas miteinander zu tun. Hier der Mensch des Menschen Feind, dort die Natur. Die Vorstellung, dass hinter der Natur ein
'Leo!" rufen die Kinder in Wien, wenn sie beim Fangenspiel die rettende Stelle erreicht haben, die Schutz bietet. Beachtlich, wie sich ein Politiker 800 Jahre im Wiener Volksgedächtnis halten konnte: Leopold der Glorreiche bestimmte einige Stellen in Wien, die einen Verfolgten vor Rache, Lynchjustiz und sofortigem Polizeizugriff schützen konnten, wenn er sie rechtzeitig erreichte. Eine davon, der Asylring an der nördlichen Außenwand des Stephansdoms, ist heute noch zu sehen.Wer heute in Österreich Asyl sucht, findet keinen Rettungsring. Die Polizei setzt auch Minderjährige in Schubhaft,
Ich switchte durchs Fernsehen und blieb in einer deutschen Politdiskussion hängen. Der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, immerhin Professor für Handels-, Wirtschafts-und Arbeitsrecht und später cdu-Generalsekretär, ließ sich zu einer geradezu anarchistischen Äußerung hinreißen: Das Volk wisse sich zu helfen, Schwarzarbeit sei die Antwort auf wirkungslose Konzepte der Politik gegen die Arbeitslosigkeit.Schon vor Jahren erklärte mir der Sozialethiker und Gregoriana-Professor Johannes Schasching, dass die italienische Wirtschaft zu 30 Prozent economia sommersa sei,
Wer meint, Olympische Spiele wären eine vorübergehende Episode, ist auf dem Holzweg. Die Disziplinen Wettlauf und Weitsprung breiten sich als politische Infektionen aus und sind eine Volkskrankheit. Dopingmethoden werden ohne Scheu angewendet, um Leistungen zu steigern, auch wenn die Leistungssportler daran zu Grunde gehen; es gibt ja genug davon.Europa leidet am Morbus Wettbewerb. Leistung wird in Dividenden und Aktienkursen gemessen, als Doping werden Anabolika in Form von Steuergeschenken injiziert, und Abfahrten in Niedriglohnländer häufen sich. Teamverkleinerung durch Personalabbau
Man muss zugeben, dass die Einrichtung einer Elite-Universität ein umstrittenes Projekt ist. Die bestehenden Universitäten befürchten, dass noch mehr Geld von ihnen abgezogen wird. Es gibt Fächer, in denen die Universitäten zur Elite gehören, aber aus Geldmangel international nur schwer reüssieren können.Auf der anderen Seite wäre die österreichische Spielart eines Max-Planck-Instituts sehr attraktiv. Man könnte davon träumen, an eine große wissenschaftliche Tradition anzuknüpfen, die unter dem Jubel der Rassisten beendet und von der Zweiten Republik nicht wieder aufgenommen
Der "Streit um die Wunder" ist schon fast vierzig Jahre alt, "Hinter Klostermauern" ließ man vor 15 Jahren blicken, ebenso alt ist "Das Ganzheitsbuch", etwas jünger "Geld statt Arbeit" - leider immer noch eine Utopie. Ich habe nämlich, angespornt von Neujahrsvorsätzen, meine Bibliothek zu ordnen begonnen.Alljährlich erstaunt die Frankfurter Buchmesse mit der maßlosen Zahl von Neuerscheinungen, aber niemand macht sich die Mühe, die Dunkelziffer von nutzlosen Ratgebern, trivialen Sensationsberichten oder modischen Weltverbesserungen in Buchform nachzuzählen. Auch seriöse Pädagogen und
Mariä Empfängnis spaltet die Gemüter. Christen, meinen Christen, sollten da nicht einkaufen. Da es immer weniger davon gibt, wird die Wirkung beschränkt bleiben. Außerdem sollte man keine Umfrage wagen, was denn da gefeiert wird. Das Ergebnis wäre bedauerlich. Eine so schwache Tradition darf den Fortschritt nicht behindern. Sagt die Wirtschaft.Der Wirtschaft geht es nicht gut, also geht es uns nicht gut. Diese Weisheit wird zwar umgekehrt plakatiert, aber bleiben wir realistisch. Jedenfalls darf nichts versäumt werden, um die Wirtschaft, also uns, auf Trab zu bringen. Die
Eine Erinnerung an Reinhold Schneider.Reinhold Schneider 1903-1958DichterErster Adventsonntag 1957. Ich hatte mir vorgenommen, ins Akademietheater zu gehen. Fünf Tage nach Eichendorffs 100. Todestag stand eine Matinee auf dem Programm. Da stand er nun, von dem ich bisher nur gehört hatte, groß, gebeugt, noch nicht im Bewusstsein, den letzten Ort seiner Wanderschaft erreicht zu haben: "Prophetische Wanderschaft" nannte Reinhold Schneider seine Rede auf Eichendorff, und die Identifikation mit dem katholischen Romantiker aus dem protestantischen Schlesien war nicht zu überhören. Das Ende
Auf dem Flughafen in Istanbul fand ich als einzige deutschsprachige Zeitung Die Welt. Nach einer Woche Nachrichtenabstinenz (weil ich kein Wort Türkisch verstehe und in die Kurdengebiete an der syrischen Grenze keine europäische Sprache vorgedrungen ist) erfuhr ich, dass Bush unbeliebt ist, dass Stoiber das Handtuch geworfen hat und in Frankreich die Autos brennen. Da erstaunte mich auf Seite 8 der Satz eines deutschen Professors zu den französischen Unruhen: Wir haben Glück - unsere Moslems sind Türken.Das Glücksgefühl des deutschen Professors kommt daher, dass die Türken im
Ich habe einen Ausflug nach Birmingham gemacht. In der zweitgrößten Stadt Englands sind alle Religionen zu Hause, alle christlichen Konfessionen, alle Herkünfte, Ethnien und Hautfarben. Im Zentrum drängen sich Restaurants mit den Küchen aus allen Weltgegenden. Kriegszerstörungen und die Abrisslust der 1960er Jahre haben nur wenige alte Backsteinbauten übrig gelassen und an ihre Stelle ein Gewirr glanzvoller Hochhäuser wachsen lassen. Auf den ersten Blick: ein gelungenes Modell multikulturellen und multireligiösen Zusammenlebens.Auf den zweiten Blick regt sich Nostalgie. Nicht nach den
So viel Wahlfreiheit hatten wir schon lange nicht. Landtagssitze werden vergeben, erste, zweite, dritte Plätze stehen zur Wahl, und jenseits der Grenze, woher die Studenten kommen, die dort ihr Studium nicht wählen dürfen, wird auch gewählt. Immer jüngere Mitbürger dürfen wählen, weil sich jede Partei jung genug fühlt, um sich davon einen Vorteil auszurechnen.In der mühsamen Debatte um Schulgesetze und Universitätsreformen wird eine Frage bisher nicht gestellt: Wo lernt man wählen? Dem Kind muss das Meiste vorgeschrieben werden. Schreiben, Lesen, Rechnen erlauben keine
In Kalabrien, am südlichen Ende Europas, hat sich die Geschichte fast ein Jahrtausend nicht blicken lassen. Was davor geschaffen wurde, ist von seltsamer, archaischer Schönheit: Burgen, Paläste, Kirchen, verlassene Abteien. Betritt man sie heute, so sind ihre alten Mauern von einer anderen Sorte "Kunst" durchwuchert und überpflastert, zu der dem Zugereisten aus dem Norden das Wort Kitsch schnell über die Lippen kommt.Das hat schon früh begonnen. In Rossano wird das Bild der Maria Achiropita - das nicht von Menschenhand geschaffene - verehrt, als ein unwiderlegbares Argument gegen die
Fanatiker sind, nach Amos Oz, freundliche Leute. Sie wollen nur dein Bestes, auch wenn sie dich ins Jenseits befördern. Es geht um dein Seelenheil und natürlich um die höhere Ehre Gottes. Die Inquisitoren waren davon überzeugt, die Terroristen sind es immer noch.Die Anschläge in London waren wenige Tage alt, von den Terrortoten im Irak gar nicht zu reden, da gab es im steirischen Stift Vorau die alljährliche Bibelwoche. Das Thema war aktuell: die Apokalypse. Unglaublich, mit welcher Schadenfreude die Frommen in weißen Gewändern zuschauen, wenn ihre Feinde umkommen, verbluten und
Noch einmal Thomas Merton (die Furche widmete ihm zuletzt eine ganze Seite): "Ich bin, was ich erzähle", soll er gesagt haben, auf der Suche nach dem roten Faden in der Geschichte, in seiner Geschichte. Vor 30 Jahren befand die literarische Mode, dass Erzählen obsolet sei. Wer es dennoch tat, wurde der Trivialliteratur zugewiesen, die sich dann in Serien und Telenovelas als besonders fernsehtauglich erwies. Als Michael Köhlmeiers Nacherzählungen der griechischen Sagen unerwarteten Erfolg hatten, erklärte er mir, Grund sei der Zusammenhang: Alle diese Geschichten seien miteinander
Die Börsianer wissen längst, dass es auf so altmodische Fakten wie Produktivität und Wirtschaftsleistung nicht ankommt. Was zählt, sind Vermutungen über Auf- und Abstieg der Aktien, ausgelöst von Wortmeldungen aus dem Munde von Generaldirektoren oder Notenbankpräsidenten. Die langjährige Denunziation "verkopfter" Entscheidung hat sich durchgesetzt. Auf den Finanzmärkten regiert der Bauch, wo die Emotionen zu Hause sind.Das Faktische, Belegbare, Durchdachte ist zu schwerfällig für eine schnelle Beurteilung der Lage. Hoffnungen wie Enttäuschungen stützen sich auf winzige Indizien,
Auch zu Ostern lag Terri Schiavo im Wachkoma, nicht anders als seit 15 Jahren. Über das tragische Schicksal dieser Frau haben sich Familienkonflikte, Gerichtsurteile und Parteipolitik hergemacht. Die "Kultur des Lebens", vom Papst propagiert, von amerikanischen Fundamentalisten zum Schlachtruf erhoben, ist zum ideologischen Selbstläufer geworden. Dieselbe Politik, die bedenkenlos irakische Zivilisten als Kollateralschäden der Terrorbekämpfung in Kauf nimmt; dieselbe Politik, die ein Sozialsystem verantwortet, die das Überleben von der Finanzkraft abhängig macht; dieselbe Politik
Zweimal fuhren wir mit dem Vaporetto am Palazzo Grassi vorbei. Es war zwei Tage nach Weihnachten, und die Warteschlange reichte bis zur Anlegestation San Samuele. Im venezianischen Event-Museum am Canal Grande wurde Salvador Dalí ausgestellt. Die Schlange war uns zu lang, wir sahen die Ausstellung nicht. Vor einigen Jahren gab es dort die Phönizier-Ausstellung, damals harrten wir aus. Drinnen konnte man vor jeder Vitrine nur Sekunden verweilen, die Masse der Besucher schob einen weiter. Ein Event - fürs Museum, nicht für uns.In Wien haben zuerst das Kunstforum, dann die Albertina (unter
"Gehorsam ist der Christen Schmuck"? - Eine Erinnerung an die Laien in der Kleruskirche.Die hohe Zahl der Kirchenaustritte hat Analysen provoziert, die alle ein Stück Wahrheit enthalten und doch zu kurz greifen. Gern wird übersehen, dass zwar aktuelle Konflikte die Zahlen hochschnellen lassen, dass aber seit Jahrzehnten die "normalen" Austrittszahlen jährlich mehrere Zehntausend betragen. Da muss einmal die nahe liegende Frage gestellt werden: Wer tritt aus der Kirche aus? Die Laien. Und könnte es sein, dass der Umgang mit ihnen zu wünschen übrig lässt? Vieles spricht
Ich begehe mein privates Gedankenjahr. Um drei Uhr früh verließen wir den niederösterreichischen Bauernhof. Ein Wehrmachtsauto brachte uns nach Pöchlarn, ein Schiff bis Obernzell. Zwischen Schärding und Ried kamen wir in einen Tieffliegerangriff, das Auto hinter uns brannte aus, meiner Großmutter wurde der Oberarm durchschossen. Das war am 25. April, die Russen hatten Wien bereits befreit. Am Abend um halb zehn standen wir vor einer Villa am Ortseingang von Ried - unsere Mutter mit dem Bruder im Kinderwagen, meine Schwester mit 13 Jahren; ich war gerade acht geworden. Wir wurden
Das Jahr beginnt mit bedenklichen Aussichten: Kultur und Politik werden uns mit Jubiläen überschwemmen. Nicht nur Kriegsende und Staatsvertrag sind zu bedenken. Vor 50 Jahren wurden Burgtheater und Staatsoper wiedereröffnet; vor 100 Jahren bekam Berta von Suttner den Friedensnobelpreis, kam Elias Canetti auf die Welt. Noch trächtiger der Rückblick um 200 Jahre: 1805 starb Friedrich Schiller, wurden Adalbert Stifter und H. C. Andersen geboren. Und gar 400 Jahre ist es her, dass Cervantes' "Don Quijote" erschienen ist.Soviel Rückblick ist eine Selbstbestätigung österreichischer und
Seit Mitte November ist es wieder so weit. In den Bäumen des Wiener Rathausparks hängen die bunten Leuchtkörper und darunter umstehen Holzbuden mit ein bisschen Kunsthandwerk und viel Kitsch den riesigen Christbaum. Nachrichtenmagazine evaluieren die besten Adventmärkte Österreichs, Punsch und Langos erzeugen eine bedenkliche Geruchsmischung, landauf, landein wird die stillste Zeit im Jahr in eine der lautesten verwandelt.Während mit Regelmäßigkeit über die Einsparung von Feiertagen diskutiert wird, beginnt der Advent von Jahr zu Jahr früher, dehnt sich aus und wird nur durch
Nomen est omen. Größere italienische Wörterbücher, die auch selten gebrauchte Worte verzeichnen, belehren den neugierigen Sprachforscher: rocco ist ein poetischer Ausdruck für das, was man heute in Rom und Umgebung pastorale nennt, zu deutsch: Bischofsstab. Rocco Buttiglione wollte seinem Namen Ehre und aus seinem Herzen keine Mördergrube machen. Nun ist er zurückgetreten, das EU-Parlament wollte sich nicht weiden lassen mit dem vatikanischen Hirtenstab und ließ sich nicht in eine Pastoralkonferenz umfunktionieren.Wie kommt ein "Bischofsstab" in ein politisches Amt? Es gibt Anzeichen
Märchenhaft ist der Titel des neuen Buches von Umberto Eco: "Die geheimnisvolle Flamme der Königin Laona". Der Protagonist ist einer, der seine Vergangenheit vergessen hat. Nicht so der Autor. Er braucht keinen Psychoanalytiker, sagt er in einem Interview, denn er erinnert sich an alles. Glücklicher Eco. Er ist das ideale Gegenbild seiner vergesslichen Romanfigur.In der rauen Wirklichkeit schaut es anders aus. Was lange zurückliegt, bleibt gespeichert, was in letzter Zeit geschah, wird schnell gelöscht. Wahrscheinlich sind die frühen Prägungen stärker, und wenn die Festplatte Gehirn
Worüber soll ich noch schreiben, seit ich die blutenden Kinder von Beslan gesehen habe? Seit die Flugzeuge auf dem Weg nach Wolgograd und Sotschi abgestürzt sind? Seit den Selbstmordattentaten von Beersheba, seit den letzten 70 Toten im Irak? Seit Präsident Putin nichts anders einfällt, als noch härter vorzugehen, seit Premier Sharon wieder mit Raketen auf das Flüchtlingslager Khan Yunis schießt und seit Präsident Bush behauptet, sein Krieg habe die Welt sicherer gemacht? Zwar erreichen die Terroristen nicht, was sie erpressen wollen, aber sie haben das Gesetz des Handelns erfolgreich
Das Europäische Forum Alpbach auf der Suche nach Europa in den Medien.Lässt man die Themen des Forums Alpbach seit 1945 Revue passieren, so fällt auf, dass Wissenschaft, Information und Bildung besonders häufig wiederkehren. Darüber wurde immer politisch diskutiert und immer in europäischer Perspektive. Verändert haben sich die Transportwege, nicht nur ins ehedem schwer zugängliche Bergdorf. Politik wird heute sehr wesentlich auf der Plattform der Medien gemacht, und Information ist ohne elektronische Kanäle beinahe undenkbar geworden. Unterdessen hat sich auch Europa verändert. Was
Es ist nicht viel los im August, die Zeitungen füllen sich zunehmend mit belanglosen Berichten. Da fällt mir das Buch des englischen Psychiaters D.W. Winnicott in die Hände ("Bruchstück einer Psychoanlayse"). Eine Gruppe anglikanischer Priester hätte ihn eingeladen, erzählt Winnicott; sie wollten wissen, wem durch Gespräche zu helfen sei, wenn jemand in einer Krise zu ihnen komme; und wem nicht zu helfen sei, weil er krank sei und eine Psychotherapie brauche. Winnicott gab eine verblüffende Antwort: "Wenn jemand mit Ihnen spricht, und sie haben das Gefühl, dass er sie langweilt, dann
Was dem einen seine "Romy", ist dem anderen seine "Austria". Zwei österreichische Qualitätszeitungen, Kurier und Presse, zeichnen österreichische Leistungen aus und bekämpfen damit das traditionelle österreichische Minderwertigkeitsgefühl. "Austria", heuer "Austria 04", ist neu und möchte so etwas wie ein österreichischer Nobelpreis sein. Wissenschaft, Wirtschaft und Humanität sind die Kategorien der Ausschreibung. Man soll nicht unverschämt sein, aber wenn schon von "Nobelpreis" die Rede ist, fallen einem noch weitere Kategorien ein: Kultur ist in Österreich durchaus
Es ist ein Jahrhundert her, dass Hugo von Hofmannsthal seinen Lord Chandos den Wortzerfall im Mund des Sprechenden beschreiben ließ. Damals, 1902, war noch nicht abzusehen, wie sehr "Worte wie modrige Pilze" das begonnene Jahrhundert bestimmen sollten. Nationalistische und antisemitische Hasstiraden schlugen in reale Gewalt um, Propaganda zerstörte nicht nur die Glaubwürdigkeit der Rede, sondern Kultur, Kunst und Leben. Hofmannsthal benannte nicht nur eine literarische Krise, sondern deutete eine schwarze politische Vision.Das Jahrhundert der Weltkriege und der totalitären Ideologien
Ich blättere in einem Buch, das "Gott im Dunkeln" heißt und Interviews enthält. Peter Strasser, der Grazer Philosoph, ist immer gut für originelle Formulierungen. Ich bleibe an einer Randbemerkung hängen: "Deshalb ist eine Welt, die das Schöne als lügenhaft bekämpft, ebenso luziferisch wie ein Welt, die in der Moral einen Luxus ... erblickt."Erstaunt klappe ich das Buch zu. Sollen wir das Wahre, Gute und Schöne aus der bürgerlichen Mottenkiste wieder hervorholen? Haben wir nicht über Jahrzehnte gelernt, dass das Schöne kitschig ist, dass Kunst, die wohl tut, keine Qualität haben
Wäre nicht Österreich, hätten politische Auseinandersetzungen nicht auch einen kulturellen und kulinarischen Aspekt. Man könnte also meinen, dass solcherart Politik alle Lebensbereiche durchdingt, wie einst Kreisky es von der Demokratie behauptete. Es könnte aber auch sein, dass Politik im Gegenteil gar nicht stattfindet und durch Kultur - oder was so aussieht - und Kulinarik ersetzt wird.Die Verteilung von Zuckerln und Manner-Schnitten im laufenden Wahlkampf wäre ein Indiz. Hierzulande, meinen die Strategen, wird die Stimme dem gegeben, dessen Süßigkeiten besser schmecken. "Mag man
Das Dayton-Abkommen ist ein Albtraum für Bosnien-Herzegowina: Das Land lebt in einer Okkupation unter rassistischen Voraussetzungen, meint der bosnische Dichter Dževad Karahasan.
Die Koinzidenz der Ereignisse gibt zu denken. Kardinal König wird begraben, Karl Rahners 100. Geburtstag und 20. Todestag wird gefeiert. Mel Gibsons blutiger Jesusfilm ist angelaufen und Ulrich Seidls "Jesus, du weißt" kommt nächste Woche ins Kino. Während die spanischen Terroropfer unter frischer Erde ruhen und ermordete albanische Kinder und gelynchte Serben begraben werden, beginnen Frühling und Sommerzeit.Soll ich die Zeitung abbestellen? Das Fernsehen abmelden? Es würde nichts nützen. Aber das Hinschauen schmerzt. Waren das Zeiten, als Goethe sagen konnte: Da hinten in der Türkei,
Good news müssen nicht immer bad news sein. Die Kulturpolitik erlaubt sich zahlreiche Fehlleistungen; unter anderem wird in Graz mit Geschick die Nachhaltigkeit des Kulturhauptstadtjahres vereitelt. Aber es gibt Überraschungen.Die Post bringt ein kleines Heft, dessen Cover mir bekannt vorkommt. "Psalm" steht darauf, auf Hebräisch, Griechisch und Deutsch. Ja - das war doch das große Projekt von styriarte-Intendant Matthis Huber: die musikalische und szenische Begleitung der Feste aller drei monotheistischen Religionen zwischen Aschermittwoch und Weißem Sonntag. Das Projekt "Psalm 2003"
Wenige Worte werden so missbraucht wie das Wort "Demokratie". Wann hat denn das Volk wirklich regiert? Räterepubliken und Basisdemokratien haben sich stets als Kurzzeitphänomene erwiesen. Repräsentative Demokratien sind effektiver, aber sie werden häufig missverstanden: Die gewählten Repräsentanten fühlen sich schnell als Diktatoren auf Zeit.Alle Unzufriedenen schreiben "Demokratie" auf ihre Fahnen: Gewerkschaften, Kirchenvolksbegehrer und Studenten. Vielleicht könnte, was mit "Demokratie" gemeint ist, endlich sichtbar werden, würde das Wort seltener gebraucht. Die Beispiele des
Zum 10. Todestag: Erinnerungen an den anderen Axel Corti.Ich weiß wohl, dass Axel Corti sich vornehmlich als Regisseur und Filmemacher den Namen gemacht hat, den er verdient; aber der andere Axel Corti sollte darüber nicht vergessen werden.Wenn ich mich erinnere, worin Axel Corti mir zuerst und bis zuletzt nahe gekommen, unter die Haut gegangen ist, so waren es weniger seine Bilder, als seine Worte. In ihnen, die keiner Übersetzung bedurften durch Schauspieler, Kameraleute, Tonmeister, in den Worten, die das Instrument seiner Stimme ausspielte, war er am persönlichsten präsent.Die
Endlich erinnern Texte in schwarz umrandeten Kästen unbekehrbare Raucher daran, dass sie mit jeder Zigarettenpackung Krankheit und Tod heraufbeschwören. Die EU hat sich durch diese Vorschrift als moralische Instanz erwiesen. Wer die EU für einseitig wirtschaftsorientiert hält, muss umdenken. Man sorgt sich um die Gesundheit der Bürger und redet ihnen ins Gewissen.Die Politik hat wieder Moral. Es ist zu hoffen, dass die europäische Einigung auf diesem Weg fortschreitet. Jetzt geht es darum, konsequent weiterzudenken. Erst gestern saß ich im Kaffeehaus einer Raucherin gegenüber, die die
Zu Zeiten des Nationalfeiertags ist es gut, Distanz zu gewinnen. Im Überblick fügen sich Bruchstücke zu einem Text zusammen, der aus der Nähe kaum zu entziffern ist. Schüssel und die Pensionsreform, Morak und die Diagonale, Strasser und das Asylgesetz, Bartenstein und die Voest, Gehrer und die Universitätsreform - was haben sie miteinander zu tun?Hinter den politischen Sach- und Streitfragen verbirgt sich eine Mentalität, über die Vermutungen zu äußern im Feuilleton erlaubt ist. Haben wir uns nicht gewundert, als die Regierung zum Ende der EU-Sanktionen nach Mariazell wallfahrtete?
Wer in diesem Sommer in Europa herumgekommen ist, dem zeigte sich überall das gleiche Bild: Jeder Landstrich, jede Stadt, die etwas auf sich hält, versieht sich mit Geschichte, vor allem mit Kunstgeschichte, und pflegt den schönen Rückblick mit zahllosen Museen. Manche sind eine Zuflucht der Touristen bei Schlechtwetter, manche enthalten Werke, "die man gesehen haben muss", will man nicht zu Hause als Banause dastehen. Wer kann es sich leisten, in Paris oder Florenz gewesen zu sein, ohne Leonardos Mona Lisa oder Botticellis Frühling bestaunt zu haben? Die großen Kunstsammlungen werden
Das Sommertheater um Kinder und Partys hat unzählige Kommentare provoziert. So wurden die Leerflächen gefüllt, die eine Politik im Sommerschlaf zu hinterlassen droht. Man muss den österreichischen Politikern zugute halten, dass sie auch in den kurzen Wachphasen dieses verdienten Schlafes an die Probleme des Landes denken. Vielleicht träumen sie sogar davon. Unter der Last einer Jahrhunderthitze schläft man ja wirklich schlecht.Nun, da uns die ersten kalten Herbsttage erfrischen, reiben wir uns die Augen und staunen über das Niveau der Politik in diesem Land. Werden wir vielleicht
LICHTUNGEN: Schlepperdienst, kulturell. Eine Zeitschrift übt sich in Grenzüberschreitung.Vor mir ein Stoß Zeitschriften von beachtlicher Höhe: Zehn Nummern LICHTUNGEN seit Herbst 2000, jede 150 Seiten stark im Format A4: eine der wichtigsten österreichischen Literaturzeitungen, gewichtig, großformatig, aber noch immer unter ihrem Wert geschätzt. Die jüngste Ausgabe, Nummer 94, die dritte des heurigen Jahres, bringt ein Projekt zum Abschluss, das es verdient, dieses editorische Unternehmen genauer zu beleuchten.Poetik der GrenzeAls Graz 1998 zur Europäischen Kulturhauptstadt 2003
Paradebeispiel zeitgenössischer Religiosität: Das Grazer Musikfestival "Psalm 2003" füllte Konzertsäle und Kirchen. Was kann und soll die Religion bieten? Der Erfolg des Festivals provoziert diese Frage aufs Neue.Musik transportiert das Heilige". Mit dieser lapidaren Behauptung im Programmheft geht am kommenden Sonntag, dem Ostersonntag der Ostkirche, ein Experiment zu Ende, das in Zeiten der permanenten Kirchenkrise bedenkenswerte Fragen aufwirft. Mit dem Projekt "Psalm 2003" füllte der styriarte-Intendant Mathis Huber Grazer Kirchen und Konzertsäle mit Menschen, die nicht
Warum Jan Sokol, Dissident und Katholik, Philosoph und Moralist, nicht Präsident wurde.Letzte Februartage in Prag. Die Stadt: Renoviert und mondän, die internationalen Modemarken haben in den hundertjährigen Jugendstilbauten ihre Geschäfte etabliert. Zu Mittag gibt der Nebel den Blick auf den Hradschin frei, den Václav Havel vor wenigen Wochen verlassen hat. In der ÇCerna, der Schwarzstraße, zentrumsnah, aber versteckt, diskutiert man in der Protestantischen Fakultät über Menschenrechte. Die Szene ist gleichfalls international, die Konferenzsprache Englisch. Der siebzigjährige
Das Thema ist nicht erledigt: Eine von der Theologie emanzipierte Philosophie beschäftigt sich (wieder) mit Religion.Im Labyrinth der Philosophie wird der rote Faden neu verlegt. War das Thema Religion nicht seit 200 Jahren erledigt und nur mehr den Theologen und anderen Obskurantisten zugestanden? Dagegen macht sich in den letzten Jahren ein erstaunliches Phänomen bemerkbar: Die Zunft der Philosophen denkt wieder über Religion nach.Dieser internationale Trend führte zu einer österreichischen Initiative: In den Räumen des Otto-Mauer-Zentrums sucht eine monatliche Vortragsreihe die Frage
Graz 2003 überwindet mit Regina Strasseggers Projekt über Inge Morath die Grenze nach Süden.Der Schatten des Ballons über der verschneiten Landschaft: mit diesem Bild endet der Film. Der Ballon trägt Inge Morath über die Grenze ihrer Kindheit, ihres Lebens. Am 30. Jänner wird Regina Strasseggers bewegende Dokumentation "Grenz.Räume" über Inge Moraths letzte Reise im Weißen Saal der Grazer Burg präsentiert, unmittelbar davor die gleichnamige Ausstellung von Graz-2003-Intendant Wolfgang Lorenz eröffnet. Die Kulturhauptstadt Graz 2003 liefert mit diesem Projekt eine unverwechselbare
Heinrich Heines später Gott. Zur Heine-Monographie von Karl-Josef Kuschel.Mai 1848: Europa ist in Aufruhr, die Aufstände in Frankreich, Deutschland, Österreich nähren noch die Hoffungen der Demokraten, wenige Wochen später werden sie niedergeschlagen sein. In Paris schleppt sich ein Kranker zum letzten Mal aus seiner Wohnung, im Louvre, vor der Venus von Milo bricht er zusammen: Heinrich Heine. "Zu ihren Füßen lag ich lange, und ich weinte so heftig, dass sich dessen ein Stein erbarmen musste. Auch schaute die Göttin mitleidig auf mich herab, doch zugleich so trostlos, als wolle sie
Um der Kirchenkrise medial gerecht zu werden, braucht man Fachjournalisten: Politik- und Wirtschaftsberichterstattung setzen Maßstäbe - auch für "Religion".
1. Die religionssoziologische und historische Analyse ergeben übereinstimmend die „Entkoppelung“ von Kirchlichkeit und Religiosität als bestimmenden Zug des österreichischen Seherpublikums. Die religiöse TV-Pro- duktion muß daher auf die eigentümliche Tatsache Rücksicht nehmen, daß sie sich an unkirchliche, aber zugleich in einem beträchtlichen Maß religiös interessierte Seher wendet.2. Das offiziöse Image des ORF verstärkt der Eindruck der „Amtlichkeit“ religiöser Sendungen und entspricht damit einer tief eingewurzelten Sehererwartung. Eine Kommunikatioren-Befragung hat