Ist die Klassengesellschaft in der Welt bereits überwunden? Ich meine: nein! Es gibt die Klassen der Europäer und Nordamerikaner, die Afrikaner, Asiaten und Lateinamerikaner. Es gibt überall die Kasten und Klassen der Reichen und der Armen, der Kapitalisten und Ausbeuter, der Hungernden und asozial Entlohnten. Auch in unseren christlichen Bereichen wird zu wenig Widerstand gegen jene geleistet, die ihre Mitmenschen bis aufs Blut ausbeuten und sich ungerecht Reichtümer anhäufen.Wie weit sind die „Vertretereinrichtungen“ wie Kammern und Gewerkschaften wirklich international tätig und
Familie und Staat - Konkurrenz oder Ergänzung? Das war die Fragestellung der ,,Salzburger Studientagung 84". Durchgehender Tenor: Den Schutz für die Familie verstärken!
In der Karwoche sei auch den Journalisten ins Gewissen geredet: vom obersten Glaubenshüter der r.-k. Kirche und vom neuen Ordinarius für Publizistik der Universität Wien . ..
Um die wirklich ernsten Probleme der Wirtschaft zu lösen, wird es nicht einmal reichen, perfekt auf dem wirtschaftspolitischen Klavier zu spielen. Eine neue Grundhaltung aller ist heute dringend gefordert.
Niemand hat wie er in diesem Jahrhundert des — meist gelenkten, von Demagogen beherrschten — „Aufstands der Massen” so viele Millionen Menschen in so vielen Erdteilen mobilisiert, inspiriert, ohne ihnen irgendwelche irdischen Paradiese zu versprechen. Johannes Paul II. hat aber nicht nur Begeisterungsstürme, die wieder abebben, ausgelöst; die Funken der Hoffnung, die er entzündet, entfachen nicht nur Strohfeuer, sie haben bei Menschen aller Kontinente irgend etwas, oft schwer Definierbares weiterglimmen lassen — selbst wenn die Institution der lokalen Kirche oft feststellen
Siebzehn Monate lang hatte Ali Agca, der verhinderte Papst-Mörder, geschwiegen. Das nährte nur den Verdacht, er vertraue ungebrochen auf seine mutmaßlichen Hintermänner. Die Rede von der „internationalen Verschwörung", die in Italien stets umgeht, wenn sich Verbrechen nicht aufklären lassen, hat aber jetzt neuen Auftrieb erhalten.Endlich packte Agca doch noch aus, und seine Redseligkeit hatte Folgen: Vorige Woche wurde der Bulgare Sergej Iva-now Antonow verhaftet.Antonow leugnet beharrlich, .mit Agca irgendetwas zu tun zu haben und wird von seinen Kollegen im Büro der
Wir sprechen heute von einer zunehmenden Subjekti-vierung der Werte. Das will besagen, daß auch sehr zentrale menschliche und zwischenmenschliche Werte ihre absolute Gültigkeit verlieren und unter die Bedingung der Zumutbarkeit gestellt werden. Solche Zentr'alwer-te gelten nur so lange, als keine unzumutbaren Opfer abverlangt werden, wobei die Zumutbarkeit sehr individuell bestimmt wird.Diese Subjektivierung der Werte ist mit ein Grund für das zunehmende Auseinanderfallen von individueller und sozialer Moral. Man ist durchaus noch gewillt, das unmittelbar erfahrbare zwischenmenschliche
Informationen über kulturelle Ereignisse in europäischen Großstädten sind unserer Meinung nach ein wichtiges Pendant zur Tätigkeit der österreichischen Kulturinstitute.
Eines der Hauptwerke der italienischen Renaissance-Kultur. Leonardo da Vincis „Hammer-Kodex" (früher Kodex Leicester genannt), kehrt für drei Monate zurück nach Florenz, mit dem er eng verbunden ist. Viele der Zeichnungen des Manuskripts beziehen sich direkt auf Florenz,und 1717 befand sich der Kodex für mehrere Monate dort, um im Auftrag des damaligen Besitzers, Thomas Coke, von den Schreibern der Biblioteca Laurenziana kopiert zu werden.Seit 1717 im Besitz der englischen Familie Leicester, wurde der „Kodex Leicester" als letztes Leonardo-Manuskript in privater Hand
Ein Machtwort des Papstes, das er selbst als „Tat der Liebe" bezeichnete, freilich einer „besonders erlittenen Liebe" (wie er ohne Manuskript hinzufügte), soll die Uberwindung der Krise im Jesuitenorden einleiten. Erste Folge war eine Versammlung der Provinzialoberen in Rom, die zwar nicht alle Zweifel beseitigt, aber die Atmosphäre etwas geklärt hat, wie es der Ordenssprecher P. Pittau am 8. März umschrieb.Die Generalkongregation des Ordens, die einen neuen Generalzu wählen hat, soll noch in diesem Jahr für 1983 einberufen werden.Die 86 Provinzialoberen aus aller Welt, die
Als das Kind in den Brunnen gefallen war, starrten bangend und mitleidend Millionen Italiener Tag und Nacht auf den Fernsehschirm wie auf ein unheimliches Menetekel.Die Tragödie des kleinen Alfredo und derer, die ihn ebenso mutig wie dilettantisch zu retten versuchten, hat im Unterbewußtsein des Landes fast sym- ,boiträchtig all die Angst und Ohnmacht widergespiegelt, die Italien in den dunklen, verschlammten Schächten seiner Krisen und Skandale bedrängen. Hilft etwa auch da kein Hoffnungsstrahl aus Notaggregaten, kein beherztes Zupacken mehr?In diesen Tagen versucht es ein neuer Mann.
Mit großen Feierlichkeiten in St. Peter und in Santa Maria Maggiore wurden zu Pfingsten in Rom zwei Konzilsjubiläen begangen. Man gedachte des vor 1600 Jahren abgehaltenen I. Konzils von Konstantinopel. Auf ihm wurde die Gottheit des Hl. Geistes definiert, womit die Lehre vom einen und dreifaltigen Gott ihren Ausdruck fand.Vor 1550 Jahren wurde auf dem Konzil zu Ephesus Maria der Titel der „Gottesmutter" zuerkannt, womit in erster Linie eine Aussage über die göttliche und menschliche Natur in Jesus Christus beabsichtigt war. Erst in zweiter Linie hatte dieses Konzil beabsichtigt, Maria
In Italien sind fast tausend Prominente in den Verdacht der Geheimbündelei, verknüpft mit Spionage- und Finanzdelikten, geraten. Die Regierungskoalition unter Führung A maldo Forlanis hat dadurch ein vorschnelles Ende erreicht.Schon vor Monaten hatte der christdemokratische Parteichef Flaminio Piccoli von einer „internationalen Freimaurerverschwörung“ geredet und sich deshalb den Vorwurf des Gespensterglaubens zugezogen.Jetzt versicherte er diplomatisch, dabei nur an eine weltweite „koordinierte Attacke gegen christliche Kulturideale“ gedacht zu haben, nicht jedoch an die legale
Ruhig, mit der Hand des gedrillten Scharfschützen, richtete er inmitten von begeistert winkenden Armen die Browning-Pistole auf sein Ziel. Hätte nicht neben ihm eine Nonne entsetzt aufgeschrien und nach seinem Arm gegriffen, wären wohl die beiden Schüsse sofort tödlich gewesen. Sie trafen dennoch „ins Weiße“ - den Papst. Mehmet Ali Agca, der Mann, der aus der Kälte kam, wo sich Haß rekrutieren läßt, sah sein Opfer zusammensinken.Das erste Geschoß hatte den Zeigefinger der linken Hand zerschmettert und eine amerikanische Pilgerin in die Brust getroffen. Das zweite verletzte eine
Nicht zur politischen Pilgerfahrt, sondern möglichst nur zu einer religiösen soll Mitte Jänner die Romreise Lech Walesas werden: so jedenfalls' möchte der polnische Kardinalprimas Wyszynski den ersten Westbesuch des polnischen Gewerkschaftsführers und Volkstribunen programmieren.Obschon Walesa einer Einladung der italienistnen Gewerkschaften folgt (auch der größten, der kommunistischen CGIL) und dadurch die polnische „Solidarnosé“ politischen Rückhalt gewinnen könnte, will Polens Kirche „ihren“ Walesa auch in Rom nicht von der Hand lassen. Selbst den Flug zahlt ihm der
Ubernächtigt, schmutzverkrustet, an der Leine Suchhunde mit verstaubtem Fell - so kommen mir die Männer des Tiroler Bergrettungsdienstes über Trümmerhalden entgegen. „Hier liegen noch Hunderte unter dem Schutt", sagt einer mit tonloser Stimme und starrt auf die leeren, mit Rauhreif bedeckten Särge, die auf der Piazza aufeinander-gestapelt warten - hier in Santangelo Dei Lombardi, in Lioni, Teora oder La-viano.Die Namen dieser Orte kannte niemand in der Welt, bevor die Erde in Kantanien, in der Basilikata bebte und ganze Städtchen wie Kartenhäuser über ihren Bewohnern
Mit etwas breiterer Basis versucht Italiens neuer Regierungschef Arnoldo Forlani sein Glück. Zum ersten Mal hat die Democrazia Cristiana ihren Koalitionspartnern genau die Hälfte der 26 Ministersessel zu überlassen.Solche Großzügigkeit ließ sich schwer vermeiden, wenn man der Sozialdemokratischen Partei (die mit knapp fünf Prozent in Italien nur halb so viele Wähler hat wie die Sozialistische Partei) ihre Wiederannäherung an die Sozialisten und damit den Eintritt in die Regierung erleichtern wollte. Zusammen mit dem noch kleineren republikanischen Partner stützen nun also drei
Von über dreißig A bgeordneten der Koalitionsparteien im Stich gelassen, ist die Regierung der Christdemokraten Cossiga gestürzt worden und Italien in seine vierzigste Regierungkrise der Nachkriegszeit geraten. Mühsam versucht seit Anfang dieser Woche der christdemokratische Parteipräsident Arnaldo Forlani das zerbrochene Porzellan zu kitten. Ob ihm eine Regierungsbildung gelingt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob er auch innerhalb seiner eigenen Partei Brücken bauen kann.
Findigen Spezialisten mag es gelingen, die chemische Formel des Sprengstoffs, die Technik, ja die „Ideologie" des Zündmechanismus herauszufinden; vielleicht wird man sogar eines Tages einen Täter ergreifen. Doch wird je faßbar werden, was in der Psyche von Leuten vorgeht, die, wie es in Bologna geschah, mitten unter unbekannten Menschen eine Bombe explodieren lassen?Was im Wartesaal des Bahnhofs von Bologna geschah, läßt auf den ersten Blick jeden politischen Hintergrund sich ins buchstäbliche Nichts auflösen. Terror nicht mehr als gezielte Aktion, sondern - wie Nietzsche, der
So wechselhaft und trügerisch wie Italiens diesjähriger Sommerhimmel hat sich auch der Schein stabilerer politischer Verhältnisse erwiesen, der manche Auguren bereits frohlocken ließ: Nun sei ganz klar, daß sich das Land auch ohne Kommunisten regieren lasse.Aber nach kaum drei Wochen schon mußte der Christdemokrat Cossiga unter kommunistischem Druck sein Anfang Juli verordnetes Anti-Inflationsprogramm revidieren und teilweise vertagen.Seit Mitte letzter Woche mußte er sich selber - als erster Ministerpräsident der italienischen Nachkriegsgeschichte - vor beiden Häusern des Parlaments
Alle kirchlichen Lehräußerungen, die nicht ex cathedra vom Papst verkündet werden, sind potentiell fehlbar: Zu dieser These, die Wolfgang Schmitz an Hand von Buchrezensionen in der FURCHE vertrat, erhielten wir durch Vermittlung des Kurienkardinals Opilio Rossi, langjähriger Vertreter des Heiligen Stuhfs in Wien, den folgenden Beitrag, den wir hiemit in die Diskussion einbringen.1. Der Beitrag „Das .Dogma' von der Fehlbarkeit der Kirche”, von Wolfgang Schmitz (FURCHE Nr. 15) versucht, einen formalen Widerspruch zwischen dem Ersten und dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu finden. Das
Die Furcht hatte allen großen Parteien Italiens im Nacken gesessen. Wenn man dem fahnenschwenkenden Jubel vor den römischen Parteizentralen trauen durfte, dann hat es freilich bei diesen Regional-, Provinz- und Kommunalwahlen keine Verlierer, nur Gewinner, wenn nicht gar Sieger gegeben. Die Schönheitsfehler aller Resultate verblassen in der Tat neben den Hauptergebnissen:Aus dem christdemokratisch-kommunistischen Frontalzusammenstoß, den im Wahlkampf vor allem der kommunistische Parteichef Berlinguer mit dem Ziel betrieben hatte, die Regierung in Rom zu Fall zu bringen, geht
Die Kunst, mit Widersprüchen zu überleben, stößt selbst in Italien auf Grenzen. So jetzt die paradoxe Vorstellung, die sich die neue, von nur knapper Mehrheit getragene Parteiführung der Democrazia Cristiana zurechtgelegt hat: Man brauche nur die Achse der Partei ein wenig nach rechts zu verlagern, um links brauchbare Koalitionspartner zu finden. Solch schöner Wahn - und mit ihm das Kabinett des Christdemokraten Cossiga - überdauerte den Führungswechsel in der Partei kaum zwei Wochen.Die Regierungskrise, die zwölfte in zehn Jahren, war nicht länger hinauszuschieben. Sie entblößt
Macht? In den dunklen, stets ein wenig fragend blickenden Augen Francesco Cossigas blitzt so etwas wie Schalk auf, aber er sagt es sehr ernst und mit dem dozierenden Ton des Professors für Verfassungsrecht: „Ich halte die Gleichsetzung von Politik und Macht für verfehlt. Viele Jahre habe ich Politik gemacht, ohne Macht zu besitzen."Und seit er vor einem halben Jahr „an die Macht" gekommen ist, an die Spitze der ohnmächtigsten Regierung, die Italien unter den 36 Regierungen seiner 33jährigen Republik erlebt hat, fühlt er sich in dieser Uberzeugung mehr den je bestätigt.
Nichts ist furchterregender als gezielte Gewalt, die gleichwohl wie blinder Zufall zuzuschlagen scheint: In einem Streifenwagen werden mitten in Mailand drei Polizisten erschossen; in Palermo treffen den Parteivorsitzenden der sizilianischen Democrazia Cristiana auf dem Heimweg vom Kirchgang tödliche Kugeln; ein betriebswirtschaftliches Institut in Turin wird plötzlich überfallen, zehn Studenten und Dozenten liegen mit zerschossenen Beinen in ihrem Blut.Drei besonders erschreckende Fälle der letzten Wochen - drei von über 2150 Terroranschlägen und Attentaten in Italien, bei denen
Eine Woche vorher hatte Berlinguer im Straßburger Parlament noch das 50jährige Parteijubiläum Giorgios Amendo- las, des Fraktionsvorsitzenden der „Eurokommunisten“, mit rühmenden Reden gefeiert. Jetzt mußte der Parteichef diesem großen „Alten“ des italienischen KP-Vorstands vor versammeltem Zentralkomitee die Leviten lesen:
Sie sei eine „wichtige Etappe auf der Straße der Kollegialität“ betonte der Papst in seinen Schlußbemerkungen vor der Versammlung, die zum erstenmal seit vier Jahrhunderten nicht als Wahlgremium, sondern als Beratungsorgan zusammentrat. Das Kardinalskollegium wollte letzte Woche in nur fünf Tagen versuchen, sich selbst und dem Papst Rechenschaft abzulegen über den Zustand von Kirche und Kurie im ideellen und materiellen Sinne.Ausdrücklich entschuldigte sich Johannes Paul II. bei den Kardinalen für das Mißverhältnis zwischen der gestellten Aufgabe und der zur Verfügung stehenden
„Wir sind nur wir selbst - wir weisen die absurde Unterteilung der Christdemokraten in .Sozialisten- freunde und ,Kommunistenfreunde’ zurück”, so sprach Benigno Zacca- gnini letzte Woche vor dem „Nationalrat”, dem Parteiparlament der italienischen Democrazia Cristiana.Doch genau diese Bewußtseinsspaltung, die er so beschwörend leugnete, hat den Parteichef veranlaßt, auf die Rolle des väterlichen Vermittlers, die er vor vier Jahren übernommen hatte, zu verzichten und anzukündigen, er werde beim kommenden Parteikongreß im Dezember sein Amt niederlegen. Nur das Wort
Ein Christdemokrat und doch keine der ewigen politischen Stehauffiguren des römischen Karussells; ein Mann, der sich - damals Innenminister - im Frühjahr 1978 selbst für „politisch“ tot erklärte, weil er die Entführung und Ermordung Aldo Moros nicht hatte verhindern können; der einzige Minister Italiens, der aus eigenem Antrieb und ehrenhaften Gründen sein Amt niederlegte - das ist Francesco Cossiga. Ihm ist es nun nach sieben Monaten Dauerkrise und zwei Monate nach den Wahlen gelungen, Italien wieder eine Regierung zu geben.
„Nicht den guten Schlaf, allenfalls einige Kilo“ raubt ihm nach eigener Aussage die verklemmte Lage zwischen den beiden „Großen“, den Christdemokraten und den Kommunisten. Es ist die eine Not, aus der er seit drei Jahren die stolze Tugend einer „dritten Kraft“ zu stilisieren sucht: Benedetto (genannt „Bettino“) Craxi.
Der Papst ist wieder im Vatikan. Aber er hat die geistige Landschaft in Polen, in Osteuropa und darüber hinaus verwandelt. Die Millionen Landsleute, die ihm in Warschau, Gnesen, Tschen-stochau, Auschwitz, Wado-wice, Nowy Targ, Nowa Huta und Krakau zugejubelt haben, gehen wieder ihrer täglichen Arbeit nach. Aber in ihnen brennt eine Hoffnung, die kein Politiker des Ostblocks (oder der Westwelt) in den Massen hervorzurufen versteht: die Hoffnung, daß es jenseits von Produktion, Arbeit und materiellem Wohlergehen eine andere, tiefere Dimension des Menschseins gibt.
Von Turin bis Palermo brüllen es die Lautsprecher über die „piazza“ jeder Stadt, jedes Dorfes, tönt es von fahnengeschmückten Podien wie der Refrain jener vielstrophigen Schlager, die sich alle zu gleichen scheinen: „Mit uns die Rettung - ohne uns die Katastrophe des Vaterlandes!“Meist nur müde und mechanisch heben sich die Hände zum Beifall. Und dies nicht nur dort, wo sich wenige Menschen um den Parteiredner versammeln, der sich wie ein Rufer in der Wüste fühlen muß; auch dort, wo die „Massen“ sichtbar werden, die ohnehin längst überzeugten Anhänger dieser
„Ein Seelenhirt, der nichts von Diplomatie und schon gar nichts von Verhandlungen mit Kommunisten hält; ein neuer Papst aus Polen, also das Ende der alten vatikanischen Ostpolitik“ - in solche simplen Formeln, die kurz nach der Papstwahl letzten Herbst noch da und dort herumgereicht wurden, wagten schon bald auch die blindesten Kritiker päpstlicher Pastoraldiplomatie ihre Erwartungen nicht mehr zu kleiden.
Die einzigen, die den zwei Wahlen im Juni - am 3. und 4. Juni zum Parlament (Kammer und Senat) sowie am 10. Juni zum Europäischen Parlament - in freudiger Gelassenheit entgegensehen, sind die Schüler, werden sie doch schon am 31. Mai in lange Ferien (bis in den Herbst) geschickt, damit in den Klassenzimmern die Urnen aufgestellt werden können. Den nahezu 42 Millionen Wählern wie den kandidierenden Politikern stellen sich diese beiden Wahlen als eine bange Fahrt ins Ungewisse dar - eine Reise mit unbekanntem Ziel, die durch Gewitterlandschaft führt.
Mit der Ruhe und dem risikobewußten Eifer eines Wunderarztes versucht Giulio Andreotti seit Mitte letzter Woche die scheinbar tödlich verletzte Partnerschaft von Christdemokraten und Kommunisten Italiens wiederzubeleben. Hat er dabei Chancen?
Italiens Kommunisten haben der Regierung Andreotti die parlamentarische Unterstützung entzogen. Andreotti mußte die Konsequenzen ziehen und trat zurück.
Als am 27. September mehr als 10.000 Menschen in der großen Audienzhalle zum letzten Mal Papst Johannes Paul I. zujubelten, trafen einander wenige hundert Meter davon entfernt hundert Jesuiten aus der ganzen Welt zu einem sehr nüchternen Vorgang: zu einer Art Zwischenbilanz des Ordens. Juridisch hieß das: Verlangt die Uberprüfung der gegenwärtigen Lage der Gesellschaft Jesu die Einberufung des Ordensparlaments, der Generalkongregation, oder nicht? Diese Uberprüfung war in den mehr als 80 Provinzen mit aller Sorgfalt durchgeführt worden, und ein gewählter Sprecher wurde nach Rom gesandt
„Se non avessi fatto il vescovo, avrei voluto fare il giornalista“ („Wenn ich nicht Bischof geworden wäre, hätte ich Lust gehabt, Journalist zu werden“), zitierte die römische Zeitung „Il Tempo“ in ihrer Sondernummer zur Papstwahl ein vorausgegangenes Gespräch mit dem Patriarchen von Venedig. Der Sohn eines Maurers, der in seiner kargen Freizeit seine Lektüre zwischen Plutarch und Goethe wählt, der Dickens und Mark Twain zitiert, ist nicht nur erfreulich aufgeschlossen für die Notwendigkeiten der Massenkommunikation, sondern fallweise auch selbst beliebter Autor von
Wie ein Regierungschef sprach KPI-Chef Enrico Berlinguer zwei Stunden lang’im Zentralkomitee seiner Partgi. De£, Kommunistenfül^rer richtete das Augenmerk .auf Italien und seine Probleme, die nach wie vor nur mit tatkräftiger Hilfe der KPI gelöst werden könnten: „Vieles ist in diesem Sinn geleistet worden, mehr noch bleibt zu tun”.Nach Berlinguers Auffassung hätte dem Ausbruch der letzten Regierungskrise zu Beginn dieses Jahres die Aufnahme der KPI als regelrechte Regierungspartei folgen sollen. Auf Grund der Widerstände der Christdemokraten und Sozialdemokraten blieb es
Kein Tag vergeht, da nicht eine italienische Partei oder Zeitung zum „Fall Bucharin“ Stellung bezieht. Vor 40 Jahren ist der bedeutende kommunistische Ideologe Nikolaj Bucharin einer stalinistischen Säuberung zum Opfer gefallen, doch jetzt stellt sich die Frage, ob man im Sog der Vergangenheitsbewältigung nicht auch dem Gedenken dieses Mannes Gerechtigkeit widerfahren lassen müsse.'Anlaß zu einer entsprechenden Rehabilitierung bietet das Bittschreiben des Sohnes - Yuri Larin Bucharin - an die Adresse westlicher kommunistischer Parteien, sie möchten das versäumte nachholen. Mehrere
Leones Demission - ein halbes Jahr vor Ablauf seiner siebenjährigen Amtszeit - beweist einmal mehr, daß außerordentliche Situationen außerordentliche Lösungen erfordern. Italien befindet sich im labüen Gleichgewicht eines neuartigen Herrschaftssystems, dem nach außen hin eine christdemokratische Regierung, nach innen hingegen eine sie in Schach haltende kommunistische Partei vorsteht. In einem solchen DC-Regime von KPI-Gnaden kann von allen Seiten her Druck auf die Machtträger -nicht zuletzt auf das Staatspräsidium -ausgeübt werden. Dies ist jetzt Giovanni Leone zum Verhängnis
Italien ist das einzige Land Westeuropas und der lateinischen Welt mit einer schwergewichtigen und bestens organisierten kommunistischen Partei und einer verhältnismäßig kleinen und wenig schlagkräftigen sozialistischen Partei. Seit den fünfziger Jahren ist die KPI mehr und mehr zum Sammelbek-ken der italienischen Linkskräfte, überhaupt der „Intelligentsia“ geworden. PSI (Partito Socialista Italiano) sah sich von der KPI zusehends ins Eck gedrängt, bis der sozialistische Stimmenanteü mit 9,6 Prozent bei den letzten Parlamentswahlen vor zwei Jahren weniger als ein Drittel des
In Italien hat in den letzten zwei Jahren die Kommunistische Partei den Weg an die Machtbeteiligung im Zeichen des Eurokommunismus verfolgt. Seit dem denkwürdigen 16. März, als Aldo Moro entführt wurde, ist die KPI regelrechte Koalitionspartei: Würden die Kommunisten dem vierten Kabinett Andreotti das damals ausgesprochene Vertrauen entziehen, so würde die Regierung ihres wichtigsten Rückhaltes entbehren und müßte zurücktreten. Niemand darf behaupten, die KPI hätte zur Erreichung dieses Zieles - bisher der bloßen Machtbeteiligung - physische Gewalt angewendet. Freilich sind von
Die Botschaft Nr. 8 der Roten Brigaden hat einen jähen Strich unter weitverbreitete italienische Hoffnungen der letzten Tage und Stunden gezogen. Indem die Terroristen für Moros Entlassung aus dem sogenannten Volksgefängnis die Befreiung von nicht weniger als 12 Leidensgenossen aus verschiedenen Strafanstalten verlangen, unter ihnen auch den gefürchteten Rotbrigadistenführer Renato Curcio, haben sie zunächst Papst Pauls Appell zu einer bedingungslosen Freilassung des DC-Präsidenten in den Wind geschlagen. Noch schwerer wiegt - zumindest für den italienischen Staat -die Forderung der
Der „Tagesbefehl“ der Roten Brigaden -mit dem Moro-Photo der Römer Zeitung „II Messaggero“ zur Verfügung gestellt - verdient in vollem Umfang veröffentlicht, wenigstens genau analysiert zu werden. Er bietet die Handhabe für das Verständnis eines großen Teils des heutigen Terrorismus und weitverbreiteten Verbrechertums. Lange ist es her, daß ein Sträfling aus der Reihe der Kriminellen auf den das Regina-Coeli-Gefängnis besuchenden Johannes XXIII. zuging und den Papst fragte: „Heiligkeit, ich bin ein Mörder, habe auch ich Aussicht, in den Himmel zu kommen?“ Papst Johannes XXIH. umarmte daraufhin den Mörder und bekundete mit seiner großen Geste, wie groß das Verzeihen gegenüber der Reue sein kann. Was aber dann, wenn sich der Mensch eine gottähnliche Stellung anmaßt und richtet, nachdem er bereits gerichtet hat?
Der 4. März 1978 dürfte als historischer Tag in die Geschichte des italienischen Staates eingehen. Denn an diesem denkwürdigen Tag ist die Kommunistische Partei Italiens nach neunundzwanzigjähriger Opposition und zweijähriger Stimmenthaltung gegenüber 33 von Christdemokraten geführten Regierungen wiederum Koalitionspartei geworden. Die KPI wird also das vierte Kabinett Andreotti neben Sozialisten, Sozialdemokraten, Republikanern und Christdemokraten im Parlament unterstützen, vorderhand aber noch keine Minister stellen.Millionen Menschen in Ost und West haben jetzt allen Grund, sich zu
Politisch interessierte Italiener fragen sich nach den jüngsten Ereignissen, ob das beste Argument der Eurokommunisten noch aufrechterhalten werden kann: Bekanntlich war die KPI von Kriegsende bis Mai 1947 Regierungspartei und ist nachher vom christdemokratischen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi in die Opposition abgedrängt worden. Wenn 30 Jahre später hartgesottene Antikom-munisten behaupten, die KPI-Macht-beteiligung sei eine Einbahnstraße und die Kommunisten würden sich, einmal mit Ministern in der Regierung, nicht mehr ausmanövrieren beziehungsweise abwählen lassen, konnten
Das jetzige Ringen der italienischen Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Massenmedien und anderer Pressure Groups um eine neue Regierung kann mit dem Treiben auf irgendeinem Marktplatz des Stiefellandes verglichen werden: Wo kein Preis für voll genommen werden muß und alles im Blick auf Kauf und Verkauf der Ware zur Diskussion gestellt werden kann und eine Rolle spielt.
In Rom gilt es als Gemeinplatz, daß die am 16. Jänner ausgebrochene Regierungskrise alles andere als eine Kürzschlußhandlung gewesen sei. Zwar haben die drei großen Linksgewerkschaften auf Mitte Jänner einen Generalstreik angekündigt, und vor neun Jahren reichte eine solche Ankündigung bereits aus, daß der damalige christlichdemokratische Ministerpräsident Mariano Rumor kurzerhand seinen Hut genommen hatte. Der jetzige Kabinettssturz schien aber von langer Hand vorbereitet gewesen zu sein: Der Republikanerführer La Malva hatte die Krise bereits vor vier Monaten als politisches
Nach seinem großen Sieg“ hält es Diktator Pinochet nicht mehr für erforderlich, vor 1988 neue Wahlen durchzuführen. Die demokratische Welt protestiert geschlossen gegen die Anfang des Jahres durchgeführten manipulierten Wahlen, davon dürften die betroffenen Chilenen jedoch kaum etwas erfahren haben.Italien scheint nicht nur geographisch, sondern auch ideologisch-politisch auf der anderen Seite der Erdkugel und des politischen Machtkampfes zu liegen. In Rom re-gierte Andreotti auf Gnaden der KPI und wird alles Faschistische als Inbegriff des Teuflischen hingestellt. Das geht soweit,
Das kulturell und politisch interessierte Italien wurde im Spätherbst mit der Dissidentenfrage geradezu bombardiert. Vor Eröffnung der Biennale von Venedig tagten Anfang November die Salon-Kommunisten der „Mani- festo“-Gruppe ebenfalls in der Lagunenstadt.Die linkskommunistischen Intellektuellen um die Zeitschrift „H Manifesto“, die sich 1967 von der KPI getrennt hatten, luden zahlreiche Gesinnungsgenossen aus Ost und West ein, und benützten die Gelegenheit, um im Zeichen der Neuen Linken heftig Kritik sowohl an der Sowjetunion und „ihren unverzagt stalinistischen Methoden“, als
Kaum ein politisches Problem beschäftigt heute Europa so sehr, wie die Frage, ob es einen gewaltlosen Weg zur Verwirklichung einer kommunistischen Gesellschaft geben kann. Der Satz von Karl Marx, festgehalten im Kommunistischen Manifest von 1848: „Ein Gespenst geht um in Europa, es ist das Gespenst des Kommunismus”, hat nichts von seiner Wirkung eingebüßt; nur müßte er heute lauten: „Ein Gespenst geht um in Europa, es ist das Gespenst des Eurokommunismus”.Im Bewußtsein des doppelten Versagens von sowjetischem Kommunismus und westlichem Kapitalismus schauen sich heute viele
Die Weltsynode der Bischöfe gab Gelegenheit zu Begegnungen nicht nur der Bischöfe untereinander. Am Rande der Versammlung fanden Symposien und Vorträge zu kirchlichen, theologischen und erzieherischen Fragen von heute statt. So kam die Katholische Akademie in Bayern, angeführt von Kardinal Josef Ratzinger, nach Rom, um sich an Ort und Stelle über „Wesen und Auftrag des Petrusamtes” Gedanken zu machen. Wenige Tage nach dem 80. Geburtstag Papst Pauls VI. kam diesem Thema besondere Bedeutung zu. Befaßten sich der orthodoxe Metropolit Da- maskinos Papandreou und der reformierte Theologe
Die Hauptdarsteller der Kommunistischen Parteien Italiens, Spaniens und Frankreichs werden nicht müde, der Welt zu versichern, daß der Eurokommunismus keineswegs tot sei, vielmehr eine ernstzunehmende politische Bewegung innerhalb des Welt- kommunismus darstelle. Kaum nach Rom zurückgekehrt, hielt es KP-Chef Berlinguer sich und den in Moskau versammelten Genossen zugute, daß er seinen Standpunkt in der großen Kongreßhalle hatte vertreten können. Auf die Frage, warum denn der spanische KP-Chef im Kreml nicht ebenfalls hatte sprechen dürfen, wußte Berlinguer keine Antwort. Darüber
Die Kritik an Berlinguers Parteiführung kommt immer unverhüllter zum Ausdruck. Nicht nur die Jugendlichen in den linkskommunistischen Bewegungen fühlen sich von der unter Leitung Berlinguers stehenden KPI verraten und wünschen einen Wechsel herbei. Auch in den eigenen Reihen hat Berlinguer einen immer schwereren Stand.In einem Interview hat eines der prominentesten Mitglieder des KP- Direktoriums, Giorgio Amendola, rundweg behauptet, die Zustimmung des kommunistischen Fußvolkes zu den Beschlüssen der Parteüeitung sei mehr formal als substantiell. Es fehle an kämpferischem Geist für
In Untemehmerkreisen ist es eine Binsenweisheit, daß die Wirtschaft die Instabilität politischer Verhältnisse am schlechtesten verträgt. Wenn man heute nicht weiß, wer morgen regieren wird und wer morgen die Staatsverwaltung innehat; hört alles Pläneschmieden, von dem die Wirtschaft lebt, auf. Eines der größten Mißverständnisse linkslastiger Politiker und Journalisten besteht darin, daß sie glauben, die Industriekapitäne und Bankleute der westlichen Welt hegten ureigene Sympathien für rechtstotalitäre Regime. Dabei schätzen die Unternehmer lediglich die politische Stabilität,
In Italien liegen derzeit drei heiße Eisen im Feuer der parlamentarischen Debatte. Es geht um die Frage der Bildung einer Polizeigewerkschaft, um die Verschiebung der Novemberwahlen auf den kommenden Mai oder Juni, und um die Erhöhung der Unterschriftenzahl bei einem künftig einzureichenden Referendum. Während Kommunisten und Linkssozialisten diese Angelegenheiten verharmlosen, sehen rechtsstehende Politiker dabei nichts geringeres als den demokratischen Staat auf dem Spiel. Die prominente Mailänder Zeitung „Giomale Nuovo” nimmt kein Blatt vor den Mund und sieht in allen drei
Die bedeutendste katholische Zeitung in Italien ist natürlich „Osserva- tore Romano“. Das Sprachrohr des Vatikans wird zwar im Kirchenstaat redigiert und gedruckt, hat jedoch seine größte Verbreitung im umliegenden Italien. Wer über die Vorgänge im Vatikan Bescheid wissen möchte, muß diese Zeitung Tag für Tag konsultieren, aber auch zwischen den Zeilen zu lesen verstehen.Nicht so populär und trotzdem viel beachtet ist die katholische Zeitung „Awenire“. Richtet „Osservatore Romano“ sein Augenmerk auf die Buchhaltung des kürzlich Geschehenen, so befaßt sich diese seit 1968
Drei Ereignisse haben - unabhängig voneinander - die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung Italiens, auf sich gezogen und machen noch immer Schlagzeilen in der Tagespresse: In Turin schossen linksextreme Terroristen auf die Beine eines Journalisten der kommunistischen Zeitung „L’Uni- tä”. Ungefähr zur gleichen Zeit bot KPI-Chef Berlinguer in der großen Massenkundgebung zum Abschluß des „Festival de L’Unitä” in Modena den bürgerlichen Parteien seinen „Historischen Kompromiß” an. In Rom begab sich Ministerpräsident Julio Andreotti zu Staatspräsident Leone, um ihm den
Italien ist - auf dem Papier - seit genau 30 Jahren ein Regionalstaat. In der 1947 von der Konstituante verabschiedeten Verfassung sah ein besonderer Artikel die Schaffung der Regionen als selbständige Körperschaften mit eigenen Organen - Parlament (Regionalversammlung), Exekutive (Regionalrat) und Ministerien - zur Regelung und Betreuung einzelner Kompetenzbereiche vor. Es bedurfte jedoch weiterer 23 Jahre, bis ein Gesetz den erhabenen Grundsatz einer Aufteilung der Staatsgewalt wenigstens juridisches Leben einhauchte und am 7. Juni 1970, nach einer denkwürdigen Volksabstimmung, die ersten Regionalwahlen abgehalten wurden.
Mit großer Hartnäckigkeit ist in nem jüngeren und vor allem beliebte- Rom seit Tagen die Rede vom Rück- ren Nachfolger Platz machen, damit tritt Pauls VI. zu seinem 80. Geburts- frischer Wind ins Gebälk der Kirche tag, den der Papst am 26. September begehen wird. Der Vatikan hat diese Gerüchte sofort dementiert, zuerst durch Gewährsmänner, die Vatikani- sten, dann durch Pater Vergilio Levi im „Osservatore Romano“. Levi gehört zwar nicht zu den eigentlichen Sprechern des Vatikans, doch kann seine Stimme nicht überhört werden. Immerhin ist er stellvertretender Direktor des
Die spektakuläre Flucht des ehemaligen SS-Obersten Herbert Kappler aus dem Gefängnisspital von Rom über die Sonnenautobahn in die Bundesrepublik wirft Fragen über Fragen auf, die weder in Italien, noch in Deutschland geklärt werden konnten. Die Italiener verlieren sich in einer sterilen Suche nach den Sündenbök- ken eines Uberwachungssystems, das im Falle Kappler völlig versagt hat. Als würden die staatlichen Stellen ansonsten gleichsam reibungslos und unfallfrei funktionieren! Als könnten sie - bei all den historischen, kulturellen und anderen Voraussetzungen, nach denen sie
Seit dem Zweiten Weltkrieg weist Italien zahlreiche Merkmale eines Zweiparteiensystems auf. Besser würde man allerdings von einem „Zweiblocksystem” oder einer Bipo- larität der politischen Kräfte sprechen. Die Vielzahl der Parteien kann letztlich auf zwei große Blöcke, einen bürgerlichen um die Democrazia Cri- stiana und einen Linksblock um die KPI zurückgeführt werden. Diesen beiden Blöcken steht die „Italienische Soziale Bewegung” (Movimento Sociale Italiano) als Sammelbecken der Rechtsextremen gegenüber. Italiens Zweiblocksystem war bisher insofern „unvollkommen”, als
Die Mafia war von Anfang an, seit dem 17. Jahrhundert, Geheimbund und Schutzorganisation für die Einheimischen in ihrem Kampf gegen die spanische, dann die französiche Fremdherrschaß und schließlich gegen die eigene sizilianische Oberschicht.Daß die Mafia sizilianische Anliegen gegen die Interessen der fremden Herren durchzusetzen verstand, machte sie in den Augen der Bevölkerung zur „ehrenwerten Gesellschaft“. Nicht nur im ironischen Sinn sprechen deshalb heute noch viele Italiener von der Mafia als der „Societä onorata“ und der höchste Mafiachef ist für seine Untergebenen
Der Prozeß gegen fünf Angehörige der Roten Brigaden wird in Italien als großer Sieg des Staates gefeiert. Die Italiener sind stolz darauf, daß sich endlich genügend Geschworene ein Herz gefaßt haben und — Edlen Drohungen der Terroristen zum Trotz - bereit waren, Renato Curcio und seine Kumpane zu verurteilen. Noch vor vier Monaten hatten sich 16 Geschworene als krank gemeldet oder offen ihre Angst vor den Attentätern zugegeben, so daß aus prozeßrechtlichen Gründen das Verfahren auf einen späteren Zeitpunkt vertagt werden mußte.Seit dem 16. Jänner, dem Tag der Kapitulation des
Bis zum 12. April 1977 sind seit dem Jahre 1955 in Italien 327 Personen entführt worden. Nach Bezahlung eines mehr oder minder gewichtigen Lösegeldes wurden 296 Entführte wieder befreit. Diese Statistik stammt aus dem Innenministerium, das seit 12 Jahren über Menschenraub Buch führt und dabei gewisse Tendenzen festhält: Zunächst handelte es sich um ein sardisches Phänomen mit fast folk- loristischen Aspekten, die den einen und den anderen Romanschriftsteller und Filmregisseur zur Bearbeitung dieses Sujets animierten.22 Jahre nach der Verschleppung des Großgrundbesitzers Pierino Cra-
„Vom ökonomischen Standpunkt aus gesehen, sind die italienischen Gemeinden nichts als Unternehmen, die errichtet wurden, um Verluste zu erleiden.” Der so sprach, ist kein Witzbold, auch kein „Schmähtandler”, sondern der stellvertretende Bürgermeister von Palermo, Salvatore Gua- dagno. Er wollte kein Bonmot prägen. Er sagte es mit todernstem Gesicht- so ernst, wie ein Italiener nur in die Welt blicken kann. Und für seinen kategorischen Satz bot er auch eine stichhaltige Begründung: „Rom, das heißt, der italienische Staat, delegiert an die Gemeinden so viele Aufgaben, die diese
Die italienischen Christdemokraten können mit den Besitzern eines Schlosses verglichen werden. Sie sitzen im großen Saal und glauben, als rechtmäßige Eigentümer Herr und Meister in ihren vier Wänden zu sein. Während sie sich Festlichkeiten hingeben, haben feindliche Scharen die Kellergeschosse schon längst besetzt, mit der Zeit auch die anderen Stockwerke; jetzt klopfen die wahren Hausherren an die Tür und begehren Einlaß. Doch die Ritter wollen sich nicht stören lassen.Ein Blick auf die tatsächlichen Machtverhältnisse in Italien bestätigt dieses Bild. Nur noch zum Schein wird
Sich vor anstürmenden Besuchermassen fassungslos an die Wand drük- kende Museumswärter, lächelnde Wien-Hostessen, die unermüdlich Fragen beantworteten und sich Prospekte aus den Händen reißen ließen, begeisterte Kinder, die ihre Eltern zum Modell der Wiener Innenstadt zerrten, wo man so schön mittels Knopfdrucks die einzelnen Bauwerke aufleuchten lassen konnte, und selig in Walzerstimmung badende ältere Herrschaften - das waren die ersten Eindrücke, wenn man die Stufen zum Palazzo delle Esposizioni hinaufgestiegen war, vorbei an den beiden großen „Festwochen-W” aus rot-weißem
Das Schöne und Festliche einer Italien-Berichterstattung besteht darin, daß das meiste nicht greifbar ist und das, was greifbar ist, zu irrigen Annahmen und Schlußfolgerungen verleitet. Das Bild des Eisberges drängt sich auf: sichtbar ist nur ein Sechstel dessen, was unter der Oberfläche verborgen ist, das aber den ganzen gefrorenen Riesen trägt.Schön ist die Italien-Berichterstattung, weü sie den Korrespondenten dazu anhält, nach dem Wesentlichen Ausschäu zu halten, nach dem, was dieDinge zusammenhält. Festlich ist sie, weil eine solche „Erforschung der Urgründe“ die
Die von echten und unechten Studenten zwei Wochen lang besetzte und schließlich aufgegebene Universitätsstadt Roms bietet ein trostloses Bild: Hörsäle sind verwüstet, Wände sind mit Aufschriften gegen die kapitalistische Gesellschaftsordnung und die „feudalistischen Barone” - gemeint sind damit die Ordinarien - beschmiert, da und dort fehlt ein Katheder, den man auf die Straße geworfen und dem Feuer übergeben hat. Ein Laboratorium ist um 50 Mikroskope im Wert von insgesamt 50 Millionen Lire erleichtert worden.Der angerichtete Schaden wird auf eine halbe Milliarde Lire geschätzt.
Ihre stimmenthaltung im Parlament kommt die KPI immer teurer zu stehen. Sie hat größte Mühe, die Arbeiter bei der Stange zu halten und dürfte die meisten Studenten und Mittelschüler bereits verloren haben. Jeder kann sich an den Fingern abzählen, daß die Regierung Andreotti von der wohlwollenden Stimmenthaltung der kommunistischen Parlamentarier lebt. Wer nicht mehr an die organische Universitätsreform glaubt und vergeblich auf eine Revolution durch die KPI wartet, der verschreibt sich leicht einer der extremistischen Links- oder Rechtsparteien, der Partei der Proletarischen Einheit
ln Mailands Volksschulen ist neues didaktisches Material eingetroffen. Es bereitet die Kinder von Anfang an auf den Klassenkampf vor und beginnt - ivie könnte es auch anders sein? - beim Alphabet. Die Zeiten sind vorüber, in denen es naiv und idyllisch heißen durfte: „a” wie ape (Biene), „b” wie barca (Schiff), „z” wie zio (Onkel). Die lombardische Stadt hat jetzt bewiesen, daß sie nicht umsonst eine kommunistisch-linkssozialistische Verwaltung besitzt. Jetzt heißt es da: „z” wie zapata (Revolutionär), „l” wie Luther King (der Neger- Märtyrer, nicht Martin Luther,
Wir besitzen noch nicht den zeitlichen Abstand, um 1976 mit Fug und Recht als Schicksalsjahr Italiens bezeichnen ‘ zu können. Einerseits hat sich zwar sehr viel ereignet, das die. Zukunft maßgebend bestimmen und Geschichte machen könnte, anderseits sind gerade im Sommer 1976 durch den Ausgang der vorgezogenen Parlamentswahlen manche linke Hoffnungen auf eine totale Umwälzung und einen Regimewechsel betrogen worden. Die besonders von den Linkssozialisten propagierte Alternative einer Ablösung der diesjährigen christ- demokratischen Vorherrschaft konnte nicht verwirklicht werden. Einmal
Das Musikleben Roms ist nach der langen Sommer- und Herbstpause soeben erst wieder erwacht. Die wenig erfreulichen Debatten über die Finanzierungsschwierigkedten der Operntheater Italiens können in diesem Zusammenhang nicht übergangen werden. Nach erbitterten Auseinandersetzungen hatte das Parlament im Hochsommer endlich eine Lösung für die Neuordnung und Finanzierung der musikalischen Einrichtungen gefunden. Als wichtigste Bestimmung ist hervorzuheben, daß die Staatszuschüsse in erster Linie den 13 führenden Musik-, theatern Italiens zugutekommen sollen. Von dem dann noch
Während der vier Tage des Concorso Poli-f o n i c 0 stand das an historischen Erinnerungen so reiche Arezzo, das in seiner Anlage und seinen Bauten noch viel von mittelalterlichem Charakter bewahrt hat, ganz im Zeichen des Gesanges. Von den Morgenstunden bis nach Mitternacht war das Petrarca-Theater, wo die 32 Chöre des diesjährigen Wettbewerbes ihre Kunst zu Gehör brachten, von einer unermüdlichen Zuhörermenge erfüllt, die den Darbietungen folgte. Der Wettbewerb stellt an die Chöre außerordentlich hohe technische^ und künstlerische Anforderungen. Sie haben ein Pflichtprogramm des
Das Brausen, das am Pfingsttage vom Himmel drang und den hohen Saal erfüllte, wo die Schar der Apostel und Jünger um Maria im Gebet versammelt war, war auch auf den Straßen. Jerusalems vernommen worden. Das Fest hatte eine große Menschenmenge aus allen Ländern, aus Orient und Okzident, in die Stadt geführt. Wie sie nun die Apostel in allen Sprachen reden hörten, da verwunderten sich die einen und die anderen spotteten. Petrus aber stand auf und belehrte sie, daß über die Versammelten der Heilige Geist ausgegossen worden war und sich das Wort des Propheten Joel erfüllt hatte.Ein
Wer von der „italienischen Oper“ spricht, von Sängern, Dirigenten, von ihrer künstlerischen Produktion im allgemeinen, der meint vorwiegend das Opernhaus in Mailand, die Scala, neben der Pariser und Wiener Staatsoper das glanzvollste des Kontinents. Stellt es doch einen wichtigen Knotenpunkt dar im europäischen Opernbetrieb, durch ständigen Austausch von Künstlern nach New York, Wien und den anderen deutsamen Opernhäusern der Welt. Allenfalls denkt man noch an das Teatro San Carlo in Neapel, das sich, auf älteste Tradition zurückblickend, seinen Ruf bewahrt hat und an die ehemals
Der „Annuario Pontificio 1958“, das Päpstliche Jahrbuch, ist eben der Oeffentlichkeit übergeben worden; in eindrucksvoller Weise gestattet dieser umfassende Schematismus der katholischen Welthierarchie einen Einblick in den sich auf alle Erdteile und die meisten Länder erstreckenden Aufbau des Verwaltungsapparates der Kirche, dem einzigen ihrem Wesen nach und in der straffen Durchbildung internationalen und übernationalen Organismus. Ein Blick in das einzigartige Buch gestattet aber auch die Feststellung, daß das Prinzip des Internationalismus in der Zentralverwaltung der Kirche und
Wien wird im heurigen Sommer den großen Kongreß der internationalen Studentenvereinigung „Pax Romana“ beherbergen. Von den weltweiten Arbeiten der Vereinigung zeugt der untenstehende Bericht von einer bedeutsamen Seminargründung in Ghana und einer ernsten Aussprache über afrikanische Probleme, die zu Ostern in Den Haag fortgesetzt werden soll. „Die Furche“
Die blutige Niederwerfung der zehnjährigen Diktatur des einstigen Generals Marcos Perez Jimenez in Venezuela hat in Italien besonderes Aufsehen erregt. Denn der einige Tage hin- und herwogende Bürgerkrieg zog plötzlich den über d|eses reichste Staatswesen Südamejikjis, mijj j seinen fast sechs Millionen Einwohnern“ gebreiteten'Schleier“ weg und“ offenbarte zweierlei“' ßas nächst den Vereinigten Staaten größte Petro-leumland der Welt, welches sich dank der Abschaffung des Staatsmonopols für die Erdölgewinnung und dank der Verpachtung besonders an private nordamerikanische
Der Marktplatz von Predappio zeigt die stramme Architektur der dreißiger Jahre, auf die Verhältnisse des behäbigen romagnolischen Landstädtchens gebracht. Wie wir dort den Weg nach dem Friedhof von San Cassiano erfragen, wo 'Mussolinis Leichnam - seit dem vergangenen. Sommer und im milden -'Klima-:der 'Regierung Zoli seine letzte Ruhestätte' fand, hinkt eine kleine dicke Frau auf uns zu und zieht ein Bündel Ansichtskarten aus ihrem Busen. „Sie wollen sicher Bilder vom Duce“, flüstert sie. „Hier sind Ansichtskarten vom Friedhof, das ist“ der Sarg und hier sehen Sie den Duce mit
Ein Mailänder Bürger “hat an das Privatsekretariat Papst Pius XII. ein Schreiben gerichtet, in dem er in forderndem Ton sein Bedauern darüber ausdrückt, daß der Erzbischof der „wichtigsten Diözese Italiens und vielleicht der Welt“, Mailand nämlich, immer noch nicht zur Kardinalswürde erhoben wurde. Da Mon-signore Gianbattista Montini als Haupt des ambrosianischen Ritus auch Metropolit sei, werde dieses Versäumnis von den beleidigten Mailänder Katholiken als „deminutio capitis“ ihres Oberhirten empfunden. Der Brief schließt mit dem beschwörenden Ruf: „Die Mailänder
Die Flagge Irans hat die Farben Grün-Weiß- Rot, gleich der italienischen Trikolore; beide sind auf einer Briefmarke zu sehen, welche die persische Regierung anläßlich des Staatsbesuches des Präsidenten Giovanni G r o n c h i in Teheran drucken ließ und die neben dem Kopf des Schah Reza Pahlevi den des italienischen Staatsoberhauptes zeigt. Der Gemeinderat von Teheran hat die Umbenennung einer Verkehrsader in „Gronchistraße” und einer anderen in „Romstraße” dekretiert, während der römische Senat einen „Largo Teheran” angekündigt hat. Solche gegenseitige Freundlichkeiten
. ‘ ,.ZS t,Der Widerhall der großen Rede Fanfänis in Sella di Val Sugana (Trentino), nahe dem Haus, wo Alcide Degasper’ vor drei Jahren für immer die Augen schloß, hätte kaum stärker sein können. Der Nachfolger des „Neuschöpfers italienischer Freiheit und Größe“, eben Fanfani, fast 30 Jahre jünger als sein Meister in der Führung der großen Christlich-demokratischen Partei, hatte den Generationswechsel sinnfällig demonstriert, indem er kurz vor dem Tode Degasperis als Sprecher der Jungen nach vorne drängte und, von dem körperlich schwächer und schwächer Werdenden
Im Anfang der Größe Roms war die Straße.Mit dem Bau fester Straßen schob Rom seine imperiale Macht voran, Meile um Meile, bis in die entferntesten Provinzen. Ihre Baujahre sind Kriegsjahre. So entstand die berühmteste der Konsularstraßen, die Via Appia, im Jahre 312 v. Chr. während des Kampfes gegen die Samniter, die Via Flaminia 223 v. Chr., als sich ein neues Ringen mit der karthagischen Macht bereits unvermeidbar zeigte. Sie traten an die Stelle der aus Urzeiten stammenden Bauernwege und Maultierpfade, wie die Salzstraße, die Via Salaria, auf der die Händler schon in
Rom, 19. Mai. Der französische Staatspräsident Coty begab sich heute, nach Beendigung seinei offiziellen Besuchet bei der italienischen Regierung, in die Vatikanstadt, wo er von Papst Piui XII. ln feierlicher Audienz empfangen wurde. Der heutige Staatibeiuch Cotya fiel mit dem 40. lahrestag der Bischofiweihe des Papstes zusammen. Žum erstenmal wurden Fernsehaufnahmen in den vatikanischen Gemächern erlaubt. Nachdem der Heilige Vater der Besuchergruppe, der auch der französische Auficnminister P i n e a u angehörte, den apostolischen Segen erteilt hatte, begaben zieh die Gäste in die Peterskirche.
Rom, im AprilDie diesjährigen Wahlen für die Betriebsräte in den Turiner Fiat-Werken haben der FIOM, dem Verband der Metallarbeiter im kommu- nistisch-linkssozialistischen Gewerkschaftsbund, eine neue schwere Niederlage gebracht, Es ist noch nicht zu erkennen, ob die kommunistische Gewerkschaft den bitteren Kelch ihrer dauernden Rückschläge bereits bis zur Neige geleert hat, das heißt, ob die stetig absteigende Linie bereits ihren tiefsten Punkt erreicht hat. Der Niedergang der FIOM drückt sich in diesen Ziffern aus: im Jahre 1948, zur Zeit ihrer größten Macht, erhielt sie bei den
Rom, im Februar 1957Eine linksbürgerliche Zeitung brachte diese Karikatur: ein sinkendes Schiff — die Kommunistische Partei. Die Passagiere springen über Bord, um sich zu retten. Der Parteisekretär Togliatti auf der Kommandobrücke ruft: „Zuerst die Intellektuellen!” Die Karikatur kennzeichnet einen Tatbestand: die Flucht der intellektuellen Mitläufer aus dem Kommunismus Italiens. Sie wird jedoch nicht der echten moralischen Krise gerecht, in die viele Intellektuelle gestürzt sind, gerade jene, die sich einst aus einer instinktiven Liebe für die Niedrigen und Beleidigten zum
Rom, im Februar 1957Der Kongreß der italienischen Linkssozialisten in Venedig begann mit einem kuriosen Zwischenfall und endete mit einem Theatercup. Als sich die Menge der Delegierten ungeduldig vor den noch geschlossenen Pforten des Großkinos San Marco drängte, stellte sich heraus, daß der Schlüssel unauffindbar war. „Sie suchen den Schlüssel zu unserem verlorenen Paradies“, witzelte ein Delegierter, und alle herum wußten, was gemeint war. Das verlorene Paradies war die Einheit des Sozialismus Italiens, die der Kongreß wiederzufinden hoffte.Eine ungewöhnliche Atmosphäre
In der italienischen Geschichte sind große Unternehmer als aktive Politiker selten. Als um die Jahrhundertwende die Industrialisierung in großem Stil einsetzte, schienen die plötzlich auftauchenden und sich erfolgreich behauptenden wagemutigen Unternehmernaturen weder politischen Ehrgeiz zu besitzen noch Anlaß zu haben, ihre wirtschaftlichen Interessen im Parlament zu vertreten oder doch vertreten zu lassen.Auch heute ist es nicht viel anders. Noch vor wenigen Wochen bedauerten die führenden Männer des großen italienischen Industriellenverbandes, daß ihre bei den Regierungsstellen
Wer voraussah, daß die wirklichen Schwierigkeiten in Italiens kommunistischer Partei erst nach ihrem Kongreß beginnen würden, hatte leicht zu prophezeien. Der kürzliche Kongreß, mit vorsichtig ausgewählten Delegierten beschickt, konnte kein treues Bild der Stimmungen sein. Aber niemand erwartete, daß sich diese so bald und in so explosiver Weise Luft machen würden. Das Spundloch ist durch den ehemaligen Senator Eugenio Reale durchstoßen worden, der wegen seiner kritischen Aeußerun- gen in einem bürgerlichen Blatt aus der Partei ausgeschlossen wurde. Parteisekretär Togliatti
Der Papst an die Deutschen. Nach vatikanischen Archiven herausgegeben von Bruno Wüsten- berg und Joseph Zabkar. Verlag Heinrich Schelfler, Frankfurt am Main. 331 Seiten. Preis 16.80 DM
Die Oper hat mich immer interessiert, während ich dem Musikdrama keinen Geschmack abgewinne und noch weniger daran glaube. Mussorgsky beispielsweise ist unleugbar ein großer Künstler, aber'während ich Glinka und seine Opern bewundere, sagt mir „Boris.Godu-now“ gar nichts.Und der Debussy von „Pelleas et Meli-■ sandc“? “■:' •• ■Noch weniger. Das Müsikdräma kann keine Tradition schaffen, Es ist das totale Fehlen der Form. Und: Kunst ohne Kanon hat für mich keinerlei Interesse. On doit toujours se borner, se donner des limites. Was auch Vorbedingung dafür
Die Kommunistische Partei Italiens geht ihrem Kongreß am 8. Dezember in Livorno mit den düstersten Vorgefühlen entgegen; das Jahr 1956 hat eine ununterbrochene Reihe von Rückschlägen und keinen einzigen Lichtblick gebracht: Niederlagen auf gewerkschaftlichem Gebiet bei den Betriebsrätewahlen, sinkende Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen und Abschnürung der Geldquellen aus dem verlorengegangenen Monopol im Osthandel, geringere Auflagen der Parteipresse; die Verurteilung des Stalinismus und das notwendige Eingeständnis, mitgeirrt zu haben; schließlich die ungeheure Tragödie Ungarns,
Rom, im November Seit dem 1. Oktober ist der „Notstandsplan“ des Unterrichtsministers Paolo Rossi (Sozialdemokrat, 56 Jahre) in 23 Provinzen in Kraft getreten. Es handelt sich um eine Art Radikalkur ,zur Heilung oder Linderung einer Erbkrankheit am italienischen Volkskörper, des Analphabetentums. Wird es Paolo Rossi gelingen, den Italienern- „das Alphabet zu schenken“? Diesen Vorsatz hatte bereits der erste Unterrichtsminister Italiens, Francesco De Sanc-tis, als er vor hundert Jahren durch den Reichsgründer Cavour in die Regierung berufen wurde. De Sanctis wollte den Italienern das
Rom, im Oktober 1956 Der italienische Kommunistenführer Palmiro Togliatti, von den Anhängern der „harten“ Richtung Longo und Secchia zu unrecht angeklagt, mit seiner elastischen Taktik die Partei in die vollkommene Isolierung zu führen, wird sich am-8. Dezember dem Kongreß mit dem neuen „Konsultierungspakt“ zwischen Kommunisten und Linkssozialisten in der Tasche stellen können. Niemand hätte erwartet, daß Togliatti dem Prozeß der sozialistischen Einigung unter Ausschluß der Kommunisten — denn dies war die Bedingung der Sozialdemokratie — untätig zusehen würde. Trotzdem
Die „Mafia“ in Sizilien — die „Camorra“ in Neapel — die „Toppa“ in Mailand — das waren für unsere nach Italien reisenden Großväter und Väter dunkle Begriffe von verschworenen Diebes- und Mordorganisationen, die, vereinfachend gesagt, mit dem Mittel der Erpressung, ja der Todesdrohung, den Reichen große Summen abnahmen, die aber daneben den Armer und Bedürftigen Schutz angedeihen ließen.Nach der Machtbehauptung des Faschismus, also Seit der Mitte der zwanziger Jahre, schien diesen Verbrechergesellschaften durch die neu organisierte, allgegenwärtige Polizei der Garaus