„Was, der Kürnberger ist Österreicher?“ hörte man auf der Frankfurter Buchmesse 'einen Journalisten fragen, dem die neun bisher erschienenen Bände der österreichischen Bibliothek im Böhlau-Stand aufgefallen waren. Und in der Tat, Ferdinand Kürnberger ist ebenso gut oder schlecht Österreicher wie Karl Kraus. Denn wie dieser hat er den Finger auf die Wunden gelegt, die unserem Land vom herrschenden Ungeist stets geschlagen wurden.Es ist eine oftmals als österreichisches Schicksal bezeichnete Tragik, daß diesem Ungeist Denkmäler errichtet wurden, während sich die Mahner und
Offen oder verschlüsselt, in Österreich und im Exil kämpften österreichische Schriftsteller gegen Hitlers Diktatur. Manche von ihnen wurden hingerichtet. Im folgenden einige wichtige Beispiele aus dem Widerstand der österreichischen Literatur.
Nicht alle standen auf dem Heldenplatz, nicht alle haben „ihre Pflicht“ getan. Von den Verweigerern leben heute noch Gewissen und Moral unseres Volkes. Zu denen, die offen oder verdeckt gegen ein kriminelles Regime ankämpften, gehörte Wilhelm Szabo, der Dorfschullehrer, der dem kämpferischen Optimismus der völkisch bewegten Jugend schon seit dem Ende der zwanziger Jahre subversiv die Wehmut des Scheiterns entgegengesetzt hat. Daß er das scheinbar im Stil und mit dem Vokabular der Naturmystik dieser Zeit getan hat, weist ihn als einen Sprachkünstler aus, dessen Bedeutung bisher noch
Kein Jahr innerhalb des an bedrückenden Ereignissen so reichen 20. Jahrhunderts ist schon von vornherein mit derart starken Schwellenängsten besetzt gewesen wie das Jahr 1984. Die Ursache dafür ist nicht allein in George Orwells negativer Utopie zu suchen, die diese Jahreszahl als Titel trägt, sondern in dem Zusammentreffen von Utopie und Realität.Wer war jener hagere, scheu dreinblickende, dunkeläugige, nicht sehr anziehend wirkendeMann vor der vollgestopften Bücherwand, die selbst gedrehte, krumme Zigarette in den Mundwinkel gedrückt?Mit bürgerlichem Namen hieß er Eric Blair und
Wer sich heute über Ferdinand von Saar informieren möchte, wird es schwer haben. Längst vergriffen und auch in guten Antiquariaten nur selten aufzustöbern ist die zwölfbändige, von Jakob Minor knapp nach der Jahrhundertwende besorgte Gesamtausgabe. Vergriffen auch die Ende der fünfziger Jahre im Amandus-Verlag erschienene Sammlung des erzählerischen Werkes, die in drei Bänden alle 32 Novellen vereinigt.Wer Glück hat, kann einzelnen Bänden — in arg zerlesenem Zustand, versteht sich — dann und wann begegnen. Nicht viel besser ist es um das Sortiment bestellt.Mit einem Wort: Das
Gegen die Mode, alles zu zerlegen und dadurch die Einheit der Schöpfung zu zerstören, wandte sich Goethe vor mehr als 150 Jahren. Seine Mahnungen betreffen auch die Krise unserer Zeit.
Warum nicht deutsch ?„Modern Austria“ heißt der von Kurt Steiner, Fritz Fellner und Hubert Feichtlbauer in englischer Sprache herausgegebene und von der Society for the Promotion of Science and Scholarship in Palo Alto, California, verlegte Sammelband, der dazu beitragen wird, in Amerika einige der gängigen Klischees über Österreich zu zerstören. Zum Beispiel die vom Operetten- und/oder Heurigenstaat ebenso wie von dem Staat, der seine große Vergangenheit in eine kümmerliche Gegenwart hinüber gerettet hat.Unterstützt von einem Stab namhafter Mitarbeiter, rücken die Herausgeber
Durch seine Frau haben wir Kenntnis von einem Wort erlangt, das schlag- iichthaft Einblick in die Widersprüche und Brüche seiner Seele gibt, das aber zugleich auch von der Vorurteilslosigkeit und Distanziertheit seines Denkens Zeugnis ablegt. Wie eine Vorwegnahme neuerer, humanerer Formen des Rechtsempfindens und des Rechtsvollzugs mutet es an, wenn der frischgebackene Untersuchungsrichter seinen Ekel vor der sogenannten guten, ihrer Schuldlosigkeit allzu gewissen Gesellschaft nicht mehr unterdrücken kann und sich den Mörder, den er soeben verhört hat, als Gast an seinen Tisch wünscht:
Österreich hat Glück mit seinen Bundespräsidenten. Glück insofern, als sie sich durchaus nicht ausschließlich als Männer der Praxis, des tätigen Lebens erwiesen haben, sondern zugleich in jenen Bezirkes des Daseins zu Hause waren, die\ nur der Traum erschließt.
Wir haben zu Hofmannsthal noch immer nicht genügend Abstand. Deshalb beurteilen wir ihn und sein Werk selten genug unbefangen. Anderseits gehört seine Welt schon sehr der Geschichte an, als daß wir uns bequem in sie einleben könnten. Wenig scheint uns fremder als die Atmosphäre seiner frühen Dramen, seiner Gedichte; unwirklich und folgenlos seine Sprache, die so ganz Musik geworden ist, daß selbst durch die vertrautesten Bilder und Begriffe unversehens ein Bienenton geht: ein Summen und Raunen, das einem anderen, einen noch unbewußteren Abschnitt der Erdgeschichte anzugehören scheint.
SELTEN HAT DIE AUSSAGE über einen Dichter derart ins Schwarze getroffen, selten noch ein Ausspruch seine Gültigkeit über Jahre hinweg bewahrt, wie der als Titel vorangestellte Satz. In ihm hat Goethe am 15. Oktober 1825, also 44 Jahre nach Lessings Tod, ebenso nüchtern wie hart zusammengefaßt, woran es dem Zeitalter mangelte: an großen, unbeugsamen Charakteren, an Persönlichkeiten mit sicherem Urteil und unbeirrbarem Geschmack, sowie an klarsichtigen Köpfen. Zugleich gelingt es ihm aber auch, mit dieser Formulierung die eigentliche Schwachstelle vornehm zu umschweigen, die uns noch
In der modernen Literatur, besonders aber in der modernen Lyrik, scheinen Text und Deutung, Gedicht und Gedichtinterpretation untrennbar miteinander verbunden zu sein. Oft genug erweist sieh aber auch — wie etwa im Falle des Formalismus oder der Texttheorie — das literarische Programm als das eigentlich Neue, Schöpferische; der literarische Text hingegen als eine mehr oder minder geglückte Variation ästhetischer Ideologie. Versucht man, moderne Lyrik an solcher Übereinstimmung von Theorie und Praxis zu erkennen, dann freilich ist Christine Bustas Lyrik nicht modern. Sie hat keine oder
Ernst Schönwiese, Lyriker, Essayist, Erzähler, Übersetzer, Herausgeber einer Literaturzeitschrift, Verleger und Rundfunkfachmann, entstammt einer Generation, der Spezialisierung ebenso fremd ist wie die Anfälligkeit für Schlagwörter der Mode, für literarische Knüller. Deswegen geht es nur schwer an, das Werk des am Dreikönigstag des Jahres 1905 in Wien Geborenen einfach als engagierte Literatur zu bezeichnen. Und doch durchzieht alle seine Arbeiten unverkennbar das Bemühen um Gestaltung des Menschen nach humanistischen Grundsätzen und Idealen. Vielfältig sind seine Tätigkeiten. An den Wiener Volkshochschulen unterrichtete er nach Absolvierung seiner Universitätsstudien als Dozent; gleichzeitig hat er Eingang in den Kreis um Franz Blei gefunden, gibt auf dessen Anraten ab 1935 die Zeitschrift „das silberboot” heraus, dessen eminent politischer Auftrag es ist, deutschen Abonnenten die damals bereits verbotene Literatur wieder zugänglich zu machen; in einer Anthologie sammelt er Gedichte der im Jahr ihres Erscheinens noch kaum bekannten Dichter Hermann Broch, Benno Geiger, Robert Musil, Heinz Politzer und Ernst Waldinger.
Rechtes Establishment sucht ihn links, linkes irgendwo auf der Rechten. Man hat ihn aus dem Blickfeld verloren, darum wird er jetzt aufs Korn genommen; und wer sich nicht mehr recht auskennt, unkt von einer „Krise". Wo Maßstäbe fehlen, fällt Einordnung schwer. Doch dazwischen irgendwo muß er sein.Noch vor drei Monaten war heile Welt und er noch im Handtäschchen; zumindest glaubte man, ihn dort zu haben, wo er nun nicht mehr ist. Dafür gibt es eine Krise rund um ihn, und diejenigen gerade, die nie genau wußten, was eigentlich gespielt wurde, lassen es sich auch jetzt nicht sagen,
Es gibt eine kurze Schrift von Baudelaire, die im Schatten seiner berühmteren Abhandlung über die Tätigkeit der künstlich angeregten Imagination steht. In dieser Schrift resümiert er seine Beobachtungen zum Spiel des Kindes, in dem er die reinste Form von Imagination verwirklicht sieht, und zugleich den ersten Versuch des Kindes erkennt, sich in der Kunst zu realisieren. Was jedoch den Aufsatz für uns besonders wichtig macht, ist die Vorwegnahme der Ideologie der Absurdität. Sie steht hier im Zusammenhang mit der Frage nach dem Sinn und dem Inhalt des Spielzeuges und wird als eine metaphysische deklariert. Denn das Forschen nach dem Beweggrund, der Seele des Spielzeuges, endet mit Enttäuschung und Trauer. Die Neugier des Kindes, das in das Innere des Gegenstandes seiner Unterhaltung blicken möchte, zerstört zugleich mit dem Gegenstand auch dessen Sinn. Die Seele ist unauffindbar, und das erkennende Forschen wird an die Oberfläche verwiesen, auf die scheinbare Sinnlosigkeit des Spieles, das ohne erkennbaren Zweck Selbstfindung auslöst.
Wo fängt man am besten an? Und wo, wenn man einmal angefangen hat, unterbricht man die Kette der Überlegungen, das Zuviel, die Überbestimmung zu vermeiden? Denn es ist nicht leicht, dem Leben eines Mannes gerecht zu werden, der derart vielfältige und scheinbar gegensätzliche Tätigkeiten zu vereinen vermochte. Wer weiß zum Beispiel Genaueres über seine Verdienste als Verleger? (Ernst Lothars Roman „Der Engel mit der Posaune“ etwa war einer der Bestseller dieses Verlages). Wer überblickt wirklich die Reihe seiner Inszenierungen, von denen manche Preise erhielten? Wer, der ihn als
Der Sprachgebrauch weist in zwei Richtungen: „Original“ als die Vorlage einer etwaigen Kopie, als der Urzustand eines Werkes der bildenden Kunst gegenüber seinen späteren mechanischen oder künstlerischen Reproduktionen. Dagegen der schrullige, kauzige, vielfach auch als eigentümlich und sonderbar — wie eben der Sonderling — empfundene Mensch, der stets zu überraschen weiß, wohl darum, weil er selbst immer ein wenig überrascht ist. Beide Begriffe konzentrisch in der Bedeutung von „ursprünglich“ streben in den von ihnen abgeleiteten Eigenschaftswörtern deutlich auseinander.