Das Europäische Parlament, also die parlamentarische Institution der Europäischen Gemeinschaft, hat unter anderem auch vielen Bürgern in den EG- Mitgliedsstaaten bewußt werden lassen, daß die Mehrheit der politischen Parteien internationale Verbindungen hat und daß sich weltanschaulich gleichgesinnte Parteien zu denselben Konzepten bekennen.Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges gab es nur zwei Bewegungen, die sich zu einem Zusammenschluß über die Grenzen hinweg bekannten: die II. Internationale der sozialistischen Parteien und die Kommunistische Internationale (Komintern), also der
In Wahlzeiten ist der Bürger west-lich-pluralistischer Demokratien bekanntlich König. Und dieser König -im konkreten Fall ist der französische Wähler gemeint - hat sich am Sonntag, dem 14. Juni, beim ersten Wahlgang der französischen Parlamentswahlen eindeutig entschieden: nämlich für die von dem kürzlich gewählten neuen Staatspräsidenten Francois Mitterrand und seiner Sozialistischen Partei angestrebte grundlegende Reform des französischen Staates.Kein politischer Beobachter kann den überragenden Sieg der Sozialistischen Partei Frankreichs und der Linksliberalen bei diesem ersten
Die erste Runde derfranzösischen Präsidentenwahlen ist geschlagen. In der zweiten Runde, der Stichwahl am 10. Mai, stehen sich wie schon vor sieben Jahren Giscard d'Estaing und Sozialistenchef Francois Mitterand gegenüber. Die entscheidende Frage lautet dann: Hält die Mehrheit der Franzosen die Zeit endgültig reif für einen Wechsel oder meinen sie, daß mit einer einschneidenden politischen Kursänderung noch immer zu große Gefahren für das Land verbunden sind?
Im Mittelpunkt des inzwischen voll angelaufenen Präsidentenwahlkampfes in Frankreich steht eine Frage, die keineswegs sensationell wirkt. Sie lautet schlicht und einfach: Was ist Frankreich eigentlich: ein Parteienstaat oder ein Präsidialregime?Ausgelöst hat die in einem harten Wahlkampf doch recht theoretisch anmutende Diskussion Staatspräsident Giscard d’Estaing selber - oder besser: der Stil, mit dem er das Land in den letzten sieben Jahren regiert hat. Und gewiß: Autoritäre, oder jedenfalls sehr eigenwillige Züge sind in Giscard’s Führungsstil nicht zu übersehen.Ein kurzer
Die Erzdiözese Paris zählt gegenwärtig 105 Pfarreien, um die sich 790 Priester and 1100 Ordensgeistliche annehmen. Von den 2,1 Millionen Bewohnern des Zentrums von Paris sind 80 % getauft, aber diese Zahl verringert sich von Jahr zu Jahr.Zur Überraschung vieler wurde keiner aus dem Kreis der Theologen und Weihbischöfe zum neuen Pariser Erzbischof gewählt, sondern der 54jährige Bischof der Stadt Orleans, Jean-Marie Lustiger. Er stammt von jüdischen Eltern ab und hat diese Tatsache nie verheimlicht.Seine Eltern waren zwar nicht glaubenlos, praktizierten aber so gut wie
Anfang Mai kommenden Jahres wählt Frankreich wieder seinen Staatspräsidenten - praktisch die wichtigste Position des Regimes. Man hatte vielfach geglaubt, daß die gegenwärtige französische Verfassung ihren Gründer General de Gaulle nicht lange überleben würde. Jedoch verstanden es beide Nachfolger Charles de Gaulles recht gut, das Präsidentenamt als wirksames politisches Machtinstrument zu handhaben.Sowohl Georges Pompidou wie Va-lery Giscard d'Estaing haben im Elysee-Palast eine Art Nebenregierung etabliert. Das Parlament hingegen, ebenso wie die Parteien haben auch unter dem dritten
Die Bewohner der französischen Hauptstadt sind daran gewöhnt, daß es zumindest einmal im Monat im Zuge politischer Aufmärsche zu Verkehrsstörungen kommt. Bei einer riesigen Demonstration Anfang dieses Monats ist es freilich nicht bei Verkehrsstörungen geblieben:Denn da füllten Hunderttausende von Menschen die Boulevards, demonstrierten Angehörige aller politischen Parteien, Gewerkschaften und sämtlicher Berufsgruppen. Seit Mai 1968, dem Höhepunkt der damaligen Staatskrise, hatte es so etwas nicht mehr gegeben.Der Grund dafür: Am 3. Oktober war offensichtlich geworden, wovor
Ein Erlebnis hat die französische Nation zu Beginn des Frühlings auf das Tiefste aufgewühlt und der Besuch des Papstes zwang nicht nur die Katholiken, Rechenschaft darüber abzulegen, welche Aufgabe die Kirche in der modernen Industriegesellschaft zu spielen hat.Zahlreiche Beobachter der französischen Innenpolitik machten es sich leicht, als es darum ging, die Folgen dieser Visite in Paris und Lisieux zu analysieren. So hieß es vereinfacht, Frankreichs Kirche stehe seit langem in einer Krise und der Heilige Geist in der Gestalt des Papstes würde mit einer Handbewegung die Heilung dieses
Die internationale Krisensituation, die die Welt von Woche zu Woche mehr beunruhigt, hat in Paris wieder einmal die dringende Frage aufgeworfen: Ist Frankreichs Fünfte Republik imstande, sich selbst zu verteidigen, oder soll sie sich in ihren Sicherheitsanstrengungen wieder enger an das nordatlantische Bündnis anlehnen?
Frankreichs Außenpolitik, mit der sich die Massenmedien in Paris in den letzten Tagen und Wochen besonders intensiv auseinandergesetzt haben, galt bislang immer als das Erbe General de Gaulles. Dennoch haben aber gerade auch die Gaullisten der Regierung wie dem Staatspräsidenten immer wieder den Vorwurf gemacht, das außenpolitische Konzept des Regimebegründers nicht einzuhalten und es durch neue Elemente verändern zu wollen. Einer genauen Analyse kann diese Behauptung freilich nicht standhalten.
Seit Wochen sorgen nun schon einige dubiose Skandale in der französischen Hauptstadt für stete Aufregung. Und zum ersten Mal in seiner Amtszeit ist Frankreichs Staatschef, Giscard d’Estaing, persönlich in eine der Affären verwickelt. Aber die Diamanten des zentralafrikanischen Exkaisers Bokassa (siehe FURCHE Nr. 43) wiegen nicht so schwer wie der Freitod von Arbeitsminister Robert Boulin.
Der Begründer des modernen Frankreich, General de Gaulle, hatte es verstanden, sich eine Reihe von Domänen zu reservieren, in denen ausschließlich der Staatspräsident die Entscheidungen traf. Weder Parlament noch Regierung vermochten in der Außen- oder Verteidigungspolitik eine nennenswerte Rolle zu spielen.Die Tradition, die Afrika- und Außenpolitik der Nation direkt zu lenken, wurde auch von den Nachfolgern DeGaulles fortgesetzt. Besonders der gegenwärtig amtierende Staatspräsident Giscard d’Estaing folgte seinem Vorbild und inspirierte in verstärktem Ausmaß das.außenpo-
Poütisch-phUosophische Auseinandersetzungen haben in Frankreich Tradition. Aber während sich die Diskussionen in den letzten Jahren immer um die Thesen der Linken drehten, hielt es niemand für notwendig, sich auch mit der Neuen Rechten auseinanderzusetzen. Das hat sich in den letzten Monaten und Wochen schlagartig geändert: Die französischen Massenmedien haben die Neue Rechte entdeckt. • Bisher gab es wohl einige ZeUen und Grüppchen, die ihr VorbUd aus der faschistischen Zeit entlehnt hatten. Anfang der sechziger Jahre gab es dann erstmals auch einen Versuch einer extremen Rechten,
Rennen Sie mich Frau Präsident, oder reden Sie mich noch einfacher mit Madame an“, riet die erste Präsidentin des Europäischen Parlaments den Journalisten. Dennoch dürfte Simone Veil nichts dagegen haben, wenn sie in den Medien in Hinkunft als ,Madame l'Europe“ oder „Frau Europa“ aufscheinen wird.Die französische Diplomatie ebenso wie die Parteifreunde der bisherigen Gesundheitsministerin Frankreichs arbeiteten seit Wochen daran, Madame Veil diesen ersten Platz in der Hierarchie des Europäischen Parlaments zu verschaffen. Aber nicht nur Franzosen, auch Abgeordnete aus allen
Die Flügelkämpfe innerhalb der Sozialistischen Partei Frankreichs dauern an. Der Streit um Ideologie und Personen ist in dieser politischen Gruppierung allerdings nichts außergewöhnliches: Er wurde der Partei schon mit in die Wiege gelegt.Die Sozialistische Partei Frankreichs wurde im April 1905 gegründet und präsentierte sich als Teil der marxistischen Weltbewegung. Allein der Name der Partei drückte dies aus: SFIO (Section Francaise de l'Interna-tionale Ouvriere, Französische Sektion der internationalen Arbeiterbewegung). Obwohl diese neue politische Kraft über hervorragende Männer
Wird aus dem Europa der Grenzen ein Europa der Völker? Ein erster Schritt zu einem vereinten Europa wird zwischen dem 7. und dem 10. Juni jedenfalls getan, wenn die Wahlberechtigten aus den neun Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft aufgerufen sind, ein gemeinsames Parlament zu bestellen. In der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien und Nordirland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Belgien, Dänemark, Irland und in den Niederlanden werden 180 Millionen Menschen an die Urnen gerufen. Grund genug zu fragen, wie es um die Europa-Stimmung in einzelnen EG-Staaten bestellt ist.
Wie jeder Politiker, der oft Reden und Ansprachen hält, verwendet auch Giscard d'Estaing Worte und Redewendungen, die immer wiederkehren. So etwa den Begriff „friedliche Gesellschaft“, die er in einem neoliberalen Geist aufgebaut sehen möchte. Leider sind die bisherigen Resultate seiner Amtsführung nicht so, daß er sich weiterhin auf die Gunst der Wähler so wie bisher verlassen kann.Eine schwere Wirtschaftskrise erschüttert Frankreich. Als letztes Opfer gut die Stahlindustrie, die gezwungen ist, Entlassungen vorzunehmen und sogar modern eingerichtete Fabriken schließen muß. In
Jedesmal, wenn ein Ausländer eine französische Persönlichkeit auf die Zurückhaltung anspricht, die zahlreiche Politiker Frankreichs der Entwicklung Westeuropas entgegenbringen, bekommt er eine Antwort, die mit der Geschichte der europäischen Integration zusammenhängt.So muß man denn zur Kenntnis nehmen, daß es Frankreich gewesen war, das nach dem Krieg den Mut gefunden hatte, vollkommen neue Akzente in Westeuropa zu setzen; daß es Frankreich gewesen war, das ein Projekt vorgelegt hatte, welches in keiner Weise mit dem Friedensvertrag von Versailles nach dem Ersten Weltkrieg verglichen
Frankreich erlebte am Montag vergangener Woche etwas Einzigartiges: Das erste Mal in der Geschichte der Fünften Republik bildeten Gaullisten und Kommunisten zusammen eine Front gegen die Regierung. Es ging dabei um eine von den Gaullisten eingebrachte Gesetzesvorlage, die die Finanzierung der von der Parteien geführten Kampagne zu den Europawahlen durch Gelder der Europäischen Gemeinschaft verbietet und einheimischen Massenmedien untersagt, die vom Europa-Parlament vorgesehene Unterstützung bei der Publizität zu diesem Wahlkampf zu akzeptieren.Diese Vorlage wurde mit 246 Stimmen
Jahrzehnte lang hätten die einstigen Kolonialmächte wohl einiges für die Entwicklung ihrer überseeischen Besitzungen getan, sich aber viel zu wenig um die Ausbildung eines echten Mittelstandes und einer gut strukturierten Landwirtschaft bemüht. Während Großbritannien es verstanden hatte, die Entkolonialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg ohne nennenswerten Konflikt durchzuführen, klammerte sich Frankreich an Institutionen, Begriffe und Rechtstitel, die von der Geschichte längst verurteilt worden waren. So mußte Paris denn auch einen blutigen und lange dauernden Krieg in Südostasien
Eines kann jedoch nicht abgestritten werden: Die Beziehungen zwischen Parteileitung und bekannten marxistischen Intellektuellen haben sich verschlechtert. Statt Roger Garaudy sind es nun zwei bekannte Wissenschaftler, die sich im Widerspruch zur Parteizentrale befinden: Professor Althusser, der wohl profilierteste Marxist Frankreichs, und sein Kollege Elleinstein, ein Historiker, der sich bereits international einen bedeutenden Namen geschaffen hat, vor allem mit seiner grundlegenden Studie über den Stalinismus. Daneben haben noch rund 300 weitere Intellektuelle die Partei aufgefordert, aus
Was vor etwa 20 Jahren, genau am 13. Mai 1958 in Algerien geschah, ist den meisten Franzosen noch in Erinnerung, zumal dieses historische Ereignis auch im heutigen politischen Alltag nachwirkt. Das genannte Datum ist verbunden mit dem Aufstand der weißen Siedler (ungefähr eine Million) in Algerien, bei dem auch die Armee eine entscheidende Rolle spielte. Die „Schwarzfüße“, wie die europäischen Siedler genannt wurden, befürchteten, daß die Pariser Zentralregierung den nationalistischen algerischen Rebellen zu große Konzessionen zusagen würde.Kaum war das Abenteuer in Vietnam
Wanrena die verscmeaenen Parteisekretäre und Fraktionen des Parlaments mit der Ausstellung eines Katalogs beginnen wollten, in dem die Regierung ihre politische Linie festlegen pr.ollte.ltam es in Afrika zu einer Explosion. .Die Fünfte Republik mußte neuerlich eingreifen, um eine Katastrophe im prowestlichen Staat Zaire - dem ehemaligen belgischen Kongo - zu verhindern. Staatschef Giscard d'Esta-ing und sein Beraterstab beschäftigten sich sofort nach dem Eintreffen alarmierender Nachrichten mit dem Schicksal der hunderten weißen Techniker und sonstigen Fachleute, die in der reichsten
Die fünfte französische Republik - ein absolut liberaler Staat? Sieht man die Einhaltung der Menschenrechte, kann man diese Frage mit ja beantworten. Besonders im wirtschaftlichen Sektor ist diese absolute Freiheit aber keineswegs eine Selbstverständlichkeit! Immer wieder wird geklagt, daß der strenge Zentralismus in Frankreich weiterhin zur Regel der Staatsform zählt.
Zu Zeiten der Vierten Republik konnten die Bürger von Paris wie Touristen am Rande des Zeitungsviertels ein düsteres Haus bewundern, das einer Ritterburg sehr ähnlich sah. Die Fenster waren mit schweren Blechvorhängen gesichert und der Eingang schien mit einem gepanzerten Tor verrammelt zu sein. Man vermißte etwas Leben, Freundlichkeit und die Erklärung, welchem Zweck dieses Bauwerk diene. Nun, es bot den Rahmen für das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Frankreichs. Hinter diesen Mauern thronte der langjährige Generalsekretär der Partei, Thorez, in den Büros wurden
Auf dem Terminkalender der V. Republik steht in nächster Zukunft nur eine einzige Volksbefragung: die europäischen Wahlen, die gleichzeitig auch in den anderen acht Mitgliedsstaaten der EG durchgeführt werden. Bisher zeigen sich in der öffentlichen Meinung Frankreichs jedoch noch keine Spuren, die darauf hinweisen, daß es sich bei diesem internationalen Wahlgang um ein europäisches Ereignis von höchster politischer Tragweite handelt. Nur die kommunistische Partei, die seit Jahrzehnten die europäische Integrationspolitik wie die internationalen Behörden mit allen Mitteln bekämpft,
Als die US-Bürger John F. Kennedy vor Richard Nixon den Vorzug gegeben hatten und dieser Präsident der Vereinigten Staaten wurde, erklärte er sofort nach der Wahl, daß er während seiner Amtszeit neue Grenzen ziehen werde, die den Zeitgenossen und seinen Wählern Sicherheit und Ruhe garantieren sollten. An solche neuen Grenzen glaubt auch der französische Staatschef Giscard d'Estaing, der nach seinen großen Wahlerfolgen nun versucht, die Versprechungen, die von seiner Regierung während des Wahlkampfes gemacht wurden, zu verwirklichen. Nachdem die Wähler sich eindeutig zur Verfassung
Wer in den vergangenen Monaten in Paris lebte und sich mit den verschiedenen Aspekten der französischen Innenpolitik beschäftigte, muß jetzt an die Eigenart jener Atmosphäre denken, die sich in breiten Schichten der Bevölkerung bemerkbar gemacht hat. Denn seit Monaten lebten die Bürger dieses Staates in der Erwartung, daß im März die bisherige Majorität bei den Legislativ-Wahlen verlieren und die drei Linksparteien die Regierungsgeschäfte übernehmen würden. Die einen frohlockten, andere trauerten, aber jedermann war überzeugt, daß es dieses Mal Mitterrand und Marchais gelingen würde, die Fünfzig-Prozent-Marke zu überspringen und die bisherige Majorität tatsächlich in eine Minorität zu verwandeln, also die Macht im Staate zu übernehmen.
Mit großer Erwartung gingen Frankreichs Linksparteien in den ersten Wahlgang am vergangenen Sonntag, weil sie hofften, ohne Schwierigkeiten mit 51 bis 54 Prozent die starke Majorität bilden zu können. Es zeigte sich jedoch relativ kurzfristig, daß es immer schwieriger wurde, von einer „Union der Linksparteien“ zu sprechen. George Marchais erwartete sich 25 Prozent der abgegebenen Stimmen, Mitterrand spielte mit der Hoffnung, mindestens 35 Prozent einzuheimsen. Doch die Wähler waren in der überwiegenden Mehrheit nicht bereit, den Linksparteien völlig Vertrauen zu schenken. Die Beobachter der innenpolitischen Szene Frankreichs konnten jedenfalls mit einer gewissen Überraschung feststellen, daß die politischen Ziele der Kommunisten und Sozialisten mit 45,1 Prozent bei diesem ersten Wahlgang keineswegs in vollem Umfang erreicht wurden.
Die französische Bevölkerung beschäftigt gegenwärtig ein einziges Thema - die Wahlen an den kommenden zwei Wochenenden. Die alles entscheidende Frage, die in den Massenmedien und bei den Diskussionen in Bistros immer wieder gestellt wird, lautet: Welche Chancen haben die politischen Parteien, die zweimal antreten müssen, um ein neues Parlament zu konstituieren? Dabei wird stets darauf hingewiesen, daß dieser Urnengang bestimmend für die Zukunft Frankreichs ist. Die Wähler nehmen diese Entscheidung deshalb überaus ernst: Sämtliche Für und Wider werden sorgfältig abgewogen und die
Zur Zeit schmachten drei zum Tod verurteilte Häftlinge in französischen Gefängnissen und warten, ob der Staatspräsident von seinem Gnadenrecht Gebrauch macht oder sie den letzten Gang zur Guillotine antreten müssen. Seitdem Giscard d'Estaing das höchste Mandat in der Republik übernommen hatte, ließ er in drei Fällen der Justiz ihren Verlauf und die fürchterliche Zeremonie fand wie üblich im Morgengrauen in einem Gefängnishofstatt. Aber nicht nur drei Schwerverbrecher müssen damit rechnen, daß sie für ihre Taten mit dem Leben bezahlen: Man gewinnt den Eindruck, die ganze französische Nation sei vor einem gewaltigen Hinrichtungsapparat versammelt und müsse selbst entscheiden, ob ab diesem März der Lebensrhythmus bleibt, wie er sich in Jahrhunderten zwischen Rhein und Atlantik entwickelt hat, oder ein vollkommener Wechsel erfolgt.
Nachdem in Frankreich der Wahlkampf nun mit aller Heftigkeit eingesetzt hat, ist Paris voll der unwahrscheinlichsten Gerüchte. Die Positionen der einzelnen Politiker werden genau abgewogen, die Versprechungen, Enunziationen und Programme der Parteien sorgfältig geprüft. Im Hintergrund schwebt eine Flut häßlicher Intrigen, wobei fast immer alle politischen Parteien und sonstige Kräfte ihre Finger im Spiel haben. Wer unter der Oberfläche dieser Auseinandersetzungen nach ideologischen Unterschieden sucht und die Kandidatenlisten betrachtet, muß unbedingt auch einen Blick auf einige andere
Die beiden Regionen Korsika und die Bretagne haben auf Grund ihrer geographischen Lage keine Möglichkeit, mit ausländischen Regionen direkt in Kontakt zu treten. Dagegen ist es dem Elsass gelungen, gewisse Verflechtungen der lokalen Industrie mit der Schweiz und Baden-Württemberg in die Wege zu leiten. Aber die Einstellung der Regierung, werin versucht wird Paris auszuschalten und eine direkte Zusammenarbeit französischer, mit Nachbarregionen in den Grenzgebieten herzustellen, läßt sich folgendermaßen resümieren: „Frankreich unterstützt regionale Aktionen, welche ausschließlich von
Wer zum Jahresbeginn eine Bilanz des Fortgangs der europäischen Integration ziehen will, der wird die neueste Entwicklung keineswegs mit Optimismus begrüßen. Auch für das Jahr 1977 waren ja von den leitenden Politikern der EG günstige Prognosen gestellt worden, die sich inzwischen als nicht real erwiesen haben. Die letzte Zusammenkunft von Staats- und Regierungschefs der neun Länder in Brüssel hat keineswegs dazu beigetragen, die überzeugten Europäer in Hochstimmung zu versetzen. Nicht einmal die elementare Forderung, sich gegen den internationalen Terrorismus gemeinsam zur Wehr zu
Obwohl der offizielle Wahlkampf vor dem Gang zu den Urnen im März 1978 noch nicht mit voller Kraft eingesetzt hat, sind doch die großen Linien dieser innenpolitischen Entscheidung bereits sichtbar geworden. Nachdem die beiden Koalitionen, also die bisherige Majorität und die linke Opposition, ve Häufig ihre Reservoirs von Anhängern und Sympathisanten ausgeschöpft haben, geht es für die Parteistrategen darum, jene drei bis vier Prozent von Bürgern anzusprechen, von denen letzlich die Entscheidung über Sieg oder Niederlage abhängt. Darum werden einzelne Berufsstände umworben, und
Die internationalen Ereignisse der letzten Monate, die weltweites Interesse erweckten, haben auch in Frankreich die öffentlichen Diskussionen angefacht und dadurch den anlaufenden Wahlkampf, der zu einer Erneuerung des Parlaments im März 1978 fuhren soll, in den Hintergrund gerückt. Das will allerdings nicht heißen, daß Paris vollkommen vergessen hätte, wie sehr diese am Horizont sich abzeichnende innenpolitische Schlacht das Schicksal der Nation beeinflussen wird. Denn es geht nicht darum, daß eine Parteigruppierung durch eine andere ersetzt wird, die Bürger müssen sich vielmehr
General de Gaulle hat einmal geklagt, es sei sehr schwierig, eine Nation zu regieren, die mehr als 100 Käsesorten fabriziere. Diese ironische Bemerkung bezog sich natürlich auf die Tendenz der Franzosen, sich in zahlreiche politische Parteien zu zersplittern. Manche dieser Parteien sind nicht einmal im Parlament vertreten. Auch zu Beginn des Wahlkampfes, der im März 1978 seinen Höhepunkt erreichen soll, stellen sich die verschiedensten Parteien vor und versprechen für den Fall ihres Sieges das irdische Paradies.Jede Partei will sich überdies als die bedeutendste politische Kraft des
Betrachtet man in diesem Herbst den Pariser Zeitungsmarkt, so wartet dieser mit einer Reihe von Überraschungen auf. Eine Füüe von Neuerscheinungen verschiedenster Provenienz wird angeboten, in Zahlen ausgedrückt rund 3,500.000 zusätzliche Exemplare.’ In diesem Zusammenhang muß auch die Frage gestellt werden, in welcher Situation sich die katholisch orientierte Presse des Landes befindet.Zur Zeit existieren in Frankreich sechs Verlagsanstalten, die das Markenzeichen „katholisch“ tragen und unter dem Dachverband CNPC (Centre Nationale de la Presse Catho- lique) zusammengefaßt sind.
Anstelle der Begeisterung für Bikini-Mädchen an den Badestränden Frankreichs wird der Durchschnittsfranzose nach der Urlaubszeit wieder mit den lieblichen Gesichtem seiner politischen Prominenz konfrontiert. Mit Beginn des Herbstes läuft ein Wahlkampf an, der bereits jetzt schwere Schatten vorauswirft und brutale Rücksichtslosigkeit verspricht, wie man sie seit Jahrzehnten auf den Politbühnen Europas nicht mehr zu sehen bekam.
Die zynische Bemerkung des großen Königs Henri IV., Paris sei eine Messe wert, hat eine gewisse Berechtigung auch in unseren Tagen nicht verloren. Wer es in Frankreich zu etwas bringen will, der muß für kürzere oder längere Zeit in der Seinemetropole leben, studieren, praktizieren, sich Freunde und Beziehungen schaffen, um eine dauerhafte Verankerung in diesem wichtigsten Zentrum des politischen und wirtschaftlichen Lebens der Nation zu finden.Jahrhunderte hindurch hat Paris die größten Geister des französischen Volkes angezogen, während die Provinzstädte in Abgeschiedenheit und
Am 1. Juli dieses Jahres wurden in Paris keine nationalen Feste gefeiert, und es wurde auch nicht auf das Datum hingewiesen, das in der Geschichte dei westeuropäischen Völker eine nicht unbedeutende Rolle spielt. An diesem Tage fielen nämlich endgültig die Zollschranken zwischen den sechs Gründungsmitgliedern der EWG und den drei später dazugekommenen Staaten Großbritannien, Irland und Dänemark. Obwohl es sich dem Augenschein nach „nur“ um wirtschaftliche Maßnahmen internationaler Natur handelt, sind deren Folgen doch von weltpolitischer Dimension. Als der damalige französische
Wer in Paris gezwungen ist, sich im Wartezimmer eines Arztes die Zeit zu vertreiben, der wird in der Regel nach einem Stoß zerschlissener Zeitschriften greifen. Mit Sicherheit findet er dann einige Exemplare der „Jours de France“. Es handelt sich dabei um eine Publikation, die für alles wirbt, was die moderne Frau benötigt. Der Leser findet die Modemodelle der Saison und eine ausführliche Klatschspalte mit den Porträts all jener, die sich zur internationalen Gesellschaft zählen oder gerne zu ihr gezählt werden möchten.Nur den wenigsten allerdings ist bekannt, daß Dassault, der
Im Kampf um die Macht, der sich in Frankreich zwischen den Regierungsparteien und der Linken Union abspielt, wurden bisher nur wenige Argumente außenpolitischer Natur vorgebracht. Die Außenpolitik des Staates wird, seitdem General de Gaulle die V. Republik gegründet hat, als eine Domäne betrachtet, die ausschließlich vom Staatspräsidium persönlich inspiriert wird. Weder das Parlament, noch die politischen Parteien sind vorläufig in der Lage, internationale Probleme zur Unterstützung des Wahlkampfes heranzuziehen. Seit Giscard d’Estaing Präsident geworden ist, hat sich die
Als der Generalsekretär des Elysée am 30. März den versammelten Journalisten die Liste der neugebildeten Regierung Barre vorlas, vermochten diese Experten der Innenpolitik daraus sofort entsprechende Schlüsse zu ziehen. Wegen des Verschwindens sogenannter „politischer Minister“ wurde das neue Kabinett alsbald als ein Aeropag parteiungebundener Fachleute eingestuft. Von offizieller Seite wurde, entgegen der Tradition, den Namen der neuen Minister keine Parteietikette hinzugefügt. Der Staatspräsident hatte eine Regierung gebildet, die sich voll und ganz mit seinen Zielen
Der amtierende Staatspräsident Frankreichs, Giscard d’Estaing, hat des öfteren die Hypothese vertreten, die 5. Republik wünsche von der „Mitte“ regiert zu werden. Seit Giscard d’Estaing die Nachfolge des tragisch verstorbenen Georges Pompidou angetreten hatte, versuchte er, alle jene liberalen Kreise zu gewinnen, die mit Reformen einverstanden sind, eine Änderung der gesellschaftlichen Strukturen aber entschieden ablehnen. Sein Vertrauter, der Innenminister Poniatowski, hat viel Energie darauf verwendet, innerhalb der Regierungsmajorität ein Gleichgewicht zwischen den Anhängern
In Kürze werden die Bürger Frankreichs aufgerufen sein, 35.000 Bürgermeister und 450.000 Gemeinderäte zu wählen. Uber eine Million Kandidaten bemüht sich um diese Ämter. Von besonderer Wichtigkeit dürfte der Urnengang in Paris sein, wo seit Jahrhunderten zum erstenmal wieder ein Stadtoberhaupt bestellt werden soll. Denn bisher wurde die Metropole vom Staat verwaltet, und ein beamteter Präfekt, der dem Innenminister unterstellt war, bestimmte die großen Linien der Kommunalpolitik. Man sollte annehmen, daß dies die Wahlpflichtigen veranlassen müßte, an den politischen Diskussionen
Frankreichs Staatspräsident Valėry Giscard d’Estaing steht im Gegenwind. Trotz aller Bemühungen ist es ihm nicht gelungen, seine Popularitätskurve anzuheben. Gegenwärtig ist in der öffentlichen Meinung nur geringe Bereitschaft vorhanden, den Regierungsstil Giscards zu respektieren und ihn als positiv einzuschätzen. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Die Kurve ist bedenklich unter die 50-Pro- zent-Marke gesunken. Seit seiner Wahl geschieht es zum ersten Mal, daß jene sozialen Schichten, die Giscard 1974 gewählt haben, mit beängstigender Skepsis die Handlungen, Vorschläge und
Wie in zahlreichen anderen katholischen Staaten wurde das Fest Maria Himmelfahrt jedes Jahr auch in Frankreich mit besonderer Feierlichkeit begangen, obwohl zu diesem Zeitpunkt Millionen Menschen ihren Urlaub verbringen. Viele der Kirche Entfremdete benützten diesen Tag, um Einkehr zu halten und sich an Wallfahrten zu beteiligen. Das Herannahen des Marienfestes wurde jedoch 1976 von der Hierarchie mit Sorge beobachtet; traditionalistische Kreise hatten angekündigt, sie würden diese Gelegenheit ergreifen, um in großen Kundgebungen ihre Solidarität mit Erzbischof Marcel Lefebvre und seine im Schweiber Priesterseminar Ecöne entstandene Bewegung zu bekunden.
Jahre hindurch wies eine gewisse progressive Presse in Paris auf die Gefahr für die Meinungsfreiheit hin, die ihrer Ansicht nach in der Bundesrepublik Deutschland infolge der Konzentration der Presse in wenigen Händen bestand. Der Verleger Axel Springer wurde zum Buhmann erklärt, der in einer Epoche der internationalen Entspannung die Prinzipien des Kalten Krieges hochhalte und mit seiner konservativen Gesinnung die „demokratische Entwicklung“ Westdeutschlands behindere.
Wohl in keinem anderen westlichen Land reagiert die öffentliche Meinung so sensibel auf Vorgänge innerhalb der Justiz wie in Frankreich. Dies mag mit einer besonderen Form des Denkens zusammenhängen, ist allerdings auch von der bedeutendsten Staatskrise der Dritten Republik, der Affäre Dreyfus abzuleiten.
1976 ist ohne Zweifel ein Schicksalsjahr für eine politisch-geistige Bewegung, d'ie in einem entscheidenden Ausmaß das Antlitz des westlichen Europa nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt hat. Nachdem im Feuerofen dieser Auseinandersetzung zahlreiche politische Parteien und Gruppen verglüht waren, wurde die christliche Demokratie als eine aus dem Widerstand geborene Kraft überraschenderweise beauftragt, die Spuren der totalitären Herrschaft zu beseitigen. Den noch freien Völkern sollte eine Gesellschaftsordnung vorgeführt werden, die abseits der klassischen Formen des Klassenkampfes und
Bei den zahlreichen Sitzungen und Marathonkonferenzen, die seit Jahren von der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft abgehalten werden, gibt es ein Tabu, das von keinem Würdenträger der neun Staaten ohne Hintergedanken zur Diskussion gestellt wird. Es handelt sich dabei um ein Problem, das im höchsten Ausmaß die Zukunft der Länder betrifft, welche in der EG mehr oder weniger gut zusammenarbeiten. Gegenüber der sowjetischen Weltmacht, die in unerhörter Weise aufgerüstet hat und wahrscheinlich in der Gegenwart die größte Militärmacht der Geschichte repräsentiert, haben es sich die europäischen Regierungen sehr einfach gemacht. Sie betrieben eine Vogel-Strauß-Politik und glaubten, etwas naiv, die USA werde auf ewige Zeiten Divisionen in Europa unterhalten und automatisch für den freien Westen den Atomschutz übernehmen.
Die neue Staatssekretärin für die Belange der Universitäten, Alice Saunier-Seite, fand sich kurz nach | ihrer Ernennung bereits mit einem H schwierigen Problem konfrontiert, das knapp vor Ostern schon nationale Dimensionen angenommen hatte.Nach der Studentenrevolte von 1968 ergriff der damalige Unterrichtsminister und jetzige Präsident des Parlaments, Edgar Faure, die Initiative zu einer durchgreifenden Umstrukturierung der Universitäten. Seine Reform basierte auf dem Prinzip der Selbstverwaltung und räumte den Hörern ansehnliche Rechte im Hinblick auf eine Teilnahme an der
Wer den Lebenslauf des französischen Staatspräsidenten Giscard d'Estaing studiert, muß zur Überzeugung kommen, daß an seiner Wiege einige wohlwollende Feen gestanden sind. Denn er verfolgte seine Karriere mit fast schlafwandlerischer Sicherheit und bis zum 19. Mai 1974 kann man in dem Aufstieg dieses Politikers überhaupt keinen Bruch entdecken. In kurzer Zeit wird nun Giscard d'Estaing das dritte Jahr seiner Amtstätigkeit beginnen. Aber seine guten Feen scheinen sich derzeit in die Weiten des Kosmos zurückgezogen zu haben. Glaubt man den verschiedenen Meinungsumfragen, so ist die
Wer aufmerksam die Bilanz der Kantonalwahlen vom März 1976 analysiert und ohne Leidenschaft die Strukturen der politischen Parteien wie ihre vermutliche Entwicklung studiert, muß zu dem Schluß kommen, daß Frankreich noch nie so nahe einem Volksfrontregime gegenüberstand als in diesen Tagen des Frühjahrsanfanges. Die Ergebnisse der eben durchgeführten Volksbefragung demonstrieren, was sämtliche Meinungsumfragen seit Monaten ohne viel Varianten verkündeten. Der geradlinige Aufstieg der sozialistischen Partei und ihres ersten Sekretärs Mitterrand ist vorläufig durch keine Maßnahme von seiten der Regierung zu bremsen. Würden im gegenwärtigen Augenblick Parlamentswahlen stattfinden, müßte bereits 1976 „eine Regierung Mitterrand“ gebildet werden. Denn zum ersten Mal seit Gründung der V. Republik ist die linke Union in der Lage, eine sichere parlamentarische Majorität zu finden.
Kein legistisches Werk der Fünften Republik stand so im Kreuzfeuer heftigster Diskussionen wie es das Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft war, welches im Dezember 1974 im wesentlichen mit den Stimmen der Linksparteien beschlossen wurde. Nachdem der Text in der amtlichen Zeitung der Republik am 18. Jänner 1975 publiziert worden war, erhofften zahlreiche Gegner, daß, wie es schon oft geschehen ist, die notwendigen Ausführungsbestimmungen spät, später, am spätesten veröffentlicht werden würden. Aber Frau Gesundheitsminister Simone Veil, mit deren Namen dieses Gesetz eng verknüpft ist — man spricht sogar von einer Lex-Veil — zögerte nicht, vom 15. Mai bis zum 30. August des vergangenen Jahres alle Maßnahmen zu treffen, um dem Willen der Mehrheit des Parlaments und der öffentlichen Meinung zu entsprechen.
Die 22jährige Marie-Christine Amadea, eine guterzagene junge Dame, die ihren Eltern niemals die geringsten Schwierigkeiten bereitet hat, ist seit einigen Tagen in Frankreich zum Begriff geworden. Ihr wurde sogar eine längere Fernsehsendung gewidmet, denn sie ist eine der jüngsten Adepten der geheimnisvollen Moon-Sekte, die in diesen ersten Wochen des Jahres 1976 viel von sich reden macht. Es gibt in Paris eine Reihe von Sekten, mysteriösen Zirkeln und winzigen Pseudo-kirchen, die ihren Anhängern, je nach Lehre, das Paradies auf Erden oder die Hölle versprechen. Selbst in unserer
Viele Einzelheiten über das Entstehen und die Tätigkeit der gaullistischen Sammelbewegungen liegen im Schatten und niemand scheint bisher die Notwendigkeit empfunden zu haben, die Hintergründe aufzuhellen. Zum erstenmal fällt durch ein Buch, das knapp vor den Feiertagen erschienen ist, licht auf verschiedene politische Aktionen. Ein führendes Mitglied der gaullistischen Geheimtruppe SAC (Service d'Aotion Civique), Patrice Chairoff, der Archive und Unterlagen beiseite schaffte, durchbrach die Mauer des Schweigens und schilderte Vorfälle, die an einen Politthriller erinnern Trotz
Abgesehen von Historikern und Experten der internationalen Politik werden wohl die wenigsten Zeitgenossen noch wissen, welches bedeutende Ereignis sich am 30. August 1954 in Paris abspielte. An diesem Tag traf das französische Parlament eine Entscheidung, die bis heute Nachwirkungen zeitigt. Denn damals verwarfen die Abgeordneten mit 319 gegen 264 Stimmen die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), besser bekannt unter dem Titel Europaarmee. Es war gerade Frankreich, welches das Projekt entwickelte, eine gemeinsame europäische Streitkraft aufzubauen. Mit diesem Plan — als Urheber zeichnete der überzeugte Europäer Pleven — versuchte Paris den Wunsch der angelsächsischen Verbündeten nach Aufstellung deutscher Divisionen zu verhindern.
Am 12. November 1970 fand in Paris eine ergreifende Zeremonie statt, wie sie die blasierte Metropole in dieser Art fast nicht mehr kannte. Die Mächtigen der Welt versammelten sich in der ehrwürdigen Kathedrale von Notre Dame, um General de Gaulle zu ehren, der tiefe Spuren in der Geschichte hinterlassen hat. Jahre später wiederholte sich das Ereignis am gleichen Ort für seinen Nachfolger Georges Pompidou. Ohne auf besonderen Widerstand zu stoßen, hatte die laizistische Republik ein Gotteshaus gewählt und nicht etwa den Elysee-Palast oder das Palais Bourbon, beides Gebäude, die
Für jede funktionierende pluralistische Demokratie ist der reibungslose Ablauf der Justiz äußerst wichtig. Die oft wenig informierte öffentliche Meinung darf nicht Urteile erzwingen wollen, die gegen das Gesetz sind. Wohin würde es führen, wenn persönliche oder politische Einflüsse die Rechtsprechung beugen! Studiert man die Art des Amtierens von Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern in der V. Französischen Republik, werden naturgemäß Kritiken laut, da gelegentlich die soliden Grundlagen verlassen und Affären unter einseitigen Gesichtspunkten gesehen werden. Schon das
Jeder französische Politiker, der etwas auf sich hält, will Abgeordneter oder zumindest Senator werden. Darüber hinaus verf sucht er sich als Bürgermeister; darum verwaltet eine Reihe von amtierenden Ministern größere oder kleinere Städte. Justizminister Lecanuet ist Staatsoberhaupt von Rouen, der Industrieminister d'Ornano amtiert in Deauville, und markante Repräsentanten der Opposition betrachten ihre Gemeinde als wichtigen Stützpunkt, von dem aus eine nationale politische Karriere möglich ist. Die Nummer zwei der sozialistischen Partei, Gaston Def f erre, administriert Marseille, und der bisherige Kronprinz Mitterrands, Mouroy, hat sich eine starke Position in Lille aufgebaut.
Auch der am politischen Geschehen Uninteressierte ist mit einem Bück auf die Zeitungskioske darüber informiert, welche nationalen oder internationalen Probleme zur Diskussion stehen. Die bunten Titelblätter der drei wichtigsten Nachrichtenmagazine, „I'Express“', „Le Nouvel Observateur“ und „Le Point“, die verschiedene politische Standpunkte vertreten — „I'Express“ ist die Hausgazette Servan-Schreibers und gegenwärtig eher regierungsfreundlich; der „Observateur“ steht Mitterrand und der sozialistischen Partei nahe; ^,Le Point“ repräsentiert eine gemäßigte Rechte
Den bisher nachhaltigsten Eindruck von Versailles gewann ich am 2. September 1971 in der großen Galerie des Schlosses. An diesem Abend empfing Staatspräsident Pompidou die Teilnehmer der 59. Interparlamentarischen Konferenz. Inmitten der historischen Kulisse drängten sich die Mitglieder der Regierung, Parlamentarier aus Ost und West und die Volksvertreter der Dritten Welt in ihren exotischen Kostümen. Aber es war nicht allein diese festliche Atmosphäre, die den Abend zu einem Erlebnis machte. Im Verlauf der Zeremonie konnte man einen Sonnenuntergang bestaunen, der eines der schönsten
Bis Anfang August 1975 hat es das Schicksal mit Giscard d'Estaing und seinem Team gut gemeint. Es gab zwar zahlreiche Aufmärsche, die Gewerkschaften formulierten ihre Forderungen mit Nachdruck, fast eine Million Arbeitslose bedrohen den Bürgerfrieden— aber es kam zu keiner Staatskrise, wie sie vorübergehend die Vorgänger, General de Gaulle und Georges Pompi-dou, kennenlernen mußten. Die politischen Beobachter glaubten, annehmen zu können, daß eine ernste Kraftprobe zwischen der Regierung und den Arbeitnehmerverbänden im Herbst stattfinden werde; also erwartete es der Staatschef von Georges Seguy, dem allmächtigen Generalsekretär der kommunistisch orientierten Gewerkschaft CGT. Doch nicht dieser, sondern der korsische Arzt Edmond Simeoni prüfte die Institutionen der Republik auf ihre Standfestigkeit. Am 22. August brach eine seit Jahren schwelende Krise auf der Insel Korsika aus.
Die Unterschriften des Abschluß-aktes der KSZE-Konferenz in Helsinki waren noch nicht trocken, als die Diskussionen über Wert oder Unwert dieses Dokumentes einsetzten.Seit die Sowjetunion die Sicherheitskonferenz anpeilte, zeigte sich Frankreich reserviert und die Skepsis über die Notwendigkeit dieses diplomatischen Aktes wuchs von Jahr zu Jahr. Wieweit werden die sozialistischen Staaten, unter Führung der Sowjetunion, die in Helsinki feierlich besiegelten Maßnahmen in Zukunft respektieren? In einer anderen Version heißt es, daß es sich bei der Konferenz darum gehandelt habe, ein
Der ausländische Beobachter, mag er schon seit vielen Jahren in Frankreich leben, wird immer wieder von einem Phänomen überrascht sein, das spezifisch für dieses Land ist.Von Mitte Juli bis Ende August schläft die wirtschaftliche Tätigkeit einer westlichen Industrienation ein. Nicht nur die großen Werke unterbrechen vier Wochen lang die Produktion. Auch der Bäcker, Gemüsehändler und Fleischhauer schließt seinen Laden und macht das Leben in Paris für die wenigen, die trotz alledem ausharren, zu einem Problem. 1975 werden 26 Millionen Bürger die Freuden des Strandlebens genießen
Das 28. Filmfestival von .Cannes konnte in diesem Jahr als voller Erfolg bezeichnet werden. Der Durchschnitt der gezeigten Filme war wesentlich besser als in den vergangenen zwei Jahren. Die Preise wurden im allgemeinen als gut verteilt anerkannt. Trotzdem es an den üblichen Skandalen mangelte, standen die 20.000 Teilnehmer aber unter einem gewissen Druck und mußten sich ständigen polizeilichen Kontrollen aussetzen. Es gehört ja schon beinahe zum guten Ton, daß internationale Großveranstaltungen mit dem Terror irgendeiner Organisation zu rechnen haben. Auch die Filmmesse machte keine
Unter dem Titel „Die Veränderung lenken“ publizierte Staats- und Innenminister Poniatowski Anfang Juni ein Buch, in dem er die Bilanz seiner einjährigen Tätigkeit als zweiter Mann der Regierung Chiracs und intimster Berater Staatspräsident Gis-card d'Estaings zieht. Auch sonst wurden in diesen Wochen zahlreiche Diskussionen geführt, Kommentare verfaßt und Sendungen, im Fernsehen ausgestrahlt, die, alle versuchten, das Phänomen Giscard d'Estaing, die Natur seines Regimes und die bisherigen Erfolge und Fehler der einjährigen Amtstätigkeit zu erklären. Rikv.
Als am 13. Mai 1958 ein Putsch in der damaligen französischen Provinz Algerien ausbrach und sich die,weißen Siedler sowie Teile der Armee gegen die legale Regierung in Paris auflehnten, fanden findige Reporter heraus, daß 13 verschiedene Verschwörungen und Komplotte diese Revolte vorbereitet hatten. Mögen es einige mehr oder weniger gewesen sein — die 13 Verschwörungen des 13. Mai sind ein Bestandteil des historischen Denkens der Nation geworden. Durch die Vorfälle in Nordafrika wurde das Regime der verfassungsgebenden Versammlung gebrochen. General de Gaulle vermochte im letzten Augenblick einen Bürgerkrieg zu verhindern. Er beseitigte die Verfassung der IV. Republik. Ein objektiver Beobachter der Innen- und Außenpolitik, die Frankreich zwischen 1946 und 1958 betrieb, wird gewiß auch viele positive Seiten an den 25 Regierungen der IV. Republik finden. Doch vermochten die Parteien, die zur Kabinettsbildung aufgerufen worden waren, die blutigen Kriege in den überseeischen Gebieten nicht zu verhindern. Auch das schwierige innenpolitische Problem der staatlichen Subventionen an die katholischen Privatschulen konnte nicht gelöst werden. Diese an sich zweitrangige Frage vergiftete die Beziehungen zwischen den beiden Hauptträgern der politischen Verantwortung vor der Machtübernahme durch General de Gaulle. Die christlichen Demokraten des MRP und die Sozialisten konnten sich trotz mancher Übereinstimmung in dem einen Punkt nicht einigen.
Wer tinmittelbar nach dem Krieg in Paris die Zeitungskioske musterte, fand dort eine Vielzahl von Tageszeitungen, die den verschiedensten politischen und philosophischen Richtungen angehörten. 1945 waren 34 täglich erscheinende Titel auf dem Markt, zählte man die Provinzzeitungen dazu, so kam man auf deren 203. 1914 dagegen verfügte Frankreich noch über 349 Publikationen. 1975 wird Paris mit 9 Tageszeitungen versorgt, die übrigen Regionen müsseh . mit 55 vorliebnehmen. Das kontinuierliche Sterben dieses Informationszweiges ist keineswegs beendet. Gegenwärtig klagen fast alle
Der Besuch der Nahost-Staaten durch eine Delegation der Sozialistischen Internationale unter der Leitung des österreichischen Bundeskanzlers Kreisky wurde von der Weltpresse gebührend wahrgenommen. Diese Organisation zur Zusammenarbeit sozialistischer Parteien entwickelt eine beachtliche Tätigkeit. So wird zum Beispiel die sozialistische Partei Portugals von ihren Gesinnungsfreunden moralisch und materiell unterstützt. Auch die christlichen Demokraten zeigen sich seit Monaten bereit, ihrer Europäisch-Demokratischen Union neue Impulse zu geben. Obwohl die Kommunisten gegenwärtig keine
Am 27. November 1967 sagte General de Gaulle vom jüdischen Volk, daß es selbstsicher und herrschsüchtig sei. Am 10. Februar 1975 verwendete Georges Marchais, Generalsekretär der kommunistischen Partei Frankreichs, die gleichen Worte. Diesmal waren allerdings nicht die Israelis gemeint, sondern Franęois Mitterrand, erster Sekretär der sozialistischen Partei und Mitverfasser des oft zitierten gemeinsamen Programms der Lanksparteien. DerChef der KPF, der am 14. Jänner infolge eines Herzinfarkts in ein Spital eingeliefert worden war, trommelte nach seiner Entlassung die Journalisten
Seit der Gründung der V. Republik war es ein sorgsam gehütetes Privileg der beiden ersten Präsidenten General de Gaulle und George Pompidou, die Außenpolitik höchst persönlich und direkt zu leiten. Die Chefs des Quai d’Orsay erhielten in der Regel sehr beschränkte Befugnisse. Weder das Gesamtkabinett noch die Regierung wurden bei der Ausarbeitung der diplomatischen Linie befragt oder ihnen ein Mitspracherecht eingeräumt.
Der Herbst 1974 stand in Frankreich ohne Zweifel im Schatten der Linksparteien. Auf einer großen Tagung trafen sich zuerst alle wesentlichen Elemente eines nicht-kommunistischen Sozialismus, um die Basis der Sozialistischen Partei zu erweitern. Die Kommunistische Partei wiederum hielt einen außerordentlichen Kongreß ab, und verstand es vorzüglich, die Massenmedien zu mobilisieren und zu meistern. Der Beobachter konnte manchmal den Eindruck gewinnen, die V. Republik sei bereits fest in den Händen der linken Union. Fast nur am Rande wurde die Entwicklung innerhalb der regierenden Mehrheit, und da wieder bei den Gaullisten registriert.
Wenn das so weiter geht, wird es bald zu Schwierigkeiten in der Sitzordnung des französischen Parlamentes kommen. Denn nicht nur Sozialisten und Kommunisten wünschen, wie es ihnen zusteht, auf der linken Seite ihren Platz einzunehmen. Der frühere Außenminister des verstorbenen Präsidenten Pompidou, Michel Jobert, durchwandert die Regionen des Landes und hat eine Bewegung ins Leben gerufen, die sich am äußersten linken Flügel der Präsidentschaftsmajorität installieren möchte. Das Programm dieser Gruppe erschöpft sich in vagen Andeutungen ihres Gründers, die um vieles weniger klar
Staatspräsident Giscard d’Estaing Kat seinen Wahlkampf unter dem Slogan tiefgreifender Reformen und Veränderungen der gesellschaftlichen Strukturen Frankreichs geführt. In bisher vier Fernsehansprachen und einer Pressekonferenz — pardon, er liebt dieses Wort nicht und nannte es daher „Aussprache mit der Presse” — wurde der Begriff .Veränderung” oft benutzt, fast möchte man sagen: strapaziert. Dieser kühle Techniker der Macht hat den Wunsch nach Erneuerung weder allein gepachtet noch gar erfunden. Es sind vielmehr in den letzten zwei bis drei Jahren in der Tiefe der Nation
Die Winde ziehen kühler über die Sandstrände der Vendée, die seit Beginn des Sommers Zehntausende Menschen beherbergt haben. Es liegt eine leise Melancholie über Sand und Meer, und mag die Sonne noch so strahlen, jeder weiß, daß die Urlaubstage zu Ende sind. Die Schrecken des Alltags nähern sich. Die überfüllten Metrozüge in Paris, die vergiftete Luft in den Großstädten, die sozialen Spannungen. Nach dem 20. August begannen die französischen Zeitungen mit einem beliebten Spiel: Werden die Gewerkschaften zu Streiks auffordem, und wie sieht das soziale Rendezvous im September aus?
Da war ein jai>a’nischer Bankier. Er versuchte, sein Institut um die stattliche Summe von 5,300.000 amerikanische Dollars zu preUen. Der Coup war ganz einfach inszeniert: Der Bankier arbeitete mit dem Leiter einer großen Handelsgesellschaft zusammen, der der Bank gefälschte Wechsel präsentierte. Sie wurden akzeptiert und dank der Abzeichnung duroh den betrügerischen Direktor belieben. Mit der geteilten Beute machten sich Bankier und Handelsagent davon.Die beiden hatten nicht mit Interpol gerechnet. Nachdem die .japanische Kriminalpolizei die Spuren atifgenommen hatte, gingen die
Der siegreiche Kandidat Giscard d'Estaing hat während seiner Kampagne immer wieder beteuert, daß er den Wunsch der Nation nach weitreichenden Änderungen in den gesellschaftspolitischen Strukturen anerkenne und seine Wahlkampfversprechen unter keinen Umständen über Bord werfen werde.
Die extrem linksgerichtete Tageszeitung „Liberation“ vermochte bisher keine große Leserschar um sich zu versammeln. Trotzdem wurde sie des öfteren zitiert, weil der Chefredakteur dieser Publikation der Philosoph und Schriftsteller Sartre war. Dieser ist kürzlich aus Gesundheitsgründen zurückgetreten, aber sein Geist der Intoleranz lebt in diesem Blatt weiter. So konnten die Käufer dieser Zeitung ein vernichtendes Urteil über die Regierung lesen, die von Giscard d'Estaing am 28. Mai gebildet wurde. Der Kommentar sieht in diesem Regierungsteam eine wilde Horde von Zynikern, bereit,
Wie die Meinungsforschungsinstitute richtig prophezeit hatten, wurde der dritte Präsident der Fünften Republik und der zwanzigste seit 1871 nur mit einer hauchdünnen Mehrheit gewählt. Der Sieg Giscard d'Estaings ist mit jenem Kennedys über Nixon zu vergleichen. Während jedoch in den USA die politischen Strukturen keine definitive Verschiebung erfuhren, setzt mit dem 19. Mai 1974 in Frankreich der Beginn einer neuen Epoche ein. Nachdem der erste Schock dieser Entscheidung verflogen ist, können die Politologen, die Parteien und Kommentatoren der Tages- und Wochenpresse eine Synthese ihrer Schlußfolgerungen ziehen. Der Wahlkampf war zwar hart, aber zeigte große Würde, und bis in die letzten Tage vor dem zweiten Wahlgang kam es weder zu üblen Entgleisungen persönlicher Natur noch zu blutigen Zwischenfällen. Selbst von der Insel Korsika, berüchtigt dafür, daß in Wahlzeiten die Messer locker sitzen, sind keine tätlichen Auseinandersetzungen gemeldet worden.
Wie immer auch die Bilanz am 19. Mai um 20 Uhr aussehen wird, eirres steht fest: Das Regime der Fünften Republik, von Charles de Gaulle konzipiert, von Georges Pompidou zur Reifung gebracht, gehört der Geschichte an. Dieses System hatte, trotz erkennbarer Schwächen, der Nation eine sichere Ordnung der staatlichen Einrichtungen gegeben, die im glücklichen Gegensatz zu den Methoden der beiden vorangegangenen Republiken stand. In diesem Zeitraum fanden die umfassendsten Mutierungen statt, die Frankreich seit 1789 kennengelernt hat.
Als Finanzminister Giscard d'Estaing 1969 zur damals in Bildung befindlichen Mehrheit George Pom-pidous stieß — er hatte zu dieser Zeit noch keine strukturierte Partei im Hintergrund — stellte er Bedingungen, die in dem klassischen „ja, aber...“ formuliert wurden. Giscard d'Estaing war kein bequemer Bundesgenosse für die gaullistische Sammelpartei UDR und wurde mehr als einmal als „Kaktus“ des Regimes bezeichnet.Dieses berühmte „ja, aber...“ wird der Finanzminister in den nächsten 14 Tagen von seinen gaullistischen Partnern wohl öfter zu hören bekommen. Obwohl der Ghef
Wie bereits in der Wahlkampagne zur Erneuerung des französischen Parlaments im März 1973, stellen sich auch anläßlich der Besetzung des ersten Amtes im Staat grundlegende Probleme, die weit über den Bereich einer Person oder Partei hinausgehen. Der Wähler muß in diesem Mai eine Entscheidung treffen, um die ihn kein Ausländer beneiden kann. Denn wiederum locken zwei diametral entgegengesetzte gesellschaftliche Ordnungen: Im Fall eines Sieges des Einheitskandidaten der Linken würden sich ähnliche Entwicklungen in Italien anbahnen und die bisherige, wohl schon brüchige Front der westlichen Welt endgültig auseinanderfallen. Mitterand, Chaban Delmas und Gis-card d'Estaing sind, bei aller Wertung ihrer eigenen Persönlichkeit, im letzton Symbole für den Willen, dem Staat eine bestimmte Form, dem Regime eine besondere Bedeutung zu geben.
Wie oft kommt es vor, daß man auf eine Entwicklung spekuliert, einen Vorfall erwartet, und sich dann ziemlich hilflos zeigt, sobald das prophezeite Ereignis eingetroffen ist! Seit Wochen und Monaten wurden Gerüchte kolportiert und Überlegungen zu verfrühten Präsidentschaftswahlen in Frankreich angestellt. Als Georges Pompidou, der mit großer Tapferkeit und einem bewundernswerten Stoizismus gegen eine so tückische Krankheit ankämpfte, ihr dann schließlich zum Opfer fiel, zeigte sich das politische Paris überrascht und unvorbereitet.
Ende Februar wurden die neuen Lokale des Verbandes der Auslandsjournalisten auf den Champs-Elysees eröffnet. Man kann ruhigen Gewissens behaupten, daß sich die Spitzenvertreter der Weltpresse, mit Ausnahme der Repräsentanten angelsächsischer Länder, eingefunden hatten. Die Journalisten aus den USA, Großbritannien und dem früheren britischen Weltreich waren scheinbar zu vornehm, um sich mit ihren Kollegen aus der Bundesrepublik, Italien, der Sowjetunion, Japan und zahlreichen exotischen Staaten an einen Tisch zu setzen. Unter den Exoten befand sich übrigens auch ein Österreicher. Die
Wer sich während einiger Monate intensiv mit der Innenpolitik der V. Republik beschäftigt, wird manchmal an das alte Kinderspiel „Bäumchen, wechsle dich“ erinnert. Es vergeht fast keine Woche, in der nicht neue personelle Veränderungen in der Regierungsspitze oder der obersten Staatsführung von sogenannten Eingeweihten und Besserwissern verkündet werden. Ein nicht vollständig ausgesprochener Satz, das Schweigen zur gegebenen Minute regt bereits zu einer neuen Hypothese an. Zeitungen und Zeitschriften verdienen sich ihre Sporen, indem sie immer neue Kombinationen auf die Beine
Niemand wird bestreiten, daß sich die europäische Integrationspolitik seit Monaten in einer Krise, wohl der schwersten seit 1950, befindet. Waren die Ergebnisse der zweiten Gipfelkonferenz Oktober 1972 noch vielversprechend, endete die dritte Zusammenkunft der neun Staatsund Regierungschefs in Kopenhagen mit einem Mißerfolg, welcher der Öffentlichkeit kaum verborgen blieb. Frankreichs Aufgabe der fixen Währungsparität bedeutet einen Schlag gegen die bis 1980 geplante monetäre Union. Es war bisher den Partnern der EG nicht möglich, einen gemeinsamen Energieplan vorzulegen, und die
Am 9. Mai dieses Jahres kann das westliche Europa einen Jahrestag begehen, der einer Erklärung von durchaus historischem Charakter gedenkt. Vor 25 Jahren gab Robert Schuman, Außenminister der Vierten Französischen Republik, bekannt, daß seine Regierung die übrigen Staaten des freien Europa einlade, die Grundstoffindustrien Kohle und Stahl gemeinsam zu verwalten. Mit dieser Deklaration wurden sämtliche Vorstellungen der europäischen Politik, wie sie seit Jahrhunderten gang und gäbe waren, in Frage gestellt. Die Hegemonie eines einzelnen Staates würde mit diesem Konzept ebenso verneint wie jenes „Gleichgewicht der Mächte“, das ein grundsätzliches Dogma der britischen Außenpolitik gewesen war.
Im Dezember 1973 fiel das Generalkonsulat des Staates Algerien in Marseille einem Attentat zum Opfer. Vier Tote und 22 Verwundete waren die Bilanz dieses Verbrechens. In den ersten Tagen des Jänner 1974 waren der oder die Täter noch nicht entdeckt. Eine obskure rechtsgerichtete Organisation, der Klub „Karl Martell“, rühmte sich, diese Bombe gezündet zu haben. Handelt es sich um eine Tat, begangen aus rassischen Gründen und mit dem Ziel, gegen die Anwesenheit von 750.000 Algeriern in Frankreich zu protestieren? Wollte ein ehemaliger Angehöriger der OAS die eigenen Toten rächen? War es eine Provokation? Was immer die Motive dieses Anschlages waren, das Attentat wurde mit Recht von der gesamten Presse auf das schärfste verurteilt.
In den Weihnachts- und Neujahrstagen der vergangenen Jahre war es üblich, die Prachtstraße der Champs Elysees in ein Lichtermeer zu verwandeln. Auch die übrigen Pariser Stadtbezirke überboten einander bei der Installierung attraktiver Beleuchtungsanlagen. Selbstverständlich mußten auch die Bewohner der Seine-Metropole 1973 auf derartige Freuden verzichten. Aber bisher sind die Einschränkungen in Frankreich noch eher milde. Das Fernsehen flimmert seit dem 2. Jänner mir bis 23 Uhr, die Städte versinken eine Stunde früher in Dunkelheit und gelegentlich kommt es in der Provinz zu
La doulce France! Wer hat nicht einmal, wenn er außerhalb des Landes zwischen Rhein, Alpen, Pyrenäen, der Mittelmeer-und der Atlantikküste lebt, davon geträumt, dieses so vielgerühmte Klima, die raffinierte Lebenskunst für kürzere oder längere Zeit zu genießen? Natürlich sind mit dem Begriff „Frankreich“ ebenso viele Klischees verbunden wie mit England, Italien oder jedem anderen beliebigen Staat. Es tauchen die zu Stein gewordenen Träume der Loire-Schlösser auf, die Hotelpaläste der Jahrhundertwende in Cannes und Nizza, von Wellen gepeitschte Felsen am Rande der Bretagne und die Weinstraße des Elsaß an einem milden Herbstnachmittag. Da wird in erster Linie an Paris gedacht, diese faszinierende Stadt mit den weltberühmten Baudenkmälern. Es bedeutet für viele die traumhaft schlanken Mannequins in den Salons von Dior oder Yves Saint-Laurent. Die Sünde soll angeblich an der Place Pigalle üppige Sumpfblüten treiben. Gourmets werden an die Köstlichkeiten der Gastronomie erinnert.
Mit Melancholie erinnern sich alle, die bei der europäischen Gipfelkonferenz vom 19. und 20. Oktober 1972 in Paris anwesend waren, an diese Tage zurück. Am Vorabend eines neuen Treffens der Staats- und Regierungschefs der EWG-Gemeinschaft in Kopenhagen muß der Beobachter an die Beschlüsse und Versprechungen denken, die Präsident Pompidou im Namen seiner Kollegen nach einer dramatischen Nachtsitzung den Vertretern der Weltpresse gemacht hat. Auf der Tribüne thronten ein lächelnder Pompidou, ein zufriedener Brandt und ein stolzer Heath, während die sogenannten „Kleinen“ aufmerksam
Die Bürger der V. Republik sahen in kurzem Abstand Georges Porii-pidou zweimal auf der Mattscheibe des Fernsehgerätes. Am 27. September hielt der Staatspräsident seine neunte Pressekonferenz ab und antwortete in jovialster Weise. Die Journalisten zeigten sich gezähmt und gesittet und stellten im wesentlichen nur Fragen, die Pompidou erwartet oder provoziert hatte. Am 24. Oktober plauderte der Präsident mit einem Kommentator und erklärte seinen Willen, vorläufig kein Referendum durchzuführen. Georges Pompidou hatte nämlich die politische Elite in Verwirrung gebracht, als er eine
Keine Affäre, die Österreich in den letzten Jahren betraf, hat ein solches Echo in der französischen Presse gefunden wie der Entschluß der Wiener Regierung, künftighin den Transit sowjetischer Juden nach Israel zumindest einzuengen. In den Kommentaren konnte man nicht das leiseste Verständnis für die Haltung Bundeskanzler Kreiskys finden. Wer die vergilbten Zeitungsbände der Pariser Presse aus dem Jahre 1934 in der Nationalbibliothek studiert, wird ähnliche Angriffe von gleicher Heftigkeit gegen Bundeskanzler Dollfuß anläßlich der bitteren Februarereignisse lesen können.Die
Die Chinareise des Staatspräsidenten Pompidou war für Frankreich weltpolitisch gesehen ein beachtlicher Erfolg. Soweit es die bilateralen Beziehungen betraf, mußte eine Enttäuschung in Kauf genommen werden.
Seit langem hat das gegenwärtige Regime der Fünften Republik aufgehört, bei jeder Aktion General de Gaulle zu zitieren. Anläßlich des Besuches des Staatspräsidenten Pompidou in China wurde in diskreter Form darauf aufmerksam gemacht, daß General de Gaulle bereits 1964, als erster westlicher Staatsmann, das Reich Maos diplomatisch anerkannt habe. Am Höhepunkt des heftigen Sozialkonflikts in der Uhrenfabrik LIP erinnerten gelegentlich die Kommentatoren an die Lieblingsidee de Gaulles und wollten die Formel von der „Partizipierung“ als Modell in Vorschlag bringen. Dieses Programm einer sozialen Ordnung zwischen liberalem Unternehmertum und marxistischer Planwirtschaft stand in den Reihen der UDR zur Diskussion. Praktische Schlüsse aus diesen Überlegungen und ihre Anwendung im Falle LIP wurden nicht publiziert.