104 Tagesordnungspunkte, eine Welle von Dringlichen Anfragen, 90-Stun-den-Woche, Tag- und Nacht-Schichtbetrieb im Parlament: Wer will damit wem imponieren?
Die öffentliche Diskussion über die Äußerungen von Bruno Kreisky zur Situation in Polen und zur Rolle der Kirche hat hohe Wogen geschlagen. Rupert Gmoser und Richard Bar-ta, zwei Männer, die in ihrem Wirkungsbereich für unbequeme Meinungen bekannt sind, wollen weder verniedlichen noch aufschaukeln, wohl aber zur Vernunft mahnen.
Wieder einmal wird das Wählrecht diskutiert. Angesichts des Demokratieunbehagens wird mehr Bürgernähe gefordert. Und anstatt eines vorgetäuschten Plebiszits über Kanzler- und Landeshauptleutekandidaten soll der Bürger wirklich mehr Persönlichkeit wählen können: seinen Abgeordneten. Die Parteien zerbrechen sich darüber den Kopf. Drei Abgeordnete - Rupert Gmoser für die SPÖ, Wolfgang Schüssel für die ÖVP und der nunmehrige FPÖ-Parteiobmann Norbert Steger - legten vor Parlamentsjournalisten ihre persönlichen Ansichten zu diesem Problem dar. Uneinig in der Sache, plädieren sie für Eintracht: Eine echte Wahlrechtsreform soll von allen drei Parteien gemeinsam getragen werden.
„Roma locuta, causa finita.“ So ganz dürfte dieser Grundsatz nicht einmal mehr im innerkatholischen Bereich Geltung haben, und österreichische Sozialdemokraten wollen sicherlich nicht päpstlicher sein als der Papst. Nichts Schlimmeres könnte dem SPÖ-Grandsatzprogramm 1978 passieren, als daß es mit der Verabschiedung durch den Parteitag zur Schu-bladierung freigegeben wäre. Kreisky hat darum als Parteivorsitzender zu Recht nicht nur SPÖ-Mitglieder, sondern alle, die in unserer Konsumgesellschaft überhaupt noch an Grundsatzfragen interessiert sind, aufgefordert, das beschlossene
Es ist bereits wieder einige Jahre her, daß im österreichischen Nationalrat ein Gesetz verabschiedet wurde, welches den im Parlament vertretenen Parteien die materielle Grundlage bieten sollte, in einer ungleich umfassenderen Weise als bisher ihrer politischen Bildungsaufgabe nachzukommen. Es kam darauf in den drei Parteien zur Gründung politischer Akademien. Der Bundeskanzler legte in einer Rede anläßlich der Konstituierung des wissenschaftlichen Beirates des Dr.-Karl-Renner-Institutes im Dezember 1972 die Zielvorstellungen dar, die zu diesem Gesetz geführt hatten. Das damals Gesagte
Die Gewerkschaftsbewegung in der Zweiten Republik Österreich unterscheidet sich politisch sowohl von den Gewerkschaften in der Monarchie und in der Zwischenweltkriegszeit als auch von Gewerkschaftsorganisationen in anderen westeuropäischen Ländern dadurch, daß sie sich bereits zum Zeitpunkt ihrer Gründung 1945 als überparteiliche Organisation konstituierte, in welcher ÖVPnahe Gewerkschafter, Kommunisten und Sozialisten zusammenwirken sollten. Aber die sozialistische Gewerkschaftsfraktion, zu der sich die große Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder bekennt, versteht sich nach wie vor als integrierender Bestandteil der sozialistischen Bewegung. Es ist daher selbstverständlich, daß in der Diskussion um eine geistige Standortbestimmung der Sozialdemokratie in Österreich sich auch die sozialistischen Gewerkschafter auf den Prüfstand stellen und versuchen, eine sozialdemokratische Gewerkschaftsstrategie für morgen zu entwickeln.
Wie lächerlich ist doch dieser 1. Mai. Was wollt ihr denn noch haben? Der Wohlfahrtsstaat hat euch doch alles gegeben, was ihr wünscht. Die Leute wissen ja gar nicht mehr, was sie mit ihrer Freizeit und mit ihrem Geld anfangen sollen. Solche und ähnliche Parolen trommeln jene Herren ununterbrochen,, die den Arbeitern und Angestellten so gerne beibringen möchten, daß doch eine Gewerkschaftsbewegung in Österreich im Jahre 1969 etwas höchst Uberflüssiges ist. Der Kampftag der arbeitenden Menschen in aller Welt ist nach dieser Auffassung höchstens noch ein historischer Gedenktag Ohne'aktuelle Bedeutimg für den österreichischen Arbeitnehmer. Und vielleicht nickt auch der eine oder andere Arbeiter und Angestellte zustimmend zu solchen Ansichten und dreht sich wohlig noch einmal im Bett herum. Heute ist der 1. Mai, da kann ich mich ruhig ausschlafen. Feiern, das überlaßt doch den paar Unentwegten. Wir wollen Ruhe haben und froh sein, wenn es uns nie schlechter geht.
Am 1. Mai 1890 feierte die Arbeiterschaft auch in Österreich zum erstenmal den Weltfeiertag der Arbeit. Wie sehr hat sich die Arbeiterfrage seit jenen Tagen des Frühkapitalismus gewandelt! Was vor 100 Jahren zum Kampf gegen die damals bestehende gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung antrat, war das Proletariat. Es ist durch drei Merkmale zu charakterisieren:• Das Proletariat ist politisch rechtlos. Es ist nicht einmal Stimmvieh, denn es besitzt größtenteils kein Wahlrecht. Der Proletarier hat kein Vaterland. Er lebt im Obrigkeitsstaat, in dem er zu schweigen und zu gehorchen
Wer erinnert sich wohl noch der Weihnachtszeit vor 20 Jahren? Es ist gar nicht eine solche Ewigkeit her, und doch scheint es uns heute eine fast unvorstellbare Welt. Es gab keinen Lichterglanz, eine Kerze war kostbar wie ein Schatz. Es gab kein Festessen, bestenfalls gab es einen Sonderaufruf für den hungernden Normalverbraucher. Wie armselig waren die vorweihnachtlichen Tage an äußerem Glanz. Aber wir glaubten, gelernt zu haben. Menschen aller sozialen Schichten, der verschiedensten politischen Anschauungen reichten sich über das Trennende hinweg die Hände. Die Friedensweihnacht dieser
Das politische Leben in Österreich läuft auf vollen Touren. Die Atempause, die sich führende Politiker nach den aufreibenden Verhandlungen um die Neubildung der Regierung gönnten, ist vorbei. Regierende Partei und Opposition stoßen hinein in eine weitgehend noch unerforschte politische Landschaft. Wir können bei diesem Vorstoß fruchtbares Neuland gewinnen. Wir können uns aber genauso hoffnungslos in einen innenpolitischen Dschungel verirren. Die Zeit der Reifeprüfung ist angebrochen, für die Politiker ebenso wie für das Volk von Österreich.Ich bin Sozialist. Manches an den ersten
Nicht einmal der Gutgläubigste wird den verantwortlichen Politikern abnehmen, daß bei einem Budget von 70 Milliarden die Nicht-etnigung über ein paar hundert Millionen Schilling den Rücktritt der Regierung verursacht hatWenn aber nicht die Differenzen 'um den Bundeshaushalt 1966 einen Regierungsrücktritt rechtfertigen, was hat dann in der Nacht vom 22. auf 23. Oktober die Verhandlungspartner bewogen, wieder einmal eine Legislaturperiode vorzeitig zu beenden und Neuwahlen anzustreben? Mit Recht wurde in verschiedenen Kommentaren darauf hingewiesen, daß nicht erst seit 22. Oktober 1965,
Efne der staunenswerten Innenpolitischen Erscheinungen des österreichischen Jubiläumsjahres 1965 war, daß im zwanzigsten Lebensjahr dieser Zweiten Republik eine Frage lum Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen wurde, die man eigentlich für ein Problem längst bewältigter Vergangenheit hätte halten müssen. Die Frage, die durch die bekannten Äußerungen eines Herrn an der Wiener Welthandelshochschule im Frühjahr 1965 auf einmal höchst aktuell wurde, war: Wie steht der Österreicher zu Österreich. Es war ja wohl nichts Neues für unser Land, daß national bei uns lange Zeit nicht
Wieder werden in den nächsten Wochen zehntausende Wähler aufgerufen zu den Wahlurnen. Wieder werden die politischen Funktionäre landauf, landab verkünden: Das Volk als letzte Instanz soll entscheiden über Preise, Wohnungsfrage, Straßenbau, Verstaatlichte Industrie, Freiheit und Diktatur, den Weg zum Paradies oder in düstere Knechtschaft. Wer kennt nicht die immer gleichbleibenden Parolen von „Barometerwahlen“, Volksbefragung und wie die Schlagzeilen sonst noch heißen mögen. Aber wer weiß, was in den Köpfen dieser Wähler wirklich vorgeht, die sich jetzt schon fast jedes Jahr
„Mehr Mitbestimmung” forderte der 5. Bundeskongreß des ÖGB im September 1963. Und immer wieder drehen sich alle wirtschaftspolitischen Forderungen der Gewerkschaften um denselben Zentralpunkt: Wie kann der Einfluß der Arbeitnehmer auf die Wirtschaftspolitik verstärkt werden?Aber wir haben doch ohnedies schon fast einen Kammerstaat, wenden manche Politiker und auch Verfassungsjuristen ein. Die wirtschaftlichen Interessenverbände, seien es Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerorganisationen oder sei es die Landwirtschaft, bilden ja schon einen Staat im Staat, reißen immer mehr Macht an sich,
Wofür demonstrieren denn eigentlich arbeitende Menschen am 1. Mai heute noch? Hat ihnen der Wohlfahrtsstaat nicht alles gebracht, was sie sich wünschten? Die Leute wissen doch gar nicht mehr, was sie mit der Zeit und mit dem Geld anfangen sollen. Der Kampftag und Festtag der Arbeitnehmer in aller Welt ist nach dieser Auffassung höchstens mehr ein historischer Gedenktag ohne aktuelle Bedeutung etwa für die österreichischen Arbeiter und Angestellten der Gegenwart. Und vielleicht nickt auch mancher Arbeitnehmer zustimmend zu solchen Ansichten und dreht sich wohlig noch einmal im Bett herum.