Gleich was er angreift, was er beginnt, was er fortsetzt, er scheitert. Ob er ein Paket schnüren will, ob er mit seiner Frau ins Bett geht, ob er seinem Freund eine Lektion erteilen möchte oder ob er einen Boman schreibt, er versagt. Richard Tüll, der Held in Martin Amis jüngstem Roman „Information” ist eben nur in einem konsequent: im Versagen.Und warum? „Er brachte es nicht, weil er nicht harmlos genug war. Schriftsteller sind harmlos. Nicht schuldlos - harmlos. Tolstoi war gewiß harmlos. Sogar Proust war harmlos. Sogar Joyce war harmlos. Und noch eins er liebte seine Leser nicht,
Vier Millionen illegale Immigranten in den USA: Abschieben, verfolgen, integrieren? Antworten oder Lösungsvorschläge gibt es keine, vorerst, dafür aber einen Roman. Ein Opus von 390 Seiten, das alle Stücke spielt. Das heißt, das keine Chance auf Katastrophen ausläßt. Die Rede ist von •„America” (im Originaltitel: The Tortilla Curtain) des amerikanischen Erfolgsautors T. Coraghessan Royle.Eines gleich vorweg: es ist ein wichtiges Ruch, vielleicht sogar eines der wichtigsten Rücher, die aus den Staaten den Weg über den großen Teich in die Bestsellerlisten der deutschsprachigen
Fort, aber wohin.” Drei Wörter, die einen ganzen Roman begleiten, die gleichsam als Maxime der Protagonisten fungieren. Ein Fluchtroman also? Keineswegs und auf jeden Fall. Ein Roman, der Widersprüchlichkeiten formuliert, um sie aber wieder aufzulösen. Julia hat eben ihr Studium erfolgreich abgeschlossen und versteht „jeden Freitod”. Da läutet das Telefon. Sie erkennt ihren Vater. Ihn hat sie seit wieviel Jahren, das weiß sie selbst nicht mehr so genau, das letzte Mal gesehen. Das ist der Ausgangspunkt von Markus Werners Roman „Festland”.Die Geschichte eines Vaters und seiner
Was bleibt übrig, wenn am Ende des alljährlichen Wettlesens am Wörthersee der Sieger feststeht? Ein Autor, der sich kopfüber in die Bestsellerlisten katapultiert hat? Ein Text, der die Literaturkritik Pirouetten schlagen läßt? Keins von beiden. Weshalb, davon kann man sich in dem alljährlichen Nachschlag des Piper Verlags „Klagenfurter Texte” überzeugen.Prägendes Schlagwort im Klagenfurter OBF-Stödio war „Rumpfexistenzen”, denn solche waren die fiktiven Protagonisten, die von ihren Autoren in den Ring geschickt wurden, wie von Johannes Jansen oder Heiko Michael Hartmann. Ein
Rußland der Jahrhundertwende: Man findet sich ein im Haus der Familie Bessemjo-now. „Kleinbürger" nannte Maxim Gorki sein erstes Stück. Der Konflikt der Generationen steht im Mittelpunkt. Doch es wäre nicht das Stück eines der literarischen Wegbereiter des Sozialismus, käme nicht auch die aufkeimende Revolution ins Gespräch.Gorki wrählte die muffige Enge eines kleinbürgerlichen Hauses als Schauplatz für sein Familiendrama. Zwei Parteien krachen immer wieder aufeinander, die Bewrahrer, jene die an den neuen Zeiten nichts Gutes finden können und die jugendlichen Stürmer, jene
Kleine Alpengeisterl und grofje Alpengeister, alle in watte-wei-chen weiBen Kostiimen, sie purzeln lustig durcheinander und lo-sen ein Schneetreiben aus. Da entsteht eine wahre Winterpracht (Biihnen-bild Ferdinand Wogerbauer), da liegt das Reich des Alpenkonigs und dort-hin entfuhrt Peter Stein sein Publi-kum, wo auch schon die Liebenden, Malchen (eine reizende Dorothee Hartinger) und ihr Maler August Dorn (Fritz Hammel) einander in die Arme gleiten.Steins marchenhafte Inszenierung halt, was sie zu Beginn verspricht und ubertrifft sich zuweilen sogar selbst. Besonders dann, wenn Otto Schenk
Chefideologe, Fuhrerfigur, enfant terrible und Zentrum des Surrealismus, dies alles war Andre Breton. Mark Polizzotti wid-mete dem franzbsischen Schriftsteller eine mehr als 1000 Seiten umfassen-de Biographie. Und was dabei auf den Leser einstrbmt, ist in der Tat eine wahre Materialschlacht. Man erfahrt viel, sehr viel iiber das Leben des Soh-nes eines Buchhalters, seine nicht ge-rade gluckliche Kindheit, das ge-spannte Verhaltnis zu seiner strengen Mutter, iiber seine Bekanntschaften, seine Freundschaften, Zerwiirfnisse, Feindschaften, Querelen mit Kolle-gen, Liebesaffaren, seine drei Ehen,
Was kann ein Ich-Erzähler überhaupt leisten? Kann er denn ein Geschehen authentisch wiedergeben, ohne dauernd alles mitzuschreiben? Diese Fragen liegen dem Debütroman „Livia oder Die Reise” des anerkannten Lyrikers Michael Donhauser zugrunde. Die Betonung liegt dabei auf dem „oder”. Dieses Wort kann verbinden oder trennen, Gleichzeitigkeit signalisieren oder Möglichkeiten aufzählen und - es ist das Prinzip von Donhau-sers poetischem Kalkül. Erzählt wird von der Reise nach Frankreich eines Mannes mit Livia, einer jungen Frau. Sie läßt an Joyce denken, und das ist möglich. Denn
Peter Stein inszeniert Ferdinand Raimunds „Alpenkönig”. Otto Schenk und Helmut Lohner über die Arbeit mit Stein, Salzburg und ihre Pläne.Sie sind die Stars der Salzburger Festspiele, ihre Vorstellungen sind bereits seit Monaten ausverkauft: Otto Schenk und Helmut Lohner. Zwei österreichische Publikumslieblinge sorgen dafür, daß das Sprechtheater wieder ins Zentrum der Festspielstadt rückt. Sie sind ein ideales Paar, für die Bühne des Salzburger Landestheaters hat sie der Schauspieldirektor und Begisseur Peter Stein für seine Inszenierung von Ferdinand Raimunds „Der Alpenkönig
Verführungen” ist der Titel von Marlene Streeruwitz' erstem Roman, doch geht es darin nicht unbedingt darum, was man sich so gerne unter Verführung vorstellen möchte. Aber eine Verführung zum Lesen ist dieser Roman auf jeden Fall. Daher gleich vorweg eine Warnung: Wer darin begonnen hat zu lesen, der wird nicht aufhören können, denn Streeruwitz entläßt den Leser keinen Moment aus ihrem Bann.Marlene Streeruwitz, 1950 in Baden bei Wien geboren, studierte Slawistik und Kunstgeschichte. Als Autorin mehrerer Theaterstücke konnte sie bereits in Köln, München und Wien große Erfolge
Immer wieder ist es ein Thema, das im Werk Arthur Schnitzlers an die Oberfläche drängt. Die Angst vor der Einsamkeit, die so stark ist, daß sie seine Figuren oft den Freitod wählen läßt. So auch in seinem 1903 fertiggestellten Schauspiel „Der einsame Weg”. Gleich ob es sich um den Familienvater Professor Wegrat handelt, seine Frau, seine Kinder, den Maler Julian Fichtner, die Schauspielerin Irene Herms oder den Dichter Stephan von Sala, ihre Einsamkeit verbindet sie und läßt sie doch nie zusammenkommen.Beverly Blankenship hat dieses Stück für Beichenau inszeniert und konnte sich
Ein Mann in der Midlifecrisis ist schon schlimm genug, noch schlimmer aber, wenn dieser ein gefeierter, umschwärmter Pianist ist. Was bleibt ihm da noch anderes übrig, als seinem Ruf gerecht zu werden und seinen „Pflichten” nachzugehen bei so manchem ganz „privatem Konzert”? Gustav Heink ist so einer und der Held in Hermann Rahrs Ehekomödie „Das Konzert”. Richard Strauß ist dieses Stück gewidmet, doch Bahrs Sprache bedarf keiner Musik. Wenn das furiose Trio von Karlheinz Hackl, Nicolin Kunz und Robert Meyer in den Rollen der betrogenen und betrügenden Eheleute brillieren, ist
Sie nimmt einen Fußweg von 60 Kilometern auf sich, sie will ihrer Lehrerin ein Geschenk machen, es ist ihre erste Geschichte. Doch als sie ankommt wird sie enttäuscht. „Die Schöne im Mohnkleid”, so auch der Titel des Bandes von Christine Lavant, die Lehrerin, schenkt ihr ein typisches Mädchenbuch und steckt ihre Geschichte weg, mit dem Vorwand, sie irgendwann zu lesen. All dies mag vielleicht als Metapher für die Briefe verstanden werden, die die Kärntner Lyrikerin Christine Lavant am'22. und am 24. Juni 1948 zu Beginn ihrer Freundschaft mit Ingeborg Teuffenbach an diese geschrieben
Wo immer er war, er blieb in Wien; ihn bewrohnte die Stadt, so wie er sie bewohnte.^ (Wendelin Schmidt-Dengler). Er, das ist Heimito von Doderer, die Stadt ist Wien. Erforscht wird die „Anatomie des Augenblicks” zuerst literarisch, dann fotografisch, zuerst von Heimito von Doderer und dann von Franz Hubmann, jenem Fotografen, der sich „die Umsetzung des Geschriebenen ins Optische” zur Aufgabe machte. Und das ist in seinem Band „Auf den Spuren von Heimito von Doderer” aufs beste gelungen.„Eine photographisch-literarische Reise rund um die ,Strudlhofstiege' in Wien” nennt sich
Der Fürst spricht” und der Autor gewinnt den mit 200.000 Schilling dotierten Ingeborg-Bachmann-Preis 1996. Der Autor heißt Jan Peter Bremer (31) ist Berliner und kein Neuling in Klagenfurt. Bereits 1993 gewann er das Bertelsmann-Stipendium. Eine Schloßgeschichte möchte man nach den ersten Sätzen seines Textes „Der Fürst spricht”, vermuten, ein vordergründig witziger Dialog zwischen einem Fürsten und seinem Hofmeister entspinnt sich um den neuen Verwalter. Doch das Lachen bleibt einem im Halse stecken und reduziert sich auf Oswald Wieners Satz: „Ich lache, wo ich nicht verstehen
Uber Ungeheuerlichkeiten freut sich das Publikum immer am meisten” - dies erfährt das Publikum in Egyd Gstättners Stück „Schopenhauer”. Eine Ungeheuerlichkeit zwar, doch zum Freuen ist sein Stück keineswegs.Ein Mann und eine Frau sitzen gefesselt und geknebelt auf der Bühne. Nach einiger Zeit gelingt es dem Mann, den Knebel auszuspucken. Die Frau (Johanna Mertinz) bleibt geknebelt, und das neunzig Minuten lang. Einbrecher sind in die Wohnung des Schriftstellers eingedrungen und haben die Geschwister überfallen. Gestohlen wurde nur ein Kugelschreiber. Der Mann ist, wie man bald
Virtuosität, Ungezwungenheit und Charme — Eigenschaften, die so verführerisch sind, daß man ihnen leicht erliegt und dabei Gefahr läuft, das Wissen, die Kühnheit und die Tiefgründigkeit, die sich dahinter verbergen, zu übersehen.” Dies führt der Kunsthistoriker Bernard Dorival zu Raoul Dufys Werken an. In der Tat erliegt man leicht dem Charme der leuchtenden Bilder des Künstlers aus Le Havre, wenn man durch die kühlen Bäume des Kunst-HausesWien flaniert.Das KunstHausWien lädt ein zum Bendevous mit über hundert Werken des französischen Malers Baoul Dufy (1877-1953). Claude
Er hat von der Welt gekostet und ist toll davon geworden, Heilung ist möglich, durch Astralgus, den Alpenkönig. Doch diesen gibt es nur in Raimunds Märchen, und dort läßt ihn Regisseur Michael Gruner auch. Er geht in seiner Inszenierung von „Der Alpenkönig und der Menschenfeind” Raimunds Text auf den Grund. Raimund sitzt am Rande der dunklen Bühne an seinem Schreibtisch und harrt der Vorführung seines Stücks ähnlich seinem Helden Rappelkopf, der sich später in der Gestalt seines Schwagers selbst beobachtet.Zauberhaftes wird im Volkstheater Wirklichkeit: ein Ensemble, das den
Ich war immer ein Feind der Künstler-Dramen... Ich wollte... Sappho einer wahren Leidenschaft und nicht einer Verirrung der Phantasie zum Opfer werden lassen”, so Franz Grillparzer in seiner Selbstbiographie. Und als solches Opfer agiert Barbara Petritsch in Nikolaus Briegers gefühlsbetonter Inszenierung. Eine selbstvergessene, rasende, zuweilen fast vulgär wirkende Dichterin steht im Kontrast zu ihrer Dienerin und Schülerin Melitta (Gunda Aurich). Dichtung, die Sappho zum Ruhm geführt hat, wie via Video auf der Bühne des Odeon zu sehen war, wird für sie zur Zuflucht. In dem von
Wie erinnert sich ein Schrift-, steller? Und woran? Wie ein Philosoph? (Lars Gustafsson lehrt Philosophie in Austin, Texas.) Was war, im Rückblick, einem Mann wichtig, den, ohne daß er ein politischer Dichter wäre, der Machtmißbrauch eines Olof Palme sehr wohl auf die Palme brachte? Wer es erfahren will, kommt um die Lektüre von Gustafssons „Palast der Erinnerungen” nicht herum. Auch, wer den autobiographischen Betrachtungen langsam in die Jahre kommender Schriftsteller nichts mehr abgewinnen kann, sollte dieses Buch lesen - als ein Stück hochkarätiger Literatur.Lars Gustafsson,
Auf die idyllische Küste Illyriens strömt der Regen. Das Zwillingspaar Viola und Sebastian ist in einer stürmischen Nacht gestrandet, jeder, ohne vom Verbleib des anderen zu wissen. Es ist die zwölfte Nacht nach Weihnachten. „Was ihr wollt” wird gegeben.Mit William Shakespeares Verwechslungskomödie haben die Engländer gezeigt, daß ihr Nationaldichter sehr gut ohne zeitgenössische Zutaten auskommt. Der Text macht nämlich das Stück. Und er macht es auch aktuell. Besonders dann, wenn Sir Andrew Aguecheek (Guy Henry) ausruft: „Im am a great beef-eater.”Den puritanischen
Meine Arbeit ist kein Bau oder System, sondern ein Weg, er endet im Zusammenstoß des radikalen christlichen Ethos mit der weltlichen Macht und einem jeden Versuch, sie zu vergötzen." Damit nimmt der Schriftsteller Beinhold Schneider in seinem letzten Buch „Winter in Wien" zu seinem Werk Stellung. So vehement, wie er im katholischen Widerstand dem Naziregime entgegentrat, warnte er 1951 vor einer Wiederbewaffnung Deutschlands. Diese Haltung drängte ihn in eine immer größere Isolierung.Nicht so sehr der Inhalt, sondern yielmehr der Ort, wo Schneider mit seinen Thesen Aufnahme
Zwei Drittel Essay, ein Sechstel Autobiographie und ein Sechstel Roman, davon wieder der Großteil Liebesroman, das sind die Ingredienzien, aus denen Helmut Ei-sendles jüngster Band, „Der Egoist”, gemacht ist. Das Ergebnis dieser Zusammensetzung ist ein Stück nur vordergründig leicht lesbarer, eher etwas weniger als mehr unterhaltender Lektüre.Ob der Titel mit „Der Egoist” richtig gewählt ist, erscheint anfänglich fragwürdig. Denn Krakauer, der Held, ist kein Egoist, dem es um nichts anderes als um seine Vorteile geht. „Er ist von der Warte der Welt aus betrachtet, zu nichts
Ich werde von meinen zu malenden Gegenständen gefunden, nachdem ich nach ihnen Ausschau gehalten habe.” Dies teilt uns die Malerin Nicoletta Dermota mittels einer ihrer Tafeln mit, die sie zwischen ihren Werken in ihrer Ausstellung „U3 - Technik - Kunst” plaziert. Sie reflektiert damit die Beziehung zu ihren Bildern und zu ihren Objekten, die scheinbar, doch nur scheinbar, aus einer der Kunst fremden Welt stammen, nämlich aus der Welt der Technik.„Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit”, Walter Benjamins Studie, stellt Nicoletta Dermota gleichsam auf den
Heil Dir und Segen, denn Du bist es wert!”, so wird dem Prinzen von Homburg gegen Ende von Kleists gleichnamigem Stück gehuldigt. Keinen Kranz, aber den Iffland-Bing, die höchste Auszeichnung, die einem deutschsprachigen Schauspieler zuteil werden kann, darf Bruno Ganz nun sein eigen nennen. „Gerührt und mit weichen Knien” nahm der 55jährige Schweizer den Bing von Claus Peymann entgegen, denn Kunstminister Schölten beschränkte sich „auf die Rolle des Überbringers, ähnlich der des Läufers bei den Olympischen Spielen, der das Feuer sicher ins Ziel bringt”.Verstummt sind die
Österreicher bis tief hinein in Psyche und Vorstellung, Malererzähler, Malererzählererfindermaler. .. Einer, der visuell greifbar macht, was an der Grenze zwischen Realität und Vision liegt. Ein Erfinder als Finder," so Heinz Ohff zu Attersees Ausstellung „Zyklus Segelsport" 1972 in Berlin. Am 14. Mai feiert Attersee, Maler von fast 5000 Bildern, sein dreißigjähriges Ausstellungsjubliäum.„Kunst ist bei Attersee die radikalste Art der Liebe, ein Kampf Tag für Tag gegen die Sterblichkeit." Attersees Bilder unterwerfen sich keiner Kunstrichtung. Denn seine Bilder
Reiten, reiten, reiten, durch den Tag und durch die Nacht, durch den Tag. Reiten, reiten, reiten. Und der Mut ist so müde geworden und die Sehnsucht so groß."Der österreichische Dichter Rainer Maria Rilke begann mit diesen Sätzen „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke" (1899).Das Pferd, lange Zeit wichtigstes Mittel zur Fortbewegung, Werkzeug und treuer Gefährte, ist heute dieser Pflichten enthoben.Dennoch ist das Ansehen des Pferdes gestiegen. Die Alltäglichkeit der Fortbewegung auf dem Rücken der meist treuen, oft furchtsamen, manchmal auch schwierigen
Sie stammen aus Syrien, Istanbul, sprechen Ladino, Türkisch, Hebräisch, Französisch, Englisch und gezwungenermaßen auch Arabisch. Sie - die jüdische Großfamilie, die es zu Beginn des Jahrhunderts nach Ägypten verschlug, nachdem Großonkel Isaac in Turin den späteren König Fuad kennengelernt hatte. Ihre Geschichte erzählt der amerikanische Literaturprofessor Andre Aci-man in seinem autobiographischen Roman „Alexandria. Erinnerungen an eine versunkene Welt" auf höchst anregende Weise.Geboren 1951, erinnert er sich an seine Kindheit in Alexandria, an gemeinsame Familienessen,
Pferdegewieher ertönt von der hellen scheinbar son-nendurchfluteten Steppe, das Donnern von Hufen kommt näher, entfernt sich wieder. Ein starker Wind kommt auf. An den Wänden beginnt sich das hohe Gras der Steppe plötzlich zu wiegen. Doch alles ist nur Schein.Wir, die Betrachter, kommen von der Autobahn, haben noch den Lärm des Motors im Ohr, beim Eingang werden wir vom schrillen Gewieher eines jungen Hengstes des angrenzenden Gestüts begrüßt. Aufgeregt wirft er den Kopf in die Höhe, seine Mähne flattert, seine Hufe wirbeln den Staub hinter dem Holzzaun auf, der gleichsam als Vorhang
Salzburg zahlte im Barock zu den wichtigsten Zentren des Bene-diktinertheaters. Nichts eignete sich besser, eine gute rhetorische Aus-bildung zu demonstrieren, worauf man einst groBen Wert gelegt hat, als das Theaterspielen. Die Benediktiner und ihre Studenten in Salzburg pfleg-ten iiber 200 Jahre lang die Tradition des Universitatstheaters.Der Salzburger Theologiestudent und Theatermacher Thomas Schachl beruft sich auf diese Tradition, wenn er die Ergebnisse seiner Forschung und seiner Ambitionen auf der Biihne demonstriert. Angeregt von Hei-ner Boberskis Arbeit iiber „Das Theater der
Mit den ersten Strahlen der Frühlingssonne trafen Autorinnen und Autoren von internationalem Rang und Namen im Salzburger Gebirgsdorf Rauris ein: Brigitte Kronauer, Paul Nizon, David Grossmann, Christoph Bansmayr waren diesmal Brita Steinwendtners Ruf gefolgt, eine der traditionsreichsten Kulturveranstaltungen in Osterreich, diesmal unter dem Thema „Gewalt", (27. bis 31. März) mit ihrer Literatur zu bereichern. Der mit 100.000 Schilling dotierte Rauriser Literaturpreis ging an den Tiroler Raoul Schrott für seinen Roman „Finis Terrae", Brigitte Feusthuber erhielt den
Sollen Wissenschaftler ihre Arbeit in den Dienst des Staates stellen? Eine Frage, die bis heute, im Zeitalter der Gentechnologie, eines der wichtigsten Probleme darstellt. Als Bertolt Brecht sein Stück „Das Leben des Galilei" im Exil schrieb, hatte das „atomarische Zeitalter" gerade sein Debüt in Hiroshima. Brecht notierte in seinen Anmerkungen zum Stück: „Von heute auf morgen las sich die Biographie des Begründers der neuen Physik anders. Der infernalische Konflikt der Großen Bombe stellte den Konflikt des Galiliei mit der Obrigkeit seiner Zeit in ein neues, ein
Medea, die Brudermörderin, die Kindsmörderin, diese Bilder, die bis heute die Figur aus der Welt der griechischen Mythologie prägen, übermalt Christa Wolf in ihrem jüngsten Roman „Medea. Stimmen" . Sie läßt Euripides und seine Kollegen aus späteren Jahrhunderten abdanken. Corneille, Grillparzer, Anou-ilh und Hans Henny Jahnn hatten die Kindsmörderin zum Thema ihrer Dramen gemacht. Marie Luise Kaschnitz erzählte den Mythos von Medea ohne die männliche Zutat, den ihr von Euripides angedichteten Kindermord. In ihrer Darstellung der Medea geht die ehemalige DDR-Autorin Christa
Oft ist der Alltag in Schulen grau und trist. Zum täglichen Einerlei, Tests und Prüfungen, gesellt sich nicht selten die Enge in den Klassenräumen. Um diese im besten Wortsinne auszuräumen, startete eine Gruppe von acht Studenten an der Hochschule für Angewandte Kunst ein Projekt unter dem Titel „12Wo-chenKlausur" im Wiener Bundesrealgymnasium Stubenbastei Wien I. Die beiden kleinsten Klassen, eine zweite und eine siebte sollten erfahren, was angewandte Kunst sein kann, wenn sie in die Tat umgesetzt wird. Der schöne Schein allein genügte Wolfgang Zinggl, Gastprofessor an der
Der Austritt von Erzbischof Georg Eder aus dem Verein der „Freunde des Salzburger Landestheaters" sorgte in den letzten Tagen für einiges Aufsehen in den Medien. Stein des Anstoßes war die Stückauswahl in der letzten Zeit am Salzburger Landestheater. Dazu zählen „Volksvernichtung" von Werner Schwab, die Aufführung des Kabarettistenduos,, Affronttheater",, Af-fronttheater-Auting" und zuletzt das Stück „Was heißt hier Liebe?", das die Berliner Jugendtheatergruppe „Bote Grütze" bereits in den siebziger Jahren aufgeführt hat. Die Furche bat Erzbischof
Die literarischen Strategien der „Wiener Gruppe" aus den fünfziger und sechziger Jahren haben bis heute ihre Wirkung nicht verloren. Dies versucht, das traditionelle Literaturfest „Literatur im März" zu zeigen. Daß es zustande gekommen ist, mutet fast wie reiner Zufall an. Denn ursprünglich sollten, wie auch in den Jahren zuvor, Wendelin Schmidt-Dengler, Professor für neue deutsche Literatur an der Universität Wien und Bernhard Fetz ein Konzept zum Thema „Lügen in der Literatur" entwickeln.Kurzerhand wurde das erfolgreiche Team ausgebootet. Jemand aus Leipzig könne
Wenn man 65 Jahre Höflichkeit hinter sich hat, ist man dann noch imstande, darauf zu pfeifen?" Was passiert, wenn die hohe Hürde der Höflichkeit überwunden ist, das versucht die 28jähri-ge Belgierin Amelie Nothomb in ihrem neuen Roman „Der Professor" zu erzählen.Ein pensionierter Lateinprofessor, sein Ehegespons Juliette und ihr Nachbar, Palamede Bernardin, ein Kardiologe, dazu dessen fettleibige, geistig behinderter Frau, sind das Personal einer zu Beginn harmlos anmutenden Geschichte. Emil und Juliette Hazel können sich im Alter endlich ihreiji lang gehegten Wunsch
Was ist, wenn die Figuren eines Stücks erkennen, daß sie Figuren sind, was, wenn die Frage gestellt wird, „Wer weiß denn, was wirklich ist?" Dann wohnt man einem Stück von Woody Allen bei. Im Wiener Volkstheater, wo man die beiden Stücke „Gott" und „Tod" (bekannt von der Verfilmung „Shadows and Fogs") zur Aufführung brachte, blieb von Allens Pointen im ersten Teil des Abends kaum etwas übrig. Zwei antike Klamauk-Griechen, der Schauspieler Diabetes (mit trockenem Witz verkörpert von Hakon Hir-zenberger) und der Schriftsteller Hepatitis (Hannes Gastinger)
Ich schrieb heute mein neues Stück zu Ende - bis auf die letzten zehn bis zwanzig Zeilen. Ich weiß nem-lich (sie) noch nicht, ob der Held sich - oder die Heldin umbringt. Ohne eine schwere Verwundung wirds keineswegs abgehn." Dies schrieb Arthur Schnitzler am 18. Jänner 1893 an seine damalige Geliebte Marie Glü-mer. Florentin Groll (Regie) hat das Stück „Familie" für das Burgtheater neu entdeckt. Im Kasino am Schwarzenbergplatz kam es endlich zur Uraufführung. Mit Erfolg! Gespielt wird auf drei Bühnen, oft simultan: in der Mitte der bürgerliche Salon der wohlhabenden
Seniores wurden im Rom der Antike die älteren Kriegspflichtigen genannt, die Fünfundvierzig- bis Sechzigjährigen. Senior ist der Komparativ, die Steigerung des Adjektivs senex (— bejahrt, alt) und heißt reifer.Im heutigen Sprachgebrauch verlagerte sich die Bedeutung dieses Adjektivs auf ein drittes Lebensalter, das mit dem Erreichen des sechzigsten Lebensjahres aber oft auch mit dem Eintritt in den Ruhestand angesetzt wird. Daß Ruhestand aber nicht unbedingt ein Verweilen im Nichtstun heißt, beweisen Legionen von Senioren, die in ihrer Pension (Pension kommt vom lateinischen
Als Streiter für die österreichische Literatur, macht er bereits seit 1 M.mehr als dreieihnhalb Jahrzehnten von sich reden, als Romancier hat fer lange auf sich warten lassen. 1972, als Alfred Kolleritsch seinen ersten Roman „Die Pfirsichtöter" veröffentlichte, konnte er bereits auf zwei Dezennien zurückblicken, in denen er die österreichische Literaturgeschichte nachhaltig geprägt hatte. In seinen zwei Funktionen, einerseits als Leiter des Forum Stadtpark in Graz und andererseits als Herausgeber der Literaturzeitschrift „manuskripte" ließ der ehemalige Mittelschullehrer
Ich kann die Gestapo nur jedermann aufs beste empfehlen". Was Sigmund Freud seinem Visa-Antrag anfügte, erscheint als Grundsatz des Stücks „Der Besucher" des 36-jährigen französischen Autors Eric-Emmanuel Schmitt, das in der feinnervigen Inszenierung von Helga II-lich zur deutschsprachigen Erstaufführung gelangte. Obwohl sich Schmitt nicht genau an historische Fakten hält - so ist Freud mit Anna allein, als diese von einem Gestapo-Mann (authentisch verkörpert von Alfred Schedl) abgeholt wird - legt er Freud Sätze aus Irving Stones Freud-Biographie in den Mund.Statt an seine
Im Bruchteil einer Sekunde konnte ich feststellen, daß die Badewanne leer war." Seit zwei Tagen war sie spurlos verschwunden, ohne Anzeichen, ohne Vorankündigung war sie aus ihrem täglichen Leben einfach weggetaucht. Sie, das ist die Mittsiebzigerin Anneke Weiss. Einen Sohn, Mitte dreißig, und einen verzweifelten Liebhaber läßt sie zurück. Beide befürchten Schlimmes und machen sich gemeinsam auf die Suche nach der Verschwundenen.Kanm drei Jahre, ist £s her, daß der Filmemacher und Schriftsteller Leon de Winter als junger Shoo-ting-Star mit der witzigen und zugleich traurigen
In der Unheimlichkeit steht das Dasein ursprünglich mit sich selbst zusammen." Diesen Satz Martin Heideggers stellt Hartmut Lange seinem Novellenband „Schnitzlers Würgeengel" als Motto voran. Doch einzig in der Titelnovelle wird der Begriff des „Unheimlichen" seiner konventionellen Bedeutung des Düsteren und Geheimnisbergenden gerecht. Das Erzähler-Ich, das sich anfänglich wie ein vertrauter Zeitgenosse Schnitzlers benimmt, entpuppt sich bald als besonderer Gast, nämlich als Zeitreisender, was Schnitzler interessiert zur Kenntnis nimmt: „Er musterte mich, ihm war die
Am Donnerstag vergangener Woche erschütterte ein offener Brief von Gerhard Ruis von der IG Autoren (Interessengemeinschaft österreichischer Autorinnen und Autoren) und Heinz Lunzer, der Leiter der Dokumentationsstelle für neue österreichische Literatur, die rotweiß-rote Kulturlandschaft. Mehr als 300 kulturschaffende Institutionen haben den Brief unterzeichnet. Das Kulturbudget soll um 50 Prozent gekürzt werden. Kaum war der Brief im Finanzministerium angelangt, wollte man von einer 50prozentigen Kürzung nichts wissen. Eine 30 bis 40 prozentige Kürzung des provisorischen Budgetansatzes
Brasilien, sowohl Ziel jener, die vor den Nationalsozialisten flüchteten, wie jener, die einst den Nazis gedient hatten, bildet den Rahmen zu Christoph Ransmayrs Roman „Morbus Kitahara".Bering, ein Kind des Krieges, geboren in der Bombennacht von Moor, Sohn eines Kriegsveteranen und einer Mutter mit religiösem Wahn, hat bei einem Überfall durch die Kahlköpfe einen der Angreifer erschossen. Das Bild seines Opfers wird ihn nicht mehr loslassen. Schwarze Flecken schränken sein Augenlicht ein. Morbus Kitahara heißt die Krankheit, an der er leidet, die zumeist Soldaten oder
Sohält der entmündigte Friedrich Glauser 1937 sein Vorhaben brieflich fest: „Ich möchte probieren, ob es nicht möglich ist, ohne sentimentalen Himbeersyrup, ohne sensationelles Gebrüll Geschichten zu schreiben, die meinen Kameraden, den Gärtnergehilfen, den Maurern und deren Frauen ... kürz der großen Mehrzahl gefallen, weil sie spannend sind und doch so geschrieben sind, daß auch Leute, denen alles Höhere fremd ist sie verstehen. Sie werden sagen, das sei ein Unsinn und unmöglich. Ich glaube das nicht einmal. Man muß sich nur geduldig hinsetzen und lernen. Lernen zu erzählen,
Die Kunst, die keine Potenzen der Zukunft in sich birgt, die also nur das Kind der Zeit ist und nie zur Mutter der Zukunft heranwachsen wird, ist eine kastrierte Kunst. Sie ist von kurzer Dauer und stirbt moralisch in dem Augenblicke, wo die sie gebildet habende Atmosphäre sich ändert". Der Satz stammt aus der Feder eines Künstlers, dem es Zeit seines Lebens auf die Weiterentwicklung seiner Arbeit ankam, der „das Prinzip der inneren Notwendigkeit" ins Zentrum seines Schaffen rückte.Die Rede ist von Wassily Kandinsky, dem eine Ausstellung im Münchner Lenbachhaus gewidmet Ist.
Die Dinge gehen durch ihn hindurch. Was er sieht." Diese letzten zwei Sätze von Ulrich Peltzers Boman mit dem lakonischen Titel „Stefan Martinez" fassen gleichsam das Programm des hochar-tifiziellen Buches zusammen.Berlin in den neunziger Jahren und ein Mann im Alter von 28 Jahren, das sind die Helden. Zwei Tage im Leben dieses Martinez sind Peltzer genug, um fast 600 eng bedruckte Seiten zu füllen. Zwei Tage, an denen nichts Außergewöhnliches vorkommt: Stefan Martinez fährt mit der S-Bahn zur Arbeit ins Architekturbüro, geht ins Kaffeehaus, ißt mit seiner Freundin, sieht
Die Polizei nimmt jeden Hinweis ernst. Sie arbeitet rund um die Uhr. Stündlich gibt es neue Verdächtige. Ein Thriller über die Rriefbomben? Mitnichten. Die Szenen stammen aus Gustav Emsts Roman „Einsame Klasse". Der Titel verspricht nicht zuviel.Wien, 1976. Die Entführung des Industriellen Palmers und die Arena-Besetzung sorgen täglich für Schlagzeilen, doch bis dahin wartet der Autor mit packenden 173 Seiten auf. Die Handlung setzt im März, kurz vor dem traditionellen Tag der Lyrik, ein und führt den Leser mitten in den Literaturbetrieb, der sich, wie man sieht, in den letzten
Republik-Jubiläum, Österreich-Schwerpunkt auf der Frankfurter Buchmesse, Gründe genug für Österreichs Verlage, eine Anthologie nach der anderen auf den Markt zu schicken, ob es sich um eine Gedichtsammlung handelt, „Beden über Österreich" oder Gespräche mit Autoren. Umso erstaunlicher ist, daß trotz dem problematischen Genre beachtenswerte Bände dabei sind.An erster Stelle - nicht nur zahlenmäßig - steht der Residenz-Verlag mit drei Anthologien. „Reden über Österreich" ist eine Sammlung von Aufsätzen österreichischer Intellektueller über ihr Land, die bereits im
Was macht ein Elch im Wohnzimmer, oder handelt es sich vielleicht nur um die Werbung eines schwedischen Möbelhauses? Mitnichten. Der Leser befindet sich mitten im neuen Erzählungsband von Evelyn Schlag „Unsichtbare Frauen". Drei Frauen, drei Erzählungen, das ist aber auch schon das einzige, das sie mit ihrem berühmten Kollegen Robert Musil verbindet.Ehebruch zahlt sich nicht aus, dies wird im besten Sinne in Schlags Buch deutlich, auch wenn die Erzählerin vorgibt, sich auf ihr Fach, das Erzählen von Liebschaften, zu verstehen. In der ersten Erzählung wird der Leser Zeuge eines
Goethe, das ist eine gigantische Selbstinszenierung, ein täglich vollzogenes Ritual, der zur Kunsthaftigkeit erstarrte Alltag.” Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Nietzsche, Theodor W. Adorno, Konrad Lorenz, Günther Anders, Sir Karl Popper, um nur einige zu nennen, sind die Helden in Konrad Paul Liess-mans jüngstem Essayband „Der gute Mensch von Osterreich.” Liessmann ist Philosoph an der Universität Wien und bekannt durch seine zahlreichen Bücher, aber auch durch seine Esssays, die nicht selten für großes Aufsehen gesorgt haben. So etwa sein Aufsatz zum 100. Geburtstag von Walter
Ein Provinzroman kommt selten allein. Sein ständiger Begleiter oder besser sein Schatten ist ein Motiv, das sich erst allmählich in der österreichischen Literatur nach 1945 einnistete, nämlich der Fremdenverkehr. Bei manchen Autoren kann man fast eins zu hundert wetten, daß dieses Thema auch in ihrem neuesten Werk vorkommen wird.Norbert Gstrein ist einer von ihnen. Wenn er sich dann auch noch in das Genre des Kriminalromans vorwagt, kann man schon auf einiges gespannt sein. Umso enttäuschender ist es freilich, wenn die Spannung dann ausbleibt, wie, leider, in Norbert Gstreins jüngstem
Ein Familienroman im bösesten Sinne ist Monika Wogrollys Roman „Ins Feuer”. Erzählt werden die Geschichten von vier Schwestern, die in der Enge eines Einfamilienhauses, des elterlichen Zweitwohnsitzes, ihren Sommer verbringen. Wer dabei an Tschechow denkt, sollte sein literarisches Gedächtnis rasch wieder zum Schweigen bringen, denn auf ländliche Langeweile oder sommerliche Idylle braucht man bei dieser Autorin gar nicht zu hoffen.Weder ihren Lesern noch ihren Figuren gegenüber kennt Wogrolly Rücksicht. Beide zieht sie in den Sog ihrer Sprache, die immer wieder umzukippen droht, um
Seien wir in der Steiermark!, heißt es in Elfriede Jelineks Roman „Die Kinder der Toten”. Die Steiermark, die Umgebung von Peter Roseggers „Waldheimat”, ist Ort der Handlung. Im Zentrum steht die „Pension Alpenrose”, ein Mittelding zwischen dem berüchtigten „Hotel California” der Eagles (amerikanische Folk-Rockgruppe, besonders erfolgreich in den siebziger Jahren) und „Einfried”, dem Sanatorium in Thomas Manns Zauberberg, denn die Auswege sind zwar keine Holz- sondern Schlammwege, aber mit Sicherheit Wege ins Nichts.Die „Alpenrose” ist Treffpunkt für urlaubende
Miroslav Blam heißt der Held in Aleksandar Tismas Roman, doch ist er das Gegenteil dessen, was von einem Helden erwartet wird. Von seiner Rolle als Schützling im gut bürgerlichen jüdischen Haushalt mit Anspruch auf höhere Bildung wechselt er nahtlos in den Schoß der Ehe mit einer Christin, was ihn vor der Vernichtung durch die deutschungarische Besatzung in Novi Sad während des Zweiten Weltkriegs bewahrt. Gerettet, also? Mitnichten, denn „er hörte auf, irgendetwas zu sein, er wurde ein Nichts”.Ein Pendant zum alttestamentarischen Hiob, wird Blam einer einzigen Prüfung unterzogen,
ET. A. Iloffmann, James Joyce oder Charles Baudelaire sind nur eine kleine Auswahl eines illustren üichterkreises, die jenen geheimnisvollen Wesen auf vier oft ebenso sanften wie gefährlichen Pfoten siegreich zum Opfer gefallen sind. Katzen: „des wissens freunde und der sinnesglut”, liebevoll von Stefan George in seiner Baudelaire-Übertragung besungen, wußten seit jeher Dichter zu Höchstleistungen anzuspornen.Von den Ägyptern als heilige Tiere verehrt, im Mittelalter als Komplizen von Hexen verbrannt, verstehen sie sowohl durch ihre Geschichte, aber noch mehr durch ihr enigmatisches
Geschichten vom Altern haben meist etwas Abschreckendes, der Verfall erscheint bedrohlich, alles geht auf ein sicheres Ende zu. Nicht so bei Alfred Pittertschatscher:„Sämtliche Alteleutgeschichten lassen sich freilich nur als Geschichten von alten Leuten erzählen. Und vor allem: Es gibt für sie kein eigentliches Ende, weil es keinen eigentlichen Anfang gibt. Alles gerät mit den Jahren durcheinander. Auch einmal erzählt, muß es für immer ein Durcheinander bleiben.”Keine Eigentlichkeiten, sondern erfundene Wahrheiten verdichtet Pittertschatscher in seinem zweiten Ruch „Kommen und
Was macht ein Psychoanalytiker, wenn er ein psychoanalytisches Interview mit Elfriede Jelinek führt? „Die Beziehungen zwischen der Frau und der Künstlerin Jelinek faßbarer” erscheinen lassen, so der Klappentext, oder, in Adolf-Ernst Meyers eigenen Worten „hinter ihren Texten die Frau aufspüren”.Da Jelinek naturgemäß nicht als einzelnes Fallbeispiel vorgeführt werden will, wird nach einer weiteren Schriftstellerin gesucht. Als „idealer Paarling” für den Interviewer gesellte sich die deutsche Autorin Jutta Heinrich dazu, oder besser, wurde dem Psychoanalytiker und Interviewer
Hegel hörte den Kanonendonner der Schlacht von Jena, als er seine „Phänomenologie des Geistes” schrieb, Georg Lukäcs hatte den verhallenden Schlachtenlärm des Ersten Weltkriegs noch im Ohr, als er seine „Theorie des Romans” entwarf, und Robert Menasse vernahm vielleicht das etwas'leisere Abbröckeln der Berliner Mauer, als er den letzten Teil seiner Romantri-logie zu schreiben begann. (Ein Stipendium hatte dem Autor 1993/94 einen fast einjährigen Berlinaufenthalt ermöglicht.)Kein Wunder also, daß Menasses jüngster Boman just 1989, zur Zeit der Wende, spielt. Nicht nur die Zeit,
„ihr seid mir zu schläfrig mitbür-ger”, heißt es in dem gleichnamigen Gedicht Walter Buchebners vor mehr als dreißig Jahren. Dieser Satz eines dem Vergessen Anheimgegebenen hat nichts an Aktualität eingebüßt. „Perfect timing” eines Gedichtbandes, in dem es heißt: „man ist neutral und antirevolutionär / schwarz und rot sind die gleichen färben”.Es mag fast schon selbstverständlich anmuten, daß heute niemand mehr etwas von jenem unbequemen Zeitgenossen wissen will, der zum aktiven Mitdenken auffordert, der vor den Nazis desertierte und den Grundstein zur neuen Dichtung in
Neun liegt das zweite Buch von Marie Therese Kerschbaumers Entwicklungsroman vor. „Ausfahrt” setzt die Geschichte Barbarinas fort, die bereits aus dem ersten Band „Die Fremde” (Furche 4/1993) bekannt ist. Sie wuchs als Kind von seinen Eltern getrennt in Tirol während der Nazizeit bei Verwandten auf.Die Handlung dieses Teiles in Stichworten: Barbarina, mittlerweile 17 Jahre alt, ist der rauhen Tiroler Dorfgemeinschaft der Post-Nazi-Ära ebenso überdrüssig wie ihres Geliebten, eines verheirateten und, wie sich herausstellt, total verschuldeten Mannes. Sie flüchtet nach England. Als
Akribische Recherchen, bislang unbekannte Details, ein neuer Blick auf Schnitzlers Werk und die Kunst, alle Fakten zu einem Bild zu vereinen, sind nur einige Vorzüge dieses Bandes.Arthur Schnitzler, der von sich nichts preisgeben wollte, als jenes, was er „für die Öffentlichkeit geschrieben hatte“, also seine literarischen Arbeiten - möchte man zunächst annehmen - führte penibel wie kein zweiter Protokoll über sich selbst. Seine Tagebuchaufzeichnungen sind aber längst kein Geheimnis mehr, die er für die Nachwelt verfaßte, wie er selbst 1918 notiert: „Es ist mein brennender
H.C. Artmann beweist in seinem neuen Band „Register der Sommermonde und Wintersonnen“ einmal mehr seinen Reichtum an (skurillen) Einfällen, Bildern und Erkenntnisssen.
„Das optimale Theaterstück / wäre ein Theaterstück / bei dem man das Publikum knebeln / und an seine Plätze fesseln muß.“ Zwar nicht geknebelt, aber an seinen Platz gefesselt sitzt ein Dichter mit seiner gefesselten und geknebelten Schwester in seiner Wohnung. Räuber, so auch der Titel von Egyd Gstättners jüngstem Band, haben das Geschwister- paar vor der Uraufführung des Stücks des Dichters in dessen Heimatstadt überfallen und einzig seinen Ballograph entwendet.Schwestern, gefesselt oder dominant, wie im Binnenstück, „Schopenhauer“, lassen nicht allein eine bernhardische
Internationale Zone, der Gemeinschaftsroman von Milo Dor und Reinhard Federmann aus den Nachkriegsjahren in Wien wurde „rekonstruiert“ und neu herausgegeben.
Prosaskizzen sind es, in denen Sarah Kirsch in ihrem neuen Band einen Einblick in ihr Leben als Schriftstellerin gewährt. So darf der Leser mit ihr nicht nur ein Jahr verbringen, das Jahr des Golfkriegs, er darf sie ebenso auf die Schafweide begleiten wie bei der Entstehung ihres Gedichtbands „Erlkönigs Tochter“ dabeisein. „Um vom Sturm etwas zu begreifen oder gar vermitteln zu können, muß man an der Grenze zwischen Wasser und Land angestammt sein, dort wo er sich auf die Welt wirft, frisch und ungebrochen direkt aus dem Äther“. Und dort siedelt Sarah Kirsch ihre Beobachtungen an;
Im Jahr 1960 nennt Gerhard Fritsch Graf Antoine Jean-Bapti-ste Marie Roger de Saint-Exuperys literarisches (Euvre ein „verpflichtendes Vermächtnis". Heute, fünfzig Jahre nach Saint-Exuperys Tod, rekonstruiert ein Bildband das Leben des „Pilot de Guer-re" und Schriftstellers. Herausragend ist Exuperys darin aufgenommener Brief an einen Amerikaner, in dem er über das Wesen der Nation an sich reflektiert, wie über die Groteske der Entzweiung durch den Krieg: „Man atmet in seiner eigenen Heimat Sauerstoff, der in den Vereinigten Staaten hergestellt wurde. Luft aus New York am
Elisabeth Reichart schreibt hier über Helene von Druskowitz die erste Österreicherin, die mit 22 Jahren zum Doktor der Philosophie promoviert wurde. „Sakkorausch ' wurde bei den Wiener Festwochen 1994 uraufgeführt. Ein innerer Monolog der Antiheldin Helene von Druskowitz erzählt die Geschichte einer Frau, die sich gegen die Konventionen stellte, die sich gegen eine Ehe und für die Philosophie entschied, die sich „Sakkorausch" oder „Sakkrosankt" nannte und schließlich 13 Jahre nach ihrer Promotion an der Universität Zürich 1891 in die Irrenanstalt kam.Doch konnte man sie
Mit zwei sehr unterschiedlichen Büchern wird anläßlich seines 70. Todestages der Dichter Franz Kafka zum literarischen Vorbild, aber auch zur Romanfigur.
Um bei einer Biographie nicht in beiletristisch anmutendes Erzählen abzudriften, bedarf es akribischer Recherchen. Und darin liegt die Stärke dieses Buches.
An seinem 25. Todestag scheint der österreichische Schriftsteller Gerhard Fritsch, ohne den die österreichische Literaturgeschichte anders geschrieben worden wäre, Opfer des Vergessens geworden zu sein.