Am Bittersee, 1. November 1946Wieder Allerheiligen. Zum zweitenmal in der Gefangenschaft. Wenn wir auch noch durch tausende Kilometer getrennt sind, so weißt du heuer wenigstens, daß ich zu euch zurückkehren werde. Ich besuchte heute den hiesigen Soldatenfriedhof, wo eine schlichte Feier abgehalten wurde, bei der wir, die wir jetzt um unsere nahe Heimkehr wissen, derer gedachten, die ihre Heimat nicht mehr wiedersehen werden.-Für viele-der Toten, die hier ruhen, war es wahrscheinlich das erste und letzte Mal, daß Landsleute an ihren Gräbern standen. Wenn der letzte Kriegsgefange Ägypten
Ägypten, am Heiligen Abend 1945Weihnachten hat heuer für mich eine ganz andere Bedeutung als in allen früheren Jahren. Diese Bedeutung ist bestimmt durch den Ort, an dem ich mich befinde, und durch das abermalige Fernsein von euch. Angesichts des Zusammenbruchs aller Hoffnungen, die wir beide in das Weih- nachtsifest 1945 gesetzt hatten, wirst du es mir nicht verübeln, weinn meine Pestigedanken flügellahm sind in dieser Stunde, die ums so arm am jener Gemeinschaft findet, die wir uns für das Ende des Krieges erhofften.Ich weiß dich nicht einmal in der Gewißheit meiner Existenz, aber
Einer von den vielen tausenden österreichischen Kriegsgefangenen des .zweiten Weltkriegs nimmt hier das Wort, um der besonderen seelischen Situation, in der sich diese Österreicher als Angehörige eines vergewaltigten Volkes befanden, Ausdruck zu geben — nicht in nachträglichen Reflek- tionen, sondern in echten Tagebuchaufzeichnungen. Der Autor hat stellvertretend für alle österreichischen Kriegsgefangenen, aber auch für ihre Angehörigen in der Heimat, seine Stimme erhoben, um eine zutiefst menschliche Tragödie dem Vergessen zu entreißen. In diesem Buch wird jedoch keine Anklage