Das Buch „Philipp II. oder Religion und Macht“ von Reinhold Schneider fällt mir ein, während ich den ersten Rundgang durch die Säle der Ausstellung „Große spanische Meister“ mache, die jetzt in Stockholm zu sehen ist. Wie man sich auch zu diesem Buch stellen mag — es gelang dem Autor, die Gestalt des spanischen Königs, der bis dahin — im Sinn von Schillers „Don Carlos“ — auf den Typus des finsteren, kalten Tyrannen fixiert war, gewissermaßen aufzuhellen. Er zeigte ihn als den Erleidenden eines unausweichlichen, religiösen Auftrags. Dem einsamen Herrscher schwebte eine
Kaum jemals hat ein Nobelpreis in Schweden, der Heimat der Nobelpreise, eine ähnliche Unruhe hervorgerufen wie der an Boris Pasternak vergebene im November 195 8. Man fragte sich, ob das Buch wirklich die Auszeichnung verdient und ob bei der Wahl nicht vielleicht Motive mitgespielt hätten, die das Werk überschätzten. Es geschieht freilich nicht zum erstenmal, daß solche Zweifel laut werden: nach der Verleihung des Nobelpreises an Gabriela Mistral 1945 war es ebenso der Fall, und eigentlich mehr oder weniger nach jedem Preis. Aber diesmal war die Frage wegen der ehrenrührigen Vorwürfe
In dem jüngsten Essayband Sven Stolpes „Stefan George och andra studier“ (Stockholm, Bonniers 1956) sind dem deutschen Dichter und seinem Jünger Friedrich Gundolf ungefähr zwei Drittel des Buches eingeräumt, während der Rest Aufsätze über die Schweden Bertil Malmberg, Harry Martinson, Sven Lidman, ferner Claudels Dramatik und Charles du Bos' Tagebuch enthält. — Es handelt sich bei diesen „Studien“ keineswegs um neutrale, literarhistorische Untersuchungen, sondern um etwas Wichtigeres. Stolpe will hinter die groß aufgemachte Kulissenwelt dieser Erscheinung schauen, deren
Manchmal war es für den Deutschen, der Schweden in den dreißiger Jahren besuchte, erstaunlich, daß die wirkliche Weltberühmtheit der Selma L a g e r 1 ö f nicht ausreichte, um sie vor dem despektierlichen Urteil zu schützen, das damals deutlich im Ansteigen war. Man lächelte über sie, wenn das Gespräch auf sie kam, man nannte sie ..Tante Selma“. Erst bei nähere; Kenntnis des neuen Schweden verstand man, daß es sich hier um einen klaffenden Generationsbruch handelte. Die Dichterin, die trotz ihres Alters Millionen Leser der ganzen Welt faszinierte, hatte sich in ihrer Heimat
Nach dem Erscheinen von „Barabbas“, Pär Lagerkvists berühmt gewordener Erzählung und dramatisiertem Film, erwartete man mit Spannung, wie das nächste Wort des Dichters ausfallen würde. Hier schien ja die Gjaubensfrage mit der ganzen Realität und Wucht des modernen Menschen gestellt, und ein weiterer Schritt mochte Bestärkung in der einen oder anderen Richtung ergeben.Als im Oktober 1953 das neue Gedichtbuch Pär Lagerkvists in seinem aschgrauen Einband, wo mit weißer Schrift der Titel „Aftonland“ gedruckt stand, in den Stockholmer Auslagen auftauchte (Bonniers), war es nicht
Seit dem Koreakrieg hat kein Ereignis Schweden so in den Bann gezogen wie der Prozeß gegen den Bischof Dick Hclin- d e r, der von Anfang November bis Mitte Dezember 1953 im Rathaus von Upsala stattfand. Fast tägliche Riesenlettern der Zeitungen und ihrer Laufzettel erinnerten daran. Begegnete man Bekannten, saß man um einen Tisch, diskutierten Studenten, Arbeiter, Beamte, Künstler, Intellektuelle, Priester, so war man fast unmittelbar bei dem brennenden Thema. Alle Schichten waren davon ergriffen.Eigentlich ließ das offenbare Mißverhältnis von wirklich Geschehenem und seiner Wirkung
Als August Strindberg in den achtziger Jahren sein „Wahrheitssagen“ gegenüber einem akademischen Klassizismus und romantischen Idealismus verkündete, wurde es bald wie eine Befreiung aufgenommen.Es war die Fassade einer falschen Repräsentanz, auf die es Rebellen wie Strindberg mit ihrer „Ehrlichkeit“ vor allem abgesehen hatten. Die Welt von heute hat ihnen und den Pionieren der Jahrhundertwende in der Tat manches zu danken. Sie möchte etwa auf dem Gebiet der Architektur die Ehrlichkeit nicht mehr missen, die sie mit der neuen Parole der „Funktion“ von den neugotischen
Kierkegaards Denken bildet so stark die Keimzelle für moderne Dichtung und Philosophie, daß es nicht verwunderlich ist, seinen Namen immer wieder in der Diskussion des Tages zu finden. Martina Wieds Roman „Kellingrath“, das kürzlich erschienene Kompendium einer Kritik der Zeitströmungen von Erich Przywara „Humanitas, der Mensch gestern und morgen“ (Glock und Lutz, 1952) und die beiden Versuche einer Darstellung der Existenzphilosophie, die in Oesterreich und Dänemark erschienen sind und unabhängig voneinander den gleichen Titel „Von Kierkegaard zu Sartre“ tragen (Leo Gabriel
Dr. Johanna Schomerus-Wagner hat ein verdienstvolles Werk mit der gewissenhaften Darstellung von 65 modernen Dichtern geleistet, die sie für die katholische Literatur deutscher Sprache für repräsentierend hält (Deutsche katholische Dichter der Gegenwart. Glock und Lutz, Nürnberg 1950. 197 Seiten). Wir besitzen nun ein praktisches Nachschlagewerk, das bis jetzt gefehlt hat.Darüber hinaus besteht das Wertvolle der Sammlung in der generösen Art, womit sie das Thema behandelt. Ein einleitender Essay klärt über die wesentlichen Gesichtspunkte auf, die besonders für den deutschen Raum
Am 16. September 1920 brachten die Stockholmer Blätter eine Nachricht, die Aufsehen und Bestürzung erregte: der Dichter Dan Andersson, der in einem Hotel der Stadt übernachtet hatte, war am Morgen tot aufgefunden worden. Wer seine Dichtung kannte, mochte glauben, daß er freien Willens aus dem Leben gegangen war: die Tat wäre mit den schweren, verzweiflungsvollen Versen der jüngsten Zeit vereinbar gewesen. Aber die näheren Erklärungen ließen diesen Tod in einer ganz anderen Tragik erscheinen, vor der man ratlos stand. Das Hotelzimmer, das Dan Andersson spät nachts bewohnt hatte, war
Der nachstehende Aufsatz stützt sich auf das schwedische Buch „Till Jerusalem“ des Grafen Folke Bernadotte, worin seine Bemühungen um die Waffenruhe zwischen Arabern und Juden dargestellt werden. Die Aufzeichnungen, meistens Diktate während der Flugreisen, wurden nach seinem Tod gesammelt und in diesem Band zusammengestellt. Sie wirken, angesichts des Einsatzes, den Folke Bernadotte geleistet hat, erschütternd und zeigen einen Mann von großem Format. Wenn Konsequenz des Lebensweges ein Element der Größe ist, so hat Folke Bernadotte Anspruch darauf.„Am Vormittag des 13. Mai
Es war im Herbst 1946. Ein Bekannter hatte mir einen ganzen Stoß von Zeitschriften übergeben, die eine Schwedin jüngst in Österreich gekauft und nach Stockholm gebracht hatte. Zeitschriften aus Österreich! Da saß ich nun und blätterte in diesen Kundgebungen — den ersten, die ich seit acht Jahren zu Gesicht bekommen hatte. Was würden sie enthalten?Vor allem auffallend waren die expressiven Titel. „Die Brücke“, „Der Turm“, „Die Bastei“ hießen sie und ließen auf ein neues gespanntes Leben und Wollen schließen. Altes und bis jetzt Unbekanntes fand ich, Namen, wie Trakl
In der sehr zahlreichen KZ-Literatur ist — wohl weil dem deutschen Verleger lange der Weg in das Ausland sehr erschwert war — ein Buch fast untergegangen, das die gewesene Sekretärin Friedrich Muckermanns zur Verfasserin hat. Nanda Herbermann schrieb ihren in Nürnberg erschienenen Erlebnisbericht, nachdem sie den Schrecken einer zweijährigen Gestapo-Haft entronnen war.Als Münsterer Sekretärin Friedrich Muckermanns, dieses großen Publizisten aus dem Jesuitenorden, gehörte sie zu dem Kreis jener Personen, nach denen die Gestapo alsbald fahndete, da sie in Muckermann und seinen
Im Oktober 1949 ist in Oslo (J. W. Cappelens Förlag) ein Buch erschienen, das in kurzer Zeit eine Reihe von Neuauflagen erlebt hat. Es heißt „Petter Moens Dagbok“. Der Verfasser, ein Norweger, war während der Niederschrift — vom Februar bis September 1944 — ein Mann in den Vierzigerjahren, der wegen illegaler Arbeit gegen die Besatzungsmacht verhaftet und in das berüchtigte Gefängnis Möllergaten 19 gebracht worden war. Er hatte bis Neujahr 1944 das englische Propagandablatt „London Nytt“ geleitet.Zunächst kam Moen in eine Einzelzelle und hier, mit einem Schlag der Freiheit
Der Blick des Nordens ist nach dem Westen gerichtet: nach Amerika, England und Frankreich. Die skandinavischen Länder kommen als Stammverwandte, die Schweiz, Italien als Reiseländer an nächster Stelle, und erst zwischen der Abgelegenheit Spaniens oder des Balkans erhält Österreich seinen Platz. Das bedeutet freilich nicht, daß zu ihm nicht ein intimeres Verhältnis bestünde als zu manchem der erwähnten Länder. Schweden liebt Österreich. Es hat seit dem ersten Weltkrieg immer wieder helfend eingegriffen und ist ihm dadurch wie der Wohltäter seinem Schützling menschlich
Konnte noch vor drei Jahren ein Feuilletonist in „Svenska Dagbladet“ bedauernd feststellen, daß die wichtigsten modernen Werke der katholischen Weltliteratur in Schweden unüibersetzt geblieben sind, so verhält sich dies heute durchaus anders. Mau- riac, Maritain, Bernanos, Chesterton, Green, Gertrud von le Fort und andere liegen in schwedischer Sprache vor und Übersetzungen theologisch-philosophischer Werke wie „Das Leben der Seele“ von Dom Marmion werden vorbereitet. Man kauft gern katholische Bücher, und die Kritik ist keineswegs einseitig ablehnend, sondern oft mehr zustimmend,
Es begann damit, daß die Tageszeitung „Dagens Nygheter“ im Mai 1947 in einer Enquete christliche Theologen aufforderte, zur Frage des „Lebens nach dem Tod e“ sich zu äußern. Natürlich suchten die Befragten zu erklären, welche Gründe sie zum Glauben an die Unsterblichkeit der Seele bewogen. Ein paar Tage nach Veröffentlichung der letzten Antwort erschien ein Aufsatz über eben dieses Thema, dem schließlich eine ganze Serie nachfolgte. Der Autor I n- gemar Hedenius, damals noch Dozent an der Universität Upsala, suchte darzuilegen, daß es — keine Unsterblichkeit gäbe. Er
Es gehört zum Zauber einer Wanderung durch Schweden, daß man unvermutet dem Runenstein begegnet. Einsam steht er an der Landstraße oder mitten im Acker oder am Waldrand. Sein bläulicher, vorn zur Fläche zubehauener Granit ist überwellt von den wechselnden Schatten des Birken- und Eschenlaubes, umstanden vom Dunkel des Nadelwaldes — immer aber einbezogen in die mütterliche Landschaft des Nordens.Die Vorderseite ist erfüllt von den reichlichen Schlingen eines Ornaments: einer oder vieler in sich selbst verwickelter Schlangen, an denen man Köpfe mit mandelförmigen Augen,
Es gehört tu den Rätseln der Weltgeschichte, wie die Familie Bemadotte das Herrscherhaus Schwedens geworden ist. Rätselvoll vor allem, wenn man die Macht der eifersüchtigen damaligen schwedischen Aristokraten und die Empfindlichkeit bedenkt, die der Norden gegen eine fremde und bürgerliche Dynastie haben mußte. Carl Johann, der erste Bemadotte, hieß Jean Baptist, kam aus der kleinen Stadt Pau in Südfrankreich und war, obzwar sich seine Familie dort schon 1615 nachweisen läßt, kein Adeliger. Seine Frau D siree war die Tochter eines Seidenfab.rikanten namens Clary aus Marseille. Beide
Als die beiden Brüder Josef und Wilhelm von Eichendorff im Oktober 1810 im kaiserlichen Wien eintrafen, kamen sie eigentlich nur, um die Universität zu besuchen. Sie hatten ein Gesuch an die hochlöbliche Studien-Hof-Kommission gerichtet, als „geborene preußische Untertanen“ ihre juridischen Studien, die sie fünf Jahre lang in Halle und Heidelberg betrieben hatten, hier fortsetzen und sich dadurch österreichische Zeugnisse erwerben zu dürfen. Ihr letztes Ziel war eine Staatsanstellung in der Monarchie, was ihnen nicht bloß aus äußeren Gründen als schönster Beruf vorschwebte.Das
Als Strindberg 1886 in der Sdiweiz lebte, befand sich auch ein anderer schwedischer Dichter dort, dessen Name damals noch unbekannt war: Verner von Heidenstam. Er hatte nicht minder unstet wie Strindberg die Aufenthalte gewechselt und sich endlich mit seiner Frau Emilia Uggla im Aargau niedergelassen. Ihn hatte freilich nicht die Opposition gegen die schwedische Gesellschaft und Literatur in diese Fremde getrieben, sondern seine mangelnde Gesundheit. Er litt an Skrofulöse und so bedurfte er eines südlicheren Klimas und der starken Ge-bigrsluft der Alpen.Damals war Heidenstam ein Aristokrat
Am 11. Mai 1945 starb in Santa Barbara in Kalifornien der österreichische Franziskanerpater Cyrill Fischer; er wurde in der Old Mission des dortigen Konvents begraben. Die Tafel seines Grabes trägt die kurze Inschrift: „Cyrill Fischer O. F. M. Obiit 11 Maii 1945. Aet. 52. Prof. 33. Sac. 22. R. I. P.“.Wenige nur wissen, welches Leben sich hinter diesen kargen Daten verbirgt. Das Vergessen zieht es schon in das Meer seiner Unendlichkeit und mit jedem Tag, der dahingeht, entschwindet es unseren Blicken mehr.Wenn ich Pater Cyrill in seinem Wiener Kloster besuchte, pflegte er mir selbst die