Vor bald sechs Jahrzehnten, im Dezember 1907, hielt der Ordinarius für Neue deutsche Philologie an der Universität Prag seine berühmte Rektoratsrede über das Thema „Literaturgeschichte und Volkskunde", die den Beginn einer neuen Epoche der germanistischen Forschung einleitete. Während dieser Rede randalierten Deutsche und Tschechen vor der Universität und der Lärm drang in die überfüllte Aula, so daß man August Sauers Worte — stand man weitab — nur wenig und nichts von ihrem Zusammenhang verstehen konnte.Einer der jungen Doktoranden Sauers war damals mit Mühe in die Aula
Programmleisten und Producer sollen Ö1 neue Hörer gewinnen. Sollen nun seichte Plaudereien und bunte Magazin-Programme die Substanz verwässern? Wie steht’s um Objektivität und Pluralismus?
Seitdem einige Tageszeitungen — vor allem die „Arbeiter Zeitung“ vom 28. Mai 1983 — die „geheimen Reformpläne“, die im ORF für das erste Hörfunkprogramm diskutiert werden sollen, der Öffentlichkeit mitgeteilt haben, ist wieder einmal und sogar für berechtigte Aufregung gesorgt.Nach diesem Reformmodell, dessen Autoren der Linzer Landesintendant Hannes Leopolds- eder und seine Mitarbeiter sein sollen, soll aus dem Programm von ö 1 von 6—18 Uhr ein Musikberieselungsprogramm aus klassischer Musik mit stündlichen Nachrichtensendungen gemacht werden. Das hätte voraussichtlich
Im 17. Jahrhundert brachen die „Querelles des antiques et modernes" in Frankreich aus und seitdem wiederholt sich in der Literatur immer wieder der Streit zwischen Tradition und Aufbruch: zu neuen Formen und Inhalten, der Kampf zwischen jung und alt, als Generationenstreit und als Kampf der Kunststile. Heute mag er deshalb so heftig ausgetragen werden, weil es praktisch einKampf der Enkel gegen die Großväter geworden ist, denn die vermittelnde Zwischengeneration fiel ja durch die politischen und kriegerischen Ereignisse aus.Der Literaturwissenschafter Kurt Adel, der neben seinen Cel-tis-,
Vor fast drei Jahrzehnten — im Jahre 1946 — erschien in der FURCHE das erste Gedicht, das sie damals noch unter dem Namen ihres im Zweiten Weltkrieg verschollenen Gatten, Dimt, veröffentlichte. Seit dem Jahre 1947, in dem der „Plan“ sieben wesentliche Gedichte von ihr veröffentlichte und die FURCHE ihr den ersten Preis des Erzählerwettbewerbes für die Franziskus-Legende „Das Fischwunder“ zuerkannte, schreibt die Dichterin unter ihrem Mädchennamen Christine Busta. 1950 erschien bei Herder ihre kleine Sammlung „Jahr um Jahr“ und 1951 im gleichen Verlag ihr erster
Seit ihrer Gründung vor nuirnel balo 30 Janhen ist „DIE FURCHE“ für die Rehabilitierungnund Ehrung der Opfer des NS-Regimes in. Österreich eingetreten^ Vor allem aber für die „Repatriierung“ >der bedeutensteh Forscher und Künstler. Wir haben auch in unserem Kulturteiaüber De Kongresse zur internationalen zur Erforschung der Exilliteratur von 1933—1945 in 'Stock-Fkdih Ufrff Kopenhagen, die auf Unermüdliches Betreibeiii des Nestors auf diesem Gebiet, Walter Berendsohn, stattfanden, ausführlich Berichtet. Nun wird, endlich, in Wien, und zwar im Europahaus im 14. Bezirk, eine solche Tagung abgehalten-, ihren Teilnehmt! gilt unser Gruß.
Am 10. Mai feierte Rudolf Henz seinen fünfundsiebzigsten Geburtstag und das Institut, dem er den größten Teil seiner Arbeitsund Schaffenskraft gewidmet hat, der heutige — aus der „RAVAG” hervorgegangene — ORF bereitete ihm durch eine Reihe von Veranstaltungen eine würdige Geburtstagsfeier. Das Fernsehen strahlte im Zweiten Programm die Sendung „Zu Gast bei Rudolf H enz” aus, die jenen Raum sichtbar machte, aus dem der schöpferische Mensch seine innersten Kräfte gewann: sein Heim, seine Familie, den Back-ground seiner vielseitigen Leistung. Das Erste Programm brachte dann ein
Das Hörspiel, dessen klassische Anfänge in die dreißiger Jahre fallen, hat nach dem zweiten Weltkrieg besonders in Deutschland als eigene Literaturgattung besondere Bedeutung gewonnen und in den fünfziger Jahren eine Blütezeit erlebt, die bedeutende Schriftsteller der Gegenwart an das Medium Bundfunk banden. Nach drei Jahrzehnten, da Alfred Döblin die Bedeutung der „gesprochenen" Sprache im Rundfunk für den Schriftsteller erkannt und auf sie hingewiesen hatte, zieren Namen wie Günther Eich, Ilse Aichinger, Dylan Thomas, Samuel Beckett, Franz Theodor Csokor, Richard Billinger, Herbert Eisenreich, Eugen lonesco, Gerhard Fritsch, Franz Hiesel, Heinrich Boll, Alfred Andersch, Walter Jens, Zbiginiew Herbert und viele, viele andere die „Hörspielpläne" der Rundfunkanstalten. Inzwischen hat der Leiter der Abteilung Hörspiel des ehemals Nordwestdeutschen Rundfunks, Heinz Schwitzke, seine Geschichte und Dramaturgie des Hörspiels veröffentlicht (1963) und der in Berlin wirkende Hochschullehrer Friedrich Kniiii aus Graz seine völlig konträre Hörspieltheorie, die von der „musique concrete" und elektronischen Geräuscheffekten ausgeht und das „totale Schauspiel" anvisiert, publiziert (1961), mit der sich Schwitzke recht eingehend auseinandergesetzt hat.
In einer Zeit, in der ein großer Teil der Jugend der Welt am liebsten aus der Geschichte und aus der „Tradition“, die zur übergroßen Last geworden scheint, „austreten“ möchte, haben es alle jene schwer, die das geistige Kontinuum der Überlieferungen nicht nur bewahren, sondern auch fortsetzen möchten. Das bekommen Vereinigungen und Gesellschaften zu spüren, die das geistige Erbe einer großen Persönlichkeit, die die Zeit vor uns mitgeprägt hat, verwalten, erneuern und weitertragen wollen. Sie müssen ihr Schiff zwischen der Scylla einer bloß verehrenden Gemeindehildung und der Charybdis einer oft hyperkritischen Einstellung zu dem, was sie ehren und bewahren wollen, hindurchsteuern. Dieses Schicksal beginnt sich bereits für die noch junge „Internationale Hofmannsthal-Gesellschaft“ abzuzeichnen. Sie will ja laut Satzung alle Unternehmungen fördern, „welche der Verbreitung und dem Verständnis des dichterischen Werkes Hugo von Hofmannsthals (1874—1929) dienen können.“
Der Literarhistoriker, der einmal die Entwicklung und Entfaltung der österreichischen Literatur in der Zweiten Republik, die nun auch schon ein Vierteljahrhundert währt, darstellen wird, muß unbedingt ihrer „Väter” gedenken, jener Männer, die im Chaos der Ruinenwelt die damals junge Generation um sich zu versammeln versuchten, um ihr die Wege in die Literatur zu weisen. Er wird immer wieder den vier Unermüdlichen dieser Zeit begegnen: Otto Basil, Rudolf Felmayer, Hermann Hakel und Hans Weigel. Der Unermüdlichsten einer war der Dichter Rudolf Felmayer, der am 27. Jänner 1970 gestorben ist. Mit der Doppelnummer 165/166 der von ihm seit 1955 herausgegebenen Reihe „Neue Dichtung aus Österreich”, die mit ihren zehn Sonderbänden 176 Nummern umfaßt und damit ein Kompendium der österreichischen Literatur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts darstellt, werden wir an das zweifache Vermächtnis, das er uns hinterließ, gemahnt: einmal beschließt dieser Band, „Landschaft des Alters”, den seine Witwe 1970 aus dem Nachlaß herausgegeben hat, sein eigenes dichterisches Werk, zum anderen Male setzt er auch den endgültigen Schlußpunkt unter eben diese Reihe, die mit seinen übrigen Editionen, von denen noch zu sprechen sein wird, sein geistesgeschichtliches und kulturpolitisches Vermächtnis bildet.
Im Jahre 1954 erschien im Verlag „Herold“ der erste Roman einer damals noch unbekannten jungen Dichterin, die nach 1945 zu den großen Hoffnungen der österreichischen Literatur zählte. Das Buch trug den für das Zeitklima bezeichnenden Titel „Sie warten auf Antwort“. — Inzwischen sind 25 Jahre vergangen. Das Zeitklima ist nicht besser geworden, aber die Dichterin, die jetzt auf der Höhe ihres Lebens steht, hat nach schweren Jahren inneren und äußeren Ringens endlich jene Anerkennung gefunden, die ihr schon lange gebührt und die vor kurzem durch die Verleihung der „Adalbert-Stifter-Medaille“ durch den Bundesminister für Unterricht ihren schönsten Ausdruck fand.
Der in Villach lebende steirische Dichter-Arzt Heinz Pototschnig ist für sein lyrisches und erzählendes Werk schon mit mehreren Preisen, wie dem Kurzgeschdchtenpreis der Roseggerstiftung, dem Theodor-Körner-Preis und dem Ludwig-Ficker-Gedächtnispreis, ausgezeichnet worden. Er hat nun seinem im Jahre 1967 erschienenen Kurzgeschichtenband „Der Himmel war lila“ einen weiteren, zehn kleine Erzählungen, die von Kindern, eben den „grünen Schnäbeln“ handeln, folgen lassen. Sie berichten von deren Seelen- und Traumleben, von ihrer entwaffnenden Logik und ihrer Beharrlichkeit im
Es mußte fast ein Vierteljahrhundert vergehen seit der Beendigung der Schreckensherrschaft, die Adolf Hitler nicht nur über Deutschland und Österreich sondern auch über den ganzen Kontinent ausgebreitet hatte, ehe sich Germanisten, Soziologen, Historiker und Politologen aus dreizehn Ländern zu einer internationalen Tagung zusammenfanden, um an einem neutralen Orte — in Schwedens Hauptstadt Stockholm — die vielfältige Problematik jener Literatur zu diskutieren, deren Schöpfer und Träger den Machtbereich des „Gefreiten aus Braunau“ fliehen mußten. Es waren ihrer so viele, daß
In all den vergangenen Monaten wollte der Schock nicht weichen, den der freiwillige Tod einer schöpferischen Persönlichkeit Österreichs ausgelöst hat. Er steht als vierter seit 1951 in einer Reihe. Ihm voran gingen die Dichterin Hertha Kräftner, der hochbegabte avantgardistische Schriftsteller Konrad Beyer und der einfallsreiche bekannte Regisseur Ernst Neuberg den gleichen Weg ins Dunkel. Was für ein Klima herrschte und herrscht in unserem Lande, daß seine schöpferischen Menschen von Adalbert Stifter, Ferdinand Raimund, Ferdinand von Saar über Georg Kulka bis hin zu Gerhard Fritsch aus diesem Leben fliehen? Wie nahe steht hier der schöpferische Geist der Grenze zwischen Leben und Tod. Begünstigt die Teilnahmslosigkeit und die fehlerhafte Struktur unserer Gesellschaft nicht nur das „Unbehagen an der Kultur”, sondern auch den „Todestrieb”, den schon Freud entdeckte?
Auf dem einstigen Boden der Koml-tate Eisenstadt und ödenburg, für deren rechtmäßige Herausgäbe der letzte Babenberger, Herzog Friedrich II., dem schon der junge Grill-parzer ein Drama widmen wollte, in der Schlacht an der Leitha im Jahre 1246 gegen Bela IV. von Ungarn Herzoghut und Leben verlor, auf jenem vom Blut zahlloser Völker getränkten Boden des jüngsten Bundeslandes der kleingewordenen Republik Österreich, ist im Laufe des vergangenen Jahrzehnts dank der Initiative des Wahlösterreichers Intendant Professor Herbert Alsen und mit der Unterstützung des Bundeslandes Buigenland
In dem Zeitraum von 1945 bis 195S hat Johann Gunert, der schon 1936 mit seinen ersten Publikationen in Zeitschriften begann, sich 1938 bis 1945 freiwilliges Schweigen auferlegte, fünf Gedichtbände vorgelegt: „Irdische Litanei“ (1945), „Das Leben des Malers Vincent van Gogh. Eine Dichtung in siebzig Ereignissen“ (1949), „Uberall auf unserer Erde“ (1952), „Aller Gesang dient dem Leben“ (1956) und „Inschrift tragend und Gebild“ (1958), die bereits 1962 alle vergriffen waren. Um einen Teil von ihnen der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen, wählte Viktor Suchy für die Stiasny-Bücherei die schönsten Gedichte aus und konnte sie auch durch einige noch nicht veröffentlichte ergänzen. Der Band erschien 1962 unter dem Titel „Kassandra lacht“. Im gleichen Jahr erschien auch eine veränderte Auflage von „Aller Gesang dient dem Leben“.
Am 14. Jänner 1968 wurden die sterblichen Beste eines großen Österreichers zu Grabe getragen, dessen Leben und Werk in einer barbarischen Zeit Zeugnis von der Menschlichkeit ablegte, die Franz Theodor Csokor bis zu seinem letzten Atemzuge am 5. Jänner 1968 erfüllte.Vor mehr als dreieinhalb Jahrzehnten war es, am Ende der heute als „golden“ gepriesenen zwanziger Jahre, da wehte uns von den deutschsprachigen Bühnen etwas an, das uns ebenso erschauern machte wie die Menschen vor bald zweihundert Jahren in Mannheim. Da drang eine Stimme an unser Ohr, die klang wie jene des jungen Schiller:„Ja, nach unserem Ebenbild forme ich Menschen, doch ihr Atem ist Baserei, ihr Trieb vermählte sich dem Tode, ihre Gedanken entthronen Gott! Ich greife in eine riesige Wolke aus Blut, die mir zu zucken anhebt unter den formenden Fingern! Ich erschaffe die Welt noch einmal im Werk, ja: ich hinfällig verwes-licher Mensch, ich zwischen Nichts und Nichts schmale Vergänglichkeit ...“
In einem Gespräch mit dem Dichter Rudolf Henz, das im Oktober 1966 für die „Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur” aufgezeichnet wurde, sagte der damals bald 70jährige Dichter: „… wenn man die Sache … bedenkt, fragt man sich: Was hast du eigentlich geschrieben? Nichts hast du geschrieben, gar nichts hast geschrieben! Du mußt erst anfangen, du mußt erst das Richtige schreiben! Dieses Immer-wieder-Anfangen-müssen, das erhält uns aber auch jung, so daß wir heute jünger sind als die zur Perfektion neigenden jungen Zwanzigjährigen, die Texte schreiben, die
Zweifachen Anlaß bot uns dieses abgelaufene Jahr 1966, des Lebens und Werkes eines großen Österreichers zu gedenken, der wohl in das Bewußtsein der Gebildetsten der Alten und Neuen Welt einigegangen ist, der aber dem Großteil der Bücherleser noch immer so unbekannt sein dürfte wie im Jahre 1938, da Hermann Broch mit knapper Müh und Not einem unmenschlichen System mit seinen Schergen und „Fahrdienstleitern des Todes“ entrann, um über England in die Vereinigten Staaten zu emigrieren.Vor fünfzehn Jahren ist der Dichter und Denker im Exil gestorben, vor achtzig Jahren, am 1. November
Wie sehr die leichte Muse ernst genommen werden müßte, beweist immer wieder die Kritik derer, die sich für das Kulturniveau, für das Ethos und die Moral im öffentlichen Leben verantwortlich fühlen. In einem Zeitalter, da durch Rundfunk und Fernsehen bereits die Intimbezirke der menschlichen Familie wie des Einzelmenschen beeinflußt werden können, des Menschen, der durch die harte von ihm geforderte Tagesarbeit immer weniger Zeit zur echten Muße hat und darum ein um so größeres, verbrieftes Anrecht auf echte Entspannung besitzt, wird die „Unterhaltung“ zu einem brennenden
wir haben schon zu Beginn der „Serenadenkonzerte" im Arkadenhof des Neuen Wiener Rathauses festgestellt, daß die konservative Programmgestaltung mit Rücksicht auf das Sommerpublikum, das eben „unbeschwerte Musik" hören möchte, verständlich ist. Diese konservative Haltung darf aber nicht auf das Niveau von „gehobenen Kurkonzerten" herabsinken wie etwa der zweite Teil des Abends am 7. August! Weder die „Peer-Gynt”- Suite Nr. 1 von Grieg noch die Ouvertüre zur „Schönen Galathee" von Suppe vermögen einer anspruchsvolleren Hörerschaft zu genügen. Auch Norbert Sprongls nettes
Die Serenadenkonzerte, die mit Unterstützung des Amtes für Kultur und Volksbildung der Stadt Wien im Arkadenhof des Rathauses ab- gehalten werden, sind schon fast eine feste Tradition geworden und erfreuen sich eines äußerst regen Besuches. Ihre Programme umfassen die Werke der Klassik und Romantik, auf die natürlich jeder Dirigent den Schwerpunkt legen wird, sie verschmähen aber auch nicht die Moderne bis zu den Vertretern der lebendigen Gegenwart. In den letzten drei Konzerten vom 21., 24. und 28. Juli 1954, die die Dirigenten Robert S c h o 11 u m, Etti Zimmer und Kurt R a p f —