Dayan hat am Tage des Kriegsausbruches festgestellt, der neue Krieg solle als „Jom-Kippur-Krieg“ in Israels Geschichte eingehen. Kippur heißt bekanntlich „Versöhnung“, und wenn — durch ein Wunder — dieser blutigste und schwierigste aller Kriege des Judenstaates, der gerade in das 25. Jahr seines Bestandes fiel, mit einer „Versöhnung“ der kriegführenden Völker enden sollte — woran allerdings kein Mensch glaubt —, dann wäre der Name nicht schlecht gewählt. Aber der Generalstabschef El'azar wollte den Krieg lieber „Tag des Gerichtes“ nennen — wie der Jom Kippur auch in der Liturgie heißt.
In zwei Monaten schreiten die rund zwei Millionen Wähler von „Alt-Israel“ zu drei Wahlen: zuerst für die „Histadruth“, die fast allmächtige Gewerkschaft (zu der allerdings nur etwas mehr als die Hälfte der besagten zwei Millionen Stimmrecht haben), und dann, am selben Tag, für Parlament und alle Gemeinderäte des Landes.
Die Schüsse von München haben das Nahostproblem wieder in den zentralen Mittelpunkt des Weltinteresses gerückt. Die Vergeltungsschläge Israels gegen Terroristenstützpunkte im Libanon, vor allem aber in Syrien, haben die Krise über Nacht schlagartig verschärft. Es wird wieder scharf geschossen — und das alles zwei Jahre nach Nassers Tod, als der Waffenstillstand und ein neues Kräftespiel nach dem Sowjetabzug aus Ägypten Friedenshoffnungen nährte. Ist der Friede nach der Blutnacht von Fürstenfeldbruck jetzt wieder ferner denn je?