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30.000 lernen nach dem Koran

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Der Religionsunterricht an Österreichs Schulen ist immer schärferen Anfeindungen ausgesetzt - die katholische Kirche ist davon nicht allein betroffen.

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Der Religionsunterricht an Österreichs Schulen ist immer schärferen Anfeindungen ausgesetzt - die katholische Kirche ist davon nicht allein betroffen.

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Theoretisch haben alle in Österreich anerkannten Konfessionen Anspruch auf Religionsunterricht, Bezahlung der Lehrkräfte und der Religionsbücher. „Wir wären von einer Abschaffung des Religionsunterrichts an den Schulen genauso betroffen”, stellt der Superintendent der Evangelischen Diözese, Wien, Werner Horn, fest.

Schülerzahl und Größe der Konfessionsgemeinschaft bestimmen allerdings die Durchführung. „Beim Religionsunterricht gibt es vom Gesetz her keine Unterschiede zwischen den Konfessionen, die Praxis ist aber oft mühsam, vor allem die Organisation“, berichtet Horn. Seine Superintendenz betreut in diesem Schuljahr mit 62 Lehrern 5.256 Kinder im Pflichtschulbereich.

Bei mindestens drei evangelischen Kindern pro Klasse findet der Unterricht parallel zum katholischen statt, ansonsten gibt es Gruppenunterricht mehrerer Klassen gemeinsam. Bei noch weniger Kindern werden mehrere Schulen zusammengefaßt, das heißt allerdings komplizierte Lehrpläne und umständliche Ortswechsel ür die betroffenen Kinder. Das Engagement für den Religionsunterricht wird dadurch hart auf die Probe gestellt, ebenso wie die Organisations- und Koordinationstätigkeit der Konfessionsgemeinschaft.

Die Lehrer geraten oft an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, wenn sie an zehn und mehr Schulen beschäftigt sind. „Eine Lehrerin hat gar Kinder in 14 Schulen zu betreuen“, erzählt Superintendent Horn. Auch die Kinder leiden darunter: „Abmeldungen vom Religionsunterricht sind deshalb weniger auf Desinteresse, sondern auf die stundenplanmäßigen Schwierigkeiten zu-rückzuführen“, äußert sich der Superintendent. Allgemein könne er sich aber nicht über deren Anstieg beklagen.

OFT SAMMELUNTERRICHT

Die gesetzliche Regelung gilt prinzipiell für alle Konfessionen gleichermaßen: Bei drei bis neun Schülern wird eine Stunde vom Staat bezahlt, ab 10 Schülern werden zwei finanziert, ebenso die Bücher. Die Lehrer ausbildung wird von den Konfessionen übernommen, die staatlichen Behörden erklären sich mit den Vorschlägen einverstanden.

Etwa 120 Lehrer betreuen 50.000 Kinder islamischen Glaubens in ganz Österreich, in Wien allein 5.000. Auch hier entscheidet die Schülerzahl über die Vorgangsweise. Die Religionsstunden werden gemäß der gesetzlichen Bestimmungen bezahlt, ebenso die Bücher. Viele Eltern wollen zusätzlich, daß ihre Kinder den Koran lesen lernen und zahlen dafür in den Moscheen.

Die Griechisch-Orientalische Kirche mit 7.000 Gläubigen in Wien ist zu klein für Religionsunterricht an den Schulen. Stattdessen erhalten etwa 130 Knaben und Mädchen Sprach- und Religionsunterricht am Nachmittag in der Griechischen Schule, die seit 1804 besteht und von der Kirche finanziert wird. Noch kleiner ist die Russisch-Orthodoxe Kirche. In Wien kommen etwa 100 bis 150 Gläubige zum Sonntagsgottesdienst, genauere Zahlen gibt es nicht. Organisierter Religionsunterricht wird nicht angeboten.

Die Serbisch-Orthodoxen began nen vor zwei Jahren an den Schulen zu unterrichten. Heuer sind 20 Lehrer, die ihre Ausbildung in Belgrad erhalten haben, für die 3.000 Pflichtschüler in Wien im Einsatz. In der Bundeshauptstadt leben etwa 50.000 Gläubige, in ganz Österreich 150.000.

5.000 BUDDHISTEN

„Die Treue zur Heimat, zu den Eltern, zur Kirche sind die Grundlagen des Menschen, sonst fehlt etwas beim Charakter“, erklärt Pater Emanuel Aydin die Grundlagen Syrisch- Orthodoxen Lebens. Etwa 3.000 Menschen in Wien und weitere 500 in den Bundesländern gehören dieser Konfession an. Drei Lehrer halten in Wien Sammelunterricht ab, aber nur ein Teil der rund 300 Betroffenen kann erfaßt werden.

Die Neuapostolische Kirche mit 4.000 Mitgliedern österreichweit hält keinen Unterricht in den Schulen, sondern nur in den Kirchen, am Nachmittag oder am Sonntag. Die Kosten hierfür trägt sie selbst und verzichtet damit auf Staatsgelder.

Knapp 600 altkatholische Kinder werden österreichweit von 27 Lehrern in 43 Sammelstellen betreut, die Mehrheit in Wien. Vielfach ersetzt informelle Glaubensunterweisung in der Kirche oder bei Hausbesuchen den offiziellen Unterricht.

Ungefähr 5.000 Buddhisten gibt es in ganz Österreich, vier Lehrer, in Graz, Innsbruck, Salzburg und Wien, sind für die Glaubensunterweisung zuständig. In Wien betreut Theo Strohal die kleine Gruppe: Von den etwa 200 Schülern kamen im vorigen Schuljahr 12 Kinder, heuer werden es 20 sein. Die Unterweisung erfolgt in zwei Altersgruppen am Freitag Nachmittag. Der Stadtschulrat zahlt der buddhistischen Religionsgesellschaft zwei Wochenstunden, die Genehmigung für die Finanzierung der Schubücher läuft gerade. Die „Missio“, die Lehrbefugnis, erwarb sich Strohal durch ein eingehendes Studium und Gespräch mit dem buddhistischen Leiter.

Die israelitische Kultusgemeinde Wien mit ihren rund 7.500 Mitgliedern hält für ihre Kinder, die nicht eine israelitische Privatschule besuchen, Sammelunterricht ab, betreut durch drei Lehrer.

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