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Akademie—nach der Hochschule

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Im Grunde muß es überraschen, daß offensichtlich hierzulande die Vorzüge von über das abgeschlossene Hochschulstudium hinaus weiter gebildeten Fachleuten keineswegs überall richtig eingeschätzt werden. Jedenfalls gab es im vergangenen akademischen Jahr ernsthafte Schwierigkeiten, die Absolventen des zweiten Lehrgangs der Diplomatenakademie, soweit sie nicht von sich aus dem Ausland zustrebten oder überhaupt ausländische Staatsbürger waren, in entsprechenden Positionen „unterzubringen". Nicht ganz Unabhängig von solchen Problemen des künftigen Wirkens äst es wohl, daß man 1967 und 1968 darauf verzichtet hat, neue Lehrgänge auszuschreiben, so daß die Dreisemesterzyklen jeweils nur im Herbst beginnen.

Ehe man freilich dazu neigt, den Stab über die Verständnislosigkeit öffentlicher und privater Stelle hinsichtlich der Potenz modern geschulter Intelligenz zu brechen, muß man berücksichtigen, daß da und dort noch falsche Vorstellungen über die Diplomatenabademie herrschen. Immerhin besteht sie in ihrer gegenwärtigen Form noch nicht so lange, daß ihre Ausrichtung hätte allgemein bekannt werden können. Die Direktion der Nachgründungsphase hatte denn auch anderes, sachlich sehr viel Wichtigeres, zu tun, als öffentliche Aufklärungsarbeit breitester Dimension zu leisten; auch hat das Institut erst Ende 1967 seine gesetzliche Basis erhalten. Dieses Gesetz (BGBl, vom 15. Dezember 1967, 91. Stück) definiert die Aufgabe der Diplomati schen Akademie mit der Ausbildung „auf der Grundlage eines abgeschlossenen ordentlichen Hochschulstudiums für eine berufliche Tätigkeit internationalen Charakters nach wissenschaftlichen Grundsätzen“ unter besonderer Bedacht- nahme auf die „Vorbereitung für den höheren Bundesdienst in Auslandsangelegenheiten“. Damit ist eine etwas ungewöhnliche Formulierung gewählt, die offensichtlich auf einen künftigen Akademikerbedarf in je nach Kompetenzverteilung variierenden Ministerien Rücksicht nimmt. Jedenfalls geht es nicht darum, ausschließlich den Bedarf an Jungdiplomaten im Außenministerium zu decken.

Die Formulierung des gegenwärtigen Direktors präzisiert die Ziele: „Diplomatie ist ein Wort, das mehrumschließt als den Auswärtigen Dienst, und darum will die Akademie auch Wirtschaftsfachleute ausbilden, die sich im internationalen Leben zurechtfinden; Fachexperten der verschiedensten Disziplinen sollen auf zwischenstaatliche und weltweite Aktivitäten vorbereitet werden.“

Mehr als auswärtiger Dienst

Daß Institute dieser Art staatlicher Mittel bedürfen, die nicht gering sein können, liegt auf der Hand. Immerhin aber ist beachtlich, daß man sich hier zu dem Grundsatz durchgerungen hat, daß Bildung und Ausbildung auch den Studierenden etwas kosten sollen. Der Betrag von 13.000 Schilling pro Semester, wobei Kost und Unterbringung ln Einzelzimmern mit eingeschlossen sind, ist im Vergleich zu dem, was der Österreicher üblicherweise für die Vermehrung seines Wissens auszugeben bereit ist, recht hoch — freilich gibt es Stipendien in hinreichendem Ausmaß, so daß kein Begabter aus materiellen Gründen abgewiesen zu werden braucht. Und das wird sich auch dann nicht ändern, wenn — wie für Herbst 1968 zu erwarten — die Zahl der inländischen Hörer zunimmt: ein eigener Stipendienfonds der Akademie mit entsprechender Finanzkraft steht zur Verfügung.

Balance von gestern und heute

Das Reservoir, aus dem künftige Experten für internationale Belange im weitesten Sinn des Wortes geholt werden können, ist in Österreich nicht klein. Daß mit größerem Andrang in der Zukunft gerechnet wird, läßt sich schon aus jenem Paragraphen des Gesetzes erkennen, der die Aufnahmebedingungen festlegt und unter sonst gleichen Voraussetzungen eine Bevorzugung von Juristen, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlern, Historikern, Geographen und Zeitungswissenschaft- lem vorsieht. Die Zulassung von Ausländem hat einen doppelten Zweck: einmal die stete Konfrontation im Studienalltag zwischen Österreichern und Angehörigen der verschiedensten Völker, die den Österreichern gerade für diese Berufe nur von Vorteil sein kann; zum anderen kommt der Ausbildung künftiger Diplomaten anderer Staaten und Fachleute internationaler Organisationen aus aller Welt eine beachtliche kulturpolitisch-österreichische Funktion aus.

„Das Institut, das unter dem Namen .Diplomatische Akademie' seine Pforten im Konsulartrakt des

Wiener Theresianums öffnet“, heißt es in einer 1964 zur Eröffnung herausgegebenen Broschüre, „ist zugleich neuartig und historisch gewachsen." Damit ist der direkte Hinweis darauf gegeben, daß die Akademie, nach jahrelangen Bemühungen, die schon auf Außenminister Figl zurückgehen, unter dem Minister Kreisky neu geschaffen, durchaus als direktes Nach- folgeinstitut der alten, mit Recht international berühmten Konsularakademie gedacht ist. Die Balance zu halten zwischen der Berücksichti gung gegeniwartsbedingter Aufgaben und der Verpflichtung an eine Tradition, die auf Maria Theresia zurückgeht, ist eine nicht eben leichte Aufgabe. Ohne in die für so manchen Österreicher typische Glorifizierung alles Vergangenen zu verfallen, kann man Immerhin sagen, daß das Institut in seiner Kontinuität von 1753 bis 1938 immer imstande gewesen ist, Tradition und jeweils aktuelle Lehrleistung zu vereinigen. Gegenwartsaufgeschlossenheit ist sozusagen auch eine Tradition.

Direktorenwechsel

1966 betrug die Zahl der Profes soren, ddo Gastvortragenden mit eingeschlossen, an die hundert, darunter namhafte Wissenschaftler, bekannte Politiker, Karrierediplo- maten und auch Publizisten, unter ihnen der langjährige „Presse“- Chefredakteur Milan Dubrovic und der langjährige „Furche“-Chef- redaikteur Dr. Kurt Skalnik. Zur selben Zeit konnte der erste Direktor der neuen alten Anstalt, Doktor Winter, auf eine offizielle Anerkennung der Vereinten Nationen hin- weisen, die das Haus als eine der besten Diplomatenausbildungsstät- ten der Welt bezeichneten. Bis zum Sommer 1967 stand der Poliitikwis- senschaftler Dr. Florian Winter, bei seiner Ernennung kaum vierzigjährig, der Akademie vor. Er brachte akademische Erfahrungen aus den Vereinigten Staaten mit und einen modernen wissenschaftlichen Stil, der wohl nicht zuletzt das Kuratorium des „Instituts für Höhere Studien“ (Ford-Institut) veranlaßte, ihn mit Herbst 1967 als Direktor in die Stumpergasse zu berufen.

Es war nicht aktuelle Verlegenheit, sondern vielmehr Ausdruck des Strebens nach der Balance zwischen Traditionsgebundenheit und Moderne, die zur Ernennung des gewesenen Protokollchefs Botschafter Friedinger-Pranter führte — einer Ernennung, die begrenzt sein sollte bis zum Ende des akademischen Jahres 1967/68, für welchen Zeitpunkt Österreichs Botschafter in Beirut, Dr. Arthur Breycha-Vautier, bereits ernannt ist. Die kurze Direktionszeit Friedingers, der zu Jahresende 1967 unerwartet starb, brachte nicht nur konkrete Kontakte mit der Bundeswirtschaftskammer bezüglich des Einsatzes von Absolventen in den Außenhandelsstellen, sondern den Versuch, das von Winter erfolgreich Aufgebaute um die Imponderabilien der altösterreichischen Diplomatenschule zu erweitern, ohne der Fortschrittlichkeit Abbruch zu tun.

Einem großen Jahrgang zu

Friedingers Stelle nimmt heute Botschafter Dr. Johannes Coreth ein, Leiter der Abteilung für multilaterale kulturelle Auslandsbeziehungen, vordem Botschafter Österreichs beim Heiligen Stuhl. Er will seinem Nachfolger die Möglichkeit schaffen, im Herbst 1968 einen großen Jahrgang, zusammengesetzt aus qualifizierten Jungakademikern, zu übergeben und die Realisierung der gesetzlichen Bestimmungen bis dahin abschließen. Dazu zählt vor allem die Aufnahme der Tätigkeit des wissenschaftlichen Beirats: ihm gehören Vertreter der rechts- und staatswissenschaftlichen sowie der philosophischen Fakultäten der vier Universitäten, der Linzer Hochschule und der Hochschule für Welthandel an — die Verbindung zu den Hochschulen, deren Fehlen „Die Furche“ bei Eröffnung der neuen Akademie kritisiert und beklagt hatte — ist nun gegeben. Der Vorsitz im Beirat steht dem Außenministerium zu, das Unterrichtsministerium ist gleichfalls im Beirat vertreten.

Die Informationsvorträge, die Botschafter Coreth begonnen hat, sollen an den Hochschulen diejenigen ansprechen, die die Chance einer Eliteausbildung nutzen wollen. Die Möglichkeit, nebst gründlicher Fachausbildung beispielsweise Chinesisch zu lernen, müßten eigentlich verlok- ken. Das Auslandsinteresse jedenfalls ist groß. Da es aussieht, als sei der Tiefpunkt einer gewissen Elite- fedndlichkeit in Österreich (wobei ausschließlich eine Elite auf Grund fachlichen Wissens und Könnens gemeint ist) überwunden und der Zeitpunkt erreicht, da die Angst vor Konkurremzierung (sei es von seiten der Hochschulen, sei es von parteipolitischen Gesichtspunkten her) schwindet, müßte die Akademie einer weiteren glänzenden Phase in ihrer Geschichte entgegengehen.

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