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Am Rande der „Korruption“

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Das politische Leben im Frühjahr 1968 wurde durch die Debatten um zwei Männer bereichert, hinter denen eine Frage steht, die einen Lebensnerv der parteienstaatlichen Demokratie trifft: die Parteienfinanzierung. Das Urteil in der Causa Müllner ist gesprochen, und die Kritik der Opposition an Verteidigungsminister Prader — in größeren Intervallen immer schon im Punktfeuer von FPÖ und SPÖ — beinhaltet ebensolche Vorwürfe, die auf dieses Problem hinweisen.

Überdeutlich wird wieder klar, daß Parteien Geld brauchen, daß jeder damit rechnet, daß sie Geld haben und daß es schließlich auch irgendwo herkommen muß. Ebenso aber muß einkalkuliert werden, daß Parteien in ihrem Verhältnis zur Finanzierung immer des Mißbrauches der Macht verdächtigt werden. Diese in Österreich sehr verbreitete Einstellung kommt aus einem falschen Verständnis der Funktion der Parteien. Es ist eine Art von politischem „Manichäismus“, wenn man auf der einen Seite den Parteien alle Verantwortung zumutet, ihnen auf der anderen Seite für ihr Eigenleben alle Möglichkeiten absprechen will. Dieses grundsätzliche Verhältnis, besser gesagt, die Trennung von Staatspolitik als etwas „Gutem“ einerseits und Parteipolitik als etwas „Häßlichem“ anderseits, ist eine der latenten Gefährdungen der Demokratie: „Die Abneigung gegen Politik und die noch weiter verbreitete Ablehnung, ja Verachtung der Parteipolitik erklären sich nämlich aus der legendären Überlieferung beziehungsweise dem utopischen Wunschtraum von der Überparteilichkeit eines durch den Monarchen oder ein anderes Staatsoberhaupt, die Regierung und nicht zuletzt durch Heer und Staatsbeamtentum repräsentierten Obrigkeitenstaates“ (Katholisches Soziallexikon, Seite 811).

Dieser Schwierigkeit begegnen wir auch hier; niemand in Österreich wird bestreiten, daß die Parteien eine Verantwortung für den Staat und damit auch eine Funktion in diesem Staat haben. Jeder erwartet, daß die Parteien auch genügend Geld haben, um ihre Wähler zu informieren und um sie zu werben und für jede Wahl Vorbereitungen zu treffen. Noch mehr: Man erwartet von den Parteien, daß sie Vorschläge für die Gestaltung des Staates vorlegen, Detailfragen untersuchen lassen und politische Rezepte und Unterlagen unter enormem Aufwand zustande bringen. Beklagt man sich darüber, daß die Vorgänge in den Parteien zu wenig transparent sind, daß zu wenig Einsicht in die Willensbildung besteht, so muß man auf der anderen Seite darauf verweisen, daß die Information nicht zuletzt von ihrer Finanzierung ab- hängt. Ohne über die Zweckmäßigkeit von Parteiorganen zu diskutieren, ist ihre finanzielle Krise bekannt und symptomatisch. Selbst wenn man die Parteizeitungen einstellt, wird man andere Informationsträger brauchen, die deren Aufgabe wahrnehmen. In Wahlzeiten hört man immer wieder die Feststellung, daß die Parteien sich zu wenig bemühen, um den einzelnen in ihrem Sinn zu beeinflussen, und in Zwischenwahlzeiten den Vorwurf, daß man sich nur in Wahlzeiten um den Staatsbürger kümmere.

Als die SPÖ 1966 über eigenen Wunsch die Regierung verließ, war sie sich sofort darüber im klaren, daß ihre neue Situation insbesondere im Bereich des Parlaments erhöhte finanzielle Anforderungen an sie stellen wird. Innerhalb kürzester Zeit konnte man sich damals darauf einigen, den parlamentarischen Klubs zur Erfüllung ihrer Aufgaben gewisse Mittel zur Verfügung zu stellen. Durch ein Bundesgesetz wurde festgelegt, daß für eine entsprechende Anzahl von Abgeordneten Mittel für Personal- und Materialaufwand zur Verfügung gestellt werden. Auch für die Öffentlichkeitsarbeit wurde im Budget des Hohen Hauses ein Ansatz geschaffen, der auch an die parlamentarischen Klubs geht. Damit hatte man einen Weg beschritten, der etwa in der Bundesrepublik Deutschland schon längst üblich ist. Auch in der Parteienfinanzierung ist uns Deutschland schon voraus, wobei der Bundesgerichtshof in Karlsruhe durch Erkenntnisse im Jahr 1966 eine Einschränkung getroffen hat, die eine Parteienfinanzierung nur hinsichtlich der Wahlkosten zuläßt. Man schien in Österreich bereit, einen ähnlichen Weg zu gehen. Der Bericht der Bundesregierung über die Rechtsstellung der Parteien, eine umfassende Erörterung in Zeitungen und Zeitschriften, eine rechtspolitische Diskussion von Fachleuten und das Gespräch zwischen den beiden großen Parteien schienen den Weg zu einer endgültigen Regelung vorzubereiten. Überflüssig ist es, darauf hinzuweisen, daß in einigen Bundesländern solche Wege schon längst gegangen wurden. Der Abschluß dieser Diskussion fehlt jedoch bis heute. Vor einem Jahr sind offensichtlich alle Kontakte in dieser Frage abgebrochen worden, und der Bericht der Bundesregierung über die Stellung der politischen Parteien im öffentlichen Leben wartet heute noch auf die Kenntnisnahme durch Verfassungsausschuß und Plenum. Sollte es zur Wiederaufnahme des Verfahrens bereits zu spät sein? Sicher ist für die eine Partei angesichts der Situation diese Frage dringender als für die andere; es wäre jedoch auch einmal die Frage grundsätzlich zu diskutieren, ob die Führungen von Großbetrieben und Kapitalgesellschaften in den Aufgabenbereich einer politischen Partei gehören, öffentliche Kontrolle ist für das Leben einer parlamentarischen Demokratie notwendig; ebenso wichtig aber ist die Kontrolle für die Träger dieser Einrichtung. Ob nicht eine Parteienfinanzierung aus öffentlichen Mitteln eine größere Sicherheit für alle Beteiligten gäbe?

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