"Ansehen hat übergeordnetes Interesse"

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Die Debatte um den Ausstieg aus der Mitgliedschaft beim Kernforschungszentrum CERN ist beendet. Dem Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) mangelt es an Konzepten in der heimischen Forschungspolitik.

Die Debatte der letzten zwei Wochen um den geplanten CERN-Ausstieg wurde nun für beendet erklärt. Bundeskanzler Werner Faymann sprach am Montag ein Machtwort: "Ich kann mir einen Austritt nicht vorstellen, ich bin dagegen." Seine Haltung begründete er mit der im Forschungsbereich notwendigen Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit. "Reputation und Ansehen Österreichs ist etwas, das übergeordnetes Interesse hat", betonte der Kanzler.

Im Vorfeld wurde von verschiedenen Seiten hitzig über die Entscheidung von Wissenschaftsminister Johannes Hahn zum Ausstieg diskutiert und Hahn dabei scharf kritisiert: 30.000 Unterschriften umfasste etwa eine Petition zur Aufrechterhaltung der CERN-Mitgliedschaft. Damit nicht genug: Parteien aller Couleur schrieen angesichts des geplanten Ausstiegs auf und auch internationale Forscher, darunter 16 Nobelpreisträger, melden sich besorgt zu Wort. Die Diskussion weitete sich auf die Politik aus:

Konflikte und Diskussionen

Wortmeldungen zahlreicher Politiker, darunter Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, der Hahn mit einem "unglaublichen Konflikt mit dem Bundesland Niederösterreich und mir" drohte, verdeutlichen, dass sich die Diskussion längst nicht mehr allein auf einen wissenschaftlichen Rahmen beschränkte. Im Tenor beschäftigte die Parteien in den letzten Wochen vor allem eine mögliche Rufschädigung Österreichs in der internationalen Forschungsgemeinschaft.

Erfolge seit über 50 Jahren

So fürchtete Erwin Pröll etwa eine "internationale Blamage", Grüne-Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald betonte, mit seiner "unverständlichen Entscheidung" habe Hahn der Reputation Österreichs in der wissenschaftlichen Gemeinschaft "schweren Schaden zugefügt" und BZÖ-Spitzenkandidat für die Europawahl, Ewald Stadler, witterte bei einem Ausstieg eine "europäische Peinlichkeit". Auch wenn die Debatte zum Politikum wurde, betonte Faymann, dass seine gegen den Willen von Wissenschaftsminister Hahn getroffene Entscheidung, nicht aus dem Kernforschungsprojekt auszusteigen, keine Retourkutsche für den von der ÖVP verhinderten Plan von Bildungsministerin Claudia Schmied sei, die Unterrichtsverpflichtung der Lehrer um zwei Stunden zu verlängern. "In Kutschen-Kategorien denke ich nicht", so Faymann. Es brauche sowohl eine Forschung, als auch eine Bildung, die intakt seien. Grundsätzlich könne man auch nicht sagen: "Einmal dabei und ab dann interessiert uns nicht, was dort geschieht oder wie es dort weitergeht." Bei CERN handle es sich um eine Mitgliedschaft in einem europäischen Forschungsbereich, der seit über 50 Jahren "wesentliche Erfolge aufzuweisen hat." Hahn gab sich nach der 90-minütigen Unterredung mit dem Regierungschef wenig kämpferisch:

"Ich nehme die Entscheidung des Koalitionspartners zur Kenntnis." Er gab indes zu, die Reaktion auf seine Pläne "in der Heftigkeit" unterschätzt zu haben. Es sei aber nun einmal unbestritten, dass die Aufwendungen für das Forschungsprojekt gigantisch seien. "Natürlich muss ich jetzt mein Forschungsbudget neu organisieren", es könne ja nur innerhalb des Ressorts zu Umschichtungen kommen. Das Budget werde nun neu konzeptioniert. "Ich gehe davon aus, dass ich dann die Unterstützung des Koalitionspartners habe, wenn wir ein gemeinsames Anliegen haben, den Forschungsstandard Österreichs weiterzuentwickeln," so Hahn. Keine konkreten Angaben machte Hahn, was nun in den nächsten Jahren nicht möglich sein werde. Vor dem Gespräch mit Faymann mutmaßte er, dass ohne CERN-Ausstieg - bei Sicherstellung der Mittel für den Wissenschaftsfonds FWF - das Forschungsbudget "neu gedacht" werden müsse, was zulasten von Förderprogrammen für junge Wissenschafter fallen könne. Das Budget des FWF soll nun aber nicht angegriffen werden, so Hahn.

Schon vor dem Machtwort Faymanns ortete der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) Konzeptlosigkeit in der österreichischen Forschungspolitik. Es brauche "nach einer fundierten Diskussion" mittel- bis langfristige Konzepte und ohne Vision käme das Geld nicht richtig zum Einsatz. Dabei hob der Rat hervor, dass Österreich überdurchschnittlich viele Ressourcen in Forschung, Technologie und Innovation stecke - im Vergleich aber nur einen unterdurch-schnittlichen Output generiere. Diese Schieflage im heimischen Innovationssystem müsse man korrigieren.

Erfreut und erleichtert reagierte Christian Fabjan, Direktor des Instituts für Hochenergiephysik ( HEPHY) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), auf die Entscheidung des Bundeskanzlers. "Das ist ein Gewinn für die Teilchenphysik in Österreich, aber auch für die Wissenschaft als Ganzes", so der Wissenschafter.

Positive Reaktionen

Im Nachhinein betrachtet habe die Diskussion geholfen, das Bewusstsein für die Grundlagenforschung zu stärken, ist Fabjan überzeugt. Man habe nun einen hohen Auftrag übernommen, noch sorgfältiger mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umzugehen, und auch die eigenen Ergebnisse stärker als bisher der Öffentlichkeit zu präsentieren. Weiters sollte das Potenzial der Kooperation Österreichs mit dem CERN über die Physik hinaus herausgestrichen werden. So sei das Zentrum nicht zuletzt eine wichtige Ausbildungsstelle für junge Wissenschafter.

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