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Digital In Arbeit

Arm, gebrechlich, vergeßlich

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Die Lebenserwartung steigt und mit ihr der Anteil der älteren Menschen an der Bevölkerung. Wie sehen die Medien diesen Personenkreis?

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Die Lebenserwartung steigt und mit ihr der Anteil der älteren Menschen an der Bevölkerung. Wie sehen die Medien diesen Personenkreis?

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Mehr als zwei Millionen Menschen in Osterreich sind über 50 Jahre alt - Tendenz steigend. Gerade mediale Angebote bewegen sich aber innerhalb von längst überholten Rahmen und tragen so zum Aufrechterhalten von stereotypen Vorstellungen vom „Alter" bei. Dabei könnten Medien eine wichtige Rolle bei einem neuen Verständnis von „Alter" beitragen.

Die über 50jährigen wurden als teils sehr finanzkräftige Schicht von Käufern entdeckt. Auf den fahrenden Zug aufgesprungen sind auch einige Medienmacher. So gab es für das Magazin „Unsere Generation", herausgegeben vom SPÖ-nahen „Pensionstenverband Österreichs", im Frühjahr eine großangelegte Plakatwerbeaktion.

Auch andere parteinahe „Pensionistenverbände" versorgen ihr Klientel mit mehr oder weniger regelmäßigen Aussendungen, die einen hohem Anteil an Werbung enthalten.

Im März erschien erstmals „Pro", das „erste unabhängige Magazin für alle über 50." Auf monatlich 132 Seiten werden „die Interessen von diesen 2,4 Millionen Österreichern wahrgenommen". Ziel sei, so ist in der ersten Ausgabe weiter zu lesen, ihre Lebensqualität zu verbessern, „und wieder den Stellenwert in unserer Gesellschaft zu verschaffen, der ihnen zusteht."

Helmut Hofer vom Verein „Altern und Kultur" beobachtet seit langem die heimische Medienszene und meint: „Im Grunde vergeht kein Tag, an dem nicht zumindest eine Meldung veröffentlicht wird, die Menschen über 50 betrifft." Prominent vertreten sind zum Beispiel Fragen der Höhe und Finanzierbarkeit von Pensionen.

Meldungen, die direkt für „Alte" gedacht sind lassen sich meist in folgende Kategorien einordnen:

■ Ankündigungen und Berichte über Reisen oder Werbefahrten mit Einladung zu Kaffee und Kuchen

■ Behandlung finanzieller Fragen (vor allem Vorsorge und Versicherung.)

■ Geschichten aus der „guten alten Zeit"

■ (Teils selbsternannte) Mediziner beantworten Gesundheitsfragen.

„In der Boulevardpresse wird viel und manchmal haarsträubend über Generationskonflikte spekuliert, zeitweise sogar mit maßlos überzogener Semantik von Schlacht und Krieg gesprochen", rundet der Soziologe und Altersforscher Anton Amann dieses Bild ab.

Hinter den Inhalten, die „Senioren" geboten werden, stehen, so sind sich Amann und Hof er einig, bestimmte gesellschaftliche Vorstellungen, Bilder vom Altsein.

„Alte" seien großteils arm, gebrechlich und krank, lustlos, geistig langsamer und vergeßlich, hätten schlechte Wohnverhältnisse. Sie würden dazu neigen, geistig inflexibel und dogmatisch zu sein. Außerdem seien sie einsam, isoliert, leben zurückgezogen und mit steigendem Alter stärker von sozialen Institutionen oder Heimen abhängig. Positive Vorstellungen tauchen vor allem in Zusammenhang mit Familie auf: Geduldiges Zuhören, nahezu unbegrenzt Zeit haben, stets freundlich, neben einigen „schrulligen" und überkommenen Vorstellungen geben sie auch ab und zu einige brauchbare Lebensweisheiten weiter.

„Alt sein" wird mit inaktiv, unproduktiv sein verbunden - das Angebot der Medien für die „Alten" ist das eines Freizeitangebotes, ist Unterhaltung im weitesten Sinn. „Es geht vornehmlich um inaktives Konsumieren, nicht darum, selbst zu gestalten, sich einzubringen oder weiterzuentwickeln", bringt Amann diesen Trend der Berichterstattung auf den Punkt.

Dabei taucht immer wieder der Wunsch „alter" Menschen auf, sich für andere nützlich zu machen. Die Eingrenzung auf Familie, bestenfalls noch den Bekanntenkreis oder die unmittelbare Nachbarschaft sind sozusagen Steine in der Mauer des medialen Gettos, in das „alte" Menschen gerne abgeschoben werden.

Herausforderung der Themen „Altern" und „Alt sein"

„Medien hätten die Möglichkeit auf das Altern vorzubereiten," so Amann. „Geschieht das rechtzeitig, trägt das wesentlich zum Ausräumen von klischeehaften Vorstellungen über ,alte' Menschen bei." Für Menschen ab etwa 65 könnte stärker auf extreme Veränderungen im Lebensstil, in sozialen Beziehungen, auf gesundheitliche Einschränkungen eingegangen werden. Es ginge darum, sie „bei der Übernahme der neuen Lebensrolle zu unterstützen".

Kontaktanzeigen, in denen das „späte Glück" gesucht wird, werden gerne veröffentlicht, „kaum aber Plattformen zum Austausch von Erfahrungen geboten", klagt Hofer. Es fehlt auch an Möglichkeiten, diese Erfahrungen an jüngere Generationen weiterzugeben und sie - abseits von Klischees - für sie in ihrer Alltäglichkeit und Vielfältigkeit erlebbar zu machen.

Ebenso selten werden Selbsthilfegruppen oder andere Formen der Selbstorganisation aktiv gefördert und unterstützt. Diese Politik ist, so. Hofer, dem zum Großteil anachronistischen Programm von vielen Pen-sionstenclubs ähnlich, das ebenfalls eher unterhält als mitgestalten läßt, eher ablenkt, statt Möglichkeiten zur Konfrontation mit den Herausforderungen dieser Zeit zu bieten.

Vereinzelt, gibt es natürlich Ausnahmen, Initiativen, die versuchen, alte Menschen als Personen, als Individuen wahrzunehmen. Die das „Facettenreichtum des Alters", (Amann) als positive, innovative und kreative Kraft verstehen - wobei denen, die sie haben „in vielen Fällen die Ausbildung fehlt, das und die eigenen Bedürfnisse sowie Interessen an die Öffentlichkeit zu transportieren", faßt Hofer zusammen.

Die Propagierung und Unterstützung der Fortbildung von Menschen über 50, die Förderung ihrer Befähigung zum „sich Gehör verschaffen" könnte also ebenfalls eine neue Aufgabe von Medien angesichts der Entwicklung der Altersstruktur der Gesellschaft sein.

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