"Arme verschränken ist der falsche Weg"

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Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer sprach mit der Furche über das Zauberwort Flexicurity und welche Reformen trotz guter wirtschaftlicher Entwicklung in Österreich derzeit anstehen.

Die Furche: Was verstehen Sie unter Flexicurity?

Wilhelm Molterer: Flexicurity ist ein Mittel, um Vollbeschäftigung zu erreichen. Dabei gilt es, größtmögliche Sicherheit für die Arbeitnehmer mit hoher Flexibilität zu verbinden. Wir müssen eine gute Balance finden zwischen den Notwendigkeiten der Arbeitswelt und den Interessen der Mitarbeiter.

Die Furche: Ist Vollbeschäftigung aber überhaupt noch ein zeitgemäßes Ziel?

Molterer: Vollbeschäftigung ist das erklärte Ziel dieser Bundesregierung. Wir sind auf dem richtigen Weg. Doch wir müssen auch die substanziellen Veränderungen der Arbeitswelt in den vergangenen Jahrzehnten sehen - etwa durch Globalisierung, die Öffnung der Märkte in Europa oder durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien. Dazu kommt vor allem auch die demografische Entwicklung - wenn auch im Stillen und in einem derzeit noch nicht allzu sichtbaren Ausmaß. Demgegenüber haben wir in Österreich etwa einen arbeitsrechtlichen Rahmen, der diesen veränderten Umständen nicht ausreichend Rechnung trägt.

Die Furche: Österreich befindet sich gerade wirtschaftlich aber doch auf einem guten Weg …

Molterer: Das stimmt, die Konjunktur läuft gut. Wir haben mit 3,44 Millionen Beschäftigten ein Rekordniveau erreicht. Auch die Arbeitslosenrate ist mit 4,3 Prozent Europaspitze. In fünf Bundesländern liegt die Arbeitslosenrate unter vier Prozent, das ist Vollbeschäftigung.

Die Furche: Das heißt, man könnte sich eigentlich hinsetzen und die Arme verschränken?

Molterer: Das wäre der falsche Weg, wir müssen jetzt den Weg der Reformen weitergehen. Stillstand wäre in dem harten weltweiten Wettbewerb das falsche Signal. Wir müssen die Möglichkeiten der EU und die Öffnung der Märkte nutzen. Die österreichische Volkswirtschaft hat einen aktuellen Exportgrad von rund 58 Prozent. Über die Hälfte unseres Wohlstands wird schon im Export erwirtschaftet. Das bedeutet aber auch, dass der Arbeitsmarkt und das geltende Arbeitsrecht am Prüfstand der Wettbewerbsfähigkeit stehen.

Die Furche: Welche Rolle spielen in dieser sich laufend verändernden Arbeitswelt der Bereich Forschung und Entwicklung?

Molterer: Österreich ist in diesem Bereich gut unterwegs, aber noch nicht dort, wo es sein sollte. Ziel ist die Erreichung der 3-Prozent-Quote bei Forschung und Entwicklung bis 2010. Es muss zu einer zusätzlichen Dynamik kommen. Länder wie Finnland liegen bereits bei einer Forschungsquote von vier Prozent. Wir müssen die europäische Vernetzung in diesem Bereich verstärken, die Effizienz der Forschungsförderungs-Einrichtungen erhöhen und die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft verbessern. Das bedeutet auch, dass wir nicht zu jeder neuen Entwicklung "nein" sagen dürfen. Wir diskutieren in Österreich teilweise zu sehr die Risken, bevor wir die Chancen erkennen, die der technische Fortschritt bietet.

Die Furche: Um bei Forschung und Entwicklung unter den Besten mitspielen zu können, braucht Österreich aber auch gut ausgebildete Arbeitskräfte …

Molterer: Die Ausbildung von Facharbeitern ist ebenso eine Zukunftsfrage wie jene des lebensbegleitenden Lernens. Außerdem ist die Frage der Weiterentwicklung des Bildungssystems essenziell. Neben den kognitiven müssen wir die sozialen und musischen Fähigkeiten der Menschen fördern. Es muss klar sein, dass dabei Vielfalt und die Differenzierung des Bildungssystems die richtigen Antworten sind und dass es ein Bekenntnis zur Leistungsorientierung gibt.

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