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Aufgaben und Ziel

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Die meisten und besten Kräfte werden sowohl von staatlicher wie auch von kirchlicher Seite für die Schulung des jungen Menschen mobilisiert. Wiederholt wurde und wird aber jetzt die Frage nach der Legitimität dieser Konzentration der Bildungsarbeit auf diesem Sektor gestellt. Ist ein solches Bildungskonzept — in diesem Fall ist damit das kirchliche gemeint, das den Schwerpunkt fast ausschließlich auf die Bildung des jungen Menschen legt — beizubehalten? Heftig werden die Mängel dieses Konzeptes kritisiert.

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Die meisten und besten Kräfte werden sowohl von staatlicher wie auch von kirchlicher Seite für die Schulung des jungen Menschen mobilisiert. Wiederholt wurde und wird aber jetzt die Frage nach der Legitimität dieser Konzentration der Bildungsarbeit auf diesem Sektor gestellt. Ist ein solches Bildungskonzept — in diesem Fall ist damit das kirchliche gemeint, das den Schwerpunkt fast ausschließlich auf die Bildung des jungen Menschen legt — beizubehalten? Heftig werden die Mängel dieses Konzeptes kritisiert.

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Aus einem systematisch-perfektionistischen Denken heraus, welches vor jeder Aktivität im Leben die gründlichste theoretische Reflexion postulierte, wurden Theorie und Praxis getrennt Es setzte der Scholarisierungspro-zeß der Bildung ein. Es wurde die Ansicht vertreten, erst nach jahrelanger Auseinandersetzung mit der Theorie sei der Mensch zur Praxis eines Berufes befähigt. Oft wurde aber gerade durch diese sterilisierende Trennung zwischen Theorie und Praxis eine Kluft aufgerissen, die der Theorie den Praxisbezug abhanden kommen ließ. Die Frage nach der Notwendigkeit solch eines Theoretisierens fern der Praxis wird besonders heute gestellt. Ferner wurde bei der scholarisierten Form der Bildung größter Wert auf das verstandesmäßige Aneignen des Wissensstoffes gelegt.

Es ging der Bildung mehr um die gnoseologischen Aspekte der Wahrheitsaneignung und nicht um die Integration des Wissens in das Gesamtpersonale. Bildung, die nur auf der rationalen Ebene stehenbleibt, und die nicht auf die Integration des Rationalen in das Gesamtpersonale insistiert, degradiert sich selbst zur bloß wissensvermittelnden Institution, die den Sinn des Menschen oft verfehlt In der scholarisierten Form der Bildung, wie sie in allen gegenwärtigen Typen der niederen und höheren Schulen praktiziert wird, scheint das der Fall zu sein. Oberste Norm dieser Institution ist die Wissensvermittlung,,.die dem jungen Menschen eine solche Quantität des Wissensstoffes auferlegt, daß er keine Zeit zur geistigen Verarbeitung findet. Bildung muß so notwendigerweise auf der rationalen Ebene des rein Rezeptiven stehenbleiben. Keinerlei Integration des „Stoffes“ in das Gesamtpersonale kann stattfinden. Derartige Reflexionen stellen gängige „Bildungsinstitute“ mit ihren gegenwärtigen

Strukturen sehr in Frage, weil sie für die Bildungsarbeit nicht effizient sind. Die Erkenntnis, daß wir in einer Bildungsgesellschaft leben, ist nicht die neueste. Bildung kann für keinen Menschen als ein abgeschlossenes Faktum bezeichnet werden. Wo nämlich ein Mensch nicht mehr die Kraft und Energie aufbringt, permanent seine Bildung voranzutreiben, wird er den Forderungen, die das gesellschaftliche Leben an ihn stellt, nicht mehr gerecht werden.

Die Bedeutung eines Bildungshauses für unsere Gesellschaft könnte man vielleicht in drei Punkten kurz zusammenfassen:

• Die scholaristische Form der Bildung sollte den jungen Menschen erziehen zur Selbsterziehung. Sie muß, wenn sie Frustrierungen und neurotischen Störungen vorbeugen will, zum mündigen, selbständigen Menschen hinführen.

Aufgabe eines Bildungshauses wäre es nun, die organische Weiterführung dieses begonnenen Weges, weil eben dieser Bildungsprozeß nicht schon mit einer bestimmten Altersstufe abgeschlossen ist. Das Bildungsprogramm eines Bildungshauses wird jeweils für ein Jahr die notwendigen Schwerpunkte der Bildungsarbeit, welche sich auf alle Altersstufen verteilen, enthalten. Erwachsenenbildung steht im Vordergrund dieser Arbeit.

• Wie keine andere Einrichtung im Bildungsprozeß des Menschen, scheint mir die Funktion eines Bildungshauses gute Ansätze und Möglichkeiten zur Bewältigung des Theorie-Praxis-Problems zu geben. Weil eben der Aktionsradius dieser Art dep Bildungsarbeit auf Kurse, Wochenende und Seminare beschränkt ist, wird jedes perfektionistische Denken, das oft zur Trennung von Theorie und Praxis geführt hat, vermieden. Hier besteht die Möglichkeit, Theorie und Praxis organisch zu verbinden.

• Der Akzent der Bildung wird nicht nur ausschließlich auf die Wissensvermittlung gelegt und auf die Anstrengung, diese sich sachgerecht anzueignen, sondern auf die Bildung zur kritischen Stellungnahme in Konfrontation mit den Problemen der Zeit. Immer wieder, wenn es in der Geschichte zu Katastrophen kam, läßt es sich feststellen, daß, obwohl genug Wissen vorhanden war, es an der nötigen und geforderten Kritik und geistigen Auseinandersetzung fehlte. Die Arbeit der Erwachsenenbildung muß diesen Aspekt der kritischen Urteilsbildung besonders hervorheben. Jede Bildung muß dieses leidenschaftliche Engagement für die Probleme der Gegenwart wecken, gepaart mit der nötigen kritischen Distanz.

Auch theologische Erwachsenenbildung ist für unsere Gesellschaft von größter Bedeutung. Die theologische Erwachsenenbildung wird es als ihre vornehmliche Aufgabe erachten, den christlichen Existenzentwurf mit seinen pluri-formen Möglichkeiten des gesellschaftlichen Engagements vorzulegen und dessen Annahme der persönlichen Entscheidungsfreiheit des Menschen anheimzustellen.

Die heurige Bildungsarbeit, die von unserem Haus aus initiiert wird, umfaßt einen dreifachen Arbeitskreis. Die erste Aufgabe besteht darin, allen interessierten Katholiken unserer Diözese eine Weiterbildung zu ermöglichen. Diese Weiterbildung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Katholischen Bildungswerk. Es handelt sich hier um Vorträge, die unter dem Gesamtthema ,,Das Wesen des Christentums — in der Bibel und in der Geschichte“ stehen. In erster Linie ist hier an sechs Vorträge gedacht, welche von Referenten aus dem In- und Ausland gehalten werden. Vor allem geht es um die Problematik des speziell Christlichen im Neuen Testament; um die Kirche und das Reich Gottes; um die Strukturen der Kirche der Zukunft; um die geschichtlichen Erscheinungsformen des Christentums; um das Christentum aus der Sicht der neuesten Literatur und um die Legitimität des christlichen Existenzentwurfes in einer säkularisierten Welt.

Ferner werden laufend Seminare, Kurse und Wochenende abgehalten. Im Rahmen dieser Veranstaltungen liegen in erster Linie die Schwerpunkte auf den Aufgaben und Anträgen der Zweiten Diözesansynode, welche knapp vor ihrer ersten Session steht. Für die Aufnahme in das Bildungsprogramm scheinen drei Anträge aus den Entwürfen der Synode eminent wichtig zu sein: die Heranbildung von Erwachsenenbildnern; die Errichtung des Pfarrgemeinderates; und die Bedeutung der Familienrunden für die Gesamtpastoral. Kandidaten in den jeweiligen Gemeinden werden für diese Aufgaben sowohl im Bildungshaus wie auch an verschiedenen Bezirksvororten an Wochenenden geschult.

Neben diesen Kursen, die sich in erster Linie mit den neuen pastoralen Einrichtungen der Diözese beschäftigen, werden noch andere Kurse mit folgender Problematik abgehalten: Politisch-literarisches Engagement; Autorität in Gesellschaft, Kirche und Familie; Säuglings- und Kinderpflege; Land und Bauerntum in der modernen Welt; Rede- und Diskussionsschulung; Sozialpolitische Aspekte des Christentums; Kulturelles Wochenende; das Problem des Alterns.

Gemeinsam mit anderen katholischen Vereinigungen läuft dann eine Vortragsreihe unter dem Titel „Kritik 71“. Bei diesen Veranstaltungen geht es um innerkirchliche Kritik und um den Dialog mit Andersdenkenden. Kurz soll noch hinzugefügt werden, daß jegliche Bildungsarbeit im wesentlichen nur Impulse zum kritischen Reflektieren geben kann. Die Initiatoren und Bearbeiter dieses Bildungsprogramms sind sich des Fragmentarischen ihres Unternehmens voll'bewußt.

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