"Aufnahmeverfahren sind ehrlicher"

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Was von den neuen Aufnahmeverfahren zu erwarten ist, erörtert Hochschulexperte Hans Pechar, Leiter der Abteilung "Hochschulforschung"am Institut für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung"(IFF).

DIE FURCHE: Herr Professor, sind Aufnahmeverfahren vor Studienbeginn die fairere Alternative zur Studieneingangsphase im ersten Semester, bei der oft die Rede von Knock-out-Prüfungen ist?

Hans Pechar: Aufnahmeverfahren sind generell ehrlicher. Ansonsten kommt es bei jeder Lehrveranstaltungs-Anmeldung zu sozialdarwinistischen Überlebenskämpfen. Die Regierung betonte, es gehe ihr vorrangig um eine bessere Betreuungsrelation zwischen Lehrenden und Studierenden. Aber die kann ich nicht erkennen: Die festgelegten Platzzahlen orientieren sich an den bisherigen Studierendenzahlen - und nicht an den tatsächlichen Kapazitäten.

DIE FURCHE: Derzeit sind Betreuungsverhältnisse von 1:100 keine Seltenheit. Wissenschaftsminister Töchterle wünscht sich langfristig eine Betreuungsrelation zwischen 1:40 und 1:25. Doch ein Vollausbau der neuen Uni-Finanzierung ist erst erst ab 2019 geplant.

Pechar: Nur eine Studienplatzfinanzierung kann die Betreuungssituation verbessern: Dass sich das Geld der Unis nach der Kopfzahl der Studierenden richtet, ist die einzige rationale Basis für eine adäquate Finanzierung. Sonst kommt es zu untragbaren Zuständen insbesondere in Massenfächern. An den Fachhochschulen bewährt sich die Studienplatzfinanzierung seit über 20 Jahren.

DIE FURCHE: Die ÖH fordert den freien Hochschulzugang. Sie meinen aber, man solle lieber jenen, die die Aufnahmeprüfung bestehen, Qualität bieten, anstatt allen frei zugänglich schlechte Rahmenbedingungen zuzumuten?

Pechar: Das ist der gängige internationale Weg, wenn es um qualitative Studienangebote geht. Nur in Österreich herrscht diese seltsame Doktrin vom unbedingten offenen Hochschulzugang. In egalitären Ländern wie Dänemark oder Schweden gibt es für fast alle Studien Zugangsbeschränkungen. Dabei sind die öffentlichen Hochschul-Ausgaben dieser Länder um ein Drittel höher als hierzulande.

DIE FURCHE: Kritiker meinen, dass durch Zugangsbeschränkungen der Anteil sozial schwacher Studierender reduziert wird.

Pechar: Auf allen Ebenen des österreichischen Bildungswesens - in Schulen, Fachhochschulen, Kunstuniversitäten - werden die Kapazitäten mit den Bewerberzahlen abgeglichen. Wenn man den Unis das Recht gibt, geeignete Bewerber zu identifizieren, werden sie dafür die passenden Auswahlverfahren entwickeln. 100prozentige Gerechtigkeit wird es nie geben - mit oder ohne Test.

DIE FURCHE: Was ist die Matura noch wert, wenn sie keine Berechtigung mehr zum Studium darstellt?

Pechar: Die Matura sollte eine notwendige, aber keine hinlängliche Berechtigung für ein Studium sein und kein verbrieftes Recht auf einen Studienplatz verleihen.

DIE FURCHE: Proponenten des freien Hochschulzuganges klagen über die niedrige Akademikerquote: Österreich liegt mit einer Absolventenquote von 28 Prozent um 10 Prozent unter dem OECD-Schnitt.

Pechar: Es gibt kein einziges Land, das ohne Aufnahmeverfahren zu einer hohen Akademikerquote kommt. Kanada etwa hat eine der höchsten Akademikerquoten weltweit und zugleich streng selektive Aufnahmeverfahren. Neben den Unis verfügt Kanada über ein breites Spektrum anderer tertiärer Bildungseinrichtungen.

DIE FURCHE: Ist das ein Plädoyer für mehr FH-Absolventen?

Pechar: Wenn man sich die Berufschancen und Anstellungsquoten ansieht, wären auch hierzulande mehr FH-Absolventen sinnvoll. Die praxisorientierte Ausbildung an den Fachhochschulen bietet beste Chancen am Arbeitsmarkt.

DIE FURCHE: Die durchschnittliche Studiendauer in Österreich beträgt sechseinhalb Jahre. Ist der Bedarf am Arbeitsmarkt überhaupt solange im voraus berechenbar?

Pechar: Es wäre schon sinnvoll, Studienplatz-Kontingente in Hinblick auf die Arbeitsmarktlage zu definieren. Die neu definierten Obergrenzen haben nichts mit dem Arbeitsmarktbedarf zu tun, sie orientieren sich an den Studierenden-Zahlen des Vorjahres. (ein)

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