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Außenhandel zur Jahreswende

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Nach einem harten Arbeitsjahr kann die österreichische Wirtschaft in diesen Tagen wieder eine aktive Bilanz legen. Der Aufschwung auf allen Sektoren des ökonomischen Geschehens hat weiter angehalten, ja, die Hochkonjunktur bereitet in einigen Branchen der Industrie und der Dienstleistungsgewerbe zunehmende Sorgen. Die sachlichen Produktionskapazitäten sind nahezu restlos ausgelastet, wenn nicht überfordert, und neue Impulse für eine Beibehaltung oder gar Vermehrung des wirtschaftlichen Wachstums nur noch von der vordringlich zu lösenden Frage der Zulassung einer genügenden Anzahl von Fremdarbeitern zu erwarten.

Durch die Erhöhung des Arbeitskräfteangebots könnte nicht zuletzt dem Export die so notwendige zusätzliche Warenmenge zugeführt werden, soll — bei anhaltender Binnenkonjunktur und der hohen Einfuhrquote — das Handelsbilanzpassivum im kommenden Jahr nicht noch weiter steigen. Was die Wirtschaftspolitik auf dem legislativen Gebiet an Maßnahmen zur Exportförderung als notwendig und richtig erkannt hat, das wird sie trotz mancher von Parteipolitik diktierter Widerstände weiterhin beibehalten müssen. Die Konkurrenz auf den Weltmärkten ist im Zeitalter der Integration im ständigen Steigen begriffen, ja gerade die derzeitige Unsicherheit bezüglich der künftigen Entwicklung zwingt dazu, alle Eventualitäten ins Kalkül zu ziehen und rechtzeitig möglichst universell Vorsorge zu treffen.

Daneben hat Österreich gerade in den jüngst vergangenen Wochen und Monaten in einer Reihe international beschickter handelspolitischer Gremien seine Position erfolgreich zu vertreten gewußt. In einer Zeit des weltweiten Abbaues der Handelshemmnisse galt es, auf die besondere Lage unseres Landes in dem Sinne hinzuweisen,

daß wir diesen Abbau selbstverständlich begrüßen und uns daran im größtmöglichen Umfang zu beteiligen wünschen, daß wir aber doch nicht all das im Augenblick zu erfüllen mögen, was ein vielleicht nur flüchtiger und isolierter Blick auf unsere Zahlungsbilanzlage bei dem einen oder anderen unserer Handelspartner als Wunschbild vorerst entstehen ließ.

Immerhin wird Österreich im OECD-Bereich seine Liberalisierung mit Beginn des neuen Jahres auf 93 Prozent ausweiten. Eine gleichzeitige Erhöhung der Einfuhrliberalisierung gegenüber den GATT-Staaten von 50 auf 70 Prozent stellt einen ebenso wesentlichen Beitrag zum Abbau der mengenmäßigen Beschränkungen unserer Einfuhr dar, dem weitere Schritte in dieser Richtung folgen sollen.

So entläßt das ablaufende Jahr Österreich, von der Warte der internationalen Handelspolitik her gesehen, ohne Hypotheken. Ehe ich auf das Integrationsproblem eingehe, noch einige Worte über die bilateralen Handelsbeziehungen Österreichs.

Auch im Jahre 1961 war die Bundesrepublik Deutschland mit weitem Abstand Österreichs wichtigster Handelspartner. Es folgen Italien, die Schweiz, die USA und Großbritannien. Mit den für uns wichtigsten Staaten — ausgenommen die USA und Großbritannien — wickelt sich der Handelsverkehr auf Grund von Handelsverträgen ab. Neue Handelsabkommen wurden mit Albanien, der CSSR, mit Rumänien und Tunesien abgeschlossen. Mit einer Reihe von Staaten bestehen keine vertraglichen Bindungen, entweder weil diese eine freie Entwicklung des Warenverkehrs und Konsultationen von Fall zu Fall vorziehen oder weil auch durch den Abschluß eines formellen Handelsabkommens keine Belebung des Handelsverkehrs zu erwarten wäre. Über den Osthandel ist nichts Neues zu sagen; sein Anteil schwankt nach wie vor zwischen 12 und 14 Prozent.

Die Integration der Volkswirtschaften des freien Europas hat in den letzten Monaten weniger praktisch wirksame als vielmehr die endgültigen Entscheidungen vorbereitende Fortschritte gemacht. Die Aufnahme von Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EWG bildete in dieser Richtung den ersten Schritt, dem — gemäß dem Beschluß der EFTA-Minister- konferenz — analoge Schritte der anderen Partnerstaaten folgen. Von großer Bedeutung für Österreich war sohin das erst vor wenigen Tagen erfolgte Statement der drei Neutralen: Österreich, Schweiz und Schweden. Gerade unser Land hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß es infolge seiner innigen Wirtschaftsverflechtung mit dem Raum der EWG unter großem Zeitdruck steht. Zum 1. Jänner 1962 werden nun die Binnenzölle innerhalb der EWG um weitere zehn Prozent auf 60 Prozent der Ausgangszölle gesenkt, und weitere Senkungen werden folgen. Gleichzeitig macht die Bundesrepublik Deutschland die zweite Hälfte der von ihr seinerzeit aus konjunkturpolitischen Erwägungen durchgeführten Zollsenkung rückgängig, und es soll die Anpassung der nationalen Zölle an den gemeinsamen Außentarif der EWG beschleunigt werden. Die Diskriminierung, die bisher noch dank der Hochkonjunktur und der verstärkten Anstrengungen unserer Industrie kaum spürbar wurde, droht damit entscheidende Ausmaße anzunehmen!

So liegt uns an dieser Jahreswende besonders daran, die handelspolitische Schlechterstellung, der wir auf den für uns wichtigsten Absatzmärkten ausgesetzt sind, ehestmöglich zu beseitigen. Welcherart unsere künftigen Abmachungen mit der EWG sein werden, darüber läßt sich im gegenwärtigen Zeitpunkt naturgemäß noch nichts im einzelnen voraussagen. Wohl aber stehen die Grundsätze eindeutig fest, nach denen Österreich in der europäischen Integrationsfrage vorgehen wird.

Zunächst sei neuerlich und sehr eindeutig betont, daß Österreich ausschließlich an der wirtschaftlichen Form der europäischen Integration teilnehmen wird. Daß die EWG, obwohl im Ver trag von Rom überhaupt keine politischen Traktanden enthalten sind, dennoch neben ihren wirtschaftlichen Zielen auch solche politischer Natur verfolgt, ist eine Tatsache, die Österreich nicht berühren wird. Wir werden an diesen politischen Bestrebungen der westeuropäischen

Staaten weder teilnehmen noch sie im geringsten stören. Es ist das souveräne Recht der Vertragspartner von Rom, ihre Gemeinschaft in jeder nur möglichen Richtung auszubauen. Die freien europäischen Staaten mit Neutralitätsstatus werden sich aber politischen Zielen in keiner Weise assoziieren.

Der zweite Grundsatz unserer Integrationspolitik ergibt sich aus dem ersten. Da wir an einer politischen Integration nicht teilnehmen werden, reduziert sich die österreichische Integrationspolitik allein auf die wirtschaftlichen Elemente. Hier, muß mit aller Entschiedenheit festgestellt werden, daß die Wirtschaftspolitik auch eines neutralen Staates ausschließlich Ausfluß der Souveränität des Staates ist und daher keiner Einflußnahme von außen her unterworfen werden kann. Was Österreich für die Entwicklung seiner Wirtschaft für notwendig hält und welche Maßnahmen für die Erfüllung dieser Ziele für notwendig erachtet werden, das zu entscheiden ist allein Sache Österreichs. Österreich hat auch niemals einen Vertrag geschlossen, mit dem es sich seiner souveränen Entscheidungs freiheit in Angelegenheit der Wirtschaftspolitik begebwha 0.1' n iaigs sgiiriaiw btmriBw

(Der 'dfiffe"TjràndšatiT'ànsefėr Integrationspolitik steht wieder im engen Zusammenhang mit dem zweiten. Wenn wir, was nicht nur unser Recht, sondern sogar unsere Pflicht ist, unsere Freiheit in wirtschaftspolitischen Entscheidungen eindeutig bewahren, so ergibt sich daraus auch, daß sich die österreichische Integrationspolitik ausreichenden Spielraum zur Aufrechterhaltung der Osthandelsbeziehungen lassen muß. Hier stellen sich sicherlich schwierige Probleme, etwa auf dem Gebiete der Meistbegünstigung, des bilateralen Handels- und Zahlungsverkehrs und so weiter. Diese Probleme erscheinen mir keineswegs unlösbar, sie bilden gegenwärtig den Gegenstand eingehender Untersuchungen; Vorschläge hierzu werden vorliegen, wenn Österreich in die Verhandlungen mit der EWG eintreten wird.

Die oft gestellte Frage, wie man sich das Ergebnis der Verhandlungen mit der EWG vorstellen könnte, läßt sich, wie gesagt, im Augenblick noch nicht beantworten. Immer mehr aber zeichnet sich die Richtigkeit des von mir schon vor zwei Jahren gemachten Vorschlages ab, zunächst nicht mehr als ein handelspolitisches Arrangement zwischen Österreich und der EWG anzustreben. Wir müssen die Diskriminierung unserer Exporte in die Sechsergemeinschaft vermeiden, die immerhin mehr als. 50 Prozent unserer Exportwaren aufnimmt. Es bedarf keines Beweises, daß ein Verlust oder auch nur eine Schmälerung unserer Exportmöglichkeiten in die Märkte der EWG zu schweren wirtschaftlichen

Rückschlägen in Österreich führen müßte. Da- heftittlltß ■ die- handelspolitische Diskriminierung auf dem Zoll- und Liberalisierungssektor be-, seitigt werden. Hierfür wird auch Österreich entsprechende Opfer zu bringen haben. Da die österreichische Wirtschaft aber auf gar keinen Fall in Zukunft isoliert bestehen könnte, müssen die Übergangsschwierigkeiten in Kauf genommen werden. Das ist auch der Grund dafür, warum ich so stark auf die Durchführung der oben erwähnten, bedeutenden Liberalisierungsschritte zum 1. Jänner 1962 gedrängt habe.

Mit dem Wunsche, daß das Jahr 1962 für Österreich wieder ein wirtschaftlich erfolgreiches sein möge, verbindet sich auch zum heurigen Jahreswechsel die in ökonomischen Erkenntnissen gegründete Zuversicht, daß dieser Wunsch in Erfüllung gehen wird, wenn wir selbst bereit und imstande sind, das ökonomisch Richtige zu tun!

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