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Auswege aus der Kleinbauernnot

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Der Aufbau unserer heimischen Landwirtschaft, dem die Deckung des Nahrungsmittelbedarfes einer sehr stark angestiegenen Bevölkerung zu einem recht erheblichen Teil zu danken ist, weist einen empfindlichen Mangel auf: der Fortschritt ist an den Anwesen sehr vieler Kleinbauern vorübergegangen, hat bei den Familien, die über mehr Arbeitskräfte verfügen, als auf der bescheidenen eigenen Scholle nutzbringende Verwendung finden, kaum Eingang gefunden, und die Lage dieser Kleinbauern ist heute vielfach schlechter denn je. Zum eigenen Nachteil, aber auch zum Schaden aller, vor allem auch der größeren Besitzer, die aus den Reihen der Kleinbauern immer ihre besten Arbeitskräfte holten, aber auch der Städte, deren Arbeitslosenheer immer wieder durch zugewanderte Kinder aus solchen Familien aufgefüllt wird.

Die Verschlechterung der Lage des Kleinbauern hat schon vor geraumer Zeit eingesetzt. Er verlor durch die Modernisierung der Großbetriebe die Gelegenheit zu Gastarbeit, durch die strengeren GewerbevorschTiften zahlreiche Gelegenheiten zu Nebenverdienst; der Fort-

schritt der Modernisierung nahm ihm unter anderem die Gelegenheit zu Mietfahrten (Holz, Schotter), wodurch die Haltung von Zugvieh für ihn allein unwirtschaftlich wurde. So kommt es, daß die Felder der Kleinbauern heute meist nur seicht und schlecht geackert sind und außerdem — da das Geld für den Bau guter Dünger-slätten und den Ankauf von Kunstdünger fehlt — in der Regel auch nur ungenügend gedüngt werden. Da zumeist auch nur schlecht gereinigtes Saatgut aus der eigenen Ernte verwendet wird und aus Geldmangel keine Schädlingsbekämpfungsmittel angewendet werden, bleiben die Ernten stets gegen die der größeren Bauern zurück, ebenso die Milchleistungen der oft schlecht ernährten, wenig Zuchtwert besitzenden Kühe. Die unmittelbaren Folgen dieser Entwicklung sind:

1. Unzulängliche Erträge der Kleinbauernfelder.

2. Zunehmende Verschlechterung der

wirtschaftlichen Lage der Kleinbauern (Abwandern zur Industrie).

3. Ständige Zunahme der Landarbeiternot und Hand in Hand damit

4. trotz-Zunahme der Zahl der Beschäftigten im ganzen Bundesgebiet ein Ansteigen der Zahl der Arbeitslosen infolge des beunruhigenden Uberangebots an ungelernten Hilfsarbeitern.

5. Gleichzeitig wird der soziale Gegensatz zwischen den Bauern und Kleinbauern, den „Reichen“ und den „Dorfproletariern“, immer größer, ja oft sogar feindselig.

Man könnte nun die Ansicht vertreten, daß eine Aufsaugung der Kleinbetriebe durch größere Kräfte sparen helfen und die Leistung steigern könne. Diesen rein materialistischen Überlegungen steht aber die Tatsache gegenüber, daß es sich hier um das Schicksal vieler tausender tüchtiger Menschen handelt, deren selbständige Existenz nicht nur aus Menschlichkeit erhalten werden soll und — werm man gewisse Maßnahmen trifft — gewiß auch erhalten werden kann.

Leider gibt uns die Statistik * keine restlos befriedigenden Grundlagen für die Beurteilung dieser Verhältnisse. Denn wenn auch der weniger als zwei Hektar umfassende „Zwerg“- und der über zwei bis fünf Hektar verfügende „Kleinbetrieb“ in den meisten Fällen nicht so viel hervorbringt, um eine Familie ernähren zu können, er also mit gutem Recht als Kleinbauernbetrieb gelten kann, so ist es andererseits doch oft der Fall, daß bei intensiver Ausnützung des Bodens, zum Beispiel bei vorwiegender Garten- und Weinbergwirtschaft, auch auf diesen kleinen Flächen so viel erarbeitet wird, daß auf diesen eine Familie „wohl bestehen kann“; umgekehrt aber kommt es auch sehr oft vor, daß ein wohl größerer, aber ungünstiger gelegener Hof, trolz seiner größeren Ausdehnung, aber wegen seiner geringeren Leistungsfähigkeit, noch als Kleinbauernwirtschaft gelten muß.

Im Jahre 1938 gehörten nach der amtlichen Statistik in dem damaligen österreichischen Teil des Deutschen Reiches 536.231 Hektar (von insgesamt 8,201.294) zu 243.896 höchstens 5 Hektar umfassenden Betrieben (von zusammen 487.121). Weitere 642.479 Hektar gehörten zu 90.037 kleinen Liegenschaften mit einer Ausdehnung von je 5 bis 10 Hektar, so daß alle kleineren Betriebe, das waren 68,6 Prozent aller, zusammengenommen 14,4 Prozent der Gesamtfläche einnehmen, ein Zeichen dafür, daß es sich bei diesen Fragen um eine recht erhebliche Anzahl von Familien und recht ansehnliche Flächen handelt.

Sehr aufschlußreich sind die Zahlen über den Anteil der kleinen Besitzer an der Gesamtfläche der Intensivkulturen: Von allen Gärten gehörten 11,3 Prozent den Zwerg- und 13,8 Prozent den Kleinbauern, von den Weinbergen 16,7 beziehungsweise 25 Prozent; dagegen war der Anteil an den Feldern 3,3 beziehungsweise 9,5 Prozent, jener der Gesamtfläche aber nur 2,4 beziehungsweise 7,6 Prozent.

Beachtenswert sind auch die Angaben

Diese Zahlen lassen erkennen, daß sich die kleinen Landwirte vorzugsweise mit der Pflege der Intensivkulturen und der Viehhaltung beschäftigen, also mit jenen Zweigen der Landwirtschaft, bei denen größte Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit erforderlich sind, bei denen es aber auch möglich ist, uie zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte der Familie zweckmäßig einzusetzen und auszunützen und bei welchen das Fehlen von Landmaschinen, dank der Eigenart

dieser Wirtschaftszweige keine nennenswerte Rolle spielt.

Diese Feststellungen sind rTehr wichtig! Denn sie zeigen, daß die kleinen Landwirte ohnedies auf dem richtigen Weg sind und daß es sich also vorzugsweise nur darum handeln wird, alle diese Tätigkeiten vollkommener, besser, den Ansprüchen der Zeit entsprechender auszuführen. Es wird daher, wenn man dem Kleinbauern helfen will, nicht notwendig sein, seinen Betrieb umzustellen, was viel Zeit und Geld kosten würde, sondern ihn nur zu verbessern, aus dem ausgefahrenen alten Geleise herauszuheben und auf ein solches zu stellen, auf dem er Besseres zu leisten imstande ist, wie der größere Landwirt, der die Handarbeit notgedrungen immer mehr durch die der Maschine ersetzen muß.

Es wird also notwendig sein, alle Intensivkulturen, die ja heute schon vorzugsweise vom kleinen Landwirt betrieben werden, nur noch zu verbessern und auszubauen, was aber nur durch bessere fachliche Ausbildung einerseits und weitestgehenden genossenschaftlichen Zusammenschluß andererseits möglich sein wird. Dies gilt insbesondere von der Verwertung der Weintrauben beziehungsweise der Weine. Freilich, mit der Vergenossenschaftlichung allein werden nicht alle Nachteile des Kleinbetriebes aus der Welt geschafft werden können. So ist die gewiß wünschenswerte gemeinsame

Verwendung von Landmaschinen vielfach einfach deshalb undurchführbar, da ja zum Beispiel jeder fast zur selben Zeit anbauen oder mähen muß, eine gemeinsame Sä- beziehungsweise Mähmaschine daher nicht in Frage kommt. Doch gibt es verschiedene Möglichkeiten, manche Arbeiten maschinell besser und zweckmäßiger durchzuführen wie bisher. So wäre es beispielsweise möglich (an einigen Orten geschieht dies bereits), alle Felder der Kleinbauern einmal im Jahr mit einem gemeinsamen Motorpflug gründlich zu ackern und alle anderen Feldarbeiten dann mit einem Kuhgespann zu verrichten. Auf diese Weise würde eine viel bessere Feldbestellung erreicht und die Pferdehaltung erübrigt werden. Zugleich könnte eine Kuh mehr gehalten werden. Die Folge wären höhere Ernten und größere Milcherträge.

Daneben wird man sich bemühen müssen, neue Kulturen, wie beispielsweise Tabakbau, ausfindig zu machen, die von den Kleinbauern besonders gut betrieben werden könnten.

Weiter ist es aber auch notwendig, um die Kleinbauern krisenfest zu machen, diesen zusätzliche Verdienstmöglichkeiten zu erschließen. So verlangen, um nur einige aufzuzeigen, die komplizierten Landmaschinen, sollen 6ie dauernd vollwertige Arbeit sdiaffen, eine besonders sachgemäße Wartung und sorgfältige Pflege, die einem besonders geschul-

ten Mann übergeben werden muß, -der aber — dies ist in der Eigenart des landwirtschaftlichen Betriebes begründet — nur durch Wochen oder Monate, also nicht hauptberuflich beschäftigt werden kann. An vom Verkehr abgeschlossenen Orten wird es lohnend sein, die anfallende Milch in kleinen, aber neuzeitlich eingerichteten und betriebenen Käsereien zu verarbeiten, die eine gut absetzbare Ware erzeugen und zugleich einem Kleinbauern täglich durch einige Stunden Arbeit und damit Verdienst geben. Andere mögen als Baumwärter die Pflege der Obstbäume und die Bekämpfung der Schädlinge übernehmen oder die Durchführung der Ernte in einem klimatisch begünstigten Dorf, die so frühzeitig beendet wird, daß anschließend noch die Ernte auf dem eigenen Feld zeitgerecht durchgeführt werden kann.

Die Aufgaben, die gelöst werden müssen, um die Lage des Kleinbauern zu verbessern, sind schwierig, besonders da dieser meist nur über ganz geringfügige Eigenmittel verfügt, und mannigfaltig, da überall, in jeder Gemeinde, ja in jedem Betrieb andere Verhältnisse vorliegen, die berücksichtigt werden müssen. Glücklich durchgeführte Fälle zeigen aber, daß der Auf stieg möglich ist, vor allem, wenn ein energischer Wille vorhanden ist, der die anderen mitreißt und die Möglichkeiten der Förderung, die Bund, Länder und Kammern allen Interessenten bieten, ausnützt.

* Zusammenfassende Darstellung der land wirtschaftlichen Betriebszählung 1939. Ueber reuter, Wien 1942.

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