Autonome IllusIonen

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Nach langem Ächzen und Stöhnen war es Freitag vergangener Woche so weit: Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ), Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP), Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) und sein live aus Kärnten zugeschalteter - und von digitalen bad vibrations partiell abgewürgter -Kollege Peter Kaiser (SPÖ) traten vor die Presse und präsentierten das neue Schulautonomieund verwaltungspaket. Ebenfalls anwesend -(wenn auch nur geistig) - war die Lehrergewerkschaft, an die sich die drei zentralen Botschaften der sichtlich genervten Ministerin richten sollten. Erstens: "Das ist kein Sparpaket." Zweitens: "Das wird jetzt durchgezogen." Und drittens: "Wir wollen nicht erpressbar werden."

Letzteres ist blanker Euphemismus: Denn wenn nicht die Regierung, sondern eine Interessenvertretung entscheidet, ob und wann ein neues Gesetz in Begutachtung geschickt wird, haben sich die Machtverhältnisse längst umgekehrt. Den Gewerkschaftern ist das nicht vorzuwerfen: Sie machen nur ihren Job und nutzen jene Räume, die ihnen eine von Parteiund Länderinteressen aufgeriebene Bildungspolitik seit Ewigkeiten lässt.

Kompetenzwirrwarr zur Potenz

Womit wir beim Knackpunkt des vorliegenden Reformpaketes wären: Insbesondere punkto Schulverwaltung handelt es sich nämlich weniger um eine Reform im Wortsinn als um den üblichen Interessenabgleich von Bund und Ländern, der das Kompetenzwirrwarr nur auf eine höhere Komplexitätsebene hebt. Dass die neuen "Bildungsdirektionen" als "Mischbehörden" konzipiert wurden, in denen der Bildungsdirektor vom Landeshauptmann Weisungen für Landeslehrer und von der Ministerin Weisungen für Bundeslehrer erhält, ist an Skurrilität kaum zu überbieten. Immerhin werden jetzt alle Lehrer über ein gemeinsames IT-System abgerechnet. Für die bisherige "black box" Schule fast eine Revolution.

Eher halbgar ist auch die vielbeschworene Autonomie der Schulen ausgefallen. Tatsächliche Budgetautonomie ist ebenso vom Tisch wie die Möglichkeit, sich von ungeeigneten Pädagogen zu trennen. Stattdessen wurde mit den Leitern der neuen Schul-Cluster eine zusätzliche Verwaltungsebene eingezogen, deren Freiheit gerade so weit reicht, aus vorgeschlagenen Lehrpersonen die passendsten auszuwählen, Unterrichtseinheiten und Klassengrößen ohne Schulversuch zu flexibilisieren und durch den wechselweisen Einsatz von Lehrkräften den häufigen fachfremden Unterricht zu reduzieren.

Dass die Gewerkschaft Letzteres kritisiert, ist nachvollziehbar - aber inhaltlich nicht zu argumentieren. Ernst nehmen muss man hingegen die Sorge, dass es angesichts von Herausforderungen wie Migration und Inklusion künftig zu wenig Ressourcen gibt (vgl. Seite 13). Will man Brennpunktschulen durch den "Chancenindex" besser ausstatten - aber guten Schulen nichts wegnehmen -, braucht es also mehr Geld. Sonst könnte in Zeiten von Autonomie und schulischem Wettbewerb um die besten Lehrer am Ende noch das Matthäus-Prinzip zum Tragen kommen: Wer hat, dem wird gegeben. Und wer nicht hat, dem wird genommen.

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