Schule in Zeiten von Corona
DISKURSBerufsschulen: Handwerk als blinder Fleck
Während zuletzt ein Großstreik gegen die mündliche Matura Schlagzeilen machte, werden Berufsschüler(innen) in der Pandemie regelrecht vergessen. Der Frust bei den Lehrlingen ist groß. Ein Stimmungsbild.
Während zuletzt ein Großstreik gegen die mündliche Matura Schlagzeilen machte, werden Berufsschüler(innen) in der Pandemie regelrecht vergessen. Der Frust bei den Lehrlingen ist groß. Ein Stimmungsbild.
Der „Notruf“ ging an alle Medien: „Ich habe noch nie erlebt, dass so viele Schülerinnen und Schüler zugleich Unterstützung, Beratung oder Hilfe von ihrer Vertretung anfordern“, schrieb Christoph Kornitzer, angehender Rechtskanzleiassistent und Landesvorsitzender der Berufsschülervertretung, in einem offenen Brief an Bildungsminister Martin Polaschek. Sieben Jahre schon würde er sich als Schulsprecher und Schülervertreter engagieren, erklärt der 16-Jährige darin. Doch nie sei seine Tätigkeit so belastend gewesen wie heute. Anders als AHS- oder BMHS-Schüler müssten er und seinesgleichen die Berufsschule, einen 40-Wochenstunden-Job und manche auch noch die Matura unter einen Hut bringen. Dennoch würde die Politik in der Krise keinerlei Rücksicht nehmen. Oft sei er auch mit psychischen und persönlichen Anfragen befasst, die im Grunde nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fielen, für die es aber keine Adressaten gebe. Kornitzers Fazit: „Die Schüler können nicht mehr.“
Rechtliche Unklarheiten
Nach zwei Jahren Pandemie sind Frust und Erschöpfung im gesamten Bildungsbereich groß. Während aber Schüler-Streiks gegen die mündliche Matura rasch Schlagzeilen machen, wird die Situation in Berufsschulen regelrecht ausgeblendet. Es gäbe etwa bereits Dutzende Rechtsfälle, in die heimische Lehrlinge aufgrund der Pandemie mittlerweile verwickelt seien, erklärt Kornitzer. Manche könnten etwa ausgerechnet jetzt, kurz vor dem Notenschluss, wegen mangelnder Präsenz nicht beurteilt werden. Der Hintergrund: Ein Berufsschultag gilt als bezahlter Arbeitstag, Betriebe müssen dem Fernbleiben vom Unterricht also faktisch zustimmen. Nun haben sich viele Berufsschüler in den Lockdowns dazu entschieden, von zu Hause aus zu lernen. Nicht zuletzt, weil das auch viele Lehrbetriebe lieber sahen. Gleichzeitig war es vielen Berufsschulen nicht möglich, für alle Homeschooling anzubieten. Die Folgen für die Einzelnen sind drastisch – und die Rechtslage ist schwierig, weiß Christoph Kornitzer: „Wir müssten fast ausgebildete Juristen sein, um zu wissen, wo und wie groß hier Interpretationsspielraum ist.“
Dazu kam das Fehlen einer adäquaten PCR-Teststrategie im Berufsschulbereich – bzw. ihre schwierige Anwendbarkeit: Etwa, weil der Unterricht zumeist nicht täglich stattfindet, während andere Schülergruppen wieder geblockt unterrichtet wurden; oder weil die Lehrbetriebe selbst unterschiedliche Test-Strategien bevorzugten; oder weil schlicht viel zu wenige Tests geliefert wurden.
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