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Bestrafter Fleiß?

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Die geistige Leistung wird in unserem Lande nicht sehr hoch geschätzt. Ein halbwegs tüchtiger Vertreter mit Hauptschulbildung verdient nicht selten doppelt soviel wie ein Universitätsprofessor, die Gehälter unserer Lehrkräfte, der wissenschaftlichen Hilfskräfte, der Spitalsärzte stehen wohl in Europa — vielleicht mit Ausnahme Griechenlands und Spaniens — einzig da, Dichter und Schriftsteller müssen neben ihrer schöpferischen Arbeit einen „bürgerlichen“ Beruf ausüben, um nicht zu verhungern, solange sie noch nicht zu den wenigen „Arrivierten“ zählen oder ihr Talent nicht zu Werbeslogans ummünzen, ja selbst die in der Industrie tätigen Intellektuellen verdienen erheblich weniger als ihre Kollegen in manchem anderen Land. Alles dies ist längst bekannt und nur ein Zeichen der gegenwärtigen Umwertung aller Werte im Zeichen des materiellen und materialistischen „Wirtschaftswunders“.

Dies alles wollen wir aber hier nur am Rande erwähnen, und auch die große Gefahr, die sich daraus für unser Land ergibt, nur streifen, da über all dies schon sehr viel gesprochen und geschrieben worden ist, ohne daß sich Wesentliches geändert hätte. Wir haben diese Tatsachen nur erwähnt, um aufzuzeigen, wieviel echter Idealismus und wieviel Verantwortungsbewußtsein gegenüber ihrer Heimat von jenen Menschen aufgebracht wird, die trotz aller Lockungen höherer Einkommensmöglichkeiten und eines höheren Lebensstandards im Ausland in Österreich bleiben und in diesem Lande geistig wirken wollen, wobd sie riskieren, von den „Erfolgsmenschen“ insgeheim wegen ihrer „Undichtigkeit“ noch belächelt zu werden.

Man sollte nun annehmen, daß alle verantwortungsbewußten Männer dieses Landes alles in ihrer Macht Stehende tun, um diesen Geist zu stärken und die erbrachten Leistungen anzuerkennen. Vergeblich wartete man aber bisher auf Hilfe oder auch nur auf nennenswertes Entgegenkommen durch das Finanzministerium.

Gerade der Finanzminister könnte aber wirksam eingreifen, und zwar nicht etwa nur durch eine Erhöhung des Kulturbudgets, sondern durch einfache steuerliche Maßnahmen, die angesichts der Budgethöhe praktisch kaum ins Gewicht fielen und kein Geschenk, sondern nur die Beseitigung steuerlicher Ungerechtigkeiten ..darstellen würden.

Bei der Berechnung der Lohnsteuer wird, wie allgemein bekannt, automatisch ein Freibetrag für Werbungskosten eingerechnet. Darüber hinaus können erhöhte Werbungskosten bei den Finanzämtern geltend gemacht werden. Für die Erhöhung der Werbungskosten gibt es aber in der steuerlichen Praxis, und das ist nicht allgemein bekannt, je nach Berufsgruppen verschiedene Limits, die teils fix, teils als Prozentsatz des Bruttoeinkommens festgelegt werden. Je größer das Einkommen, desto größere Werbungskosten können in der Regel geltend gemacht werden.

Wir wollen hier nicht die Berechtigung der Werbungs- und anderer Kosten für Wirtschafttreibende anzweifeln; wir glauben auch, daß manche gute Geschäfte beim Heurigen oder in einer Bar entriert oder abgeschlossen werden — aber anderseits kann auch kaum geleugnet werden, daß Diskussionen unter Intellektuellen bei einem Glas Wein sehr fruchtbare Resultate bringen können, aber keiner dierser Intellektuellen würde auf den Gedanken kommen, den Finanzämtern entsprechende Rechnungen vorzulegen.

Jede Geschäftsreise wird völlig richtigerweise von den Finanzbebörden als Steuerabzugspost anerkannt. Eine Studienreise hingegen? Da muß der Betreffende sehr viel Glück oder einen Steuerberater mit sehr guten Beziehungen haben.

Es gäbe noch Dutzende Beispiele ähnlicher Art. Ex-Finanzminister Karnitz hat selbst wiederholt erklärt, daß der „Mittelstandsbauch“ in der Steuerprogression ungerecht ist und hat sich, was wir anerkennen wollen, bereits bemüht, hier Besserung zu schaffen. Diese steuerliche Ungerechtigkeit ist aber vor allem in der unteren Hälfte der mittleren Einkommen, also zwischen 4000 und 10.000 S monatlich, nach wie vor sehr kraß, das heißt die Steuerprogression ist sehr empfindlich. Davon werden leider wieder die Intellektuellen betroffen, denen, wie wir sahen, kaum Ausweichmöglichkeiten, wie absetzbare Kosten usw., zur Verfügung stehen.

Und wehe, ein Intellektueller kommt auf den Gedanken, etwas zu publizieren, weil er etwas auszusagen hat, und in seiner Freizeit die Mühe und Arbeit auf sich zu nehmen und ein Buch oder Artikel für Zeitschriften zu verfassen. Einkünfte aus literarischer Arbeit sind nur bis zu einer Höhe von 3000 S pro Jahr steuerfrei. Sobald dieser Betrag überschritten wird, muß eine Einkommensteuererklärung abgelegt werden, und es kommt oft vor, daß von den kärglichen Honoraren solcher zusätzlicher Nachtarbeit bis zu 40, ja 60 Prozent weggesteuert werden. Eine Erhöhung dieser Freigrenze etwa auf 10.0 0 0 S wäre leicht vertretbar u n d könnte eine fühlbare Erleichterung schaffen.

Aber betrachten wir das ganze Problem der steuerlichen Behandlung der Intellektuellen einmal grundsätzlich und stellen wir uns sogar auf den etwas bedenklichen Standpunkt der Finanzbehörden, daß auch hier nur wirtschaftliche Gesichtspunkte maßgebend sein müßten.

Die Kosten einer wissenschaftlichen Ausbildung wurden unter Berücksichtigung des Verdienstentganges während der Studienzeit wiederholt berechnet und dabei Beträge zwischen 100.000 und 400.000 S ermittelt. Diese Beträge stellen echte materielle Investitionen dar. In der Wirtschaft werden selbstverständliche Investitionen steuerlich begünstigt und können voll amortisiert werden. Nur die Investition des Studiums ist hiervon ausgenommen.

Wir wollen nochmals betonen: Wir begrüßen, wenn der Wirtschaft die steuerliche Hilfe gegeben wird, die sie zu ihrer Entwicklung im Interesse unseres Landes benötigt, und wir wissen, daß Unternehmergeist und Initiative zwei der wichtigsten Stützpfeiler der freien Welt sind, aber wir wollen das gleiche Recht für den Geist, für die geistig Schaffenden Wir wollen keine Geschenke, sondern nur gleiche Behandlung vor dem Gesetz. Das ist unsere Bitte und unser Anliegen an den neuen Finanzminister.

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