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Bilden wir zu viele Lehrer aus?

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In den Diskussionen zur Frage der Neugestaltung unserer Lehrerbildung hört man öfter den Hinweis, die Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten „produzierten" zu viele Lehrer; daher müßte man zu einer neuen Form der Ausbildung für diesen Beruf gelangen.

Nun ist das zunächst überhaupt kein begründetes sachliches Argument, denn es ist völlig klar, daß man auf jedem der in Frage stehenden Wege zu viele oder zu -wenige Lehrer heranbilden kann. Die Entscheidung darüber, ob man die Lehrerbildungsanstalten auf lösen und grundsätzlich neue Wege gehen soll, wird wohl auf Grund sehr eindrucksvoller pädagogischer Argumente getroffen werden können, nicht aber durch weitläufige Beziehungen zur Bedarfsfrage.

Doch wir wollen uns verpflichtet sehen, die ernste Frage für sich zu prüfen, ob es eine unbedachte „U eberproduktion" von Volksschullehrern und -lehrerinnen in Oesterreich gibt. Besteht eine große Stellenlosigkeit im Lehrberuf? Ja und nein! Es ist so, daß im Östlichen Teile des Bundesgebietes Hunderte von Lehramtsanwärtern auf ihre Einberufung zum Volksschuldienst warten, im westlichen dagegen finden die Abgänger der Bildungsanstalten bisher und wohl auch 1h. Zukunft bald nach ihrer Reifeprüfung eine Anstellung im Lehrberuf, ja man greift sogar — wenngleich viel zu bedenklich und zögernd — nach Lehramtsanwärtern aus den östlichen „Ueberschußgebieten", wenn die Lehramtsinwärter des eigenen Landes alle versorgt sind.

. Um diese verschiedenartige Entwicklung zu verstehen, muß man sich vor Augen halten, wie sprunghaft die Veränderungen des Lehrerbedarfes seit 1945 waren.

Unter der Einwirkung des Krieges und bei der rigorosen Handhabung der National- Sozialistengesetze bestand zunächst bis etwa 1948 in ganz Oesterreich ausgesprochener Lehrermangel, dann aber änderte sich die Situation durch die Wiedereinstellung der politisch disziplinierten Lehrpersonen und durch die Einbürgerung auslandsdeütscher Lehrer. Beides erfolgte nicht in allen Ländern im gleichen Tempo. Ueberdies aber kamen nun Geburtsjahrgänge von ganz verschiedener Stärke in das schulpflichtige Alter. Dies alles wurde dann noch entscheidend überlagert durch den katastrophalen Geburtenrückgang in Wien, Niederösterreich und Burgenland seit 1945.

Alle diese Faktoren, die für den künftigen Bedarf an Lehrern und Lehrerinnen maßgebend sind, richtig wahrzunehmen und unter ihrer Berücksichtigung zu planen, war gar nicht leicht. Es ist das jedoch durch die österreichische Unterrichtsverwaltung geschehen,

wie wir später an Hand illustrativer Ziffern zu zeigen haben werden.

Nun erhebt sich jedoch sofort die Frage, ob es denn für ein B e r u f s s t u d i u m, für eine über den Pflichtschulbesuch hinausgehende Schule überhaupt so etwas wie eine „Planung." gebe. Es steht doch nach unserer Verfassung jedem Staatsbürger frei, jenen Berufsweg einzuschlagen, den er Wählt.

Wir haben keine „Bewirtschaftung" der Menschen und lehnen sie nach manchen Erfahrungen leidenschaftlich ab. Beraten soll man Eltern und Jugend, aber Zwangsmaßnahmen im positiven wie im negativen Sinn Bei Gelenk- u. Muskelrheumatismus hat sich Togal hervorragend bewährt. Wenn Tausende von Aerzten Togal verordnen, können auch Sie es vertrauensvoll kaufen! Machen Sie noch heute einen Versuch! Togal ist in jeder Apotheke des In- und Auslandes zu bekommen.

bleiben seht fragwürdig. Werin sich die qster- reichische Unterrichtsverwaltung trotz solcher Bedenken doch sofort nach 1945 zu einer aufmerksameren Beobachtung und zu einer gewissen Lenkung der Lehrerbildung entschloß, so geschah dies in Erinnerung an das drückende Junglehrerelend, das gerade zur Zeit der Wiener Schulreform bestand. Aber es muß festgehalten werden, daß diese Planung immerhin eine einmalige Erscheinung in unserem gesamten BilduhgSwesen ist, das sonst nirgends einen nutiietus clausus kennt, obgleich für viele andere Schulgattungen und Studienrichtungen der Bedarf und die Aussichten keineswegs günstiger sind als für den Lehrer- betuf. Dort jedoch denkt niemand an solche Beschränküngsmaßnahmeri, wie sie hier tat- Sädilloh durchgeführt wurden. Es mußten diese Drosselungen wegen ihres weitreichenden Charakters schon zu einer Zeit begonnen werden, als noch tatsächlich Lehrermangel herrschte, was sie oft unverständlich erscheinen ließ. Doch es mögen die Zahlen darüber sprechen, wie sich der Besuch der Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten seit 1946 unter dem direkten Einfluß der Unterrichtsverwaltung entwickelt hat:

Ferner wurde bereits im Jahre 1948 die Zulassung zu den Reifeprüfungen füi Privatisten an den Lehrer- und Lehre- rinnenbildungsanstalten gesperrt, wodurch eine Quelle für den Zustrom zu diesen Anstalten dauernd versiegt ist.

Vergleicht man nun den Schülerstand von 1946 mit jenem von 1953, so ergibt sich im Bereich der Lehrerbildung als dem einzigen Zweig des mittleren Schulwesens in dieser Zeit eine Herabsetzung der Ausbildungszahlen um mehr als 4 0 Prozent, und dies in einer Zeit, da sehr starke Jahrgänge die Pflichtsohule verließen und in weiterführende Schulen nachrückten. Erst in den letzten Jahren ist diese Maßnahme auch dadurch erleichtert worden, daß an manchen Anstalten die Zahl männlicher Aufnahms- bewerber zurückgeht; bei den Mädchen aber ist es nach wie vor so, daß ein außerordentlicher Andrang zu dem der weiblichen Eigenart eben besonders entsprechenden Beruf der Lehrerin besteht, der nur durch den numerus clausus an den Lehrerinnenbildungsanstalten abgewehrt wird.

Was somit trotz mancher Bedenken und entgegen der Entwicklung im übrigen mittleren Schulwesen zur Einschränkung der Lehrerausbildung geschah, das erfolgte durchaus einvernehmlich für Bundes- und Privat- Lehrer- und -Lehrerinnenbildungsanstalten in gleicher Weise. Die Drosselung war in den östlichen Bundesländern weitergehend. Es darf im übrigen bemerkt werden, daß zwar von den insgesamt 28 Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten je 14 vom Bund und von privaten Schulerhaltern geführt Werden, doch ist der A n- teil der Studierenden an den Bundesanstalten weitaus überwiegend. An ihnen sind es derzeit 2409, an den Privatanstalten jedoch nur 1440.

Zur Frage der Stellenlosigkeit muß wohl auch berücksichtigt werden, daß die Zahl der bei den Schulbehörden vorliegenden Anstellungsgesuche mit jener der tatsächlich stellenlosen Junglehrer nicht übereinstimmt, und daß es im Bereich der Erziehungsanstal- t e n, wo heute noch vielfach Gelegenheitsarbeiter ohne pädagogische Vorbildung den Erzieherdienst versehen, ein weites Feld für die Verwendung von Junglehrkräften gibt, das nicht genügend beachtet wird.

Für die Art, wie wir künftig in Oesterreich die Lehrerbildung gestalten sollen, ergeben sich aus dem Angebot von Junglehrern kaum zwingende Erkenntnisse, wohl aber dafür, daß alles geschehen muß, um das österreichische Volk wieder zu einem solchen zu machen, das seine Zukunft von der Familie her bejaht — dann werden wir auch wieder mehr Lehrer brauchen!

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