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Bildungsrat nötig

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Vor kurzem konnte ich in dieser Zeitung einige Grundprinzipien zur Schulreform Vortragen (Nummer 20 vom 19. Juli „Wie soll es weitergehen“). Inzwischen haben die Dinge im Gefolge der Auswirkungen und Initiativen des sogenannten „Schulvolksbegehrens“ ihren weiteren Lauf genommen. Die Materie hat ihre erste parlamentarische Behandlung erfahren; das umstrittene neunte Gymnasialjahr wird bekanntlich si-stiert, die Schaffung einer Schulreformkommission ist im Nationalrat beschlossen worden. Die Zusammensetzung dieses Gremiums scheint noch nicht genau festzuliegen. Nach den bisher bekanntgewordenen und publizierten Bekundungen sollen ihr (wohl sämtliche) Mitglieder des Unter-richtsausschusses des Nationalrates, die Präsidenten und Vizepräsidenten der Landesschulräte sowie Vertreter der Lehrer- und Elternschaft und gewiß auch Wissenschaftler — so hörte es der Verfasser aus einem Gespräch mit Bundesminister Dr. Mock heraus — angehören. Die Einrichtung einer Kommission zum Weiterbetreiben der Schulreform wird grundsätzlich begrüßt. Schulangelegenheiten sind par excellence öffentliche Angelegenheiten und öffentliches Anliegen. Sie unterstehen und unterliegen in ihrer Gestaltung, auch schon in ihrer gerüstmäßigen Planung, in der Herstellung eines ersten Koordinatensystems, der demokratischen Willensbildung, Einflußnahme und Ordnung. Insofern kommt den politischen Parteien als den vernehmlichsten und legitimiertesten Trägern der ta politika rechtens die Behandlung von grundsätzlichen Fragen und Vorfragen um Erziehung, und Bildung zu. Anders ausgedrückt: Der Politik steht es zu, ja fällt es zu, Ordnungen des Schulwesens zu bestimmen, Ordnungen, die den allgemein-epochalen geistigen und kulturellen Gegebenheiten und Aufträgen — die nicht nur dem Tage verhaftet sind und gesehen werden —, die den staatlich-gesellschaftlichen Interessen, die den wirtschaftlichen Bedürfnissen Rechnung tragen.

Die Schulreformkommission in der Zusammensetzung, wie sie bisher konzipiert ist, stößt beim Verfasser trotz des Bekenntnisses zu ihrer Einrichtung und der inneren Einsicht in den Primat der Politik in Schulangelegenheiten auf

zwei Bedenken:

erstens, die Kommission hat eine zu starke und zu einseitige Akzentuierung politischer Art, ein Umstand, dem kein Ausgleich gegenübergesetzt ist. Die Politisierung unseres Schulwesens hat bereits einen so hohen Grad erreicht, daß Sorge besteht, wenn ein wieder überwiegend nach parteipolitischen Gesichtspunkten zusammengesetztes Forum an sich allein die Schulreform betreibt. Das zweite Bedenken richtet sich gegen die Handlichkeit einer so eingerichteten Kommissdon. Sie würde oder wird etwa 50 bis 60 Personen umfassen. Nicht nur Fragen eines Zuviel oder eines Zuwenig an Kommunikation sind damit verknüpft, ganz abgesehen von allen praktischen Begleitumständen, die sich ergeben werden und die zu großen Reibungsverlusten führen können, denen eine so subtile Angelegenheit nicht unterworfen werden sollte. Auch kann ruhig von einer gewissen Aufsplitterung der Verantwor-tune ee=nrochen werden, wenn so viele Köche den Brei rühren, um an die Volksweisheit eines bekannten Sprichwortes zu erinnern. Gewiß steht diesem Verlangen nach Handlichkeit und angemessener Größe der Gedanke der breiten demokratischen Basis und der Berücksichtigung des vielge-

nannten Pluralismus der Einsichten und Ansichten gegenüber; ein goldener Mittelweg wird jedoch bei einiger Überlegung innerhalb des zur Verfügung stehenden politischen Spielraumes ohne Majori-sierung zu finden sein. Die Schulreformkommission Ist beschlossene Sache. Sie mag in der vorgesehenen Form — was als Positivem vermerkt sei — zur Beruhigung der aufgebrachten schulpolltischen Diskussion beitragen, und wir wünschen den Gesprächen, daß sie nicht im Gestrüpp nicht konvergierender Interessen und Einstellungen hängenbleiben. Wir hoffen dies; wir werden uns freuen, wenn die Befürchtung vom kleinsten gemeinsamen Nenner im Ergebnis nicht zutrifft. Vielleicht ist das leichter dadurch zu erreichen, daß rieben den Vertretern der politischen Parteien und Gruppierungen — und sowohl die Funktionäre der Landesschulräte Wie auch die einzuberufenden, aus den Lehrervereinigungen ausgewählten Lehrervertreter sind ebenfalls politische Mandatare —

das im engeren Sinne unabhängige Element (Wissenschaftler, Eltern) nicht nur am Rande mitläuft

Immerhin stellt der Verfasser seinen schon zuständigen Persönlichkeiten und Stellen übermittelten und da und dort zur Diskussion angenommenen Vorschlag der Errichtung eines „österreichischen Bildungsrates“ in Form eines weitgehend unabhängigen, aus Fachwissenschaftlern, Schulieuten und Politikern bestehenden, etwa 25 Personen umfassenden und somit auch arbeitseffektiven Gremiums als Alternative weiterhin zur Erwägung anheim. Ja er meint sogao:, daß die Errichtung eines solchen Forums, einer Art „Bildungs-kammer“, über die befristete Tätigkeit der Schulreformkomtnis-sion hinaus zu erwägen sei. Dieser Bildungsrat wäre gewissermaßen als Unterbereich anzusehen, über den ein politischer Oberbereich (Bundesregierung, im besonderen Unterrichtsniiniste-riuim; Parlament) liegt. In diesem letzteren sollen — um dies auch hier nochmals zu wiederholen — die letzten Entscheidungen über die wissenschaftlich wie praktisch, wie sozusagen in einer ersten Lesung auch politisch aufbereiteten und geklärten Problemkreise einer Schulreform und des Bildungswesens überhaupt erfolgen. Dann, so glauben wir, können doch noch sicherer, wenn nicht weniger mutig, die Schritte zu einer wohlüberlegten und festgegründeten Weiterentwicklung unseres Schulwesens gesetzt werden.

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