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Panikmache ist seine Sache nicht. Dann schon lieber "vorsichtiger Optimismus - damit es in Wien zu keinem Blutbad kommt". Trotz der anstehenden Kürzungen im Wiener Pflichtschulbereich hat sich Herbert Modritzky ein Quäntchen Zuversicht bewahren können. Noch hofft der stellvertretende Vorsitzende der Bundessektion Pflichtschullehrer in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) auf ein gutes Ende der Verhandlungen mit dem Bildungsministerium - und auf die Wirkung des Aktionstages vom 30. Jänner, an dem Eltern und Lehrer gemeinsam gegen die Einsparungen im Bildungsbereich aufgetreten sind. Dabei sah die Welt für Österreichs Pflichtschulen vor kurzem noch viel düsterer aus: Auf Grund der Vorgaben des Finanzausgleichs vom Oktober hätten rund 4.800 Landeslehrer bis 2004/2005 ihren Job verlieren sollen - der Großteil schon im kommenden Schuljahr. Indes scheint sich ein "tragfähiger Kompromiss" abzuzeichnen, so der Vorsitzende der Pflichtschullehrer-Gewerkschaft, Hermann Helm. Gemeinsam mit Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (VP) und basierend auf den Erkenntnissen der Lehrerarbeitszeit-Studie wurde ein neues Jahresnorm-Modell ausgearbeitet, das nicht nur zu "enormer Verwaltungsvereinfachung" (Gehrer) führen, sondern auch Arbeitsplätze sichern soll: Anders als im derzeit geltenden "Pflichtstundenmodell" mit 23 verpflichtenden Wochenstunden soll die Arbeitszeit der Lehrer nun auf einen jährlichen Zielwert von rund 1.797 Stunden (für Lehrer mit über 25 Dienstjahren nur 1.757 Stunden) fixiert werden. 720 bis 792 Stunden davon sind für den Unterricht und Tätigkeiten "im Kontakt mit den Schülern" reserviert, 600 bis 660 Stunden für Vor- und Nachbereitung und der Rest für Organisation und Innovation. Anders als bei AHS- und BHS-Lehrern wird die Klassenvorstands-Tätigkeit nicht mit einem Zuschlag abgegolten, sondern mit 66 Jahresstunden bewertet. Ob die Gewerkschaft dem Modell seinen Segen erteilt, wird dieser Tage in einer Urabstimmung beschlossen.

Keine Sparschweine Während die 76.000 österreichischen Pflichtschullehrer und ihre Schüler dem Sparstift womöglich glimpflich entkommen, fühlen sich die Lehrer in AHS und BHS übergebührlich geschröpft. Auch ihre Schülerinnen und Schüler geben sich kämpferisch: Sie seien nicht die "Sparschweine der Nation", lautete etwa die Parole von Wiens Landesschulsprecher Martin Binder. Neben dem Hauptauslöser des Lehrerstreiks vom 5. Dezember - den Änderungen bei der Abgeltung für Klassenvorstands- und Kustodiats-tätigkeiten - beklagen die Lehrer vor allem die mangelnde Anerkennung ihrer Leistungen. Gemeinsam mit den Schülern fordern sie auch niederigere Klassenschülerzahlen sowie die vom Bildungsministerium lange versprochene Computermilliarde.

Forderungen, die Elisabeth Gehrer im Interview mit der furche nur teilweise nachvollziehen kann: "Natürlich ist etwa eine Klassenschülerzahl von 36 nach heutigen Verhältnissen zu hoch. Nur: Die durchschnittliche Schülerzahl liegt in Österreich zwischen 24 und 28 pro Klasse." Problematisch ist freilich die Massierung in einzelnen Bereichen und Regionen, gesteht die Ministerin. In Aussicht stellt Gehrer dagegen die dringend erwartete Computermilliarde. Aufgeteilt auf drei Jahre würden davon nicht nur Computer gekauft, sondern nachhaltige Investitionen getätigt: Netzanbindungen sollen erweitert, eine Nachrüstungswelle für Gymnasien finanziert und die Lehrerweiterbildung im Bereich Informationstechnologien verbessert werden. Gerade letzteres tut Not: Noch ein Drittel aller Lehrenden sind "Novizen" im Netz. Auch die Contententwicklung, also die Forschung nach der Vermittelbarkeit von Lehrstoffen mit neuen Medien, ist ein Schwerpunkt. Dazu kommt noch eine Forschungsmilliarde, die zusätzlichen Technologieschub bringen soll. Am Sparkurs selbst führe jedoch ebenso kein Weg vorbei wie an einer Neugestaltung des Lebensgehalts der Lehrer: "Das hätten wir schon in den achtziger Jahren machen müssen, wo genug Geld da war", klagt Gehrer. "Statt dessen ist immer an kleinen Rädchen gedreht worden: da eine Zulage, dort eine Zulage."

Neue Schulkultur Die Zeit der Reförmchen ist vorbei. Zu groß sind die Herausforderungen, mit denen das österreichische Bildungswesen nun konfrontiert ist. Gewünscht wird an allen Ecken und Enden: So fordert die Wirtschaft von den 1,2 Millionen Schülerinnen und Schülern mehr ökonomische Kompetenz und Praktika, umfassendere Fremdsprachenkenntnisse, versierteren Umgang mit dem Computer, hinreichende Allgemeinbildung - und gutes Benehmen. Wünsche, denen man durch verschiedenste Maßnahmen und Projekte nachzukommen versucht: So will Gehrer mit so genannten "Erziehungsvereinbarungen" eine "neue Schulkultur im Umgang von Lehrern, Schülern und Eltern miteinander" erreichen. Gerade die Lehrerarbeitszeitstudie hat gezeigt, dass den Lehrern der Umgang mit den Schülern und Eltern am meisten zu schaffen macht. Im Sinne der autonomen Schulentwicklung könnten Schulen - wenn nötig - einen "Erziehungsrat" einrichten, der anstehende Konflikte lösen soll. Gemeinsam mit dem Europarat und den anderen EU-Ländern sollen im "Europäischen Jahr der Sprachen" auch die Fremdsprachenkenntnisse verbessert werden. (www.sprachen-2001.at). Forciert werden sollen auch das Umweltbewusstsein an den Schulen (www.oekolog.at), Orientierungshilfen in der Berufswahl (www.learn4life.at) und die Kooperation mit der Wirtschaft. Letzteres hat die Boston Consulting Group unter dem Titel "business@school" an drei Wiener Gymnasien beispielhaft versucht (www.business-at-school.com). Im Bildungsministerium soll schließlich eine eigene Lenkungsgruppe namens "Bildung-Wirtschaft" sowohl Lehrer für Praktika begeistern als auch Wirtschaftstreibende motivieren, einen Tag lang in die Haut eines Schuldirektors zu schlüpfen. Auch eine Studienstiftung ist geplant, die begabte Schülerinnen und Schüler an die Universität begleitet sowie Praktika und Ausbildungsangebote vermittelt.

Fazit der Ministerin: Österreichs Schüler sind gut gerüstet - und die Lehrer beliebter als man glaubt. So meinten in einer Umfrage vom vergangenen Mai ganze 80 Prozent, die Lehrer würden gute und sehr gute Arbeit leisten. Motivation genug für die Entscheidung zum Lehrberuf? Hoffentlich, denn nach jahrelanger Lehrerschwemme fehlen im Bereich neue Technologien und Wirtschaft sowie in technischen Werkstätten rund 240 Lehrende. Ob sich dafür - trotz vergleichsweise karger Entlohnung - genügend Junglehrer finden? Man darf gespannt sein.

Weitere Informationen unter www.schule.at, www.schooltalk.at und www.qis.

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