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Im Kommentar zum Pro-Reli-Entscheid in Berlin fordert die FAZ, statt über durchreisende Imame zu schimpfen, Islam an den Universitäten anzubieten.

Nicht alles, was alt ist, ist gut, nicht alles, was immer so war, sollte allein deswegen so bleiben. Die Berliner Wähler haben am Sonntag entschieden, dass zwischen dem Ethik- und dem Religionsunterricht an den staatlichen Schulen alles so bleibt, wie es ist. Man muss nicht viel über die Berliner Schule wissen, um gewiss zu sein, dass das, gemessen an den Aufgaben, bei Weitem nicht gut genug ist.

Das Fach Ethik bleibt Pflichtfach, Religionsunterricht bleibt wie seit 1945 weiterhin außerhalb des Lehrplans, seine Gestaltung ist allein in die Verantwortung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gestellt. Man muss nicht religiös sein, um zu sehen, dass darin ein Problem liegt. Der Senat hat jahrelang verhindert, dass die Islamische Föderation Zugang zu den Berliner Schulen bekommt, Instanz für Instanz hat er die Verfahren jedoch verloren. Seit die Föderation an inzwischen 31 Grundschulen Islamunterricht in deutscher Sprache nach genehmigten Lehrplänen erteilt, war von der Regierung nichts zur Frage zu hören, wie und wo eigentlich die Kinder der Einwanderer einen "europäischen, aufgeklärten Islam" kennenlernen oder selbst erst entwickeln sollen, den deutsche Politik sich von ihnen erhofft? […]

Kirchen- und Religionsferne als Fortschritt verkauft

SPD und Linkspartei und mehrheitlich auch die Berliner Grünen, das zeigte vor Jahren schon die Diskussion über das Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst, halten Kirchen- und Religionsferne für einen zivilisatorischen Fortschritt, der jede Brüskierung religiöser Minderheiten, ob es hiesige oder eingewanderte sind, wert ist. Wie sich damals das linke Spektrum nicht vorstellen mochte, dass Frauen auch andere Motive als "islamistische" fürs Kopftuchtragen haben könnten, wurde im Streit über eine Aufwertung des Religionsunterrichts so getan, als kämpften mächtige Kirchen um nichts anderes als um noch mehr Einfluss. Wären die Kirchen Unternehmen, würde der gescheiterte Volksentscheid wohl ihre Aktien nach oben treiben. Um die konfessionellen Schulen müssen sie jedenfalls nicht bangen. Dort ist Religionsunterricht ordentliches Schulfach, und doch drängen ungetaufte Schüler in nennenswerter Zahl vor ihren Türen, weil Eltern Grund zur Annahme haben, jeder Unterricht sei dort besser als in den staatlichen Schulen.

Die Bürgerinitiative "Pro Reli" hat eine Diskussion in Berlin eingeführt, die ihre tonangebenden Kreise dieses Mal noch erfolgreich abgewehrt haben. Kann eine Stadt "multikulti" sein, die das Religiöse einfach zu übergehen versucht? Ist das Fortlassen der religiösen Überzeugung die Eintrittskarte für die Gesellschaft, welche Rot-Rot anstrebt? Es wurde gesagt, "Pro Reli" spalte Berlin. Doch tatsächlich hat die Kampagne für einen ordentlichen Religionsunterricht erst erreicht, dass der Senat in der Woche vor der Abstimmung streuen ließ, man werde mal schauen, ob das Fach islamische Theologie an einer der drei Universitäten aufgebaut werden könne.

Seit Jahren wird darauf hingewiesen, dass man sich über windige Hinterhofpropheten, Hassprediger, durchreisende Imame, die weder Deutsch sprechen noch tiefere Kenntnisse der Lebensumstände ihrer Gemeinde haben, im Grunde nur dann glaubwürdig aufregen kann, wenn an deutschen Hochschulen islamische Theologie angeboten und den wissenschaftlich ausgebildeten Theologen dann auch ein Berufsfeld eröffnet wird. Mit Nachhilfe von "Pro Reli" hat nun vielleicht auch Rot-Rot verstanden, was in anderen Bundesländern schon mit allen Segnungen des politischen guten Willens versehen wurde: Zur Integration gehört ein Angebot religiöser Bildung, das auf dem westlichen Stand der Wissenschaft ist. […]

* Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. April 2009

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