"Brauchen einen Inklusionsfahrplan“

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Helene Jarmer, Nationalratsabgeordnete und Behindertensprecherin der Grünen, im FURCHE-Gespräch.

Die Furche: Was ist Ihr Resümee nach Ihrer Reise nach Südtirol?

Helene Jarmer: Bei inklusiver Bildung ist Italien Österreich weit voraus. Es sind mehr Ressourcen und eine größere Selbstverständlichkeit vorhanden. Offen bleiben für mich aber Detailfragen, wie sich die Praxis im Alltag konkret organisieren lässt: Wie etwa die Vorbereitung auf den Unterricht für Schüler mit unterschiedlichen Behinderungsformen abläuft.

Die Furche: Ließe sich ein ähnliches System auch bei uns umsetzen?

Jarmer: Wenn wir wollen, können wir alles machen. Es geht aber nicht darum, ein System zu kopieren. Im Bereich Gehörlosenbildung etwa sind die skandinavischen Länder Vorreiter. Wir müssen genau schauen, wo was gut funktioniert und es dann schrittweise in Österreich umsetzen. Die Oberstufe sollte zugänglich sein für Inklusion. Das müssen wir in Österreich zumindest andenken. Und ein wichtiges Thema ist die Finanzierung. Bei uns stehen viel zu wenig Mittel zur Verfügung.

Die Furche: Schulreformen gehen in Österreich grundsätzlich zäh voran. Was ließe sich schnell ändern?

Jarmer: Wir brauchen unbedingt einen Inklusionsfahrplan, der die einzelnen Schritte festlegt. Das könnte etwa die Gründung eines inklusiven Zentrums sein oder das Zugeständnis, das man in den kommenden Jahren keine neuen Sonderschulen mehr errichtet. Auch eine inklusive Lehrer-Aus- und Weiterbildung ist wichtig.

Die Furche: Die neue Lehrerausbildung sieht keine separate Ausbildung für Sonderschullehrer mehr vor. Ein erster Schritt in Richtung inklusive Schule?

Jarmer: Dieser Schritt ist zu begrüßen! Alle Lehrer müssen eine Grundausbildung in inklusivem Unterricht erhalten, Spezialisierungen müssen möglich sein. Leider fehlt die Elementarpädagogik völlig, ebenso wie die Ausbildung in der österreichischen Gebärdensprache. Sehr positiv ist, dass diskriminierende Zulassungsbestimmungen an den Hochschulen abgeschafft werden. Allerdings muss sichergestellt sein, dass Menschen mit Behinderungen später auch als Lehrer arbeiten können.

Die Furche: Hinter der Debatte um Schüler mit unterschiedlichem Leis-tungsniveau in einer Klasse steht die Angst, dass Stärkere verlieren, wenn sie mit Schwächeren lernen.

Jarmer: Das passiert nur, wenn die Lehrern sich an der Mitte orientieren und für alle Schüler in derselben Form unterrichten. Es kann aber gut funktionieren, wie wir in Südtirol gesehen haben, wenn sich Lehrer individuell um jeden Schüler kümmern - egal, ob stark oder schwach. Natürlich braucht das mehr Zeit und Ressourcen.

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