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Bündnis mit Leistungsträgern

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Die große Masse der öffentlich Bediensteten ist aus dem geschützten Bereich in den des Wettbewerbs zu überführen.

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Die große Masse der öffentlich Bediensteten ist aus dem geschützten Bereich in den des Wettbewerbs zu überführen.

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Die Entwicklung der menschli chen Gesellschaft erfolgt in Schüben. Langen Phasen des kontinuierlichen Wandels, viel zu oft unterbrochen durch furchtbare, kriegerische Ereignisse, folgen atemberaubende Prozesse des Wandels, die die gewachsenen Strukturen vor eine nur scheinbar unlösbare Aufgabe stellen. Die Konservativen aber - die es in fast allen gesellschaftlichen Gruppen gibt - stehen dieser Entwicklung meist hilflos gegenüber. Festgeklammert an ihren überkommenen Werten gelingt es ihnen nur schwer, den Wandel als Chance zu begreifen. Sie verlieren den Halt und suchen meist verunsichert nach den Schuldigen. Haben sie sie gefunden, meinen sie zu wissen, wen es nun zu bekämpfen gilt. Wie Don Quijote kämpfen sie gegen die Windmühlen des gesellschaftlichen Wandels, den sie trotz allen Bemühens nicht hemmen können. Sehr wohl aber werden die Anpassungsprozesse der Gesellschaft dadurch erschwert und unnötig schmerzhafte Konflikte provoziert.

Die Globalisierung unserer Gesellschaft, wenn auch in ihren rein ökonomischen Auswirkungen überschätzt, ist dennoch Realität. Die Entwicklung der Verkehrssysteme und die weltweite Vernetzung der Information prägen ein neues Bewußtsein. Eine neue, selbständige und selbstbewußte Generation von Bürgerinnen hat sich herausgebildet, die ihre Wege der Lebensgestaltung möglichst ungehindert gehen will. Die neue Arbeitswelt stellt vollkommen neue Anforderungen an sie und verschiebt ihre Berufschancen aus dem primären und sekundären Sektor der Wirtschaft hinaus in die Dienstleistung des tertiären und quar-tären Sektors. Die staatlichen Institutionen und mit ihnen die Politik der Konservativen aller Bichtungen stehen der Entwicklung erst ablehnend, dann staunend und am Schluß störrisch hilflos gegenüber. Explodierende Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit sind die Folge. Spielräume und vor allem Zeit zur Anpassung gehen verloren, was den unaufhaltsamen Wandel noch stärker spürbar macht.

Osterreich ist ein funktionierendes Gemeinwesen. Das verdankt es nicht zuletzt seinen politischen Institutionen und seiner erstklassigen Verwaltung, deren beider Strukturen aus der Vergangenheit kommen. Beide sind aber zu langsam, teuer und schwerfällig geworden, um die Anforderungen der Zukunft zu bewältigen.

Der Politik und ihren Entscheidungsträgern will es nur schwer gelingen, sich aus dem Teufelskreis des Reglementierungsprinzips zu lösen. Dieselben Verantwortlichen, die fast schon täglich den überbordenden Wust an Bürokratie beschwören, beschließen tags darauf mit ihren Mehrheiten in der Bundes- oder Länderlegislative neue Reglementierungen. Sie wagen den Schritt nicht heraus aus den legistischen Detailnormierungen hin zum Verantwortungsprinzip, das im Rahmen klarer, einfacher und vor allem überschaubarer Normen den mündigen Bürger für seine Entscheidungen in die Verantwortung nimmt. Selbst höchstqualifizierte Beamte sind heute zunehmend nicht mehr in der Lage, der Entwicklung der Gesetzesflut zu folgen. Wie soll da der alte Bechtsgrundsatz: „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht” für den einfachen Bürger noch gelten?

Die Hoheitsverwaltung mit durch Pragmatisierung ab der Unterschriftsebene geschützten Beamtinnen muß das Bückgrat der Vollziehung bleiben. Dies trifft den bei weitem kleinsten Teil der öffentlich Bediensteten. Die große Masse der in der Privatwirtschaftsverwaltung, Bildung und anderen Bereichen Beschäftigten ist aus dem geschützten Bereich durch Ausgliederung in den Bereich des Wettbewerbs zu überführen. Ja, vor allem auch im Bildungssektor muß es Wettbewerb zwischen den Guten geben, um die Schlechten aus dem Markt zu drängen oder zur besseren Leistung anzuspornen. Gerade in der Ausbildung unserer Jugend wirkt sich die Definitivstellung unheilvoll auf die Qualität des Unterrichts, der Lehre wie der Forschung aus. Volle Bechtsfähigkeit aller Bildungseinrichtungen schafft Wettbewerb zwischen den Leistungsträgern zum Wohle derer, für die die Schulen geschaffen wurden: unsere Kinder, unsere Jugend. Der Anteil der öffentlich Bediensteten wird sich damit dramatisch verringern. Die Anzahl der in kleineren ausgegliederten Einheiten Arbeitenden wird stark steigen und die staatliche Finanzierung in diesem Bereich vergleichbar und überschaubar werden. Neue Arbeitsformen - Teilzeitarbeit, Jobsharing, Sabbaticals -werden sich herausbilden. Nur in der kleineren Leistungseinheit sind die Interessen der drei Beteiligten -der Leistungsadressaten = Kunden, der Leistungsersteller = Mitarbeiter und des Leistungsträgers = für Kosten und Qualität der Leistung verantwortliche Organisation - unter einen Hut zu bringen.

Viele Entscheidungsträger haben diese Zusammenhänge bereits erkannt. Sie artikulieren die Beform-notwendigkeit auch hin und wieder, um dann resigniert im Gestrüpp ihrer eigenen Machtinteressen hängenzubleiben. Das Schlagwort der wohlerworbenen Rechte signalisiert die Unveränderbarkeit des Erreichten. Alles für alle, und davon jedes Jahr mehr, ist die Forderung der Funktionäre, die sich damit die Wiederwahl sichern wollen.

Verantwortliche Politik wird diesen Widerstand überwinden und den Leistungsträgern, die auch heute die Arbeit des öffentlichen Dienstes täglich garantieren, über die Köpfe der Funktionäre hinweg die Hand reichen müssen. Diese werden sie allerdings nur ergreifen, wenn die Politik schrittweise, aber glaubhaft nachhaltig beginnt, den Weg der Deregulierung zu beschreiten und den Menschen in der Verwaltung ihre Entscheidungsspielräume zurückgibt.

Wir sind zu lange den falschen Weg gegangen und gefährden damit das Erreichte. Wir müssen uns - auch gegen den Willen der Konservativen aller Lager - dem gesellschaftlichen Wandel und der Veränderung stellen.

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