Bummeln ist vorbei

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Bummelten sich einst viele durchs Studentenleben, studieren heute immer mehr zielgerichtet und leistungsorientiert. Das Studium irgendwie zu schaffen, reicht heute nicht mehr als Job-Garantie.

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Bummelten sich einst viele durchs Studentenleben, studieren heute immer mehr zielgerichtet und leistungsorientiert. Das Studium irgendwie zu schaffen, reicht heute nicht mehr als Job-Garantie.

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W as nichts kostet, ist nichts wert. Also müssen Studiengebühren her, sagt die Industriellenvereinigung.

Ihr Universitäts-Finanzierungsmodell - höchstens 90 Prozent Staatsfinanzierung, den Rest sollen Studenten und "Dritte" zahlen - ist Teil eines Reformpakets, das die Hochschulen effizienter machen soll: kürzere Studiendauer, mehr Internationalität, mehr Praxisorientierung. Und mehr Wettbewerb durch neue Privathochschulen.

Was auf dem bunten Bildungsmarkt die Spreu vom Weizen trennen würde: Die Höhe der Studiengebühren - je teurer, desto elitärer. Damit sich alle eine gute Ausbildung leisten können, soll es Kredite für Studenten geben, die erst nach Studienabschluß zurückgezahlt werden müssen. Hätte das Studium Geldwert, würde fleißiger studiert, so die Verfechter des Modells.

Da klingt ein Vorwurf durch: Ist Leistung an den Unis "out"? Bummeln die Damen und Herren Studiosi durchs Leben, beanspruchen ein paar schöne Jahre auf Eltern- und Staatskosten? Oder leisten sie passiven Widerstand gegen zuviel Leistungsdruck?

Überfüllte Hörsäle, Wartelisten für Übungen, Drängeleien um Prüfungstermine sprechen dagegen. Die meisten Studentenvertreter sind sich einig: Verweigerer gibt es, stärker ist aber der Trend, möglichst schnell möglichst viele Zusatzqualifikationen zu erwerben - vor allem bei Jus, Wirtschaftswissenschaften und Medizin. "Viele sehen schon die Dollars", so Alexander Zach vom Liberalen Studentenforum.

An der grund- und integrativwissenschaftlichen Fakultät geht es lockerer zu. Das Vorurteil, hier werde gebummelt, weist Jan Krims, VSStÖ, aber zurück: "Wegen geringerer Studentenzahlen sind die Bedingungen besser. Junge Professoren mit neuen Unterrichtsmethoden nehmen viel vom Leistungsdruck weg. Und es funktioniert auch so." Auch Thomas Hensellek von der "Jungen Europäischen Studenteninitiative" (JES) bestreitet Verweigerungstendenzen. Die JES habe ihr "Studieninvestitionsprogramm", das Langsame bestraft, nur entwickelt, weil "Studiengebühren unvermeidbar sind und stures Nein-Sagen nichts bringt."

Studieren und zahlen Das JES-Modell: Alle Studenten zahlen 5.000 Schilling pro Semester. Wer sein Studium in der Mindestzeit plus höchstens zwei Semester schafft, bekommt sein Geld zurück, für jedes Semester mehr gibt es Abzüge. Eifrige können so ein Startkapital ansammeln, für die Uni-Finanzierung bleibt der Zinsengewinn aus der Anlage des Geldes. Der Druck, rascher zu studieren, würde sich durch das Ansparmodell erhöhen; nebenbei Berufspraxis zu erwerben, würde schwieriger. "Bei realistisch festgesetzten Mindeststudiendauern wäre es aber zu schaffen", ist Hensellek überzeugt.

Eines ist schon jetzt für die meisten Studierenden ein Luxus: Engagement in der Hochschülerschaft. Wer sich dazu entschließt, muß auf Freizeit verzichten und Verzögerungen beim Studium in Kauf nehmen. Deshalb finden sich in manchen Fakultätsvertretungen tatsächlich "ewige Studenten"; Leute, die zwar bereit sind, sich für etwas einzusetzen - aber nicht für die Ideale der Leistungsgesellschaft.

Persönliche Wertvorstellungen wandeln sich; so manche Führungskraft von heute gibt zu, damals an der Uni auch mehr demonstriert als studiert zu haben. Dennoch: Wer jetzt dasselbe tut, wird es beim Berufseinstieg schwerer haben. Das Studium irgendwie zu schaffen, reicht nicht mehr als Job-Garantie.

Der Mehrzahl der Studenten ist das bewußt. Personalberater Gerhard Schrei: "Die Biedermeier-Welle ist abgeflaut. Vor zehn Jahren war der Überdruß gegen den Leistungsdruck viel stärker spürbar." Eher reagieren ältere Arbeitnehmer frustriert, wenn von ihnen immer wieder neue Zusatzqualifikationen, Seminare und Prüfungen verlangt werden. "Aber Kurse können auch Spaß machen. Es gibt viele, die das positiv sehen."

Die Leistungsverweigerer passen nicht in den Trend der Zeit. Vielleicht fallen sie deshalb besonders auf.

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