Carpaccio alla bolognese

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Vollmundig wurde etwas Großes versprochen: ein einheitlicher europäischer Hochschulraum, Studieren ohne Grenzen. 31 Ministerinnen und Minister setzten am 19. Juni 1999 ihre Namen unter diese „Bologna-Erklärung“ und hofften, dass ihr Rezept für einen wettbewerbsfähigeren Wissensraum Europa bis 2010 aufgehen würde.

Heute, zehn Jahre nach den ersten Vorbereitungen in der europäischen Hochschul-Küche, stehen die Gourmets etwas ernüchtert da. Zwar duftet es noch immer vielversprechend, doch der prophezeite Festtagsbraten steckt nach wie vor im Rohr. Der Gruß aus der Küche, der bisher an Europas Universitäten im Namen von „Bologna“ kredenzt wurde, erinnert eher an ein karges Carpaccio: scheibchenweise serviert und ziemlich roh.

Mehr staatliche Verantwortung

Dass es bei der Zubereitung ihres ambitionierten Menüs Probleme gibt, ist den Köchinnen und Köchen gottlob bewusst. Nicht anders ist jene Deklaration zu deuten, die vergangene Woche beim Jubiläumsgipfel in Budapest und Wien verabschiedet wurde. „Jüngste Proteste in einigen Ländern, die sich teilweise gegen Entwicklungen und Maßnahmen fernab des Bologna-Prozesses richten, haben uns bewusst gemacht, dass einige der Bologna-Ziele und Reformen nicht erfolgreich umgesetzt und erklärt worden sind“, gestehen die mittlerweile 47 Bologna-Ministerinnen und -minister. (Kasachstan wurde in die – längst nicht mehr exklusiv europäische – Staatenrunde aufgenommen.) Nun wollen die Küchenchefs also den Zubereitungmodus ändern: Die soziale Dimension der Bildung solle gestärkt, die Mitbestimmung der Studierenden und des Universitätspersonals erhöht und die staatliche Verantwortung für die höhere Bildung betont werden.

Gut und wichtig, aber auch das Bologna-Rezept selbst birgt so manche Tücken – beginnend damit, dass es von oben herab verordnet wurde. Dazu kommt die prinzipiell diskussionswürdige Anlehnung an das angelsächsische Modell (Bachelor-Master-PhD) mit gleichzeitiger Kürzung des Bachelors von acht auf sechs Semester, die übermäßige Ausrichtung auf die „Beschäftigungsfähigkeit“ und die mangelnde Abstimmung bei der Interpretation von Leistungspunkten (ECTS).

Hilfe durch „Bologna Reloaded“?

Spezifische Ingredienzien aus der österreichischen Küche kommen noch erschwerend hinzu: etwa der Zwang zur „kostenneutralen“ Umstellung auf das Bologna-Modell, überfrachtete Curricula sowie Bachelor-Absolventen, denen der Akademikerstatus im öffentlichen Dienst verweigert wird. Unter dem Motto „Bologna Reloaded“ hat Wissenschaftsministerin Beatrix Karl nun Abhilfe versprochen. Eine „Task Force“ soll Studienpläne überarbeiten, eine Arbeitsgruppe die mögliche Verlängerung des Bachelor-Studiums prüfen und ein Arbeitskreis die Verankerung des Bachelors als vollwertiger akademischer Abschluss forcieren.

Schwieriger wird es für Beatrix Karl, das in der Minister-Deklaration formulierte Versprechen einzuhalten, wonach höhere Bildungseinrichtungen trotz Wirtschaftskrise „die nötigen Ressourcen erhalten“ sollen. Wie dies angesichts einer verordneten Budgetkürzung von 1,3 Prozent für das Jahr 2011 schaffbar ist, werden die Unis mit Spannung verfolgen.

Schon wird der Kampf der konkurrierenden Hochschulen um die wenigen Ressourcen härter: Angesichts eines fehlenden Gesamtkonzepts zum Studienzugang flüchtet sich etwa die überlaufene Wirtschaftsuniversität Wien in den „Notfallparagrafen“, worauf die Juristen der Universität Wien vor „Extrawürsten“ warnen und Verdrängungseffekte befürchten.

Angesichts solcher Zustände wird das Halbgare aus der Bologna-Küche zum Auslöser, der die Stimmung an den ausgehungerten Universitäten zum Überkochen bringt. Man darf es den Darbenden nicht verübeln: Zwar kann auch ein Carpaccio köstlich schmecken. Aber es macht eben kaum satt.

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