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Digital In Arbeit

CD-ROMs vom Buchhändler

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Vor nicht allzu langer Zeit hatte man Angst, die Neuen Medien könnten das Buch verdrängen — nun greift der Buchhandel selbst nach ihnen. Das Arbeitsgerät Computer wurde auch als Informationsmedium entdeckt, Datenträger ist dabei die CD-ROM. Ein explodierendes Angebot ließ die Grenzen des Computerfachhandels in einem Sektor, der technisch eher zu ihm, den Informationsinhalten nach aber in die Buchhandlung gehört, deutlich, erkennen. Der Computerhändler tut sich meist ein bißchen schwer, Vorzüge und Nachteile elektronischer Wörterbücher dem Kunden zu vermitteln. So geriet die CD-BOM in die Buchläden.

Die blieben aber ihren angestammten Partnern mit ihrer auf die Bedürfnisse einer Buchhandlung zugeschnittenen Organisation und damit ihren alten Vertriebswegen treu. Ein herausragendes Beispiel auf dem österreichischen Markt ist der Medienvertrieb MediaLine, eine von Georg Hittmair geleitete hundertprozentige Tochter der alteingeführten Auslieferungsfirma Lechner. Mit 80 Millionen Schilling Umsatz (das Mutterunternehmen, die Buchauslieferung, erzielt 800 Millionen) tastet sich der Spezialist für die Neuen Medien wohl weniger langsam als sicher bereits an die Marke von zehn Prozent des Stammunternehmens heran -dies zweieinhalb Jahre nach der Entstehung der ganzen Branche.

Wozu allerdings einschränkend zu sagen ist: Die Hälfte dieses Umsatzes sind ja doch wiederum Bücher. Und zwar Computerbücher. Daß deren Weg in die Buchhandlung nicht über die klassische Buchauslieferung, sondern über den Neue-Medien-Spezialisten führt, hat freilich gute Gründe. Das Computerbuch ist das kurzlebigste Produkt auf dem Buchmarkt. Die Buchvertreter machen bekanntlich zweimal im Jahr ihre große Bunde. Dazwischen ist manches Computerbuch schon wieder zweimal überholt. Jede neue Version eines Betriebssystems, einer Textverarbeitung, eines integrierten Programmpaketes und so fort (den flight trainer nicht zu vergessen), schaufelt sofort auch neue und oft sehr dicke und relativ teure Hilfsbücher auf den Markt.

Der Betreuer von der MediaLine macht sechs Besuche pro Jahr, dafür viel kürzere. Natürlich gibt es Überschneidungen mit dem Computer-Fachhandel. In den einschlägigen Supermärkten wie MediaMarkt, Saturn oder Metro ist der Besucher ein Be-galbetreuer, wird von eigenen Dienstleistungsunternehmen zur Verfügung gestellt, kommt mit den CD-BOMs exklusiv, füllt aber nebstbei auch die Begale und Hängewände für Konsolenspiele, Druckerzubehör und . so weiter auf. In der klassischen Buchhandlung aber erscheint auch für MediaLine der Typus des klassischen Buchvertreters.

Das Angebot wird Jahr für Jahr ausgeweitet und das Marketing immer ausgefeilter. Ein Qualitätssprung* jagt den nächsten. Der „Große Atlas der Welt" ist schon auf CD-BOM zu haben: Der Benutzer braucht nicht mehr den Tisch freizumachen, um den Atlas überhaupt einmal aufschlagen zu können, braucht sich nicht mehr mit dem „Augenpulver" kleingedruckter Ortsnamen zu quälen, per Mausklick hat er, was er will, und wenn er ein Technikfreak ist, geht er kurz ins Freie, richtet sein Taschen-GPS gen Himmel und überprüft damit die Richtigkeit der im elektronischen Atlas vermerkten geographischen Länge und Breite. Wettbewerbe im nächtlichen Fallschirm-Ziel-springen bei Neumond mit GPS kommen sicher auch noch in Mode. Lehrbücher zum Sich-Zurechtfinden per GPS sind bereits auf CD-ROM im Angebot.

Wörterbücher gehören natürlich nach wie vor zu den Umsatzrennern. Über den Wortschatz von Taschenwörterbüchern sind sie längst hinaus, außer sie nennen sich ausdrücklich so. Wörterbücher mit 500.000 Einträgen sind vom Speicherraum her kein Problem, auch Großlexika fänden Platz. Daß es die noch nicht auf CD-ROM gibt, und auch keinen Muret-Sanders oder ähnliche Wörterbuchgiganten, hat eher marktpolitische Gründe: Gäbe es sie, würde niemand mehr die teuren Bücher kaufen - aber den Preis für ein Großlexikon zahlt niemand für eine CD-ROM.

Auch wenn die Preise für hochspezialisierte CD-ROMs bis zu 140.000 Schilling betragen - der Großteil der Tausenden gängigen Titel kostet zwischen 300 und 700 Schilling. Vom Stadtplan bis zum Kochbuch. Vom Mondkalender bis zum Mathe-Trainer. Von der Visualisierung aller Leo-nartlo-Erfmdungen bis zur Multimedia-Show. Für die Kleinen: Der Zauberfisch. Für die Großen: Alles über Sex. Und selbstverständlich jede Menge von Hilfe für Internet-User und -Surfer.

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