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Das eigentliche Drama

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Die Situation des Theaters ist bekannt kritisch. Der österreichische Film zeigt nur sehr schwache Lebenszeichen. Einzig die Unterhaltungsindustrie boomt, als nicht zu vernachlässigender Brotgeber in diesem so schwer faßbaren Beruf. Es gibt immer mehr private Fernsehsender und auch die staatlichen kaufen TV-Serien nicht mehr ausschließlich in Amerika, sondern produzieren selbst.

Allerdings scheinen solche Dinge nebensächlich zu sein. Egal, wie gering die Chancen auch sind: keine noch so begründete Warnung, weder irgendeine Krise des Theaters, noch die hohe Arbeitslosigkeit im Schauspielmetier haben je jemanden davon abgehalten, zu den Brettern zu streben, die die Welt bedeuten. Jahr für Jahr wiederholen sich an den Schauspielschulen die Bilder bei den Aufnahmeprüfungen. Eine Ansammlung dutzender nervöser, aufgeregter junger Leute, Hallos und Umarmungen: „Haben wiruns nichtschon in Essen, München oder Berlin getroffen?” Man kennt sich. Nicht wenige von ihnen haben bereits richtiggehende Tourneen hinter sich, durchqueren den gesamten deutschsprachigen Baum und hoffen, durch Streuung ihre Chancen zu erhöhen.

Hinter verschlossenen Türen spielen sich dann die eigentlichen Dramen ab. Jeder hoffnungsvolle Aspirant muß einzeln vor eine Prüfungskommission treten, mit - je nach Schule - zwei bis vier vorbereiteten Monologen aus klassischen und modernen Stücken und sich einem komplexen Aufnahmeverfahren mit Improvisationen und verschiedenen musikalischen, körperlichen, sprachlichen, stimmlichen und literarischen Tests stellen. Mit falschen Vorstellungen wird dabei schnell aufgeräumt. Schönheit zählt vor den strengen Augen der Prüfer herzlich wenig, ebenso wie aufgesetzte und angelernte Fertigkeiten, die so einen Gaststar leicht wieder hinaus katapultieren können. Gefordert wird Wahrhaftigkeit, gesucht nach Talent, Ausstrahlung und einem gewissen Entwicklungspotential.

Ins Max Beinhardt-Seminar, die renommierteste Ausbildungsstätte in Osterreich, wo so berühmte Größen ihres Fachs, wie Karlheinz Hackl, Klaus Maria Brandauer oder Samy Molcho unterrichten, pilgern alljährlich 450 bis 700 Menschen. Aufgenommen werden etwa ein Dutzend Leute. Nicht ganz so extrem ist das Verhältnis von Anmeldungen und Aufnahmen an den anderen öffentlich getragenen Schulen, den Schauspielabteilungen an den beiden weiteren Hochschulen für Musik und darstellende Kunst in Salzburg und Graz, sowie dem Konservatorium der Stadt Wien und dem Bruckner Kon servatorium in Linz. Aber auch hier ist die Konkurrenz groß, zum einen genießen die Staatlichen Schulen den besseren Buf als die Vielzahl der privaten Ausbildungsmöglichkeiten, zum anderen sind sie kostenlos und man erwirbt mit dem magister artium oder dem Diplom automatisch die Bühnenreife. Im weiten Feld der Privatausbildung ist angehenden Schauspielschülern zur Vorsicht geraten.

Boshaft ausgedrückt darf - mangels verpflichtender Kriterien - in diesem Land jeder unterrichten, der sich in der Lage fühlt, ein Schild mit der Aufschrift „Schauspiellehrer” an die Tür zu heften. Von der Vielzahl der Workshops und diversen Kurse, die in den Bereich Freizeitbeschäftigung, im besseren Fall als Fortbildung einzuordnen sind, reicht hier die Palette von den Ausbildungsstätten, die den staatlichen fast gleichzusetzen sind, bis zu verantwortungslosem Dilettantismus.

Michaela Krauss, der Leiterin der „Schauspielschule Krauss” aus der zum Beispiel Dolores Schmidinger oder Karlheinz Hackl kamen, treiben insbesondere jene zahlreichen Plakate, welche eine „Schauspielausbildung im Schnellverfahren” anbieten die Zornesröte ins Gesicht. „Es ist immer wieder eine Frechheit. Eine

Schauspielausbildung dauert mindestens drei Jahre und dann ist erst das Fundament gebaut, längst nicht das ganze Haus.” Mit 4.650 Schilling im Monat ist ihre Schule zwar eine der teuersten, aber „immer am neuesten Stand”, wie sie betont. Ihre Schule und das sehr engagierte Schubert-Konservatorium (2.560 Schilling pro Monat), beide mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet und berechtigt selbst Abschlußzeugnisse zu vergeben, schicken als Sicherheit ihre Schüler trotzdem zur Paritätischen Prüfungskommission. Etwa fünfundzwanzig Privatschüler bestehen hier pro Jahr (das Ergebnis aller privaten Äus-bildner und Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht) die Bühnenreifeprüfung, ohne die kein größeres Theater einen Schauspieler anstellt. Die Durchfallsquote ist immens. Jene, die es schaffen, haben die Garantie, den Mindestanforderungen zu entsprechen.

Manchmal hinterläßt das fragwürdige Image der Privatausbildung auch nach erfolgreichem Abschluß Zweifel und das Gefühl, vielleicht doch nicht die bestmögliche Ausbildung genossen zu haben. Elisabeth Lanz, eine Absolventin des letzten Jahrganges der im Vorjahr geschlossenen Schauspielschule im Volkstheater, mit zwei Stückverträgen am Burgtheater und dem Theater in der Josefstadt sowie mit mehreren Bollen bei diversen Fernsehserien durchaus auf der Erfolgsspur, erzählt: „Wenn junge (Max Beinhardt-)Seminaristen an die Burg kommen, die stehen da auf der Bühne, mit einer Selbstverständlichkeit und einem Selbstbewußtsein, wo unsereins nur staunen kann. Eine solche Schule gibt dir halt auch diesen Bückhalt, die sagt dir auch, du bist unter so und so vielen ausgesucht worden, du hast eine hervorragende Ausbildung und du kannst etwas.”

Tatsächlich kann eine renommierte Schule den Berufsstart wesentlich erleichtern. So finden die sehr professionellen Schüleraufführungen des Reinhardt-Seminars, wie vor kurzem Shakespeares Komödie „Viel Lärm um nichts”, bereits einiges Presseecho und bieten Regisseuren oder Theaterdirektoren etwa einen Monat lang die Gelegenheit vorbeizuschauen. Sehr berufsbezogen, mit vielen Auftritten vor öffenlichem Publikum, arbeitet auch das Konservatorium der Stadt Wien. Schüler von Elf riede Ott stehen bereits im ersten Jahr auf der Bühne und spielen vor großem Publikum. Heuer entstand ein turbulenter Streifzug durch das Thema „Liebe”, Szenen aus der Weltliteratur von Shakespeare bis Nestroy, von Mozart bis Molnar, die nach dem Sommer, wenn Elfriede Ott mit ihren Schülern von den Nestroyspielen auf Burg Liechtenstein zurückgekehrt ist, nochmals ab 9. November im Baben-hof zu sehen sein werden.

Unter den Privatschulen, die soviel Spiel vor soviel Publikum bieten können, wäre als Geheimtip die Elisabethbühne in Salzburg zu nennen. Die drei Schüler, die dort jährlich aufgenommen werden, bezahlen ihre Ausbildung nicht mit Geld, sondern mit Bühnenauftritten. Wenn sie ab schließen, sind sie bereits 500 bis 700 mal auf der Bühne gestanden.

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