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Das Studium generale

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Bedeutung — Notwendigkeit — Entwicklung. Von Dr. Eduard Fueter. Verlag Leemann, Zürich. 35 Seiten

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Bedeutung — Notwendigkeit — Entwicklung. Von Dr. Eduard Fueter. Verlag Leemann, Zürich. 35 Seiten

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Um die Bedeutung dieser Schrift (erst ein Referat anläßlich der Jahresversammlung des Berner Hochschuldozentenvereins 1952, dann ein Aufsatz in der „Schweizerischen Hochschulzeitung", Hefte 4 5, Jg. 25 1952; im ersten Sonderdruck 1953 und nun, in zweiter Auflage, mit dem vervollständigten, auf neuesten Stand der Literatur gebrachten Anhänge) wirklich ausführlich und dem Ernste des vorgetragenen Themas würdig zu besprechen, ist der Raum einer Buchrezension zu klein. Denn, sehen wir richtig zu, es geht beim Studium generale und einer entsprechenden Hochschulreform nicht bloß um eine Grundfrage der Erziehung, sondern überhaupt um eine der Lebensführung in unserer technokratischen Zeit. Im Mittelalter kannte man nicht den Begriff der Allgemeinbildung (mit der, fälschlich, das Studium generale manchmal gleichgesetzt wird); es bedeutete damals, gegenüber dem Studium particulate, einen Rechtsbegriff, nämlich die Zubilligung aller oder beschränkter Privilegien an eine Hochschule. Wenn wir heute Bildung sagen,

müssen wir ferner e.ingedenk sein, daß diese etwas anderes ist als Ausbildung. Der schlichte Arbeiter, in seiner wesensgemäßen Beziehung zur Arbeit als Seinserfüllung — und nicht bloß als bedrückende Erwerbsnotwendigkeit; der Bauer mit seinem Erleben der Landschaft, des Jahreskreislaufes, der Familie, der Kirche — nicht bloß der Produktenhändler: sie können mehr Bildung besitzen als der Akademiker, der über ein profundes Wissen in einzelnen Disziplinen verfügt, ohne vom Wesensinhalt der Biologie, der Technik, der Religion geprägt zu sein.

Wollte man folgerecht und gründlich sein, müßte man in der Erziehungsfrage bei den Vätern und Müttern anfangen, welche Kinder zu bilden haben (die Schule kann immer nur Anregung geben), müßte man die Wichtigkeit früher religiöser Unterweisung hervorheben, die Ausbildung des Pflichtbewußtseins gegenüber der Mitwelt. Der gegenwärtige Kampf um die Revision der Universitätsbildung ist sohin nur ein Teil des weltweiten Streites um eine neue Erziehung, um eine generelle Schulreform. Wir müssen uns den Weg also jetzt abkürzen; es geht bei den Universitäten darum: sollen sie bloße Hohe Schulen fachlicher Ausbildung sein oder darüber hinaus Stätten, an denen um die Idee des Ganzen, von der Realität bis zum Metaphysischen, gerungen wird? Es hat schon viele Menschen gegeben, die •s bedrückte, daß eine Spätkultur (und in einer solchen leben wir) immer mehr materielles Wissen anhäuft, daß der Begriff der Arbeits- . teilung, wie wir sie von den Fabriken her kennen und würdigen, jedoch nicht immer billigen, auch die Geistesanstalten ergriffen hat. Dem Menschen des Atomzeitalters muß man „generale" kommen, um die Partikularität, die einem unheilvollen Ziele zusteuert, zu überwinden. Gerade die katholische Erziehung bedarf dessen, wo ihr Gegenspieler — der Marxismus-Leninismus, sein „Studium generale" betreibend — von den Hochschulen zur Hohen Schule der Politik, die sich alles eingliedert, geschritten ist. Fueter, dessen ungewöhnlich gründliche, aufrüttelnde, mahnende, kühl-sachliche Schrift jedermann zur oftmaligen Lektüre ans Herz gelegt sei, zeigt, vom allgemeinen Tatbestand ausgehend, die Bestrebungen in der Frage umfassender Bildung innerhalb der Summer session des World University Service in Bombay, die Bewegung in England und vor allem in den Vereinigten Staaten auf. Hier liegt ja ein Schulbeispiel „technokratischer Spezialisierung" vor. In ausführlicher Weise schildert der Verfasser die Organisation der „General Education"an verschiedenen Universitäten. Es ist sehr aufschlußreich, zu hören, daß die katholische Universität von San Franzisko ab 1951 52 von allen graduierten Studenten Kenntnisse über den Marxismus verlangt und für das Lesen kommunistischer Literatur eine Sondererlaubnis des Heiligen Vaters einholte. Die Havard Universität, Yale und Chikago sind sich über einen gemeinsamen Arbeitsplan einig geworden. — In Deutschland sind 1948 Vorschläge zur Hochschulreform gemacht worden. Die technischen Hochschulen von Berlin, Karlsruhe, Stuttgart, Hannover und München errichteten Studia generalia. Auch Freiburg — wie überhaupt das Land Baden großes Verständnis von Staats wegen bezeigt — arbeitet so. — In der Zusammenfassung zeigt Fueter nochmals alle Wege, aber auch Schranken auf. Das Schicksal des Menschen ist, „sich zu bescheiden", nicht alles Wissenswerte erfassen zu wollen. Diese Beschränkung auf das Maß finden wir schon bei Goethes „Wilhelm Meister". Wie sinnvoll, daß dort der Sonntag (der Tag des Herrn!) dazu da ist, die Beschränkung zu überdenken. Aber das Erkennen des Maßes hundert nicht das Streben nach einem Studium generale. Hanns Salaschek

Friedrich der Große. Von George F. Gooch. Deuterlichsche Verlagsbuchhandlung, Göttingen. 403 Seiten.

Während die Napoleon-Literatur, seit der Bona- partismus als politisches Problem von der Weltbühne verschwunden ist, eine ziemlich einheitliche Grundtendenz aufweist, ist die Geschichtsschreibung um Friedrich II. nach wie vor mit dem Auf und Ab des politischen Thermometers verbunden. In Zeiten nationaler Hochspannung wird der Preußenkönig zur Inkarnation einer expansiven, über alle Rechtsschranken unbedenklich hinwegschreitenden Politik und Mentalität, eine Auffassung, die sich gewiß nur auf die eine Seite seiner komplexen Persönlichkeit gründet. Nach Rückschlägen, in Zeiten der Depression, wird aller denkbare Tadel auf sein Haupt gehäuft. Dieser Rhythmus läßt sich auf lange Zeit hinaus verfolgen. Beides ist weder historisch noch gerecht, aber es ist gewiß seltsam, daß dieser Fürst, der so wenig „national" dachte wie kaum ein zweiter seiner Zeit, immer wieder als Symbol eines integralen deutschen Nationalismus dienen muß. Und wieder seltsam, daß dann nicht nur seine bekannte Standhaftigkeit in Schicksalsschlägen, sondern seine — wie der britische Botschafter Lord Malmesbury 1776 schrieb — „bunte Mischung von Barbarei und Humanität" seine Bewunderer fasziniert, wobei sie die Humanität gern so weit als möglich aus dem Spiel lassen. Es ist schließlich fast verwunderlich, daß es unter solchen Umständen Geschichtswerke gibt, deren Autoren Friedrich II. nicht zum Protagonisten ihrer nebelhaften Tagträume erheben. In letzter Zeit hat Ludwig Reiners eine solche ausgewogene Biographie Friedrichs geschrieben, und nun liegt in deutscher Sprache eine Lebensbeschreibung des Königs aus der Feder des britischen Historikers George F. Gooch vor. Diese folgt der inneren Dreiteilung ihres Untertitels „Herrscher, Schriftsteller, Mensch", und da das Werk Friedrichs als Herrscher und Feldherr genügend erhellt ist, liegt der Akzent auf den beiden anderen Abschnitten. Der abwägenden und sorgsamen Art des Autors sind Effekte fremd, was vielleicht anderseits das in Friedrich so stark wirksame dämonische Element zurücktreten läßt. Aber das Bild gewinnt dadurch an Klarheit der Zeichnung, und das reiche Beweismaterial an Briefzitierungen gibt ihm einen sicheren Hintergrund. Gewiß bringt Gooch manches, das dem mit der deutschen Historik Vertrauten bekannt ist, aber nichtsdestoweniger ist sein Werk keineswegs nur für den britischen Leser, für den es zunächst verfaßt wurde, wertvoll.

Carl Peez

Die Jahre der Anmut. Junge Mädchen und ihre Welt. Herausgegeben von Noel Streatfield. Mit 86 Federzeichnungen von Marion Diethelm. Fretz & Wasmuth-Verlag, Zürich. 231 Seiten.

Ein neuartiger Versuch eines Mädchenbuches,

der im ganzen gelungen ist. Mutig werden all« alten Geleise — Geschichterln, Feschitäten, Puppen- und andere Gesellschaftsspielchen — verlassen und an ihre Stelle richtige weltliche Predigten, sehr modern, sehr charmant gesetzt Nichts ist vergessen: der Körper, Kosmetik, die anderen, die Freizeit, der Sport, der Beruf. Die Autoren sind jeweils Kapazitäten auf ihrem Gebiet womit stellenweise auch leise Ueber- f orderungen auf treten, da urid dort auch Widersprüche zu anderen Kapiteln. Das „weltliche Absatzgebiet" solcher Bücher ist klar. Trotzdem hätte die Herausgeberin erwägen müssen, ob bei einer so universalen Umschau um Leib und Geist des werdenden Menschen nicht auch ein ganz, ganz bescheidenes Plätzchen dem religiösen Denken und Erleben des modernen Mädchens zu widmen gewesen " wäre … Es ist nämlich gar nicht so, daß es von Lippenstift und Kino ganz überwuchert ist.

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