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Digital In Arbeit

Das Töchterchen wendet sich dem Gunstgewerbe zu

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Wir haben einen öffentlichrechtlichen Rundfunk, der immer werbegeiler wird, was sich in penetranter Weise negativ auf die Qualität des Programmangebotes auswirkt.

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Wir haben einen öffentlichrechtlichen Rundfunk, der immer werbegeiler wird, was sich in penetranter Weise negativ auf die Qualität des Programmangebotes auswirkt.

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Die sogenannten „Spots” werden uns immer unverschämter serviert. Den kühl rechnenden Werbemanagern der Wirtschaft muß man entsprechende Ein-schaltziffern nachweisen, die eben nur mit „gut ankommenden” Sendungen erreicht werden. Sogenannte „Renner” der privaten Konkurrenz in Deutschland werden imitiert.

Dies beschert uns etwa bei Sendungen mit dem Ziel der Präsentation (allzu) sehr unter die Haut gehender Probleme samt sogenanntem „Outing” Peinlichkeiten noch und noch. Nora Freys Vorführung von Inzestopfern war trauriger Tiefpunkt dieser Tendenz, welche die heren Ziele des Rundfunkgesetzes zum Opfer einer Wirksamkeit um

jeden Preis werden läßt. So wirtschaftet man sich das Diktat des flachen Geschmacks ein. Die Qualität kommt zu kurz oder wird in Sendezeiten verbannt, wo Werbung kaum sinnvoll ist, weil nur wenige zusehen. Nur noch mit Wehmut kann man sich daran erinnern, welche strikte Werbeeinschränkung als Folge des Rundfunkvolksbegehrens mit der Reform des Jahres 1964 vorgegeben wurde. Damals war jeder Sonntag werbefrei. Noch immer gilt zwar, daß Werbung an- und abgesagt werden muß, doch setzt man sich - vor allem im Hörfunk -mehr oder weniger „elegant” über diese Vorschrift hinweg. Alles in allem zeichnet sich eine Entwicklung ab, die man drastisch mit der Situation vergleichen könnte, wo Eltern wahrnehmen müssen, wie ihr Töchterchen aus gutem Haus beginnt, sich dem Gunstgewerbe anzuschließen.

Der” Weg geht heute in die

falsche Richtung. Er entfernt den ORF nicht nur von seinem ursprünglichen Konzept, sondern erscheint auch unter dem Aspekt langfristiger kulturpolitischer Entwicklungen verfehlt. Nur hoffnungslose Pessimisten können nämlich annehmen, daß uns die Zukunft, endgültig zu einem Volk von patschentragenden, chipskauenden und biertrin-kenden Konsumenten der „Glotze” werden läßt, das zwischen niveaulosesten Sendungen anhand der Werbeeinschaltungen beschließt, welch überflüssiges Zeug es demnächst kaufen wird.

Eines steht jedenfalls fest: Wer auf Sensationslust, Schockieren, Brutalität und immer schärfere Erotik setzt, steht unter dem Zwang, all das bis zur Unerträglichkeit zu steigern. Wolfgang Langen-bucher, Ex-Vorstand des Publizistikinstituts der Wiener Universität, hat einmal sehr trefflich gesagt, daß mit der

Herrschaft reiner Marktgesichtspunkte „ein böses Baubtier losgelassen” werde. Es gibt allerdings gute Gründe zur Annahme, daß sich das Verhalten der Medienkonsumenten wieder dorthin wandeln wird, wo unsere Kultur zu Hause ist.

Wettbewerb ist etwas Gutes, ganz zweifellos. Er würde aber für den OBF zum Fluch, wenn man nur noch Einschaltquoten nachhechelte, anstatt bewußt in eine Qualitätskonkurrenz um jene zu treten, die nach wie vor im Medium Österreichische Identität und das suchen, was das Gesetz „hohes Niveau” nennt. Man müßte sich doch auch des Umstands bewußt sein, welchen Wettbewerbsvorteil man als Gebührenempfänger gegenüber denen hat, die mit Werbegeldern allein auskommen müssen.

Wir sollten daher den Bestand einer nationalen Bundfunkanstalt, die einen anspruchsvollen Informationsund Kulturauftrag erfüllt, ganz bewußt bejahen, aber von deren Führung noch viel energischer das einfordern, was ihre hohe Verpflichtung ist.

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