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Dem Ausland ebenbürtig

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Es mag vielleicht von manchen mit Verwunderung zur Kenntnis genommen werden, daß eine ganze Woche im Monat Oktober dem Gedanken der österreichischen Qualität gewidmet werden soll. Qualität, so denken viele, spricht für sich selbst — sie hat es nicht nötig, daß darüber gesprochen wird!

Bis zu einem gewissen Grad ist dies auch sicher richtig, und die Tatsache, daß die österreichischen Produkte im In- und Ausland zu jeder Zeit guten Absatz finden, zeigt deutlich, daß dazu auch alle Voraussetzungen gegeben sind. Anderseits aber wissen wir aus eigener Erfahrung, daß kaum ein anderes Volk so sehr zur Selbstverkleinerung, zur Unterschätzung der eigene Leistung neigt wie das österreichische. Es ist bei uns geradezu ein traditioneller Hang vorhanden, das, was aus dem Ausland kommt, höher einzuschätzen als das heimische Produkt.

Eine solche Offenheit für das Ausländische hat bestimmt ihre guten Seiten: einmal deshalb, weil dadurch viele Anregungen ins eigene Land gelangen, zum anderen aber vor allem auch, weil Wirtschaft, dem oft gehörten Vergleich zufolge, keine Einbahnstraße ist und man eben auch aus dem Ausland kaufen muß, wenn man ins Ausland liefern will. Das aber ist bei einem Land wie Oesterreich mit seiner ganz besonderen Wirtschaftsstruktur zur Erhaltung der Arbeitsplätze gänzlich unerläßlich.

Das Bewußtsein, daß die eigenen Erzeugnisse den fremden, im ganzen betrachtet, in nichts unterlegen sind, darf aber deswegen nicht zurückgedrängt werden. Zu keiner anderen Zeit ist dies so wichtig wie in unserer Aera der Schaffung großer wirtschaftlicher Zusammenschlüsse, die auf einen noch stärkeren Austausch der in den einzelnen Ländern erzeugten Produkte abzielen, als dies bereits durch die weitgehende Liberalisierung der letzten Jahre möglich war. Denn wenn sich auch vieles ändern wird, wenn auch in einem Gemeinsamen Markt oder einer Freihandelszone die Arbeitsteilung Fortschritte machen wird — die sicherste Basis für den Export bleibt nach wie vor ein entsprechend umfangreicher Inlandsabsatz.

Den besten Beweis, daß man gut kauft, wenn man österreichische Erzeugnisse kauft, bietet, wie schon erwähnt, unser Exporterfolg im Ausland. Daß unsere Exportzahlen in den letzten Jahren — mit Ausnahme des durch die Auswirkungen der amerikanischen Rezession bedingten Rückschlags im Jahre 1958 — ständig angestiegen sind, ist wohl den meisten Oesterreichern bewußt. Aber vielleicht macht man sich im allgemeinen nicht genügend Gedanken darüber, was es bedeutet, in hochentwickelte Industrieländer zu exportieren, wie es die wichtigsten unserer Handelspartner sind: die Bundesrepublik Deutschland, Italien, die Schweiz und die Vereinigten Staaten. Es handelt sich da um Länder, die viele der von uns erzeugten Fertigwaren selbst herstellen. Das heißt, daß sie ‘-On der Qualität der österreichischen Erzeugnisse absolut überzeugt sein müssen, wenn sie diese zu kaufen bereit sind.

Es erübrigt sich, im einzelnen darauf hinzuweisen, um welche Produkte es sich hierbei handelt. Ein Beispiel mag genügen: Oesterreich liefert nach Deutschland fünf Prozent der europäischen Einfuhren dieses Landes. Zu dienert Lieferungen gehören Eisen und , Stahl, Papier und Pappe, Garne und Zwirne, Gewebe, Baumaterialien, Metallwaren, Bergbau- und Industriemaschinen, elektrotechnische Apparate, Metallbearbeitungsmaschinen, Traktoren, 3üro- maschinen und viele andere Produkte, für die in der Bundesrepublik Deutschland selbst eine ausgedehnte Industrie besteht. Aehnlich liegen die Verhältnisse gegenüber anderen Handelspartnern.

Erfreulicherweise ist unsere Bevölkerung von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Landes — sei es infolge der genannten Exporterfolge oder durch eigene Erfahrung — heute unvergleichlich mehr überzeugt als etwa noch vor fünfundzwanzig oder dreißig Jahren, als man sogar vielfach an der Lebensfähigkeit Oesterreichs zweifelte. Eine Meinungsbefragung durch das „Oesterreichische Gallup-Institut“ hat hierüber bemerkenswerte Aufschlüsse gegeben. So beantworteten 29 Prozent von über 2000 Personen die Frage, ob Oesterreicher besser oder schlechter arbeiten als Ausländer, mit „Besser“, 62 Prozent mit „Gleich gut“ und nur drei Prozent mit „Schlechter“. Auch die Fraget „Kaufen Sie im allgemeinen lieber ausländische oder lieber österreichische Waren?“ erhielt Antworten, die mit dieser Einschätzung der eigenen Leistung in Einklang stehen. Rund 76 Prozent gaben ihrer Vorliebe für österreichische Waren Ausdruck, 6 Prozent stellten fest, es komme auf das Erzeugnis an, und nur 5 Prozent entschieden sich für ausländische Waren. Die Begründungen, die jene Personen angaben, die österreichische Waren vorzogen, zeugten von einem richtigen Verständnis der damit verknüpften volkswirtschaftlichen Aspekte. Neben 21 Prozent der betreffenden 1528 Personen, die feststellten, daß österreichische Waren besser seien, gab es 24 Prozent, die die Ansicht vertraten, der Kauf österreichischer Erzeugnisse helfe unserem Volk, und 17 Prozent, die erfaßten, daß dadurch österreichische Arbeitskräfte beschäftigt werden können. 16 Prozent formulierten ihre Motive zum Kauf heimischer Erzeugnisse mit „Unterstützung der eigenen Wirtschaft“, 7 Prozent betrachteten diese als preiswerter und weitere 7 Prozent entschieden sich deshalb für österreichische Waren, „damit das Geld im Land bleibt“.

Angesichts dieser Aufgeschlossenheit für die volkswirtschaftliche Bedeutung des Absatzes der eigenen Erzeugnisse im Inland war es auch nicht überraschend, daß rund drei Viertel der Befragten die Bemühungen der zuständigen Stellen, Werbung für eine stärkere Beachtung der heimischen Waren im Inland zu betreiben, guthießen und nur 13 Prozent sich dagegen aussprachen.

Ebenso zeugte das Ergebnis der Befragung, ob nach Schaffung der Europäischen Freihandelszone die österreichischen Waren in größerem Umfang durch ausländische Erzeugnisse vom Inlandsmarkt verdrängt werden würden, von einem weit verbreiteten Verständnis für die Qualität unserer Produkte. 61 Prozent der Befragten waren der Meinung, unsere Waren würden sich auch in einer Freihandelszone auf dem Inlandsmarkt behaupten, nur 15 Prozent fürchteten, sie würden verdrängt werden, und 18 Prozent hätten keine Meinung darüber. Von denjenigen Personen, die die Aussichten der österreichischen Erzeugnisse in diesem Fall positiv bewerteten, begründeten 60 Prozent diese Ansicht wiederum damit, daß die österreichischen Waren qualitativ hochwertig seien. 45 Prozent der Befragten war übrigens auch der Ansicht, daß eine Europäische Freihandelszone Oesterreich mehr Vorteile als Nachteile bringen würde, nur 16 Prozent erwarteten sich hievon mehr Nachteile und 11 Prozent meinten, die Vor- und Nachteile würden einander die Waage halten.

Es ist selbstverständlich, daß die Befragten einen repräsentativen Querschnitt der österreichischen Bevölkerung darstellten, also aus Personen aller Berufsstände, Altersgruppen und Gebiete Oesterreichs bestanden. Ein beträchtlicher Teil dieser Befragten wird daher zweifellos seine Ansichten auf Grund fundierter Beobachtungen geäußert haben, die im engen Kontakt mit der Wirtschaft gewonnen wurden. Viele der Befragten sind wahrscheinlich selbst in ihren Betrieben Augenzeugen der Bestrebungen ge-worden, immer wieder bessere und preisgünstigere Produkte auf den Markt zu bringen, um auf keinen Fall auf den Weltmärkten ins Hintertreffen zu geraten.

Gerade in den letzten Monaten, da die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Wirklichkeit wurde und der Gedanke einer Kleinen Freihandelszone greifbare Formen anzunehmen begann, mehrten sich in der österreichischen Produktion die konkreten Maßnahmen der Rationalisierung und Vorbereitung auf den Konkurrenzkampf auf dem größeren Markt. Viele Be-triebe verlagern den Schwerpunkt ihrer Erzeugung auf Spezialartikel und -maschinen, die äußerst arbeitsintensiv und qualitativ so hochwertig sind, so daß ihr Absatz in aller Welt gesichert ist. Andere konzentrieren sich auf die Herstellung jener Typen, für die die größten Absatzchancen bestehen und die somit in größeren, rationelleren Stückzahlen angefertigt werden -können. Ueberall wird der Normung und Typisierung von Einzelteilen größte Aufmerksamkeit geschenkt, es werden durch Einführung vielseitig verwendbarer Teile Listenvereinfachungen durchgeführt. Vielfach kommt es zur Zusammenarbeit mit branchengleichen Firmen. Auch der Formgebung wird verstärktes Interesse gewidmet, und zwar, wie die Erringung internationaler Preise anläßlich der Weltausstellung in Brüssel zeigte, mit größtem Erfolg.

Am erfreulichsten ist vielleicht die aus den meisten Branchen geäußerte Ueberzeugung, daß die österreichischen Betriebe die ausländische Konkurrenz nicht nur nicht zu fürchten hätten, sondern den Ansporn, der von ihr ausgeht, sogar absolut positiv bewerten. Der Ingenieurgeist, der Erfinder- und Forschergeist, der in Oesterreich zu allen Zeiten beheimatet war, findet in einer Atmosphäre des gesunden Wettbewerbs sein geeignetstes Wirkungsfeld. Der Fleiß und das Können unserer Arbeitnehmer aber ebenso wie die kaufmännischen und technischen Fähigkeiten der Unternehmer und der Führungskräfte sichern, weit über einzelne Spitzenprodukte hinaus, eine breite Basis qualitativ hochwertiger Erzeugung in allen Sparten unserer Produktion.

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