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DEM KURZFILM KANN GEHOLFEN WERDEN

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Eigentlich ist der Kurzfilm Jahrzehnte hindurch stets das Stief- und Sorgenkind des Filmschaffens gewesen. Sein Fortbestand als Künder und Dokument vergangener und gegenwärtiger künstlerischer und technischer Leistungen, aber auch als bildlicher Deuter zukünftiger Entwicklungen ist bis auf den heutigen Tag entscheidend dem großen Idealismus jener kleinen und mittleren Filmproduzenten zu verdanken, die sich, lediglich gestützt auf eine bescheidene staatliche Subvention und ohne Aussicht auf größeren wirtschaftlichen Gewinn, diesem Wagnis verschrieben. Denn sie mußten stets mit den Schwierigkeiten des Absatzes ihrer oft unter großen Entbehrungen entstandenen Produkte rechnen, zumal die Nachfrage nach dem Kultur- und Dokumentarfilm oder gar dem Experimentalfllm als Beiprogramm in den Kinos nie übermäßig rege war. Verschiedene, oft divergierende Interessen standen und stehen noch heute zu einem gewissen Teil dieser Form der kulturellen und dokumentarischen Unterrichtung und Bildung der Öffentlichkeit entgegen. Vor allem nutzten die Kiqobesitzer zumeist die ihnen nach Abspielen von Wochenschau und Hauptfilm verbliebene Zeit zum Einsatz von Werbefilmen und Dias aller Art, die ihnen einen nicht unbeträchtlichen finanziellen Ertrag sicher-

ten. Etwas anderes war da schon die Situation in Deutschland, wo prädikatisierte Kurzfilme sich steuerbegünstigend auswirkten und so für den Kinobesitzer ein spürbarer Anreiz zum Einsatz derartiger Kultur- und Dokumentarfilme wurden. Auch in Österreich hat sich in der letzten Zeit die Lage für die Kurzfilmhersteller etwas gebessert, nachdem in einigen Bundesländern, wie Wien, Kärnten, Steiermark und Tirol, ähnliche Praktiken zur Durchführung gelangen wie in unserem Nachbarland. So bahnt sich wieder langsam über die wenigen Non-Stop-Kinos hinaus eine weitere Verbreitung der Kultur- und Dokumentarfilme auch in den normalen Kinos an. Trotzdem ist das Bestreben der österreichischen Produzenten aus rein wirtschaftlichen Erwägungen wesentlich auf , die Einschaltung in Deutschland gerichtet.

Es sind aber nicht allein kommerzielle Gedanken, die sich um den Kurzfilm, und speziell um den österreichischen, ranken. Es ist auch beinahe ebenso wichtig, daß die Gestalter dieser Filme einen wirklichen Widerhall für ihr Schaffen und Wollen in der Öffentlichkeit finden. Diese für sie enorm wichtige psychologische Unterstützung und Hilfe aber können sie nur finden, wenn sie die Möglichkeit erhalten, ihre Schöpfungen über den Rahmen von Matineen oder Veranstaltungen in Volksbildungsheimen hinaus kontinuierlich an zahlenmäßig große Zuschauermengen heranzutragen. Für eine solche erstrebenswerte und auch künstlerisch notwendige Entwicklung aber kann das Fernsehen unschätzbare Mittlerdienste leisten. Dieses Massenmedium mit seiner immer stärker werdenden Beeinflussung und Durchschlagskraft, dem Millionen von Menschen allabendlich mit beinahe sklavischer Abhängigkeit folgen, besitzt alle Voraussetzungen, um die Popularisierung des kulturell und dokumentarisch wertvollen Kulturfilms in einer Weise zu intensivieren, wie es dem Kino selbst bei größter Aufgeschlossenheit nie erreichbar sein wird. Überdies ist das Fernsehen nicht im geringsten jenen privatwirtschaftlichen Rücksichten unterworfen, die zum Beispiel den Kinounternehmer zu einer gewissen distanzierten Reserviertheit gegenüber den Kurzfilmen geführt haben. Im Gegenteil. Der immer dringlicher werdende Materialbedarf der vielen Fernsehstationen mit ihren sich stets mehr ausweitenden Sendestunden drängt geradezu kategorisch zu einer größtmöglichen Verwendung von Kurzfilmen vielseitigster Art aus allen künstlerischen Disziplinen, aber auch aus Wissenschaft und Forschung, die geeignet sind, das Weltbild des Menschen der Zukunft zu formen.

Information, Bildung und Unterhaltung sind die drei großen Pfeiler, auf denen die Gestaltung der Fernsehprogramme wohl in aller Welt ruht. Die beiden erstgenannten Sphären aber gehören zur Domäne des Kurzfilms, dessen Themen von der fachgerechten Durchleuchtung sportlicher Leistungen über die anschauliche und lebendige Schilderung von Sitten und Gebräuchen bis zur eindrucksvoll-aufklärenden Würdigung eines künstlerischen Schöpfungsvorganges oder einei wissenschaftlich-technischen Forschungstat reichen. Seiner gewaltigen Aufgabe aber, Kulturträger und ein wesentliches Instrument menschlicher Fortbildung zu sein, wird das Fernsehen nur unter ständiger Heranziehung und Nutzung von Kurzfilmen aus den geschilderten Bereichen einigermaßen gerecht werden können. Im Gegensatz zum normalen

Kinoprogramm sind ihm bei Durchsetzung dieser Verpflichtung zeitlich keineswegs so enge Grenzen gesetzt. Daher wäre es auch durchaus in der Lage, zum Beispiel interessante und wertvolle Industriefllme, die sich mit Problemen der Automation oder der Raumfahrt- und Raketenforschung oft mit philosophischem Hintergrund beschäftigen und die bis zu einer halben Stunde dauern, in seine Programme einzubauen. Damit aber könnten solche Filme von allgemein bildendem Wert, die von internationalen Industriekonzemen mit einem für einen privaten Kurzfilmhersteller meist unerschwinglichen Aufwand realisiert werden, über den begrenzten Kreis von Fachinteressenten hinaus zu einer gültigen Aufklärung der breiten Öffentlichkeit verwendet werden. Die Gefahr einer unterschwelligen Firmenwerbung aber ist bei der meist objektiven Behandlung des gestellten wissenschaftlichen oder technischen Themas nur in den wenigsten Fällen akut.

Auf der Linie einer planmäßigen Förderung des Kurzfilmes durch das Fernsehen liegt auch die jetzt beim österreichischen Fernsehen in ihren ersten Ansätzen erkenntliche Konfrontierung der Öffentlichkeit mit den thematischen, regielichen und photographischen Versuchen junger Filmgestalter, die im normalen Kinobetrieb nur schwer mit einer Aufführung und Auswertung ihrer filmischen Experimente rechnen können. Sicher werden unter diesen Etüden jugendlicher Nachwuchskräfte viele Beiträge sein, die sowohl in formal-technischer, aber auch in thematisch-künstlerischer Hinsicht lieber noch eine Weile dem wohltuenden Dunkel von Seminaren und Anonymität überantwortet geblieben wären. Wir hatten gerade in den letzten Wochen neben einzelnen filmischen Präsentationen im Femsehnachtstudiio des Doktor Kudmofsky in mehreren überaus gut besuchten öffentlichen Veranstaltungen Gelegenheit, solche Jungfilmerprodukte kennenzulemen, die sich bewußt von den Geschäftsfilmen distanzieren. Die Aussage der Kurzfilme, sofern überhaupt eine vorhanden ist, zeigt oft typische Merkmale tastender Verworrenheit. Vielfach werden sie auch in Sujeit und dramaturgischem Aufbau nach ausländischen Vorbildern noch ziemlich sklavisch nachgeahmt. Und die meisten schwimmen im Fahrwasser der in der Literatur und auf der Bühne so beliebten absurden Thematik. Doch hie und da blitzien schon unter dem Deckmantel makabren Humors Lichter eigenwilliger Begabungen auf, die zumindest gegen Oberflächlichkeit Front machen und sich um eine filmische Auseinandersetzung mit dem Menschen der Gegenwart und seinen Problemen mühen. Mit der Vorführung dieser Jungfilmerexperimente aber kann das Fernsehen eine mehrfache Mission erfüllen: zunächst erhalten die jungen Leute, die ihre Filme überwiegend aus eigenen Mitteln finanzieren, ein gewisses wirtschaftliches Äquivalent für ihren optimistischen Mut; sie bekommen zudem Gelegenheit, ihre Absichten zur Diskussion zu stellen; damit kann zugleich die Spreu vom Weizen gesondert werden — sprich dilettantische Angeber von echten Begabungen — und überdies werden die Zuschauer allmählich mit einem Vokabular filmischer Gestaltung bekanntgemacht, das ihnen bisher fremd war und dem sie mißtrauisch gegenüberstehen. Auch ist es sicher kein Trugschluß, anzunehmen, daß eine systematische und durchdachte Förderung der verschiedenen Arten des Kurzfilms durch das Fernsehen endlich zu einer neuerlichen Belebung dieser Filmgattung auch im Kino führen wird. Das einstige Stiefkind wäre zu seinem berechtigten Erfolg gelangt.

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