Denn sie wissen nicht, was sie sind

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Zur Lage der österreichischen Universitäten zwischen "Habsburg" und "New Public Management". von

In den gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen spielen die Universitäten keine Rolle. Wohl die Studiengebühren, das sagt eigentlich schon alles: Das Interessanteste an den Universitäten scheint ihre Finanzierung zu sein.

Es ist noch nicht allzu lange her, da erhoffte man sich die Rettung der Gesellschaft von der Universität. Das durchwehte in letzten Ausläufern noch den Beginn meines Studiums Mitte der 1970er Jahre, produzierte manch interessante Aufbrüche und viel Bewegung, war im Ganzen aber einigermaßen vermessen, bisweilen reichlich naiv und manchmal auch hoch ideologisch, also arrogant.

Heute erhofft man die Rettung der Universitäten von der Gesellschaft, speziell von ihren neueren, mit ökonomienahen Kalkülen operierenden Steuerungsinstrumenten aus dem New Public Management. Auch das produziert manch interessante Aufbrüche und viel Bewegung, ist im Ganzen aber ebenfalls vermessen, bisweilen reichlich naiv und manchmal auch hoch ideologisch, also arrogant.

Die österreichische Universitätsreform des Universitätsgesetzes 2002 ist auch ein Zeugnis davon, dass diese Gesellschaft die Universitäten wenig kennt und letztlich auch wenig achtet. Sie macht sie daher zu etwas, was man kennt und achtet: zu einem Unternehmen, zu einem Wissens-und Absolventen-Produktionsunternehmen. Das legitimiert natürlich noch nicht das, was vorher war, diese merkwürdige und sehr österreichische Melange aus sozialistischer Gremien-und bürgerlicher Ordinarienuniversität. Die argumentative Rhetorik, Neues mit den Schwächen des Alten zu begründen, funktioniert aber logisch weder in die eine, noch in die andere Richtung.

Beute der Ministerialbürokratie

Die österreichische Universitätsreform zeigt jenseits ihrer gelungenen und ihrer problematischen Teile etwas wirklich Einschneidendes: Die Universität hat die Definitionshoheit über sich verloren. Nun hat freilich niemand mehr in spätmodernen Zeiten ein Definitionsmonopol über sich, kann niemand mehr anderen vorschreiben, als was und wie man verstanden werden will. In einer Demokratie haben Regierung und Parlament zudem im Rahmen der Verfassung ganz selbstverständlich die Gestaltungshoheit auch über die Universitäten. Die Universität, um hier den Kollektivsingular bewusst zu gebrauchen, hat aber in den letzten Jahrzehnten nicht nur das Definitionsmonopol und auch die Definitionshoheit über sich selbst verloren, sie hat gleich jede eigene Definition von sich verloren. Das ist erschreckend.

Wenn man so etwas mit sich machen lassen muss, ist man zum Teil immer auch selber schuld. Weil die Universität sich selbst nicht mehr wichtig genommen und geachtet hat, wurde sie zum Sanierungsfall, zur leichten Beute einer Ministerialbürokratie mit Gestaltungswillen.

Die neo-konservative Parole etwa, es käme an der Universität nur auf möglichst praxisnahe Berufsausbildung, schnellere Studienzeiten und effiziente Lernorganisation an, hat offenbar nunmehr selbst die konservativen Wissenschaftseliten erreicht - die progressiven aber schon lange zum Schweigen gebracht. Natürlich ist eine effiziente und nutzenorientierte Studienorganisation erstrebenswert, sie macht aber die Universität nicht aus und im Übrigen wohl nicht einmal den späteren Berufserfolg der Studierenden.

Neue Wissenschaftsreligion?

Das alles macht indirekt, aber deutlich klar: Die Universität hat ihre Selbstbestimmungskraft verloren. Zwar gibt es Phänomene einer gewissen Renaissance der Wissenschaftsreligion, gruppiert etwa um Bio-und Informationswissenschaften. Diese Renaissance geht aber nicht von den Universitäten aus, sondern benutzt sie und die Hoffnungen, die Forschung produzieren kann. Und sie benutzt die Geldabhängigkeit der Forscher und ihre große Bereitwilligkeit zu sehr vielem, so es nur Anerkennung und Finanzmittel bringt.

Die aktuelle Renaissance der Wissenschaftsreligion verkörpert die bedrohte Religion von heute in der Phase ihrer letzten aggressiven Gegenoffensive, in jener Phase also, in der die katholische Kirche sich ungefähr von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts befunden hatte. Die Parallele gibt übrigens noch mehr her: Universität und katholische Kirche haben etwa das gemeinsame Problem, dass sie gegenwärtig schlechter da stehen als das, was sie vertreten. Auf Wissenschaft und Religion setzt man wieder - vielleicht ein wenig naiv - kollektiv und privat manche Hoffnungen, Universität und Kirche aber gelten nur bedingt als attraktiv und jedenfalls als reformbedürftig. Fast wirken sie wie Institutionen, die das, was sie vertreten, solide verwalten, aber auch nicht mehr, eher weniger, und die sowohl ihre organisationelle wie thematische Souveränität zunehmend verlieren.

Vielleicht kann man ihnen ja auch das gleiche empfehlen: Bestimmungen ihrer selbst zu entwickeln, die weder dem genügen wollen, was man an sie heranträgt, noch bloß diesen gesellschaftlichen Ansprüchen einen letztlich resignativen Konservativismus entgegenhalten. Mit anderen Worten: zu empfehlen ist beiden selbstkritische Souveränität und reflexive Selbstbestimmung, also wirkliche Autonomie.

Die österreichische Universität befindet sich zur Zeit irgendwo zwischen "Habsburg", alt-sozialistischer Gremienseligkeit und reformerischen New Public Management. Rein ästhetisch betrachtet keine uninteressante Lage. Aber sie ist eine Verführung. Denn sie verschleiert die Zieldiskussion: Welche Universitäten braucht diese Gesellschaft? Und was wollen die Universitäten selbst? Die Diskussion über die Steuerungsinstrumente darf nicht länger jene über die Steuerungsziele verdrängen.

Der Autor ist Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz, war von 2001 bis 2006 Mitglied des Senats der Universität Graz und 2004 bis 2006 Sprecher der

Professorenkurie im Senat.

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