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Der ausgebeutete Käufer

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Die Bewältigung des Überflusses ist heute zum Kernproblem wirtschaftlicher Überlegungen und zur wesentlichen Antriebskraft für die Integrationsbemühungen geworden. Vor allem gilt das für die Güter des periodischen Bedarfes, etwa für Kleidung und technische Haushaltgegenstände. Je weniger der Bedarf der Menschheit von den elementaren Bestimmungsgründen des Hungers festgelegt ist und je mehr der Konsument die Chance hat, Güter des abweisbaren Bedarfes zu erwerben, um so schwieriger ist die Verkaufssituation für die Erzeuger dieser Güter, die nunmehr nicht so sehr Güter verkaufen, sondern wie es uns Packard darstellt („Die geheimen Verführer”), Kunden „kaufen” müssen.

Zur Vergrößerung des Absatzes dienen

• die Weckung neuer und die Intensivierung schon vorhandener Bedürfnisse,

• die Reduktion der Verbrauchsperioden und die Provokation einer sachlich noch nicht gerechtfertigten Ersatznachfrage. Dies geschieht durch den „Verkauf von Unzufriedenheit” mit den schon im Besitz befindlichen Gütern, durch einem Absatz von Gegenständen an Personen, die sie nicht benötigen, zu einem Zeitpunkt, in dem sie nicht das erforderliche Kaufvermögen haben; ferner durch eine Produktvariation und Produktdifferenzierung auch bei Gütern, die bisher in langen Perioden genutzt wurden (Haushaltgeräte). Die Produktionsveränderungen sollen zu einer Entwertung der in den Händen der Konsumenten befindlichen Typen führen, wobei wir freilich nicht vergessen dürfen, daß das Bewerten eine höchst subjektive, von einem Komplex von Bedingungen bestimmte Entscheidung darstellt; und schließlich durch ein vorweg in den Ablauf der Herstellung eingeplantes, künstliches Veralten der Produkte (= Obsoleszenz).

Neben den Qualitätswettbewerb trijt der.jFreis.-. und noch mehr der Novitätewettbewerb. Nicht ‘-mehr die Qualität eines Produktes (die Nutzungsdauer, der Wirkungsgrad), sondern seine vorgetäuschte Billigkeit, seine Novität und seine Eignung, Prestigebedürfnisse zu befriedigen, treten in den Vordergrund des Wettbewerbes.

Vernichtende Forschung

Die Methoden des im Herstellungsverfahren eingeplanten künstlichen Veraltens, die geradezu projektierte Qualitätsverschlechterung erfolgt in unterschiedlichen Formen und ist als technische Obsoleszenz zu einem wesentlichen Bestandteil der Produktionsverfahren bei nicht wenigen Gütern geworden.

Bestandteile beispielsweise, deren Nutzungsdauer mit den anderen, im Montageverfahren zu einem Ganzen zusammgefügten Bestandteilen nicht synchronisiert wurde, sondern erheblich kürzer ist, bestimmen — und reduzieren — die Nutzungsdauer des ganzen Stücks.

Oder; Bei manchen Waren werden „Soll-Bruchstellen” („funktionelle Obsoleszenz”) eingebaut. In den USA haben beispielsweise die Produzenten von Glühbirnen und von Kühlschränken ein eigenes Forschungsprogramm (!) entwickelt, dessen bemerkenswertes Ziel es ist, Methoden zur Herabsetzung der Lebensdauer der von ihnen hergestellten Waren zu entwickeln (W. Märzen in „Zeitschrift für Betriebswirtschaft”, Wiesbaden 2/1963). Wenn man die Haltbarkeit von Glühbirnen kontinentaler Provenienz von heute mit jener von ehedem vergleicht, muß man annehmen, daß nicht wenige Erzeuger die höchst eigenartigen nordamerika- nisehen „Erfindungen” zur Verkürzung der Lebensdauer der Erzeugnisse bereits mit Erfolg anwenden.

Suggestive und wortgewaltige Werbemethoden sollen schließlich die bereits genutzten und noch durchaus verwertbaren Güter psychologisch „schrottreif” machen („psychologische Obsp- leszenz”). „

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