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Der gute Tip

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Im österreichischen Zentrum Produktform (Design Center) im Gartentrakt des Palais Liechtenstein wurde am 25. März 1966 die Sonderschau „Der gute Tip“ vom Präsidenten des österreichischen Institutes für Formgebung, Konsul Mautner Markhof, eröffnet Es ist dies die erste der kurzfristigen Sonderveranstaltungen, die zwischen den jeweils mehrere Monate hindurch gezeigten österreichischen Produktschauen eingerichtet wurde. Diese Veranstaltung unterscheidet sich grundsätzlich von der Produktschau dadurch, daß ein ganz bestimmtes Thema behandelt wird und daß zu diesem Thema nicht nur österreichische, sondern auch ausländische Erzeugnisse gezeigt werden.

An die Hausfrauen

Ihrem Wesen nach wendet sich diese Sonderschau vor allem an die Hausfrau, die einen wesentlichen Teil des für Einkäufe zur Verfügung stehenden Familienbudgets verwaltet und vor allem auf ihrem eigenen Arbeitsgebiet die letzte Entscheidung trifft, was anzuschaffen ist. Deshalb wurde auch versucht, in dieser Ausstellung einen tatsächlichen Überblick über das Angebot auf dem österreichischen Markt zu geben, wobei natürlich immer vorausgesetzt wird, daß es sich um solche Erzeugnisse handeln muß, die den Grundanforderungen guten Designs entsprechen.

Die Hausfrau — sei sie nun nur Hausfrau oder auch noch außerdem berufstätig — muß heute ihre Pflichten fast immer allein und ohne Hilfe erfüllen. Sicherlich sind die Wohnungen im Durchschnitt nicht mehr so groß wie früher, dafür aber sind die Ansprüche an Behaglichkeit und Komfort, Ansprüche wie sie auch häufig der Ehegatte stellt, eher gewachsen. Dienstpersonal ist fast nicht zu bekommen oder unerschwinglich teuer. Es gilt aber noch immer die Wohnung sauber zu halten, die Kinder zu versorgen und die vielen anderen Dinge zu tun, die trotz aller Emanzipation der Frau überlassen und auch letzten Endes gerne von ihr ausgeführt werden. Hingegen kann und will die moderne Frau nicht darauf verzichten, auch Anteil am gesell-schaftličhen und kulturellen Leben zu nehmen, sie muß es sogar im Interesse ihres Mannes und ihrer Kinder tun, sie soll gepflegt und elegant aussehen und gerade dort, wo geschäftliche Interessen des Gatten am Spiel stehen, eine charmante Gastgeberin und Gesellschafterin sein. All dies ist nur bei möglichster Rationalisierung der Hausarbeit und bei Verwendung aller jener Hilfsmittel möglich, die die moderne Technik für den Haushalt geschaffen hat.

Die Wahl erleichtern

Die Bereitschaft zur Verwendung technischer Hilfsmittel und Geräte ist zweifellos bei allen Hausfrauen vorhanden, und für die nötigen finanziellen Mittel kann auch gesorgt werden. Damit ist es aber noch nicht getan, denn in der Praxis sieht sich die Hausfrau einem erdrückenden Angebot von Maschinerien und „Gadgets“ gegenüber, die ihr von einer im harten Konkurrenzkampf sich selbst übersteigernden Werbung angepriesen werden. Die Tatsache aber, daß viele dieser Geräte in der Art ihrer Funktion und Verwendung für die Hausfrau zunächst überhaupt neu sind, beziehungsweise daß immer wieder neue und angeblich bessere Modelle herausgebracht werden, führt dazu, daß oft Fehlentscheidungen getroffen werden. Dann aber gibt es Ärger, Unzufriedenheit und üblicherweise auch eine Lücke im Budget, die sich nur schwer wieder füllen läßt.

Die Sonderschau im Zentrum Produktform will nun dazu beitragen, daß der Hausfrau die Wahl erleichtert wird. Es geht dabei nicht nur um das «gute oder gar moderne Aussehen der Geräte. Wenn man Design oder auch Formgebung (wie der eingeschränktere deutsche Ausdruck heißt) richtig versteht, meint man nicht bloß die äußere Hülle eines Gegenstandes, sondern man darf voraussetzen, daß die gute Gestaltung der Ausdruck innerer Qualität ist und neben dem Ästhetischen auch funktionelle Vorteile für den Käufer bietet. Sicherlich gibt es immer wieder Hausgerät in verschiedenen Preislagen oder solches, das für verschiedene Bedürfnisse entwickeltwurde, die Voraussetzung der besten Qualität läßt sich auch bei einem größeren Marktangebot nach dem Merkmal des Design feststellen.

… und kritische Prüfung ermöglichen

Nicht zuletzt geht es also den Veranstaltern darum, den Hausfrauen in ihrem eigenen Interesse die Augen zu öffnen, wo eine kritische Prüfung einsetzen muß, bevor ein Kauf zustande kommt. Ein wesentlicher Bestandteil guten Designs ist ja die Funktionstüchtigkeit und die Zweckentsprechung. Nur allzu leicht geschieht es, daß ein Gegenstand, der scheinbar „alle Stückln spielt“ oder der durch seine Neuheit besticht, gar nicht wirklich jene Funktion erfüllt, die ihm im Haushalt zugedacht ist. Die Gegenstände, die im Zentrum Produktform gezeigt werden, sind von Fachleuten daraufhin geprüft, ob sie funktionell einwandfrei sind und daher eine echte Dienstleistung für den Käufer bieten. Die Funktion erschöpft sich dabei nicht nur in der technischen Bewältigung einer Aufgabe — es kommt also zum Beispiel nicht nur darauf an, daß ein Staubsauger überhaupt arbeitet und den Staub entfernt, sondern auch darauf, ob er handlich ist, ob er auch das Heranarbeiten an Ecken und Fugen ermöglicht und ob die Entfernung des gesammelten Staubes auf leichte und saubere Weise vor sich gehen kann. Sicherlich selbstverständliche Voraussetzungen, die dennoch sehr oft zu wenig beachtet werden. Hier aber will man zur kritischen Beobachtung anregen und durch Vergleichsmöglichkeiten geradezu herausfordern, und man hofft, daß diese kritischen Maßstäbe, einmal an einigen Beispielen erprobt, später auch immer wieder bei jedem einzelnen Kauf herangezogen werden.

Ein weites Gebiet

Es erstaunt beinahe ein wenig, wenn man beim Besuch der Ausstellung inne wird, welch weites Gebiet das Thema Hausgerät umfaßt. Das sind zunächst die eigentlichen Kücheneinrichtungen, die Kühlschränke, Herde, Speicher usw., die in einer Vielzahl von Modellen angeboten werden. Hier ist es wesentlich, sich darüber klar zu werden, ob der gewählte Gegenstand in die vorhandenen Räumlichkeiten paßt und wieviele Personen zu versorgen sind. Mit anderen Worten: Der 100-Liter- Kühlscihrank in der Garęonniere ist ebenso sinnlos wie ein zweiflammiger Küchenherd für einen Sechspersonenhaushalt.

Die Küchenmaschinen und die eigentlichen Küchengeräte sind vielleicht die größten Verführer auf dem derzeitigen Haushaltsmarkt: Sie scheinen unendlich praktisch und sie sind es auch, wenn man genau abwägt, welche Bedürfnisse sie erfüllen müssen. Der Spieltrieb der Männer pflegt hier manchmal die Besitzfreude der Hausfrauen zu überrunden. Letzten Endes aber benützt doch die Frau diese Geräte, und sie muß überlegen, ob sie ihrem Empfinden nach sicher funktionieren, ob sie leicht zu handhaben sind und ob sie leicht sauber zu halten sind.

Waschmaschinen und Reinigungsgeräte sind heute zu technischen Hausgeistern geworden. Daß sie manchmal auch als Prestigeanschaffungen zur Repräsentation benützt werden, mindert nicht ihren Wert oder nur dann, wenn das Produkt selbst nicht gut ist. Hier allerdings spielt der angemessene Preis für ein gutes Erzeugnis nicht zuletzt eine wesentliche Rolle.

Heiz- und Kinogeräte werden in zahllosen Typen und Ausführungen angeboten. Auf diesem Gebiet haben die Designer in den letzten Jahren überraschende Verbesserungen auch in der technischen Funktion und in der Leistungsfähigkeit erzielen können.

Die sogenannten Arbeitsgeräte im Haushalt sind durch Verwendung immer neuer Mate- riaiien und durch die Durchsetzung der sauberen und zweckentsprechenden Gestaltung manchmal kaum mehr wiederzuerkennen: Man denke nur an die schweren unförmigen Bügeleisen von einst und vergleiche sie mit den leichten und der Hand angepaßten Modelle von heute. Dasselbe gilt für Nähmaschinen, wo der Sicherheitsfaktor immer mehr im Vordergrund steht.

Der Konsument entscheidet

Schließlich aber gehören zum Gebiet der Hausgeräte auch Tischutensilien aller Art. Sie sind vielleicht das älteste Arbeitsgebiet der Designer, weil Glas, Porzellan und Besteck neben dem rein funktionellen Wert immer schon Raum für ästhetische Wünsche und Möglichkeiten offen ließ. Der Zug zur Vereinfachung und Betonung der Sachlichkeit schließt die Freude an Farben und schönem Material keineswegs aus, sondern hat völlig neue Aspekte der Gestaltung eröffnet.

Vielleicht ist es der größte Vorzug dieser Ausstellung, daß sie sich bemüht, eine im Überangebot der Wohlstandsgesellschaft fast vergessene Tatsache klarzustellen: Daß nämlich der Konsument einen wesentlichen Einfluß auf die Produktion ausüben kann, einfach dadurch, daß er wählt und richtig wählt. Umgekehrt könnte man sagen, daß der Konsument jene Waren erhält, die er verdient, und daß er um so mehr Qualität zu kaufen bekommt, je mehr er selbst danach verlangt. Sicherlich liegen die Dinge in der Praxis nicht ganz so einfach. Vor allem aber muß der Konsument, dessen kritische Auswahl auf die Herstellung zurückwirkt, überhaupt erst in die Lage gesetzt wenden, Qualität zu sehen. Diese Erziehung zu gesunder Kritik in funktioneller und geschmacklicher Hinsicht soll und kann nicht lehrhaft oder durch billige Reklame, schon gar nicht aber durch die Herabminderung von Konkurrenzprodukten erreicht werden, sondern einzig und allein dadurch, daß man dem Käufer, und in diesem Fall ist es in erster Linie die Hausfrau, vor Augen führt, welche Merkmale er beachten muß, um Qualität zu erkennen und welche Forderungen er stellen muß, damit er sie erhält. Damit ist aber auch für die produzierende Wirtschaft ein Ansporn gegeben, die Produktion auf Qualität und echte Dienstleistungen zu konzentrieren. Und gerade die Hausfrau wird es letzten Endes schätzen, wenn sie nicht mehr einer mechanisierten Umgebung ausgesetzt ist, in der zurechtzufinden vielleicht einem gelernten Mechaniker, aber nicht einer überbeschäftigten Frau zuzumuten ist, sondern wenn alle die Geräte, die zu ihrer Erleichterung erdacht und angeboten werden, tatsächlich zweckmäßig, schön und preiswert sind. Dann und nur dann leisten sie einen echten Hilfsdienst und helfen Zeit und Arbeitskraft sparen, die Mann und Kindern und einem glücklichen Familienleben zugute kommen.

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