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Der Laie ist aufgerufen

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Am Samstag, dem 10. Februar 1968, tagte im Bildungshaus Lainz in Wien die Zentralkommission der Wiener Diözesansynode und faßte für die weitere Verfahrensweise der Wiener Synode einige grundlegende Beschlüsse.

Zunächst muß als bedeutsam festgehalten werden, daß es in der Zentralkommission der Synode — das ist jenes Gremium, in dem die Vorsitzenden und Berichterstatter der einzelnen synodalen Kommissionen, Suibkommission-en und Arbeitskreise vertreten sind — erstmals zu Abstimmungen gekommen ist. Drei Fragen im Entwurf eines Statuts für die Synode lagen zur Beschlußfassung vor.

Eine Synode in mehreren Sessionen

• Die Fülle des Stoffes, der von dieser Synode zu behandeln ist, und der unterschiedliche Stand der Vorbereitungsarbeiten der einzelnen Kommissionen führten zu der übereinstimmenden Überzeugung, daß die Synode der Erzdiözese Wien nicht in einem einmaligen Vorgang bewältigt werden kann. Es ergab sich also die Frage, soll eine Synode, jedoch in mehreren Sessionen, abgehalten werden, oder soll der vorhandene Stoff auf mehrere abgeschlossene Synoden verteilt werden. Mit überwältigender Mehrheit entschied sich die Zentralkommission für die Durchführung einer Synode in mehreren Sessionen, wobei die einzelnen Debattenredner im wesentlichen drei Gründe anführten: Die Durchführung in mehreren Sessionen und nicht in einzelnen abgeschlossenen Synoden erzeugt einen stärkeren moralischen Druck, die Synodalarbeit fortzusetzen; wenn auf Grund des Standes der Vorbereitungen in der ersten Session noch nicht die entscheidendsten Materien der Synode behandelt werden, so wird dies optisch weniger schlecht auffallen, als „magere” Ergebnisse einer ersten Synode; die Durchführung einer einzigen Synode in mehreren Sessionen garantiert die personelle und organisatorische Einheit der gesamten Synode — mehrere Synoden hätten gesonderte Vorbereitungen und neue personelle Zusammensetzungen erfordert und einen damit höheren technischen Aufwand mit sich gebracht.

• Die zweite grundlegende Entscheidung betraf die Zusammensetzung der Synode. Die Synode, wird — mit grundsätzlicher Zustimmung aus Rom — ungefähr zur Hälfte aus Priestern und zur Hälfte aus Laien bestehen, wozu noch eine bestimmte Anzahl von Ordensfrauen hinzugezählt werden wird. Die Beweggründe für diese im geltenden Kirchenrecht in keiner Weise vorgesehene Zusammensetzung waren die neu entdeckte Verantwortlichkeit des gesamten Volkes Gottes im Konzil und die Sicherstellung der Beteiligung eines großen Teiles jener Personen, die an den Vorarbeiten für die Synode mitgewirkt haben.

• Die dritte Entscheidung schließlich betraf den Modus der Auswahl des an der Synode teilnehmenden Personenkreises. Hier entschied sich die Zentralkommission für eine Dreiteilung in unmittelbare Wahl aus den regionalen Synodalkonferenzen (Priester und Laien wählen ihre Vertreter), in Delegierung (die Laien werden von den verschiedenen Organisationen des Laienapostolats, die Priester aus den Priestern der kategoriellen Seelsorge delegiert) und in Berufung durch den Bischof. Demnach werden zwei Drittel der Synodalen direkt oder indirekt gewählt. Das letzte Drittel wird vom Bischof berufen, wobei besonders jene Personen berücksichtigt werden sollen, die für die Beratungen der Synode wichtig sind, jedoch auf dem Wege der Wahl oder Delegierung nicht in die Synode entsandt wurden.

gen in der Synode zuerst zu besprechen.

Welche Konzepte liegen nun vor? Im wesentlichen handelt es sich um den Entwurf einer neuen Raumordnung für die gesamte Diözese, einen Entwurf für ein Konzept einer Stadtkirche (siehe „Furche” Nr. 39/ 1967) und die Vorschläge einer Neuordnung des pfarrlichen Lebens, darunter insbesondere der Entwurf des Arbeitskreises „Diagnose der Situation in der Erzdiözese Wien” mit dem Titel „Dienstleistungen in der Pfarrgemeinde”. Es soll hier auf jenes letztgenannte Konzept noch näher eingegangen werden- Der Arbeitskreis legt mit dem Konzept „Dienstleistungen in der Pfarrgemeinde” einen Vorschlag vor, „der einer größeren Anzahl von Laien die Wahrnehmung von Pflichten und Rechten in der Pfarrgemeinde anbietet”, wie es im Informationsdienst der Synode heißt. Es soll damit eine „dauernd verankerte Multiplikation der verantwortlichen personellen Kräfte für die apostolische Aufgabe” erreicht werden. Von welchen Voraussetzungen geht der Arbeitskreis aus?

Die Laien sind in den letzten fünfzig Jahren immer wieder zu einer stärkeren Mitarbeit in der Kirche aufgerufen worden. Es haben sich verschiedene Formen des Laienapostolates entwickelt, die jedoch in vielen Fällen neben der offiziellen Kirchenstruktur ihre Tätigkeit entwickelt haben. Das Konzil hat in einzigartiger Weise die Kirche als Volk Gottes dargestellt, das in seiner Gesamtheit der Welt als Zeichen des Heiles dienen soll. Die Konsequenz dieser neuen Schau der Kirche bedeutet, daß die Erfüllung der Aufgaben, die in der Kirche zu bewältigen sind, allen Christen und nicht nur bestimmten Amtsträgern zukommt. Man kann daher grundsätzlich nicht in aktive, weniger aktive und passive Christen scheiden, sondern alle sind berufen, am Heilswerk mitzuwirken. Jeder erhält hierzu auch die erforderliche Gnade. Diesen theologischen Überlegungen entspricht bereits eine breite Bereitschaft zur Mitarbeit in der Kirche, die in Österreich nicht erst durch das Konzil geweckt wurde, aber doch entscheidende Impulse erfahren hat.

Der zweite theologische Ansatzpunkt kommt von der in den letzten Jahren entwickelten Theologie der Gemeinde. „Die Pfarrgemeinde ist für den Christen der gegebene Ort, das Zeugnis des Beispiels, des Wortes abzulegen und sich am Aufbau des Volkes Gottes zu beteiligen.” Jede Gemeinde hat bestimmte Grundfunktionen zu erfüllen. Es sind dies: Die Verkündigung der Botschaft Jesu Christi; Liturgie und Kult; die Liebestätigkeit, insbesondere die Hilfeleistungen für Kinder, Jugend, Arme, Kranke, Vereinsamte und Sterbende.

Womit beginnt die Synode?

Die übrigen Fragen des Statuts werden bei einer neuerlichen Sitzung der Zentralkommission entschieden werden. Vorrangigkeit besitzt jedoch jetzt die Frage, welche Probleme aus der Fülle des vorbereiteten Materials die erste Session der Wiener Synode behandeln soll.

Verschiedene Arbeitskreise der Synode haben Vorschläge für organisatorische Konzepte und Strukturänderungen der Diözese vorgelegt. Aus mehreren Gründen erscheint es als ratsam, sich in einer ersten Session mit diesen Grundkonzepten zu befassen, die schon in fertiger Form vorliegen. Wenn bereits zu Beginn der Synode über die neuen Strukturen entschieden wird, so werden damit bereits die Weichen für die Durchführung der synodalen Ergebnisse gestellt. Außerdem gewährleisten die bereits durchgeführten Strukturänderungen eine bessere Effektivität der weiteren synodalen Arbeit.

Schließlich kann bei den theoretischen und praktischen Überlegungen der weiteren synodalen Arbeit bereits von den neuen Strukturen ausgegangen werden, das heißt, die Vorschläge der Synode werden nicht im luftleeren Raum ohne Bezug auf jene, die sie dann durchführen werden, sondern bereits im Hinblick auf die Durchführungsbestimmungen abgefaßt.

Mitarbeit mit klaren Kompetenzen

Die Synode hat in ihrer derzeitigen Phase, die man allerdings als die Phase der Öffentlichkeitsarbeit bezeichnet, eine bisher ungeahnte und auch ungewohnt breite Beteiligung der Öffentlichkeit erbracht. So wird etwa die Beteiligung von zirka zehn Prozent der Empfänger des Briefes von Kardinal Dr. König an der Umfrage von Fachleuten als außerordentlich hoch bezeichnet. Die dicht besuchten pfarrlichen und regionalen Synodalkonferenzen haben in ihren Stellungnahmen repräsentative Ergebnisse erbracht. Aus dieser Beteiligung der Öffentlichkeit an den Synodalberatungen läßt sich eine große Bereitschaft des Kirchenvolkes — und zwar über den bisher üblicherweise erfaßten Bereich hinaus — erkennen, sich für eine Mitarbeit an konkreten Aufgaben bereit zu erklären.

Überhaupt ist es jener Zug zu einer stärkeren Mitarbeit in Sachlagen für eine bestimmte Zeit und ein bestimmtes Projekt, der die Mitarbeit in der Synode Wien kennzeichnet. Daneben steht der Wunsch der Mitarbeiter in der Synode — dem nicht zuletzt in den Grundsatzbeschlüssen über die synodale Zusammensetzung entsprochen wurde — nach klar abgegrenzten Rechten und Pflichten.

Stellt man zwischen diesen beiden Beobachtungen — breite Bereitschaft zur Mitarbeit und Trend zur Mitarbeit in bestimmten Sachgebieten auf Grund der Ausstattung mit klaren Kompetenzen — und den oben vorgeschlagenen Themen für eine erste Session eine Beziehung her, so ergibt sich aus diesen beiden Beobachtungen eine weitere Bestätigung der Notwendigkeit, die Strukturfra.

Das ganze Volk Gottes ist Träger

Das ganze Volk Gottes ist Träger dieser Heilsaufgaben, zwar tragen die Priester in spezifischer Weise Verantwortung am Aufbau und in der Leitung der genannten Dienste und Grundfunktionen, doch nehmen auch die nicht zu Priestern geweihten Ordensleute und die Laien an diesen Diensten teil.

Zu diesen theologischen Grundforderungen treten die soziologischen Gegebenheiten. Der immer spürbarer werdende Priestermangel führt dazu, daß Orte in Landgebieten, die bisher ständig mit einem Pfarrer besetzt waren, nicht mehr versorgt weiden können. Pfarrzusammen- legungen schaffen in diesen bisher ständig mit einem Priester besetzten Orten ein Vakuum, dem in wirksamer Weise begegnet werden muß. In den Stadtpfarren ist die Situation bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts als ungenügend zu betrachten. Riesige Pfarren werden von einer kleinen Zahl von Priestern betreut und gewährleisten keine echte Gemeindebildung.

Das vorliegende Konzept legt nun nahe, auf dem Lande in den Großpfarren eine entsprechende Gliederung in Sprengel mit zirka 600 bis 1000 Katholiken zu schaffen, und in analoger Weise Großstadtpfarren in Sprengel mit zirka 2000 bis 2500 Katholiken zu unterteilen, wobei Ansatzpunkte für diese Unterteilung in bestimmten Wohnvierteln, Straßenzügen oder größeren Pfarrteilen gegeben sein könnten. Es wird nun vorgeschlagen, „in diesen Sprengeln (Teilgemeinden), die notwendige Substrukturen der großen Pfarren darstellen, Möglichkeiten dafür zu schaffen, daß speziell vorzubereitende Teams von Katholiken jene Dienstleistungen aufnehmen, die für das Leben der Gemeinde notwendig sind” (ein Team für Verkündigung, für Liturgie, für Hilfeleistungen, für Verwaltungsaufgaben, bestehend aus je drei bis vier Personen).

Die Teams bestimmen ihre Leiter, diese unterstützen den Priester in der Durchführung der Aktivitäten, helfen ihm im Aufbau und nehmen dadurch an der Verantwortung im Leben der Teilgemeinde mit dem Priester teil. In der Großpfarre sind die einzelnen Sprengel durch je einen Vertreter repräsentiert, diese Vertreter bilden mit dem Pfarrer und den Kaplänen ein mitverantwortliches Gremium.

Der Arbeitskreis spricht sich sodann dafür aus, für diese Dienste eine verfaßte Ordnung anzubieten und jene Personen, die sich für solche Dienstleistungen zur Verfügung stellen, mit einem ausdrücklichen Mandat und klar umschriebenen Rechten und Pflichten auszustatten.

Einige Vorschläge dienen bereits der Verwirklichung dieses Planes. Priester und Laien sollten gemeinsam die Einteilung des Pfarrgebietes in Sprengel vornehmen und die Auswahl der auszubildenden und zu engagierenden Christen zu vollziehen. Den katholischen Organisationen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Ihre Arbeit in der Erziehung, Weckung und Pflege des religiösen Wissens schafft in ihren Mitarbeitern in besonderer Weise die Voraussetzung zur Übernahme der genannten Dienstleistungen. Die spezifische Ausbildung der Mitarbeiter der genannten Teams müßte in dezentralisierter Weise in den Land- gebdeten für mehrere Dekanate gemeinsam an Ort und Stelle geleistet werden. Im Gebiet der gesamten Diözese könnten den Katholiken Volksbildungshäuser, Exerzitienhäuser und freiwerdende Pfarrhöfe als Ort der Ausbildung dienen.

… über die Wiener Diözese hinaus

Der hier skizzierte Vorschlag stellt über den Rahmen der Wiener Diözesansynode hinaus einen Entwurf für eine Aktivierung und Verlebendigung unserer territorialen Gemeinden dar, der nicht an eine Diözese gebunden ist. Manche Konsequenzen könnten sich aus der Verwirklichung dieses Entwurfes für die Vermehrung des aktiven christlichen Potentials ergeben. Viels Initiativen könnten, ausgestattet mit einem klaren Auftrag, aus der Sphäre des Zufälligen und Vorübergehenden gehoben werden. Es bleibt nur zu wünschen, daß dieser Vorschlag entsprechenden Eingang in die Wiener Synode findet.

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